Vorlesung Experimentalphysik II am 4

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Vorlesung Experimentalphysik II am 25.4.1999 und 26.4.1999
J. Ihringer
6.4 Induktion, Wechselstrom
6.4.1 Induktion und Faradaysches Induktionsgesetz
Michael Faraday (*22, September 1791, †25. August 1867), zuerst als Buchbinder tätig,
Autodidakt und deshalb nahezu ohne formale Ausbildung, ab 1827 Professor der Chemie und
der Physik, entdeckte 1831 die von ihm schon lange vermutete Umkehrung des auch von ihm
zehn Jahre zuvor entdeckten Elektromotors: Er konnte zeigen, daß in einer im Magnetfeld zur
Rotation gebrachten Metallscheibe ein elektrischer Strom fließt, d.h., daß in der Scheibe eine
elektrische Spannung induziert wird. Faraday erklärte seine Beobachtungen - in Ermangelung
mathematischer Kenntnisse- mit Nahwirkung im Bereich von elektrischen und magnetischen
Feld- und Kraftlinien und begründete damit die klassische Feldtheorie.
Aus der Elektrostatik ist bekannt, daß die Bilanz des Flusses der elektrischen Feldstärke aus
den ein Volumen umgebenden Flächen die darin befindliche Ladung zeigt (Satz von Gauß
Ostrogradski). In der Magnetostatik zeigt der Stromfluß durch eine Fläche das diese Fläche
umgebende Magnetfeld (Ampèresches Durchflutungsgesetz). In der Statik erschienen die
beiden Felder als getrennte Phänomene. Ein Zusammenhang zwischen elektrischer und
magnetischer Feldstärke entsteht aber, wenn sich die Konfiguration von Leitern und Feldern
zeitlich verändert. Das ist die Aussage des Faradayschen Induktionsgesetzes.
6.4.1.1
Das Faradaysche Induktionsgesetz
Das Faradaysche Induktionsgesetz verbindet die zeitliche Änderung des Produktes aus
magnetischer Feldstärke und von dieser durchflossenen Fläche mit der dadurch „induzierten“


Spannung. Das Skalar Produkt aus Feldstärke B und durchflossener Fläche A ist aber gerade
der magnetische Fluß Φ, vgl. Abschnitt 6.3. Das Faradaysche Induktionsgesetz lautet damit:
Die Induktionsspannung ist proportional zur zeitlichen Änderung des Induktionsflusses Φ:

B


A
U 
d
d  
   ( A  B)
dt
dt
2
Das Gesetz zeigt zunächst, daß die Induktion einer Spannung eine zeitliche Änderung in der
Anordnung von Feldstärke und Fläche voraussetzt. Die Betrachtung der Ableitung zeigt aber
auch, daß es drei grundlegende, unterschiedliche Änderungen des Aufbaus gibt, die zur
Induktion einer Spannung führen: Man kann das Feld B, die Fläche A oder den Winkel 
zwischen der Flächennormalen und der Feldrichtung ändern:
Formel
U 
Anmerkung
Ableitung des magnetischen Flusses
nach der Zeit, ausgedrückt in den
Beträgen der Feldstärke und der Fläche
und dem Winkel zwischen
Flächennormale und Feldstärke.
d
d  
d
   ( A  B)   A  B  cos  
dt
dt
dt
 
