Zur Semantik und Kategorialfunktion gotischer Präverben Inhaltsverzeichnis: 1. Einleitung……………………………………………………..……………………...5 2. Die Präfixbildung im Verbalsystem des Gotischen: Kategorialgrammatische Funktion im Sprachkontrast 2.1 Die Goten: Herkunft, Geschichte, Sprache .......................................................8 2.2 Gotisches Verbalsystem........................................................................................9 2.3 Die gotischen Präfixe und Suffixe.............................................................. .......12 2.4 Die Diskussion um die„ga-Komposita“.............................................................14 2.5 ga- und andere gotische Präfixe als Marker der Aspektualität: Grammatik vs. Semantik...............................................................................................................23 2.6 Bilanz...................................................................................................................26 3. Die Präverb-Ableitungen im gotischen Verbalsystem und im gotischen Bibeltext: eine empirische Untersuchung.....................................................................................29 4. Schlussbetrachtungen................................................................................................69 Literaturverzeichnis......................................................................................................71 2 1. Einleitung Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine komplexe Untersuchung der Semantik und der Kategorialfunktionen der gotischen Präverben, darunter auch eine Charakterisierung der gotischen Präfixbildung, wobei eine spezielle Aufmerksamkeit den ‚ga- Komposita’ geschenkt wird. Die Analyse soll den Zustand der Präfixbildung im Gotischen skizzieren, seine weiteren Stadien präsentieren und die daraus folgenden Konsequenzen schildern, die für die gegenwärtigen germanischen Sprachen (am Beispiel des Deutschen) von großer Bedeutung sind. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen konkrete Aufgaben gelöst werden: 1. Die Präsentation der Literatur nach den Schwerpunkten: Bevor dem tatsächlichen Untersuchungsgegenstand auf den Grund gegangen wird, soll man zuerst den allgemeinen Bereichabriss darstellen, der eine gewisse Forschungsbasis bildet. 2. Diskussion durchführen: Auf Grund der präsentierten Literatur werden verschiedene Thesen ausführlich erläutert, um die Möglichkeit zu schaffen, diese später zum Vergleich heranziehen zu können. 3. Kritische Sichtung der dargestellten Materialien: Eine kritische Betrachtung der Fakten ist ein wichtiger Bestandteil jeder Forschung, deshalb wird auch hier ein Versuch unternommen, die eventuellen Zweifelsfälle, wie auch die stichfesten Beweisgründe zu schildern. 4. Argumentation der dargestellten Thesen: Die Beurteilung der vorgeführten Thesen wird mit den bewiesenen Fakten und entsprechenden Beispielen begründet. Die Arbeit hat zum Gegenstand die gotischen Präverben, darunter insbesondere die gotischen Präfixe mit einer grammatischen Bedeutung. In der Arbeit werden folgende Forschungsmethoden angewandt: eine korpusbasierte Forschung (auf der Grundlage der gotischen Bibel), eine synchrone und diachrone kategorial-grammatische Analyse, Analyse der kategorialen Schnittstellen zwischen Semantik und Grammatik, 3 eine synchrone und diachrone Wortbildungsanalyse, darunter insbesondere die Analyse der präfixalen Derivationen bzw. die Korpusanalyse, eine kontextuelle Analyse. Angesichts der Spezifik der vorliegenden Arbeit werden eingangs keine Hypothesen formuliert. Stattdessen soll im Laufe der Analyse des Sprachmaterials auf folgende Fragen geantwortet werden: 1. Wie kann die Präfixbildung im gotischen Verbalsystem allgemein charakterisiert werden? 2. Wie kann der Status der gotischen Präverben bestimmt werden? 3. Wie lässt sich das Verhältnis zwischen der Funktion der Modifizierung der Semantik und der kategorialgrammatischen Funktion der gotischen Präverben bestimmen? 4. Welsche Möglichkeiten gibt der Kontext bei der Untersuchung der Funktion gotischer Präverben? 5. Wie können die gotischen Präverben auf dem Hintergrund der weiteren Entwicklung der Verbalpräfigierung im Germanischen (am Beispiel des Deutschen) beurteilt werden? 6. Lassen sich beweisbare Ähnlichkeiten bei der Kodierung der Aspektualität mittels der Präverben (Präfixe) der gotischen und der polnischen Sprache nachweisen? Die vorliegende Arbeit weist folgende Komposition auf: der theoretische Teil, der empirische Teil, das Schlusswort, das Literatur- und Quellenverzeichnis. Im theoretischen Teil Die Präfixbildung im Verbalsystem des Gotischen: kategorialgrammatische Funktion im Sprachkontrast wird die gotische Präfixbildung untersucht und charakterisiert. Als Hauptgegenstand der Untersuchung fungieren die gotischen Präfixe mit grammatischer Bedeutung. Einen besonderen Platz nehmen die ‚ga-Komposita’ ein, denen ein Großteil des Kapitels gewidmet wird. Es wird ferner der Frage nach der Aspektualität nachgegangen, um die Klarheit zu bringen, ob die Präfixe als Marker dafür fungieren. Im praktischen Teil Die Präverb-Ableitungen im gotischen Verbalsystem und im gotischen Bibeltext: eine empirische Analyse wird eine Forschung auf Grund eines Untersuchungskorpuses durchgeführt, die nach dem auf der Grundlage des theoretischen Kapitels geschaffenen Modell folgt. Im Folgenden werden die kategorialen Affinitäten und Konvergenzen zwischen Semantik und Grammatik anhand der Beispiele analysiert. In diesem Teil wird auch nach den Ähnlichkeiten bei der Kodierung der Aspektualität mit Hilfe von den Präfixen im Gotischen und im 4 Polnischen gesucht. Das Untersuchungskorpus bilden hier der Text der gotischen Bibel und sein polnisches Äquivalent. Das Schlusswort beinhaltet nicht nur das Resümee der dargestellten Inhalte. Es werden hier auch die aus der Gesamtanalyse gezogenen Schlussfolgerungen ausführlich dargestellt und entsprechend begründet. Das Literaturverzeichnis enthält die Titel der Werke der Sekundärliteratur, die in der vorliegenden Arbeit zitiert, erwähnt oder im irgendeiner Weise benutzt werden. Das Quellenverzeichnis enthält die Titel der benutzten Textquellen. 