Unser Auge - Das Wunder des Sehens

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Unser Auge - Das Wunder des Sehens
Unser Auge - es steuert 70 Prozent unserer geistigen Aktivitäten. Grund genug also,
dass die Forschung es jetzt unter die Lupe nimmt.
Allerlei ums Auge
Spiegel der Seele
Nach aussen sichtbar offenbart das Auge Emotionen wie Trauer, Freude oder Angst,
indem sich die Pupille erweitert (positive Gefühle) oder verengt. Doch es leistet noch
viel mehr. Die Informationen, die es wahrnimmt, lösen 70 Prozent aller unserer
Handlungen aus. Und, so neueste wissenschaftliche Erkenntnisse: Das Auge hat die
Entwicklung des Gehirns massgeblich geprägt.
Hochleistungslinse
Die menschliche Pupille, das "Kameraobjektiv" des Auges, nimmt in jeder Sekunde
etwa 40 Millionen Lichtinformationen auf und überträgt die Datenflut via Nerven auf
die Netzhaut, die sich am hinteren Rand des Augapfels befindet. Sie ist etwa so
gross wie eine Briefmarke, versehen mit knapp 130 Millionen Sehzellen, die die
unterschiedlichen Lichteinfälle vorcodieren.
Im Zentrum des Sehens
Die Stelle, in der aus Reiz Erkenntnis wird, heisst "Fovea". In dieser Grube im
Zentrum der Netzhaut laufen Sehzellen und Nervenbahnen zusammen, um die
angekommenen Lichtreize zu bündeln und dem Sehnerv zuzuführen.
Die Leistung des Auges
Versuche mit Folgen
Ein Kurzschluss im Gehirn lieferte den Forschern vom Massachusetts Institut of
Technology den entscheidenden Hinweis. Bei einem Versuchstier war das
Sehzentrum ausgefallen - es war völlig erblindet. Kurzerhand entschlossen sich die
Wissenschaftler, die Sehnerven mit dem Hörzentrum zu "verdrahten". Das
sensationelle Resultat: Das Tier konnte binnen Tagen wieder normal sehen sozusagen mit den "Ohren".
Aus dem bahnbrechenden Versuch gewann man zwei Erkenntnisse, die in der
Fachwelt grosses Aufsehen erregten:
Wahrscheinlich ist auch beim Menschen möglich, was beim Tier gelang - ein
ausgefallenes Sinneszentrum durch ein anderes zu ersetzen. Ungeheure TherapieChancen für Schlaganfallpatienten und Blinde könnten sich daraus ergeben.
Und was erst jetzt in dieser Deutlichkeit klar wurde: Das Auge hat die Entwicklung
des Gehirns massgeblicher als alles andere vorangetrieben.
40 Millionen Infos pro Sekunde
Gestützt wird obige These auch von den immensen Fähigkeiten, über die das Auge
verfügt und die jetzt von der Forschung enthüllt wurden.
So übermitteln die Sehorgane 90 Prozent aller für das Gehirn relevanter
Informationen. Sei es über die Kaffeetasse auf dem Küchentisch oder den
Spiralnebel im All, den der Mensch mit blossem Auge sehen kann und der 2.5
Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt ist. In jeder Sekunde nehmen die Augen
unvorstellbare 40 Millionen Einzelheiten wahr, die uns zu mehr als 70 Prozent
unserer geistigen Aktivitäten anregen.
Für die Flut der gelieferten Informationen bedankt sich das Gehirn auf eine
einzigartige Weise: Es ermöglicht dem Auge, in die Zukunft zu schauen. Da die
Übermittlung einer visuellen Information Bruchteile von Sekunden dauert, ehe das
Gehirn sie verarbeiten kann, berechnet es ein Ereignis voraus. Etwa um uns zu
schützen. So kalkuliert es die Flugbahn eines heranfliegenden Steins, bevor er seine
Position erreicht hat. Das Auge sieht den Stein etwa 80 Millisekunden (das entspricht
etwa sechs Metern), bevor er tatsächlich eintrifft.