A  B  A  B  cos 
U 
Def. des Skalarprodukts
dA
dB
d
 B  cos  
 A  cos  
A  B. sin 
dt
dt
dt
Induzierte Spannung in Abhängigkeit
von A, B und  .
Tabelle 1 Das Induktionsgesetz
Ist nur eine der Größen A, B und  eine Funktion der Zeit, dann folgt
Induzierte Spannung
Zeitlich veränderliche Größe
U 
dA
 B  cos 
dt
Größe A der Fläche (vgl. Versuch 1a)
U 
dB
 A  cos 
dt
Betrag B der Feldstärke (vgl. Versuch 1b)
U
d
A  B  sin 
dt
Richtung  zwischen der Flächennormalen und dem
Feldvektor (vgl. Versuche 2 und 3)
Tabelle 2 Das Induktionsgesetz bei nur einer zeitlich variablen Größe A, B oder 
Aus dem Induktionsgesetz folgt als Einheit für die Feldgröße B , letztere heißt auch
Flußdichte oder magnetische Induktion ,
B  V 2s  Tesla
m
Versuch 1 Aufbau nach Abb. 1, Induktion bei 1a) langsamer Bewegung des Leiterstücks, 1b)
schneller Bewegung. 2.) Das Magnetfeld wird ein- und ausgeschaltet, dadurch wird bei
unveränderter Leiterschleife in dieser eine Spannung induziert. 2a) Ausschalten des
Magnetfelds bei großer Leiterschleife 2b) Ausschalten des Magnetfelds bei kleiner
Leiterschleife
3
6.4.1.2
Lorentzkraft und Induktionsgesetz
Das Faradaysche Induktionsgesetz kann man bei Betrachtung der Kräfte auf eine Ladung q im
magnetischen und elektrischen Feld gut verstehen. Im Aufbau der Abbildung 2 wird eine
Spannung induziert, indem man die vom Magnetfeld durchflossene Fläche bei Bewegung
eines Leiterstücks verändert.
v
x
t
Bewegtes
Leiterstück
B
U
FL
b
v
FE
x
Abbildung 1 Kräfte auf die Ladungen in einem im Magnetfeld bewegten Leiterstück. Die
Färbung des Leiters (rot positive, grün negative Ladung) symbolisiert die mit der Bewegung
fortschreitende Ladungstrennung.


Auf eine im Magnetfeld B mit der Geschwindigkeit v bewegte Ladung wirkt die

Lorentzkraft FL . Jetzt wird die Ladung mechanisch bewegt, indem ein Leiterstück der Länge

b im Feld B eines Magneten mit der konstanten Geschwindigkeit v in der Zeit t entlang eines
Weges x geführt wird. Die Kraft auf die Ladungen führt zu einer Ladungstrennung, dadurch

entsteht im Leiter ein elektrisches Feld E . Dieses Feld verursacht an den Enden des
Leiterstücks die Spannung U  b  E .
Formel

 
FL  q  v  B
x
FL  q  v  B  q   B
t


FE  q  E
U
E
b
U
FE  q 
b
FL  FE
x
U
q   B  q 
t
b
U 
b x
A B
B  
t
t
Anmerkung
Lorentzkraft in Richtung des Leiters: Die Geschwindigkeit
steht senkrecht zum magnetischen Feld, deshalb ist das
Vektor- gleich dem gewöhnlichen Produkt.
Kraft auf die Ladung im elektrischen Feld, das sich durch
die Ladungstrennung aufbaut.
Die elektrische Feldstärke erzeugt eine Spannung zwischen
den Enden des Leiters, die Kraft wird durch die Spannung
ausgedrückt.
Zu jeder Zeit sind beide Kräfte entgegengerichtet, aber von
gleichem Betrag, daraus folgt:
Die induzierte Spannung ist proportional zur zeitlichen
Änderung der vom Magnetfeld durchflossenen Fläche
A  b x
4
Tabelle 3 Induzierte Spannung bei Bewegung eines Leiters senkrecht zu den magnetischen
Feldlinien.
Durch die Bewegung des Leiters im Magnetfeld wurde also eine Spannung erzeugt. Die
induzierte Spannung ist zur Geschwindigkeit der Bewegung des Leitungsstücks proportional.
Man erkennt im vorhergehenden Versuch aber auch, daß auch bei unbewegtem Leiterstück, d.
h. gleichbleibender Fläche, eine Spannung induziert wird, wenn sich das Magnetfeld zeitlich
ändert. Die für die Induktion maßgebende Größe ist eben, gemäß dem Faradayschen Gesetz,
die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses  .
6.4.1.3
Variation der Richtung  zwischen der Flächennormalen und dem
Feldvektor: Erzeugung von Wechselstrom
Der Winkel  zwischen der Flächennormalen und dem Feldvektor läßt sich leicht verändern,
indem man bei vorgegebener Richtung des Magnetfeldes die Leiterschleife dreht.

