Schock Definition Schock: Eine akut lebensbedrohliche Kreislaufstörung, die zu schweren Durchblutungsstörungen führt: - Makrozirkulationsstörungen, d.h. Durchblutungsstörungen in den größeren Gefäßen - Mikrozirkulationsstörungen, d.h. Durchblutungsstörungen in den kleineren bis kleinsten Gefäßen Kennzeichen eines Schocks im medizinischen Sinn: Es besteht ein akutes Missverhältnis von Sauerstoffangebot und Sauerstoffbedarf aller Organe Schnelligkeit der Entwicklung eines Schocks: - akut innerhalb von Minuten oder subakut innerhalb von Stunden Schockindexermittlung nach Allgöwer: Schockindex = Pulsfrequenz/Minute __________________ Systolischer Blutdruck in mmHg Schockindex: Normalwert: Drohender Schock: Manifester Schock: ca. 0,5 gegen 1 1,5 Allerdings ist die normale Blutdrucklage des Patienten von Bedeutung. Wer grundsätzlich einen hohen Blutdruck hat, kann sich bereits bei normalen Werten in Schockgefahr befinden. Ablauf und Kennzeichen eines Schocks: - Frühphase - Pulsbeschleunigung (nur selten Pulsverlangsamung) - blasse Haut - Blutdruck normal oder etwas erhöht - kompensierte Phase ( = ausgeglichen) - der systolische Blutdruck sinkt auf Werte meist um 100 mmHg (Ausgangslage beachten!), der diastolische steigt an (Verkleinerung der Blutdruckamplitude und damit zu einem verminderten Herzzeitvolumen) - Puls beschleunigt, schlecht tastbar - Haut blatt, kalt und feucht - dekompensierte Phase - Blutdruck sinkt noch weiter ab - Puls kann so schnell werden, dass er kaum noch getastet werden kann - beschleunigte Atmung - Patient wird unruhig - Bewusstseinsstörungen bis Bewusstlosigkeit 1 Faktoren für einen kompensierten Schock: - Volumenverlust - Weitstellung der Gefäße - verminderte Herzleistung Der Körper leitet Gegenregulationsmaßnahmen ein durch eine erhöhte Adrenalinausschüttung. Wirkungen von Adrenalin: - Blutdrucksteigerung durch - Kontraktion der Arterien und Arteriolen - Entleerung der venösen Blutspeicher - verstärkter Rückstrom der Flüssigkeit aus dem Zwischenzellraum - Pulsbeschleunigung - Hemmung der Magen-Darm-Peristaltik und der gesamten Verdauungstätigkeit Verbrauchskoagulopathie: Eine Störung der Blutgerinnung, die durch einen gesteigerten Verbrauch von gerinnungsaktiven Substanzen verursacht wird Sludge-Phänomen: Das Blut ist durch einen verlangsamten Blutfluss „verschlammt“ und „verklumpt“. Es bilden sich Mikrothromben. Organe im Schock: - Schockniere - Schocklunge - Darm im Schock Schockformen: - hypovolämischer Schock (Volumenmangelschock) - kardiogener Schock - septischer Schock - neurogener Schock - anaphylaktischer Schock - psychischer Schock Hypovolämischer Schock: Ursachen: - innere und äußere Blutungen - Durchfallerkrankungen - starkes Erbrechen - übermäßiges Schwitzen - Verbrennungen (durch den Flüssigkeitsverlust über die Haut) Ursachen für innere und äußere Blutungen: - stark blutende Magen- und Darmgeschwüre - innere Verletzungen (Milz-, Leberriss) - Knochenbrüche mit Gefäßverletzungen - Eröffnung großer Gefäße durch Unfälle oder Selbsttötungsabsichten - Speiseröhrenkrampfaderblutungen - heftige (unstillbare) Gebärmutterblutungen - heftige Tumorblutungen - geplatztes Aortenaneurysma oder Aortenruptur anderer Ursache 2 Symptome eines hypovolämischen Schocks: - Blutdruckabfall - Tachykardie - blasse, feuchte, kalte Haut - Unruhe - Bewusstseinsstörungen bis Bewusstlosigkeit Erste-Hilfe-Maßnahmen beim hypovolämischen Schocks: - Notarzt rufen - venösen Zugang schaffen - Schocklagerung (außer beim kardiogenen Schock oder Atemnot) - Sauerstoffgabe - Volumenersatz durch Elektrolytlösung (z.B. Ringerlösung 