5 2. Die Präfixbildung im Verbalsystem des Gotischen: Kategorialgrammatische Funktion im Sprachkontrast 2.1 Die Goten: Herkunft, Geschichte, Sprache Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht die Untersuchung der Semantik und der Kategorialfunktionen der gotischen Präverben. Eingangs muss also die Herkunft und die Geschichte der Sprachträger dargestellt werden. Die Goten bilden einen Zweig der ostgermanischen Stämme, deren Ursprung man wahrscheinlich in Skandinavien platzieren kann (Kotin 2012, 13f.). Im 1. Jh. sollen sie auf der Suche nach fruchtbarerem Land zu wandern begonnen haben. Sowohl Jordanes als auch Ptolemäus und Tacitus (Streitberg 1910, 6) wiesen auf die Weichselgebiete als Ansiedlungsort hin, wobei die weitere Wanderung vermutlich durch Südrussland bis zum Schwarzen Meer führte. Ursprünglich waren die Goten in Väster- und Östergoten aufgeteilt, was mit der skandinavischen Herkunftsvariante verglichen werden kann (Kotin 2012, 14). Eine andere Gliederung unterscheidet noch zwischen Trevingi und Greutungi. Es betrifft einen Stammesverbund, der sich um das 3. Jahrhundert an der Donmündung und dem Dnestr niederlassen hatte. Die Nennung weist auf die Art des bewohnten Gebietes: germ. *terva ‚Wald’ und *greuta ‚steiniger Boden’ (Kotin 2012, 14). In der Geschichte treten die Goten erstmals 238 vor, als sie zum ersten Mal das römische Reich stark angegriffen haben. Jedoch aus unbekannten Gründen und in unbekannter Zeit erfolgt die Trennung der Goten in zwei selbständige Stämme, Ostrogothae und Wisigothae (Streitberg 1910, 6), die trotzdem ähnliches Schicksal getroffen hat. Unter Alarich haben die Westgoten 410 Rom erfolgreich angegriffen, was nur der Beginn der Entstehung des Westgotenreiches war. Sie dehnten ihre Herrschaft auf Südfrankreich und einen Teil Spaniens aus. Dieser Zustand dauerte bis 711, als die Araber Europa angestürmt haben. Die Ostgoten haben auch eine bedeutende Rolle in der Geschichte. Obwohl ihr Reich nach dem Sturm der Hunnen im Jahre 375 zerfällt und deren Vasallen geworden sind, erscheinen sie nach 453 (Binnig 1999, 23) wieder als selbständig. Besonders wichtig ist das Jahr 493, als der Ostgotenkönig Theoderich den Hunnenkönig Odoaker eigenhändig getötet hat und somit das Ostgotenreich mit dem Zentrum in Ravenna wiederaufbaut. Im Jahre 552 wurde der letzte Ostgotenkönig 6 Teja im Kampf zwischen Salerno und Neapel besiegt und das Königreich ist untergegangen. Der letzte Gote soll im 15. Jh. auf der Krim gestorben sein. Wegen der geringen Anzahl von Sprachdenkmälern ist es schwer, die gotische Sprache vollständig zu rekonstruieren. Als das bedeutendste Forschungskorpus fungiert die gotische Bibel, die in verschiedenen Ausgaben erhalten geblieben ist, wie z. B. Codex Argenteus, Codex Carolinus, die Codices Ambrosiani und einige andere, kleinere Quellen. Um 350 übersetzt der gotische Bischof Wulfila die Bibel aus dem Griechischen ins Gotische. So ist die Christianisierung der Goten von großer Bedeutung, denn sie hatte zur Entstehung der berühmten Quelle der gotischen Sprache geführt – der Bibeltexte. Die Goten haben das Christentum wahrscheinlich im 4. Jahrhundert angenommen und wurden durch arianische griechische Geistliche getauft. Wulfila bzw. Ulfila betrachtet man als den „Schöpfer eines neuen gotischen Alphabets wie einer gotischen Literatur“ (Dieter 1900, 14). Vor Wulfila war ein Runenalphabet mit 24 Zeichen bekannt, der sog. Fuþark. Die wulfilanische Variante besteht aus 27 Zeichen, für die das griechische Zeichensystem Vorbild war. An den unterschiedlichen Formen erkennt man auch den Einfluss der anderen Sprachen, wie z. B. des Kaukasischen oder des Lateinischen, doch die Mehrheit der Wörter ist ‚rein’ gotisch (Herwig 2001, 121-123), denn nicht nur Wulfila, sondern auch seine Schüler und Nachfolger haben an dem Bibeltext gearbeitet. Man muss in Betracht ziehen, dass der Text wahrscheinlich nicht in der ursprünglichen Form erhalten wurde. Relevant ist hier die Rolle der Mönche, die ihn abgeschrieben haben und die verschiedene Veränderungen, gemäß ihrer schriftlichen Tradition, einführen konnten. 2.2 Gotisches Verbalsystem In diesem Kapitel wird das gotische Verbalsystem zum Thema gebracht, d.h. die Kategorien des Numerus, Modus, der Person, Genera verbi und des Tempus. Das Gotische unterscheidet zwischen Singular, Dualis und Plural. Als die einzige germanische Sprache besitzt das Gotische Dualformen in allen Tempora und Modi (Schmitt 1970, 117). Der Dual wurde aber inkonsequent markiert: „nur an Verben in der 1. u. 2. Person, nie an Nomina außer den Personalpronomina der 1. und 2. PS. Nom. wit, Gen., Dat. ugkis >>wir zwei<< und Nom. *jut, Gen., Dat. igkis >>ihr zwei<<.“ (Speyer 2007, 72) 7 Es kann ein Beleg dafür sein, dass der Dual schon im Gotischen im Verfall war. Der Dual fällt später mit dem Plural zusammen. Das Gotische besitzt in der Kategorie der Person folgende Formen: erste, zweite und dritte Person sowohl im Singular als auch im Plural. Beim Dual fehlt aber die dritte Person, was ihn als die Erzählform ausschließt – deshalb tritt er nur „in der Rede“ (Streitberg 1910, 190) auf. Dieses Fehlen der 3. Person wurzelt im „Verschwinden des Duals in der nominalen und pronominalen Deklination.