Feldstärke B
Kollektor

Flächennormale A
Winkel  (t )
Leiterschleife
Drehachse
Zeitlich
veränderliche
Projektion der
Leiterschleife
Abbildung 2 Zur Änderung des Winkels  zwischen der Flächennormalen und dem
Feldvektor bei Drehung einer Leiterschleife. Die Leiterschleife ist strichliert zu einer anderen
Zeit eingezeichnet. Mit dem Winkel ändert sich die Projektion der Leiterschleife auf eine
Ebene senkrecht zur Feldrichtung.
Versuch 2 Drehung einer Leiterschleife im konstanten Magnetfeld
Wird die induzierte Spannung am Schleifring abgegriffen, dann erhält man bei Drehung der
Schleife mit konstanter Drehzahl eine Wechselspannung mit Sinus Form. Man erkennt das
unmittelbar aus dem Induktionsgesetz:
5
Formel
d
A  B  sin 
dt
 (t )    t
d

dt
2
  2 
T
U
U (t )    A  B  sin   U 0  sin t
Anmerkung
Richtung  zwischen der Flächennormalen und
Feldvektor (vgl. Versuche 2 und 3)
Winkel  (t ) bei konstanter Winkelgeschwindigkeit 
Ableitung nach der Zeit
Definition der Winkelgeschwindigkeit, Frequenz  und
Periode T . Die Periode ist die Zeit für eine Umdrehung.
Wird  und d dt in das Induktionsgesetz eingesetzt,
dann ergibt sich eine Wechselspannung mit Sinus Form
Tabelle 4 Induktion einer Wechselspannung bei Drehung einer Leiterschleife mit konstanter
Drehzahl
6.4.1.4
Induktion in einer Spule mit n Windungen
Wird in einer Schleife eine Spannung induziert, dann wird die Überführungsarbeit für eine
Einheit der Ladung aufgebracht. Bei n Schleifen vervielfacht sich die Arbeit entsprechend.
Die Arbeit ist additiv, deshalb vervielfacht sich die Spannung bei Verbindung der Schleifen:
d
U  n 
dt
Wird die induzierte Spannung in einer Spule mit n Windungen erzeugt, dann ist die Spannung
proportional zur Windungszahl der Sekundärspule.
Versuch 3 Der Elektromotor mit Permanentmagnet wird als Generator betrieben. Es bestätigt
sich Faradays Vermutung, daß die Umwandlung von mechanischer in elektrische Energie im
Elektromotor umkehrbar ist.
6.4.1.5
Der Selbstinduktionskoeffizient
Wenn in feststehenden Spulen die Induktion mit einer zeitlichen Änderung des Magnetfelds
verbunden ist, dann kann die induzierte Spannung mit Hilfe des
„Selbstinduktionskoeffizienten“ L unmittelbar als Funktion des das Magnetfeld erzeugenden
Stroms formuliert werden:
Formel
d
dB
dI
U IND  n 
 n  A 
 L 
dt
dt
dt
 n
B  0 I
l
  n dI
dB
U IND  n  A 
 n  A  0 
dt
l
dt
A
L  0 n2 
l
Anmerkung
Induktionsgesetz für variable magnetische
Feldstärke
Konstante Feldstärke in einer Spule der Länge l
mit Windungszahl n bei Strom I
Aus Vergleich mit dem Induktionsgesetz der
ersten Zeile folgt L als Koeffizient von dI dt :
Selbstinduktionskoeffizient für eine lange
Spule der Länge l, Fläche A und Windungszahl
6
L  1 Volt  Sekunde  1Henry ( H )
Einheit des Selbstinduktionskoeffizienten
Ampere
Tabelle 5 Selbstinduktionskoeffizient einer langen Spule
6.4.1.6
Die Lenzsche Regel
Das negative Vorzeichen im Induktionsgesetz zeigt, daß die induzierte Spannung U Sek stets so