500–1000 ml – nicht bei kardiogenem S.) Hinweise auf Exsikkose – sofortige Klinikeinweisung!....: - Apathie - zurückgesunkene Augäpfel - stehende Hautfalten - stark ausgetrocknete Schleimhäute in Mund und Rachen Kardiogener Schock (Herzinsuffizienz, Herzinfarkt, Myokarditis, schwere Rhythmusstörungen): Kennzeichen: - Orthopnoe - gestaute Venen (v.a. im Halsbereich gut sichtbar) - blass-zyanotische Hautfarbe - evtl. rasselndes Atemgeräusch Komplikationen: - hypovolämischer Schock (erkennbar durch zyanotische Marmorierung an Hals, Brust und Extremitäten – Hinweis auf Hypoxie = Sauerstoffmangel im Gewebe aufgrund des fortschreitenden Pumpversagens des Herzens) - Lungenödem - Hypotonie - Hypertonie - Rhythmusstörungen aller Art - es kann zu Verwirrtheit durch eine Minderversorgung des Gehirns, zu Unruhe mit gesteigertem Bewegungsdrang (Agitiertheit) und Bewusstseinstörungen bis zum Bewusstseinsverlust kommen Unbedingt beachten! - Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, um den Druck vom Herzen zu nehmen - keinesfalls eine Volumenzufuhr, da das Herz arbeits- und volumenmäßig schon überlastet ist - keine intramuskuläre Injektion bei Verdacht auf Herzinfarkt vornehmen, da dies das Blutungsrisiko im Muskel bei der Lysetherapie erhöht Septischer Schock (durch Infektionskrankheiten, die Bakteriengifte in die Blutbahn eingeschwemmt haben). Diese Toxine können folgendes bewirken: - Weitstellung der kleinsten Gefäße - Gefäßwandschäden - Bildung von Mikrothromben (Sludge-Phänomen) Kennzeichen: - krankheitsspezifische Symptome und meist hohes Fieber - typische Schocksymptome wie Absinken des Blutdrucks und relative Tachykardie 3 Neurogener Schock Ursachen: - sehr starker Schmerz - Verbrennungen - Verletzungen des Rückmarks oder des Hirnstammes Anaphylaktische Reaktion und anaphylaktischer Schock Histamin entfaltet seine Wirkung über bestimmte Rezeptoren: - H1-Rezeptoren - verursachen die Dilatation der kleinen Gefäße und der Koronarien (Hautrötung, Quaddeln) - steigern die Kapillardurchlässigkeit (Ödeme, Quaddeln, Blutdrucksenkung) - veranlassen eine Adrenalinausschüttung - verursachen eine Kontraktion der glatten Muskulatur der Bronchien, der großen Gefäße, des Darms und der Gebärmutter - vermitteln Schmerzempfindugen und Juckreiz durch Stimulierung der sensiblen Nervenenden - H2-Rezeptoren: - Mitbeteiligung bei der Dilatation der kleinen Gefäße und der Koronarien - steigern die Herzkraft und beschleunigen den Herzschlag - stimulieren die Magensaftproduktion Ursachen von anaphylaktischen Reaktionen: - Fremdeiweiße - Medikamente - Röntgenkontrastmittel - Acetylsalicylsäure - Lokalanästhetika - Organextrakte - Latex Schweregrade von anaphylaktischen Reaktionen: - In welcher Menge wurde das Antigen aufgenommen? - Wie lange hat das Antigen eingewirkt? - An welcher Stelle hat es gewirkt? Medikamententestung: - Testung am Augenbindehautsack - Hauttestung durch intrakutane Verabreichung Vorgehen bei Mittelunverträglichkeit während einer Injektion: - Allergenzufuhr sofort stoppen, aber Kanüle in der Vene belassen! - Notarzt rufen - Schocklagerung (außer bei Atemnot) - großolumigen Zugang auf der anderen Armseite mittels Venenverweilknaüle - Sauerstoffgabe - Volumenersatz - Antihistaminikum (Fenistil oder Tagamet) - Kortison (z.B. Solu-Decortin) - Adrenalin 1 : 10.000 i.v. in 0,5 ml bis 1 ml Schritten verabreichen unter ständiger Pulskontrolle 4 Reanimation (Herz-Lungen-Wiederbelebung) Phasen der Wiederbelebungszeit: - frühe Phase (nach Ausgleich des Sauerstoffdefizits kommt es zu einer völligen Wiederherstellung der Organe) - zunehmende