“ (Braune/ Heidermanns 2004, 142) In der Kategorie des Modus’ unterscheidet man drei Möglichkeiten, die mit den gegenwärtigen Formen zusammenfallen: Indikativ, Optativ (Konjunktiv) und Imperativ, der nur im Präsens vorhanden ist. Die Funktion von Indikativ im Gotischen unterscheidet sich nicht von seiner Funktion in der gegenwärtigen Sprache und bringt „den Begriff des Verbums als gewiss, wirklich und bestimmt“ (Heyne/Stamm 1865, 271). zum Ausdruck. Der Optativ drückt nicht nur die Vermutung, sondern auch eine Aufforderung aus, z.B. Luk. 18, 20: ni hlifais, ni maurþrjais ‚du sollst nicht stehlen, du sollst nicht töten!’. Optativ steht auch u.a. nach der Konjunktion faurþizei ‚ehe, bevor’: Mt. 6, 8: faurþizei jus bidjaiþ ina ‚noch ehe ihr ihn bittet’ (siehe Heyne/Stamm 1865, 271). Der Imperativ wird zur Bildung der Sätze verwendet, die Befehl, Aufforderung oder eine Bitte ausdrücken. Oft wird Imperativ durch Optativ ersetzt, vor allem wegen seiner pragmatischen Funktion – einen Wunsch auszudrücken: (1) Lk 2, 15 [...] þairhgaggaima ju und Beþlahaim jah saiƕaima waurd þata waurþano, [...] ,Lasst uns nun gehen gen Betlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist’ Die 1. Person Plural Imperativ der dargestellten Verben sollen folgendermaßen lauten: þairhgaggan (redupl. Vb.) – þairhgaggam saiƕan (st. Vb.) - saiƕam Im Bereich der Genera verbi unterscheidet man Aktiv und Passiv, das oft auch Mediopassiv genannt wird. Obwohl das Passiv nur in wenigen Formen des Indikativs und Optativ Präsens erhalten blieb, wird es nicht selten verwendet. Für die fehlenden Formen vom Passiv treten gewöhnlich die Umschreibungen durch das Partizip Präteritum mit Hilfe von den „entsprechenden Formen von wairþan und wisan auf, z.B. daupjada ‚werde getauft’“ (Mk. 10, 38). (Braune/Heidermanns 2004, 141) Nach Braune/ Heidermanns habe Wulfila die Medialformen im Ausgangstext falsch verstanden und „in einigen Fällen das „Mediopassiv“ fehlerhaft in aktiver Bedeutung verwendet.“ (Braune/Heidermanns 2004, 141) 8 Für das gotische Verbalsystem sind zwei Tempusformen charakteristisch: im Aktiv sind es das Präsens und das Präteritum und im Mediopassiv gibt es nur die präsentische Form. Diese geringe Zahl von Tempusformen ist für viele altgermanische Sprachen kennzeichnend. Präsens ist nach Kotin „eine universelle Kodierungsform gegenwärtiger und zukünftiger Sachverhalte“ (Kotin 2012, 291): (2) Lk 2, 10 [...] jah gaþ du im sa aggilus: ni ogeiþ, unte sai, spillo izwis faheid mikila, sei wairþiþ allai managein, [...] ‚und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird’ spillo – spillôn, sw. V.2, 1. Pers. Sg., Präsens wairþiþ – waírþan, st. V.3., 3. Pers. Sg., Präsens Im Gotischen wie im Deutschen bezeichnet das Präsens nicht nur eine gegenwärtige Tätigkeit, sondern auch eine fortdauernde und eine allgemein gültige. Daneben bringt es auch die Zukunft und zukünftig vergangene Handlung zum Ausdruck: (3) Joh. 14, 29: [...] ei, biþe wairþai, galaubjaiþ [...] ‚damit ihr glaubt, sobald dies geschieht.’ Obwohl Präsens für die Bezeichnung des Futurum im Allgemeinen genügt, ist es auch möglich die Zukunft mit Hilfe von der Umschreibung oder Optativ auszudrücken (Streitberg 1910, 199-202): (4) 2 Kor 1, 5, 10: [...] ei ganimai ƕarjizuh þo swesona leikis, afar þaimei gatawida, jaþþe þiuþ jaþþe unþiuþ. ‚Dann wird jeder das bekommen, was er für sein Tun auf dieser Erde verdient hat, mag es gut oder schlecht gewesen sein.’ Streitberg erwähnt auch das historische Präsens, das nach dem griechischen Original verwendet wurde, aber oft durch das Präteritum ersetzt wird (Streitberg 1910, § 299). Präteritum bringt die Handlung, die auf dem Reichenbach-Schema den Bereich „Aktzeit vor Sprechzeit“ umfasst, zum Ausdruck. Nach der Reduktion der indogermanischen Tempusformen kann das Präteritum das indogermanische Perfekt und den Aorist (auch ein Vergangenheitstempus) ersetzen. Im Gotischen wird es vor allem „als Erzähltempus verwendet“ (Zeman 2010, 123). Wenn es um die Bildung der Präterita geht, erfolgt es bei den starken Verben durch Ablaut und bei den schwachen durch das Dentalsuffix. Zum Ausdruck der Perfektivität dienten auch die sog. ‚ga-Komposita’, die nach Krause (1953, § 207) die perfektive Bedeutung bei dem Präteritum zum Ausdruck bringen. Die Frage nach den ‚ga-Komposita’ ruft noch heute rege Diskussionen zum Thema hervor, ob sie in der Tat „eine Tempus-bestimmende Funktion inne“ haben (Zeman 2010, 124). 9 2.3 Die gotischen Präfixe und Suffixe Das Gotische verfügte über ein stark entwickeltes System von Präfixen. Weil die germanischen Präfixe ihren Ursprung in den Adverbien oder Präpositionen haben (Kusmenko 2011, 34), kennt die gotische Sprache u.a. solche Präfixe, die (später auch im Ahd.) auch frei als Präpositionen auftraten, wie z.B. bi oder and (Hempel 1980, 159). In den Zusammensetzungen mit den Verben oder Nomina treten solche Präfixe auf, wie: (sowohl nominale als auch verbale Zusammensetzungen) af, afar, ana, and, at, bi, faúra, hindar, in, inn, miþ, uf, ufar, us, wirþa, (nur mit den Verben) du, þaírh, und, nur (mit den Nomen) fram, inna, undar (siehe Braune 2004, 179). Andere Präfixe werden in den Wortbildungen verwendet: dis-, faír-, fra-, ga-, id-, twis-, tuz-, unþaoder das Negativpräfix un-. Im Gotischen sind die Präfixe nicht so fest an das Verb angebunden und stehen in Proklise (Kuroda 2010, 334). Viele von den gegenwärtigen deutschen Verbpräfixe finden im Gotischen ihren Beleg, obwohl die fehlende Transparenz von vielen gotischen Verbformen keine eindeutige Gegenüberstellung ermöglicht. Laut Max Leopold (1907) sind die deutschen Präfixe ver-/ vor- mit den gotischen Formen faír-, faur-, fra- verwandt. Vier gotische Präfixe and(a)-, und-, unthaund in- sind die Entsprechungen des gegenwärtigen ent-, die später alle in Ahd. intaufgingen. Beim Präfix bi- wie z.B. im Wort bi-qiman ist die ursprüngliche Bedeutung des ‚bi’, d.h. ‚rings umher’, die in Verbindung mit dem Verb qiman soviel wie ‚umkreisen’ zum Ausdruck bringt „und später den semantischen Zuwachs einer dynamischen Handlung bekam“ (Kotin 2012, 383). 