gerichtet ist, daß das Magnetfeld BSek des durch sie verursachten Stromes I Sek der
Induktionsursache BPr im (t ) entgegenwirkt.
Abstoßende Kraft zwischen den Spulen
BPr im (t )
n
BSek   0   I Sek
l
I Sek 
U Sek
RSek
U Pr im (t )
Abbildung 3 Zur Lenzschen Regel: Bei schnell ansteigender Spannung im Primärkreis, z. B.
beim Einschalten, wird die Sekundärspule abgestoßen.
Wären die Felder gleichgerichtet, dann würde der in der Sekundärwicklung induzierte Strom
in der Primärwicklung eine den Primärstrom verstärkende Spannung induzieren, so daß von
selbst die Leistung des Aufbaus stets wachsen würde.
Versuch 4 Zwei Spulen stehen hintereinander. Der Einschaltstrom in der ersten induziert
einen Strom in der zweiten, das Magnetfeld dieses Stromes treibt die Spulen auseinander.
Im folgenden Versuch wir klar, daß bei kleinen Widerständen im Sekundärkreis sehr hohe
Ströme fließen, entsprechend hoch wird das magnetische Gegenfeld. Das Induktionsgesetz
gibt nur die Spannung vor.
Versuch 5 Induktion in einem Ring mit und ohne Schlitz. Der Ring ohne Schlitz wird
abgestoßen, weil die in ihm induzierte Spannung einen Strom erzeugt, dessen Magnetfeld dem
erzeugenden in der Primärspule entgegengerichtet ist. Der geschlitzte Ring bleibt liegen, weil
in ihm kein Strom fließt und somit kein magnetisches Gegenfeld induziert wird.
Ist der Stromkreis in der Sekundärspule unterbrochen, dann wird zwar auf der Sekundärseite
eine Spannung induziert, aber es fließt kein Strom und somit baut sich kein Gegenfeld auf.

BPr im (t )
U Pr im (t )
U Sek   A 
dBPr im
dt
7
Abbildung 4 Induktion bei offenem Sekundärkreis. Die Spule bleibt kräftefrei, es gibt kein
magnetisches Gegenfeld.
Versuch 6 Wirbelstrombremse auf ein Pendel im Magnetfeld: a) ohne b) mit Schlitzen
Versuch 7 Im Aufbau nach der folgenden Abbildung erkennt man: a) Wird auf der
Primärseite eine Dreiecksspannung angelegt, dann wird auf der Sekundärseite eine
Rechteckspannung induziert b) Die induzierte Spannung ist proportional zur Windungszahl
der Sekundärspule c) Wird die Sekundärspule über die Primärspule hinausgeschoben, dann
fällt die induzierte Spannung im magnetischen Streufeld außerhalb der Primärspule stark ab.
Sekundärwicklung, verschiebbar
Primärwicklung
Abbildung 5 Primär- und Sekundärspule zum Induktionsversuch
Primärspannung
t
Sekundärspannung
t
Tabelle 6 Die Sekundärspannung zeigt die negative Ableitung der Primärspannung
Versuch 8 Die ringförmige Anordnung der Primärspule vermeidet das Streufeld
Versuch 9 Ein kernfreier ringförmiger Hochfrequenztransformator um eine Gas gefüllte
Kugel erzeugt längs seiner Achse ein zeitlich schnell veränderliches Magnetfeld. Dieses
induziert im Gasraum - anstelle einer koaxialen Wicklung - eine Spannung. Dadurch fließt ein
Strom im Gas, der es zum Leuchten angeregt.
8
Abbildung 6 Schema des Hochfrequenztransformators. Nur der äußere Strom ist in Drähten
geführt, das axiale Magnetfeld induziert den Strom im Gas
6.4.1.7
Die vier Maxwellschen Gleichungen
Die vier Maxwellschen Gleichungen für zeitlich konstante Felder aus Abschnitt 6.3 können
nun um das Faradaysche Induktionsgesetz auf zeitlich veränderliche Felder erweitert werden:
Satz von Gauß-Ostrogradski für elektrische
Felder
Für magnetische Felder gilt:
„Ladungen sind die Quellen des elektrischen „Es gibt keine magnetischen Einzelladungen“
Feldes“

  Q
E
 dA 
Oberfläche
0
Oberfläche

E

B

dA

dA
Faradaysches Induktionsgesetz:
„Ein sich zeitlich änderndes magnetisches
Feld erzeugt ein quellenfreies elektrisches
Feld“
 
 
d
E
d
s


B

 dA
dt Fläche
Rand
 
 B dA  0

Ampèresches Durchflutungsgesetz:
„Ströme sind die Quellen des
magnetischen Feldes“
 