Ermöglicht wird dieser Hochgeschwindigkeits-Prozess durch eine andere
Glanzleistung des Gehirns: Dem "verdeckten" Erinnerungsvermögen, auf das der
Mensch keinen bewussten Zugriff hat. In ihm sind Abermilliarden Informationen
gespeichert, die im Laufe der Evolution übermittelt und von Generation zu
Generation weitervererbt und ergänzt wurden.
Ulf Eysel, Professor für Neurophysiologie an der Ruhruniversität Bochum: "Erst das
Auge hat es möglich gemacht, dass unser Gehirn in den letzten 20 Millionen Jahren
immer grösser wurde und sich zu einer derart leistungsfähigen Rechenmaschine
entwickelt hat, die zudem auch noch über Bewusstsein verfügt.
Handlanger von Auge und Gehirn
Und Tiere? Warum haben sie nicht die gleichen Fähigkeiten wie Menschen erlangt?
Schliesslich können Luchs oder Adler viel schärfer sehen als wir. Eine Laune der
Natur macht den Unterschied: Mit Krallen, Hufen und Flossen lässt es sich nur
schwer greifen. Nur die ungemein bewegliche Hand ist in der Lage, Befehle des
Gehirns so virtuos umzusetzen. Grundlage für die Intelligenzentwicklung.
Doch unsere Weiterentwicklung bezüglich Kreativität und geistiger Flexibilität droht
jetzt erstmals in der Geschichte der Menschheit ernsthaft ins Stocken zu geraten.
Denn immer schneller arbeitende künstliche Rechensysteme wie Computer nehmen
uns immer mehr Arbeit ab. Zudem lassen wir uns auch in der Freizeit immer mehr
von elektronischer Intelligenz berieseln, anstatt selbst kreativ zu sein. Eine aktuelle
Umfrage hat ergeben, dass Jugendliche heute im Schnitt sechs Stunden täglich vor
dem TV verbringen. Vor 20 Jahren waren es gerade zwei. Die Frage, die sich
Forscher stellen: Wie können wir unseren Hauptinformationsträger Auge
leistungsfähig halten? Josef Zihl, Professor für Neuropsychologie an der Universität
München: "Wer in der Lage ist, sein Auge bewusst zu trainieren, und optische
Reize nicht unreflektiert aufnimmt, schult automatisch sein Gehirn".
Also, bewusster sehen bedeutet besser verstehen. Auf den ersten Blick eine banal
klingende Formel. Doch sie ist für die geistige Entwicklung von eminenter
Bedeutung.
Zwei Kernpunkte sind dabei für die Wissenschaftler von grösster Bedeutung:
Visuelle Monotonie, z.B. übermässig langes Computerspielen, das Fixieren des
Blicks auf einen festen Rahmen, lähmt die Aufnahmebereitschaft von optischen
Informationen.
Dauert dieser Zustand an und werden den Augen nur unzureichende Alternativen
geboten, verschlechtert sich die Sehkraft und damit der Informationsfluss ans Gehirn
erheblich. "Doch mit einfachen Übungen kann man eine Menge gegen die optische
Unterforderung tun", sagt der renommierte Augenexperte Thomas Rückerl.
Der 3-Punkte-Plan
Zusammen mit Kollegen hat Augenexperte Thomas Rückerl einen 3-Punkte-Plan
erarbeitet, der den fatalen Auswirkungen gegen die Unterforderung des Auges
entgegenwirkt.
Punkt 1: Farbsehen optimieren
Die Informationsträger des Auges sind Lichtwellen. Farben haben die höchste
Auflösung. Deshalb sollten sich Menschen mit kontrastreichen Farben wie Rot oder
Blau umgeben (z.B. Möbel) - es verstärkt die Sehleistung.
Punkt 2: Räumliche Vorstellungskraft
Sie ist der Motor der Kreativität. Denn dreidimensionales Sehen setzt im Gehirn
Denkprozesse in Gang. Verschiedene räumliche Eindrücke vermitteln z.B.
Glasprismen, wenn man sie vors Licht hält, dreht und beobachtet.