1) Bedeutung ‚rings umher’ [CA] jah galaiþ in Iarusaulwma Iesus jah in alh; jah bisaiƕands alla, [...] (mk 11, 11) – ‚Und er zog in Jerusalem ein, in den Tempel. Und als er über alles umhergeblickt hatte, [...]’; pln. ‚Tak przybył do Jerozolimy i wszedł do świątyni. Obejrzał wszystko, [...]’ Dem deutschen Präfix er- ordnet man das gotische us- zu. Die Rolle der Präfixe beim Prozess der Grammatikalisierung wurde zur heftigen Diskussion gestellt. Von der Verwendung unterschiedlicher Präfixe hängt die Bedeutung eines Wortes ab, wie z.B. gaqiman ‚sich sammeln’ und fraqiman ‚ausgeben, verbrauchen’ (Kusmenko 2011, 34f.). Die Präfigierung im Gotischen wurde vor allem aufgrund der Untersuchungen des 10 wulfilanischen Bibeltextes und seinem Vergleich mit der griechischen Fassung erforscht, die eine Basis für Wulfila bildete. „ Bei der gr. Bewegungsverben wird die Aktionsart vorwiegend durch den Tempusstamm ausgedrückt. Das Präfix gibt die Bewegungsrichtung an. Bei den got. Bewegungsverben drückt das Präfix in der Regel entweder Bewegungsrichtung oder Aktionsart aus, in einigen Fällen sogar beides gleichzeitig. Dabei betont meistens das Simplex den Verlauf der Bewegung (Ausnahme: qiman), während die Komposita ihren Beginn oder Abschluss hervorheben.“ (Götti 1974, 134) Im Gotischen wie im modernen Deutschen funktioniert auch ein gut entwickeltes Suffixsystem. Die gotischen Suffixe erfüllen selbstverständlich auch grammatische Rollen, wie z.B. die Suffixe bei der Steigerung der Adjektive: -iz und -ôz im Komparativ z.B.: manags (a-Stamm) Sg. N. mask. managiza fem. managizei nautr. managizô, und Superlativ mit dem Dentalsuffix -ist- oder -ôst-, z.B. : goþs (a-Stamm) mask. fem. neutr. batists batista batist schwach: batista batistô batistô stark: (siehe Binnig 1999, 82f.) oder die Ortsadverbiensuffixe, wie z.B.: Adverbien mit -r- oder -a- Suffix, die auf die Frage ‚wo?’ antworten: afta ‚hinten’, faúra ‚vorne’, jainar ‚dort’ oder þar ‚dort, da’. Suffixe spielen auch eine Rolle bei der Bildung der Abstrakta, wie z.B. das Suffix -ida-iþa- bei den femininen Abstrakta der ô-Stämme: waírþida ‚Würde’, afgrundiþa ‚Abgrund’ oder -eins-Suffix bei den femininen Abstrakta der i-Stämme: galaubeins ‚Glaube’, naseins ‚Rettung’. Die andere Gruppe der Abstrakta bilden die maskulinen þu- Abstrakta, z.B. kustus 'Versuchung'. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen liegt auch daran, dass die -þu- Abstrakta nur von den unpräfigierten Verben abgeleitet werden konnten (siehe Kotin 2012, 390). Das Suffix kann auch auf den Kasus hinweisen, z.B. -u-Suffix bei sunu (Sg. Akk./Vok.) von sunus (mask., u-Stamm) oder faíhu (Sg. Akk./Nom.) von faíhu (neutr., u-Stamm). Im Gotischen bildet man mittels 11 des Dentalsuffixes -da „das Präteritum aller [...] schwachen Verben und der Präteritopräsentia“ (Kotin 2012, 254), wie z.B. laistida oder skulda. Auch die Partizip II-Formen werden mittels „konstanter Exponenten“ (Kotin 2012, 281) gebildet. Bei der starken Verben folgt es mit Hilfe vom -n- Suffix, wie z.B. numa-n-s 'genommener' und bei den schwachen vom -þ- Suffix, z.B. nasi-þ-s 'geretteter'. Produktiv erscheint auch das Suffix -l, das zur Bildung der Diminutiva diente, z.B. Barnilo 'Kindlein' oder mawilo 'Mädchen'. Reiner Grill (2009, 6) erwähnt noch eine andere Funktion der Suffixe, nämlich die Imperfektivierung der perfektiven Verben. Im Gegensatz dazu sollen die Präfixe dazu dienen, die nichtpräfigierten Verben perfektiv zu machen. Die Präfixe haben also nicht nur die Aktionsart, sondern auch den Aspekt beeinflussen sollen. Doch Habermann (1991) und Frank (1994) weisen in ihren Untersuchungen über die Präfixe in der russischen Sprache darauf hin, dass sie „bedeutungsleer“ (Tauscher/Kirschbaum 1968, 255) sein konnten und nur die Rolle bei der Veränderung des Aspekts spielten. Von großer Bedeutung ist hier das Präfix ga-, dem die heftigen Diskussionen gewidmet wurden. Das Präfix ga- wurde zum Streitpunkt bei der Untersuchung des Aspekts im Gotischen. 2.4 Die Diskussion um die „ga-Komposita“ Wegen des auffallenden Auftretens der ga-Komposita im Gotischen wurde das Präfix ga- zu einem der zentralen Forschungsgegenstände. Dem Suffix wird eine Rolle beim Prozess der Perfektivierung der Verben zugeschrieben und sein Anteil beim Ausdrücken des Aspekts im Gotischen wird intensiv untersucht. Die ersten Ergebnisse erschienen schon im 19. Jh. 1824 veröffentlichte Jacob Grimm seine Arbeit „Die althochdeutschen Präpositionen“, in der er das Thema der Präfixe und ihre Rolle am Beispiel des althochdeutschen Tatians aufgegriffen hat. Grimm äußerte seine Meinung, dass die präfigierten Verben perfektiv und die nicht präfigierten imperfektiv sind (Grill 2009, 8). Drei Jahrzehnte später untersuchte August Schleicher germanische und slavische Morphologie und beschäftigte sich mit Perfektivität/Imperfektivität, wobei er sich der Begriffe vollendet/unvollendet bediente. Eine gewisse Aufmerksamkeit schenkte er den ga-Komposita und erklärte sie für Surrogat der fehlenden Zeitstufenformen. Seine These erfreute sich großer Rezeption und fand sowohl ihre Befürworter als auch ihre Gegner. Einer der Befürworter, Heinrich Martens, war der 12 Meinung, dass das Präfix ga- seine soziative Bedeutung verloren hat und ein Mittel zum Ausdruck der Perfektivität wurde: „Sie [= ga-] hat sich [...] ihrer speciellen function ‚mit, zusammen’ so sehr entäußert, dass sie meist nur zum zwecke dieser allgemeineren function, zum zwecke des ausdrucks perfectiver beziehung angewandt wird.