 Bds  
Rand
0
I
9

ds

E

ds

B

B
I

dA
Tabelle 7 Die vier Maxwellschen Gleichungen. Die oberen beiden Gleichungen betreffen die
Bilanz des Flusses aus einem Volumen, die unteren die Durchflutung einer Fläche. Orange:
Elektrische-, Türkis: Magnetische Feldlinien, Blau: Strom
6.4.2 Wechselstrom und Drehstrom
6.4.2.1
Wechselstrom
Bei Rotation einer Spule im Magnetfeld entsteht ein Wechselstrom mit Sinus Form:
U (t )  U 0  sin t
Versuch 10 Mit dem Aufbau von Versuch 2 wird der Wechselstromgenerator vorgeführt.
6.4.2.2
Effektivwert der Wechselspannung
Die Wechselspannung ist durch Maximalwert, Frequenz und Kurvenform (meistens mit Sinus
Form) gegeben. Will man sie mit einer einzigen Zahl charakterisieren, so muß man diese
definieren. Man führt dazu ihren Effektivwert ein. Dieser entspricht der Spannung eines
Gleichstroms, der an einem ohmschen Widerstand die gleiche Leistung wie der Wechselstrom
im zeitlichen Mittel verrichtet.
Formel
P  U Eff  I Eff  U  I
2
U (t ) 2 U 0
U (t )  I (t ) 

sin 2 t
R
R
1
sin 2 t 
2
2
U
U I  0
2 R
Anmerkung
Gesucht ist die Gleichspannung U Eff , die am
gleichen Verbraucher R die zeitlich
gemietete Leistung des Wechselstroms liefert
Leistung des Wechselstroms zur Zeit t
Mittelwert der sin-Funktion
Zeitlich gemietete Leistung des
Wechselstroms
10
Effektivwerte mit dieser Leistung
2
U Eff
U 2 Eff U 0
 I Eff 