Punkt 3: Verfolgen schneller Bewegungen
Es trainiert die Augenmuskulatur und verbessert so die Sehschärfe. Übrigens: Ein
Formel-1-Rennen am Fernseher anzuschauen, erzielt kaum Wirkung. Nur das
Beobachten unmittelbarer Bewegung zeigt Effekt.
Experte Rückerl: "Anhand dieser Übungen können wir unsere geistige Flexibilität um
bis zu 30 Prozent steigern und die Sehschärfe erhalten.
Das optimierte Auge
Eine Revolution bahnt sich in der medizinischen Augenforschung an. Dem
Nürnberger Physiker Professor Josef Bille ist es gelungen, eine neue Lasertechnik
zu entwickeln, die sämtliche Schwächen des Auges überwinden soll. Der neuen
Methode, die jetzt in die klinische Erprobung geht, liegt ein Messsystem zu Grunde,
das zunächst eine Sehschärfen-Landkarte des Auges anfertigt. Dabei tastet ein
Laser einen Entzerrungsspiegel ab, der aus 100'000 haarfeinen Facetten besteht.
Dieser Spiegel soll jede Unregelmässigkeit auf und in der Hornhaut erkennen
können. Ein Computer erstellt die Landkarte. Dann verdampft ein Infrarot-Laser
Dickeunterschiede der Hornhaut. Die neue Methode kommt ohne Schnitte aus. Und
sie soll in zwei bis drei Jahren angewandt werden. Professor Bille: "Mit diesem
Verfahren werden wir Sehschärfen von bis zu 200 Prozent erzielen - unabhängig von
Grad und Art der Sehschwäche. Das gilt übrigens auch für Menschen, die meinen,
keine Augenkorrektur nötig zu haben. Denn einen kleinen Sehfehler haben nahezu
alle.
Seh-Rekorde
In der Natur hat sich im Laufe der Evolution eine Unmenge verschiedenster
Sehfähigkeiten gebildet. Doch obwohl der Mensch nicht unbedingt am bestehen
sehen kann, hat sich sein Gehirn am meisten vergrössert. Er entwickelte als einzige
Spezies Bewusstsein. Wissenschaftler führen das darauf zurück, dass der Mensch
zwar nicht die schärfsten Bilder sieht, wohl aber die meisten Informationen mit den
Augen aufnimmt (40 Millionen je Sekunde).
Was die Augen der Tiere leisten - eine Hitliste
Der Riesenkalmar verfügt über das grösste Auge, Durchmesser 40 Zentimeter.
Gefolgt vom Strauss als Vertreter der Landtiere mit fünf Zentimetern Durchmesser.
Die meisten Einzelaugen hat die Königslibelle - 30'000 in jedem der beiden
Facettenaugen.
Der Tiefseekrebs Gigantocrypis verfügt über die lichtempfindlichsten Sehorgane, er
könnte bei Dunkelheit ein Buch unter der Bettdecke lesen.
Schlangen sehen Wärme
Schlangen verfügen über ein spezielles Sinnesorgan, das Wärmeunterschiede
sichtbar macht - und zwar bis zu 0.002 Grad.
Das Katzenauge leuchtet
Katzenaugen sind achtmal lichtempfindlicher als die des Menschen, weil ihre Augen
eingehendes Licht zweimal reflektieren. Deshalb können sie in der Dunkelheit viel
besser sehen. Zudem wandelt ihr Augenhintergrund für uns unsichtbares UV-Licht in
normales um - deshalb leuchten ihre Augen nachts.
Tausendäugler
Die Fliege sieht in Rastern. Das liegt daran, dass ihre Sehorgane aus tausenden
kleiner Einzelaugen besteht. Das Bildermosaik, das dabei entsteht, wird im Gehirn
zusammengesetzt. Den Vorteil dieser Augenart kennen Fliegenfänger: Die Insekten
haben einen 360-Grad-Blickwinkel, der sie vor Gefahr aus allen Richtungen warnt.
Farbenblind
Bienen können kein Rot sehen. Ihnen erscheint der leuchtend rote Klatschmohn als
grau. Dafür können sie das ultraviolette "Saftmahl" erkennen, das Menschen farblich
verborgen bleibt.
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