“ (Martens1863, 330) Doch Tobler kritisiert Martens’Ansichten und führte solche Argumente an, wie z.B. die Tatsache, dass Martens eine falsche Verbliste zusammengestellt hatte, indem er die Verben, „wo ge- mit der ganzen bedeutung des wortes untrennbar verwachsen erscheint“ (Tobler 1865, 116) mit denen die mal mit mal ohne ge- auftauchen in einer Reihe stellte. Der schwerste Fehler Martens’ war nach Tobler seine Theorie, dass er die ge- Zusammensetzungen für solche Ersatzformen der nichtentwickelten Zeitstufen hielt. Dagegen war er der Meinung, dass ga- die „erfüllung und abrundung der handlung in sich selbst“ (Tobler 1865, 138) kodiert. Von großer Bedeutung ist hier auch die Arbeit von Dorfeld (1885), in der er drei Hauptthesen in Bezug auf die Funktion des ga-Präfixes aufstellte: 1. die Soziativität, 2. die Vollständigkeit und 3. die temporale Vollendung (siehe Dorfeld 1885, 7). Er befürwortete also die Theorie über die soziative Funktion des Präfixes und die Modifikation der Bedeutung, relativierte aber seine Rolle bei der Bezeichnung des Futurs und Plusquamperfekts. Eine der bedeutendsten Arbeiten ist aber die Untersuchung von Streitberg „Perfective und imperfective Actionsart im Germanischen.“ Wilhelm Streitberg stützte sich in seinen Untersuchungen auf den Vergleich der germanischen Bildungen mit dem Präfix got. ga-, ahd. gi-, as. gi-, ags. je- mit „den slawischen aspektualen Präfigierungen mit so, sЪ [...], die übrigens auch etymologisch verwandt sind“ (Kotin 2012, 294). Er kam zum Schluss, dass dieses Präfix ursprünglich eine soziative Rolle spielte, indem es das ‚Zusammensein’, etwas ‚Gemeinsames’ oder eine ‚soziative Bedeutung’ zum Ausdruck brachte. Etymologisch gesehen ist das gotische Präfix ga- mit dem lateinischen coverwandt: „[...] composite ajectives with prenominal *ga- » ‘being with something, some quality’ composite nouns with prenominal *ga- » a) ‘person sharing something, some function, quality with others’ 13 b) ‘person, thing being together with others of the same kind’ In other words, composites of the type [*ga- + NOMINAL (+ SUFF)]NOMINAL mean ‘being with something, some function, quality (together with others)’. Thus, *gaoriginally meant ‘(together) with’ and can therefore (at least semantically) be compared to Lat. co(m/n)- (coniux f., cognomen n., compotor m., concolor adj. etc.) or Orl. com-, co-n (e.g. com-arbe m.).” (C. Gante 2012) Für das Gotische postuliert Streitberg aber eindeutig die perfektivierende Funktion von ga-: „Die perfectiva werden durch zusammensetzung des verbums mit praepositionaladverben aus den imperfectiven simplicia gebildet“ (Streitberg 1891, 176). Die Soziativität des ga- Präfixes demonstrieren z. B. folgende Wortpaare: qiman ‚kommen’ und gaqimqn ‚sich versammeln’, niman ‚nehmen’ und ganiman ,sammeln’. Diese Modifikation der Bedeutung ist noch im gegenwärtigen Deutschen bei den Substantiven vorhanden: Bild - Gebilde, Stern - Gestirn. Die zentrale Aufmerksamkeit wird aber auf die Streitfrage des Aspekts im Gotischen gerichtet, die die ga-Komposita „aspektverdächtig“ (Kotin 2012, 295) machte. Die Forscher suchten nach der Antwort auf die Frage, wie stark das Präfix ga- grammatikalisiert ist und was es modifiziert, sowohl im grammatischen als auch semantischen Sinne. Fokussieren wir uns auf einigen Theorien zur Funktion des Präfixes ga- und ihrer Rezeption. Hier kommen wir nochmal auf die Theorie von Streitberg. Streitberg wies darauf hin, dass die einfachen Verben prinzipiell durch die Zusammensetzungen mit Präfixen perfektiv wurden. Die Bedeutung einer Zusammensetzung hing von drei Komponenten ab: 1. von der Bedeutung des Simplex; 2. von der Bedeutung des Präfixes; 3. von dem Endeffekt der Zusammensetzung der beiden oben genannten Komponente – der Änderung der Aktionsart (siehe Grill 2009, 11). Er war der Ansicht, dass diese Änderung auf zweierlei Art und Weise verlaufen konnte: entweder verursacht die Komposition nur die Modifikation der Aktionsart und sie wirkt sich nicht bei der allgemeinen Bedeutung des Verbs aus (so würde das Präfix als der perfektivierende Faktor fungieren), wie z.B. niman - ganiman, oder es entsteht eine neue Bedeutung des Verbs (das Kompositum bleibt aber imperfektiv), wie z.B. hafjan ('heben') – andhafjan (antworten'). Im ersten Fall verhält sich das ga-Präfix genau so, wie das Präfix z- im Polnischen, d.h., es bewirkt die Änderung der Aktionsart – der durativen Aktionsart in eine resultative, wie 14 z.B. pln. robić – z-robić. Vor allem diese perfektivierende Funktion des ga- (so wie auch anderer Präfixe) wurde von Streitberg postuliert: „Diese sämtliche praepositionaladverbien verleihen, wie die untersuchung ergibt, deren resultat ich der übersichtlichkeit halber in dogmatischer form vorauszustellen mir erlaube, dem verbum bei der zusammensetzung perfective actionsart im sinne der oben genannten definition.” (Streitberg 1891, 80f) Dabei war er der Ansicht, dass es im Gotischen auch eine kleine Gruppe von Verben gibt, die von Natur aus eine perfektive Aktionsart erkennen lassen, wie z.B. qiþan, qiman, niman (siehe Streitberg 1891, 103ff). Dabei betont er aber, dass soweit sich das ga- Präfix in erster Reihe auf seine soziative Bedeutung beschränkt, bleibt das neuentstandene Kompositum imperfektiv. Viele Forscher postulieren aber auch die Möglichkeit, dass die Präfixe „bedeutungsleer“ sind. So verhält sich z.B. das bi-Präfix im Wort kukjan / bi-kukjan 'küssen'. Solche 'leeren' Präfixe bilden nur Zusammensetzungen, die „als perfektive Dubletten zum imperfektiven Simplex betrachtet werden“ (Grill 2009, 7). Als ein solches Mittel fungiert z.B. das Präfix po- im Polnischen, z.B. jechać – pojechać. In diesem Fall erfüllt das Präfix rein grammatische – aspektbildende – Funktion. Streitberg sprach sich auch gegen Dorfelds Meinung aus, dass ga- auch eine Art Verstärkung ausdrückt und allgemein gegen die Theorie über verschiedene Benutzungsmöglichkeiten von ga-: „Wie ist es überhaupt denkbar, dass eine einzige partikel zugleich so verschiedene functionen wie die genannten in sich vereinige und bald die eine bald die andere beliebig hervorkehre, ohne dass innere oder äussere bedingungen ein regelmäßiges gesetz erschliessen lassen?