Zellschädigung (die Organe regenerieren sich nur unvollständig) - Zelltod und irreversibler Organausfall ABC-Schem der Herz-Lungen-Wiederbelebung: - A = Atemwege freimachen und freihalten - B = Beatmen - C = Compression = Herzmassage Ablauf einer Atemspende: - Atemwege freimachen - Kopf überstrecken - Atemkontrolle (bei überstrecktem Kopf) - Atemspende Atemspende: - Mund-zu-Nase-Beatmung (10 – 12 Beatmungen pro Minute, Atemvolumen 700-1000 ml) - Mund-zu-Mund-Beatmung - Atemspende bei Säuglingen (Kopf nur in Schnüffelstellung bringen, da der Kehlkopf höher im Hals liegt als beim Erwachsenen – das Kinn darf nur ein wenig angehoben werden, dazu kleinere Atemstösse, nur alle 3 Sekunden = 20 Atemspenden pro Minute) Herzmassage: Unbedingt bei der Palpation der Karotiden beachten: - nur nacheinander palpieren, nie gleichzeitig! - größeren Druck vermeiden! Kennzeichen eines Kreislaufstillstandes: Sichere Zeichen: - fehlende zentrale Pulse (A. carotis, A. femoralis) - Atemstillstand (oder Schnappatmung) Unsichere Zeichen: - Bewusstlosigkeit - fehlender Puls am Handgelenk (A. radialis) - Zyanose oder blass-gräuliche Verfärbung - weite- entrundete Pupillen, evtl. nicht mehr auf Lichteinfall reagierend Bitte beachten! Der Radialispuls wird zur Erfolgskontrolle grundsätzlich nicht geprüft, da nur die zentralen Pulse aussagekräftig sind! 5 Herzmassage bei Neugeborenen: - 120 – 140 Kompressionen / Minute mit dem Daumen und Zeige- und Mittelfinger Herzmassage bei Kleinkindern: - 100 – 120 Kompressionen / Minute mit den Handballen einer Hand und weniger Kraft Notfall: Kennzeichen eines Notfallpatienten: - Bewusstlosigkeit - Atemstillstand - Kreislaufstillstand Es kommt nur darauf an, die lebenswichtigen Funktionen wiederherzustellen! Es kommt nicht darauf an, die zugrunde liegende Erkrankung zu ermitteln! Lagerungen von Notfallpatienten: - Schocklagerung (bei hypovolämischer Schock; nicht bei Atemnot, Bewusstlosigkeit oder kardiogenem Schock) - stabile Seitenlage (immer wieder Bewusstsein, Atmung und Puls überprüfen) - Lagerung mit erhöhtem Oberkörper (Atemnot) - Flachlagerung (Verdacht auf Verletzung des Rückenmarks oder Beckenbruch) - Lagerung nach Wunsch (akutes Abdomen, heftige Bauchschmerzen) Die stabile Seitenlagerung wird nur eingesetzt: - Bewusstlosigkeit bei erhaltener Spontanatmung und bei erhaltenem Kreislauf! Bewusstseinsstörungen: Schweregrade: - Benommenheit (leichte Bewusstseinstrübung) - Somnolenz (starke Bewusstseinstrübung, Patient schläft immer wieder ein) - Sopor (weitgehende Reaktionslosigkeit, reagiert noch auf Schmerz) - Coma (tiefste Bewusstlosigkeit – keine Reaktion mehr, auch nicht auf Schmerzen) - Coma diabeticum durch Hyperglykämie - Coma hepaticum durch Leberversagen - Coma urämicum durch Nierenversagen - Coma cerebrale, z.B. durch Hirninfarkt, Hirnblutung, Vergiftunge, Enzephalitis - Coma basedowicum, Endstadium einer thyreotoxischen Krise bei Schilddrüsenüberfunktion Ursachen von Bewusstseinsstörungen: - Schädel-Hirn-Trauma (Gehirnerschütterung, Schädel-Hirn-Verletzungen) - Durchblutungsstörungen des Gehirns (Hirnschlag, Hirninfarkt, Hirnblutung) - Stoffwechselstörungen des Gehirns (Coma diabeticum, hepaticum, urämicum) - Kreislaufstörungen des Gehirns (z.B. bei orthostatischer oder vagovasaler Ohnmacht (Synkope) oder infolge einer Herzrhythmusstörung - Vergiftungen (durch Drogen oder Medikamente) - epileptischer Anfall Symptomatik von verschluckten Fremdkörpern (Aspiration): - Maximale Atembewegungen - Inverse Atmung (hervortretende Bauchmuskulatur bei Einatemversuchen) - Blässe, Zyanose - fehlende Atemgeräusche 6