R
2 R
U
U Eff  0
2
Effektivwert der Wechselspannung
Tabelle 8 Effektivwert für Wechselspannung mit Sinus Form
In Haushalts Stromnetz beträgt die Netzspannung (effektiv) 230 V bei 50 Hz und zeigt Sinus
Form, die momentane Spannung oszilliert also 50 mal in der Sekunde zwischen ihren
Extremwerten +-325 V.
6.4.2.3
Drehstrom, Drehstrommotoren und Generatoren
Unter Drehstrom versteht man drei Wechselstromnetze, als „Phasen“ R, S und T bezeichnet,
die gegeneinander um 1200 phasenverschoben sind. Eigentlich wären für die drei Netze 6
Leitungen erforderlich, man legt aber jeweils eine Leitung jeder Phase auf Erdpotential, so
daß 3 Leitungen zum „Mittelpunktsleiter“ M zusammengefaßt werden. Somit genügen vier
Leitungen für ein Drehstromnetz. Der Sinn dieser Anordnung wird im Hinblick auf die
Krafterzeugung klar.
Im Zeigerdiagramm gibt die Länge der Pfeile die Effektivwerte der Spannungen, ihre
Richtung die Phasenlage an. Die Spannung zwischen zwei Phasen errechnet sich aus dem
Zeigerdiagramm geometrisch zu
U RS  2 U  sin 60 0  U  3
Mit dem Effektivwert
U=230 V
folgt für die Spannung „zwischen den Phasen“
URS=398 V
S
398 V
R
T
230 V
Abbildung 7 Zeigerdiagramm zur Berechnung der Spannung zwischen den Phasen
Wie aus dem Zeigerdiagramm ersichtlich ist, stehen im Drehstromnetz die (effektiv)
Spannungen 398 V und 230 V jeweils 3 mal zur Verfügung. Je nach Art des Anschlusses- in
„Dreieck“ oder in „Sternschaltung“- liegen 230 oder 398 V am Verbraucher. Zu den
Steckdosen der Hausinstallationen wird jeweils eine Phase und der Mittelpunkt geführt (230
V). In unterschiedlichen Stockwerken oder Räumen können durchaus unterschiedliche Phasen
liegen. Deshalb kommt es vor, daß ein Bildschirm z.B. an der einen Steckdose angeschlossen
11
flimmert, an der anderen nicht, wenn das Netz einer Phase durch einen Verbraucher gestört
wird und die Steckdosen an unterschiedlichen Phasen liegen.
R
230 V
380 V
S
M
T
Abbildung 8 Ohmsche Widerstände als Verbraucher an einem Drehstromnetz, links in
Sternschaltung, rechts in Dreiecksschaltung angeschlossen. Wenn die drei Widerstände gleich
groß sind, fließt über M kein Strom.
Drehstrommotoren und Generatoren
Aus dem Faradayschen Induktionsgesetz ist bekannt, daß nicht nur mechanische
Veränderungen der vom Magnetfeld durchflossenen Fläche, sondern auch die zeitliche
Änderung des Magnetfeldes in einer Leiterschleife einen Strom induziert. Mit Hilfe des
Drehstroms gelingt es, mit festen Stator Spulen ein sich im Raum drehendes Magnetfeld zu
erzeugen. Wird ein Leiter in dieses Feld gebracht, dann induziert das Drehfeld im Leiter einen
Strom, der nach der Lenzschen Regel seiner Ursache, also der Änderung des Drehfeldes im
Leiter, entgegenwirkt. Dem Durchlaufen der Drehfeldlinien kann der Leiter aber nur dadurch
entgegenwirken, daß er sich im Drehsinn des Magnetfeldes mitdreht. Genau das ist aber bei
Elektromotoren erwünscht! Man erkennt daraus, daß sich Drehstrommotoren durch einen
besonders einfachen Aufbau auszeichnen, man braucht vor allem keinen verschleißenden
Kollektor. Es genügt tatsächlich, daß ein Leiter im Drehfeld drehbar gelagert ist, die in ihm
induzierten Wirbelströme nehmen ihn in Drehrichtung des Feldes mit. Motoren dieser
einfachsten Bauart heißen Wirbelstrommotoren. Die Anker von Drehstrommotoren werden
als Kurzschlußläufer bezeichnet, weil man zum Aufbau des induzierten Magnetfeldes einen
kräftigen Stromfluß durch dicke Kupferleitungen braucht.
Obwohl die physikalische Grundlage so robust ist, daß sich das Drehen des Ankers in einem
Drehfeld praktisch nicht verhindern läßt, liegt doch viel Entwicklungsarbeit in der
Optimierung der Drehmoment/Drehzahl Kennlinie. Es ist klar, daß bei gleicher Drehzahl von
Drehfeld und Anker das Drehmoment verschwindet, weil sich der Leiter relativ zum Feld
nicht mehr bewegt. Deshalb arbeiten diese Motoren mit Schlupf und werden als
Asynchronmotoren bezeichnet. Im Prinzip wächst ihr Drehmoment mit zunehmendem
Schlupf, der Verlauf der Drehmomentkennlinie kann aber konstruktiv (Anzahl der Spulen
etc.) beeinflußt werden.
Ist der Anker selbst magnetisch, dann folgt er dem Feld mit dessen Drehfrequenz. So arbeitet
der Synchronmotor, sein Drehmoment fällt aber rapide ab, sobald er außer Takt gerät. In der
unten links skizzierten „Sternschaltung“ liegen an den Verbrauchern 230 V. Man kann die
Verbraucher aber auch in der „Dreiecksschaltung“ „zwischen die Phasen“ legen, an jedem
Verbraucher liegt dann die Effektivspannung von 398 V.
12
Versuch 11 Drehfeld mit a) Kurzschlußläufer b) mit Ring c) mit Magnetnadel
Abbildung 9 Läufer mit Turbinenschaufeln eines 84,6 MW Generators des Kopswerks,
Österreich, 500 UpM, Spannung am Generator 12,5 kV
Drehstromgeneratoren
Im Drehstromgenerator rotiert ein Läufer mit drei im Winkel von 1200 symmetrisch
angebrachten Spulen in einem homogenen Magnetfeld. In jeder dieser Spulen wird eine
gegenüber den anderen um 1200 phasenverschobene Wechselspannung erzeugt. Die drei
„Phasen“ werden mit R, S und T bezeichnet, bei der im folgenden dargestellten Sternschaltung
gibt es noch den „Mittelpunkt“ M, der auf Erdpotential gelegt wird.
Elektrisch
leitender
Läufer
R
Rotierende
r Magnet
M
S
T
Wicklung
des Stators
Generator mit je einer
feststehenden Spule für
jede Phase und einem
angetriebenem,
rotierenden Magneten
als Läufer
Drehstrommotor in
Sternschaltung,
feststehende Spulen
mit Kurzschlußläufer
13
Abbildung 10 Schema der Verdrahtung zwischen Drehstromgenerator und Drehstrommotor
Abbildung 11 Straßenbahn mit Drehstromantrieb, Planung um 1900. Neue Lokomotiven (z. B.
ICE) fahren tatsächlich mit Drehstrom, der aber Wechselstrom in der Lokomotive aus
einphasigem mit einer für den Betriebszustand optimalen Frequenz erzeugt wird.
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