“ (Streitberg 1891, 92) Dagegen meint Piergiuseppe Scardigli (1973), dass das ga- vor allem Intensivierungsfunktion ausübt. Auch Hans Pollak schreibt ga- eine 'verstärkende' Bedeutung zu und nennt es ein „abgeschwächtes verstärkendes ga-“ (Pollak 1971, 26). Die Theorie von Streitberg fand sowohl ihre Befürworter, als auch ihre Gegner. Die perfektivierende Funktion von ga- wurde u.a. von Krause, Leiss, Kieckers, Feist im Ganzen befürwortet, andere wie z.B. Marache, Pollak oder Lloyd entwickelten ihre eigenen Theorien. Es erhoben aber auch die ablehnenden Stimmen, die nicht an die 15 Beweiskraft der Streitbergschen Ansichten glauben. Zu diesem Kreis gehört u.a. Antonin Beer, der auf Grund von der ins Tschechische (aber auch Altkirchenslawische) übersetzten Sätze die These von dem Vorhandensein des Aspekts im Gotischen widerlegen wollte. Er war der Meinung, dass ga- nicht aus den grammatischen (aspektbildenden), sondern aus den stilistischen Gründen verwendet wurde. Er postulierte dazu noch, dass kein Präfix im Gotischen perfektivierende Funktion zu Grunde hat. Doch seine These wurde scharf kritisiert auch u.a. von einem anderen Gegner Streitbergscher Theorie – Anatol Mirowicz, der bei Streitberg kritisierte, dass er „die slavischen Aspektunterschiede aufs Gotische [...] übertragen [hatte], dass er sich über das Wesen der slavischen Aspekte nicht vollständig im klaren war, sie mit der Aktionsart verwechselte und die Frage der Verwendung der Aspekte überhaupt außer acht liess.“ (Mirowicz 1935, 10f). Auch Jurij Maslov negierte die perfektivierende Funktion von ga-, indem er postulierte, dass es nur die 'begrenzte' Handlung zum Ausdruck bringt. Maslov nennt offen Streitbergs Schlussfolgerungen „false conclusions“ (Maslov 1985, 41). Er listete die Verbpaare im Russischen wie pisat’ (impf.) und napisat’ (pf.) auf, die von ihm nicht als Aspektpaare, sondern als sehr nahe Synonyme verstanden wurden. Beim perfektiven Aspekt wird nach Maslov „die Handlung als unteilbares Ganzes“ dargestellt (Leiss 1992, 57). Die reinen Aspektpaare entstehen durch die sekundäre Imperfektivierung, die im Gotischen nicht vorhanden ist. Die Aspektkategorie im Russischen besteht aus zwei Arten der Opposition: Determiniertheit/Indeterminiertheit und Terminativität/Aterminativität, wobei Maslov postulierte, dass im Gotischen nur die Terminativität/Aterminativität vorhanden ist und nicht mit der Kategorie des Aspekts gleichgestellt sein kann: „Der Vorgang, den man gewöhnlich ’Perfektivierung’ nennt, d.h. die Anfügung eines Präfixes oder des Nasalsuffixes an den Verbalstamm, bewirkt nicht weiter als bloß eine Vorbedingung für die spätere Entwicklung zur Aspektkategorie. Dieser Vorgang hat zur Entstehung der Gruppe der terminativen Verben geführt, die die slavischen Sprachen mit vielen nicht-slavischen gemein haben. Erst aus der Spaltung dieser Gruppe ging die spezifisch slavische Erscheinung des Aspekts hervor.“ (Maslov 1959, 568) So verfügt das Gotische nach der Leningrader Schule über keinen Aspekt, sondern nur über Aktionsarten. 16 Eine interessante Theorie stellte 1951 Josef Raith auf, in der er postulierte, dass gakeine grammatische Kategorie kodiert, sondern dass die perfektiven und die imperfektiven Verben unterschiedliche Tätigkeiten bezeichnen: „es sind zwei verschiedene Verben“ (Raith 1951, 25). Bei der Streitbergschen Theorie ist es relevant anzudeuten, dass Streitberg unter dem Begriff 'Aktionsart' eigentlich den Aspekt verstanden hatte. Diese Tatsache und Streitbergs Annahme, dass auch andere grammatischen Mittel, wie die Syntagmen duginna + Infinitiv, skal + Infinitiv oder haba + Infinitiv die Aktionsart zum Ausdruck bringen konnten, waren Faktoren der Verundeutlichung der beiden Begriffe, Aspekt und Aktionsart. Erst später wird zwischen den beiden Termini unterschieden. 1908 veröffentlichte Sigurd Agrell seinen Beitrag, in dem der Problem der Unterscheidung der beiden Begriffe enthalten war. Unter dem Begriff Aktionsart verstand er die Art und Weise der Handlungsvollendung. Der Aspekt bezeichnet dagegen die Vollendung und Unvollendung der Handlung. Nach Leiss (2000) spricht man vom Aspekt, wenn sich zwei Verben in einem Verbpaar „einzig“ oder „mindestens primär“ mittels des Perfektivität- oder Imperfektivität-Merkmals voneinander unterscheiden lassen. Die Frage des Aspekts im Gotischen quält viele Forscher noch heutzutage. Streitberg musste die Vorwürfe, z.B. vonseiten der Slawisten zurückweisen, dass das Gotische über keine Kategorie des Aspekts verfügte. Dieser Gruppe gehörte z.B. Maslov oder Schemerényi an. Der letzte war davon überzeugt, dass „Streitbergs Ansicht nicht aufrechtzuerhalten ist“ (Schemerényi 1990, 334). Derselben Meinung war Marchand, der aber (ähnlich zu Maslov) der Ansicht war, dass die Aspektualität jedenfalls in jeder Sprache ausgedrückt wird (Marchand 1970, 118). Eine eigene Theorie entwickelte Maurice Marache, der das ga- nicht in der Kategorie des Aspekts oder der Aktionsart platzierte, sondern für eine grammatische Erscheinung hielt, deren Wurzeln schon in früheren germanischen Sprachstufen zu finden sind und ihren Höhepunkt im Mittelhochdeutschen hat. Marache war der Meinung, dass das präfigierte Verb u.a. beim Berichten des vergangenen oder zukünftigen Geschehens vorkommt oder „wenn der Erzähler zur Feststellung der Tatsache übergeht“ (Marache 1960/61, 22). Das Simplex wird dagegen von dem Erzähler zur Betonung seines Ziels benutzt. Marache sieht aber keinen Unterschied in der Kategorie der Aktionsart zwischen Simplex und Kompositum. Das Kompositum drückt denselben Handlungsverlauf wie das Simplex aus. Marache fehlte auch bei Streitberg die Unterscheidung zwischen der subjektiven und objektiven Aktionsart. Der Unterschied entsteht in der Bedeutung nur dann, wenn das Präfix ga- seine 17 ursprüngliche Bedeutung behält (Marache 1960/61, 4) – in dieser Hinsicht deckt sich seine Theorie mit den Streitbergschen Ansichten. 1954 erschien die Theorie von Philip Scherer, der einerseits nicht das Vorliegen des Aspekts allgemein im Gotischen abgelehnt hatte, andererseits war er der Ansicht, dass diese grammatische Kategorie in keinem Zusammenhang mit dem Präfix ga- steht. Dieses Verhältnis stellte er auf Grund von vier Kategorien dar: 1) Verben, die nur eine Bedeutung und einen Aspekt haben 2) Verben, die mehr als eine Bedeutung, aber wieder nur einen Aspekt haben 3) Verben, die nur eine Bedeutung haben, der Aspekt hängt aber vom Kontext ab 4) Verben, die mehr als eine Bedeutung haben und der Aspekt hängt vom Kontext ab (siehe Scherer 1954, 212). Scherers Definition vom Verbalaspekt spricht von drei Arten des Aspekts: lexikalischer z.B, 'beat' - 'slay', syntaktischer 'sitzen' – 'sich setzen' und morphologischer 'schlagen' – 'erschlagen' (Grill 2009, 21). Wenn es sich um ga- handelt, gliedert Scherer die mit gapräfigierten Verben in drei Gruppen: A, B und C. In der Gruppe A fungiert das ga- als Mittel zur Differenzierung der Bedeutung (differentiator of meaning), in der Gruppe B differenziert es das Tempus (marker of temporal differentiation) und in der Gruppe C erfüllt es keine der beiden Funktionen. Scherer bemerkt, dass am häufigsten die Verben der Gruppe B vorkommen: 2127 Verbvorkommen der Gruppe B zu 389 Verbvorkommen der Gruppe A. Scherers Theorie wurde aber auch der Kritik unterzogen: ihm wurde die Vermischung von Aspekt und Aktionsart und allgemein Undeutlichkeit und Verwirrung der Theorie vorgeworfen. Zur Gruppe der Kritiker gehörte u.a. Hans Pollak, für den die eindeutige Erklärung der Verwendung von gaunmöglich ist (Pollak 1971, 10). Obwohl er die Vermischung von Aspekt und Aktionsart bei Scherer kritisiert hatte, beging er denselben „Fehler“, was in seinem Aufsatz von 1967 zu finden ist: „Als 'Aspekte' betrachte ich also bestimmte charakteristische Aktionsarten, durch die zwei sonst semantisch identische, morphologisch verwandte Sprachformen (oder Sprachformungen) in ihrer Bedeutungsfunktion voneinander abweichen. Dann liegt Aspekt vor, wenn die eine dieser Aktionen durativ und die andere komplexiv ist (ähnlich dem Charakter des konstatierenden Aorists)“ (Pollak 1967, 404) 18 Pollak widmete in seinen Untersuchungen große Aufmerksamkeit dem griechischen Original. Doch er kam letztendlich zum Schluss, dass in meisten Fällen ga- eine rein stilistische Rolle spielt oder dem Verb eine neue Bedeutung verleiht. Gleichzeitig negiert er die Theorie, dass ga- den Aspekt oder die Aktionsart zum Ausdruck bringt, wo es nicht mehr die Soziativität kodiert. Pollak sprach auch das Thema der Verstärkungsfunktion an. Er war der Ansicht, dass ga- eine der folgenden Bestimmungen dem Verb gibt: „unbedingt, gewaltsam, vernichtend, in jeder Weise, bestimmt eintreffend, erfolgreich, sogar, vollkommen, (der Glaubenstreue) entsprechend, mit höherer Macht, mit Erreichung des Ziels“ (Pollak 1971, 26), „Verwandlung der Unähnlichkeit, gewaltiges Zusammenwirken, zusammen“ (Pollak 1974, 14f.). Pollak spricht daneben vom „Inzidenzschema“ - im Verlauf eines Zustandes erscheint plötzlich die Vollendung oder die Bestimmung - die Handlung im Verlauf wird durch ein imperfektives Verb ausgedrückt. Falke Josephson stellte seine Theorie dar, die seine Ansichten über Aspekt, Aktionsart und Perfektivität beinhaltete. Seiner Meinung nach kann die Perfektivität nur der Kategorie des Aspekts zugeschrieben werden: „Fundamentally, the perfective form refers to the action as a totality[...]“ (Josephson 1976, 152). Nach ihm sind die Funktionen von ga- folgend: 1.das Präfix ga- fungiert als Marker der 'Grenzen' der Handlung – sowohl der Anfangsals auch der Endgrenze, 2. Marker des resultativen Charakters der Handlung - hier spielt die Stellung des Verbs im Satz eine relevante Rolle. Das Präverb am Anfang des Satzes kann als die Hervorhebung der Handlungsvollendung fungieren. 3. Ausdruck der Fähigkeit zur Vollendung der Handlung. Zum Thema Aspekt im Gotischen äußerte sich auch Alfred Lloyd, der beim Aspekt drei Kategorien unterscheidet: den konstativen Aspekt, den komplexiven Aspekt und den kursiven/ „presentiven“ Aspekt. Bei der ersten Kategorie handelt es sich um einen Bericht über ein wirkliches vergangenes Geschehen. Beim komplexiven Aspekt kann der Berichtende sich in jedem Zeitpunkt befinden, deshalb gibt es die Möglichkeit der unbegrenzten Sicht über eine Handlung. Der komplexive Aspekt wird nach Lloyd (Lloyd 1979, 77) als perfektiv verstanden. Der kursive/“presentive“ Aspekt kann dagegen niemals die Perfektivität zum Ausdruck bringen. Wenn der Bericht eine vergangene Handlung betrifft, heißt der Aspekt kursiv, bei der Gegenwart ist es der „presentive“ Aspekt. Für Lloyd war es also die Perspektive des Beobachters. So wird bei ihm die Perfektivität mittels Außen19 und die Imperfektivität mittels Innenperspektive kodiert. Deshalb wurde ihm. u.a. die Gleichsetzung des gotischen mit dem slavischen Aspektsystem vorgeworfen. Die Präfixe fungieren im Gotischen als Aspektmarker, der im Gotischen in Form vom komplexiven Aspekt auftritt. Dabei definiert er die Funktion von ga-, als Marker der Vollendung: „the complexive report of a complete action; it is therefore the marked form.“ (Lloyd 1979, 85) Die Rolle der Perspektivierung beim Aspekt wird auch von Elisabeth Leiss befürwortet: „Versteht man unter Aspekt die Perspektivierung der (lexikalischen) gleichen Verbalsituation sowohl von einer Innenperspektive als auch einer Außenperspektive heraus, dann ist es erlaubt, den aufgeführten gotischen Verbpaaren Aspektstatus zuzusprechen. Auch in LLOYDS Arbeit zu den Verben im Gotischen erweist sich die Differenzierung nach Innen- und Außenperspektive („view from within“; „view from without“) als elementar (Lloyd 1979: 88). Über solche Perspektivierungsmöglichkeiten verfügen die Verben im Gotischen.“ (Leiss 1992, 67) Leiss behauptet dadurch auch, dass das Gotische sowohl über die Aspektkategorie, als auch über die Aktionsarten verfügt. Sie teilt u.a. dem Präfix ga- die Rolle bei der Aspektkodierung zu, wobei sie auch nicht außer Betracht lässt, dass es bereits ’perfektive’ Verben gibt (wie z.B. ga-qiman), wo das ga- seine Grundbedeutung ’zusammen’ ausdrückt. Die Aktionsarten sind nach Leiss Verben wie fra-qiman (vertun), us-qiman (umbringen), ana-meljan (aufschreiben), die keine Aspektpartner haben (Leiss 1992, 67f.). Die Verwendung von ga- zum Ausdruck der Abgeschlossenheit hat sie am Beispiel von zwei Sätzen aus der Gotischen Bibel bewiesen, wo das ga-Verb nach dem Adverb þan verwendet wurde. Sie postuliert, dass bei ’dann’ die Nacheinanderrheiung der Handlung erfolgt, was die „aspektuelle Abgeschlossenheit“ fordert. Sie betont auch den instabilen Zustand des gotischen grammatischen Systems, was auf die Entwicklung einer neuen Kategorie, des Artikels, hindeuten kann. Von einem schwachen Aspektsystem spricht auch Jonathan West, der in seinen Untersuchungen die Aspektdefinition von Comrie übernommen hatte. Comrie definiert Aspekt als „different ways of viewing the internal temporal constituency of a situation” (Comrie 1976, 3). Der Aspekt drückt nach ihm die Unterschiede in der Struktur der Situation auf einer und derselben Zeitebene aus, woraus resultiert, dass er keine deiktische Kategorie ist. Nach West hat die „proklitische Verbalpartikel“ (Grill 20 2009, 27) eine perfektivierende Funktion. West war der Meinung, dass die perfektiven Formen auch die Zukunft kodieren können, was schon Schleicher formuliert hatte. Die telischen Präverben sollen auf den Abschluss der Handlung hindeuten, die das verwendete Verb ausdrückt. Sie können aber auch den Anfang der Handlung zum Ausdruck bringen. Das markierte perfektive Glied kann nur die perfektive Bedeutung kodieren, wobei das unmarkierte Glied die imperfektive Bedeutung zum Ausdruck bringen kann. Daraus resultiert, dass die Zukunftskodierung auch mittels unpräfigierter Verben stattfinden kann. 2.5. ga- und andere gotische Präfixe als Marker der Aspektualität: Grammatik vs. Semantik In dem folgenden Kapitel wird eine besondere Aufmerksamkeit der Untersuchung der Bedeutung von den Komposita im Bereich der Grammatik und Semantik gewidmet. Der Streit um die Bedeutsamkeit zwischen dem Ausdruck der Sozialisation oder des Aspekts scheint die erste Geige zu spielen. Seit Streitbergs Arbeit untersuchte man die „aspektverdächtigen“ Oppositionen Sprachwissenschaftler, vor allem im der Gotischen. Slawisten, das Obwohl viele Vorhandensein der dieser grammatischen Kategorie im Gotischen kategorisch abgelehnt hatten, konnte man nicht die Anwesenheit solcher Verbpaare wie ‚taujan (impf.) – gataujan’ (pf.), ‚helpan – gahelpan’, fraujinon – gafraujinon’ (Leiss 2000, 19f.) ignorieren oder übersehen. Die Opposition „präfixloser Imperfektiva und präfigierter Perfektiva“ (Kotin 2007, 24) wurde mehrmals als ein Argument für die Existenz des Verbalaspekts angeführt. Kotin betont aber auch die „häufige[n] Irregularitäten“, die die Semantik modifizieren, wie z.B. ‚qiman – gaqiman’ (kommen – sich versammeln) oder ‚saiƕan – gasaiƕan’ (sehen – die Sehfähigkeit bekommen) (Kotin 2007, 24). Neben dem Ausdruck der Soziativität wie bei ‚qiman – gaqiman’ findet man auch die Modifikation der Bedeutung wie bei ‚qiman – usqiman’ ‚kommen – töten’. Beispiele, die auf demselben Prinzip aufgebaut sind, kann man auch im Deutschen finden: stehen – verstehen oder im polnischen: chodzić – pochodzić. Zu der Modifikation der Bedeutung äußerte sich schon 1864 Ludwig Tobler, der in seiner Arbeit „Ueber die bedeutung des deutschen ge- vor verben“, die 1865 in der Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung erschien, folgendes schrieb: 21 „Aus der ursprünglichen, sinnlich klaren bezeichnung des zusammen = σύν, entwickelt sich, wie bei lat. con-, eine speciell modificierende, aber meist zugleich allgemein verstärkende bedeutung. Unter den neuhochdeutschen compositis verdienen neben den obligaten genesen, gebühren, gewähren, gebahren, gestatten, geschehen, gewinnen, g-lauben, g-önnen besondere beachtung diejenigen verba, welche auch ohne ge- vorkommen, und diese müssen abermals unterschieden werden in solche, welche auf historischem wege durch ge- eine vom simplex wesentlich verschiedene bedeutung angenommen haben – gehören, gehaben, gelangen, gefallen, gerathen, geloben, gestehen, gereichen [...].“ (Tobler 1865, 135) Die Verwendung des Begriffs ‚Aktionsart’ von Streitberg in Bezug auf den Aspekt hat zur Entwicklung der Theorie von der Aktionsart im Gotischen geführt. So schrieb 1977 Sanae Ukyo von der „perfektiven“ und „imperfektiven Aktionsart“. Die Unterscheidung zwischen der perfektiven und imperfektiven Aktionsart folgt auf Grund der Anfügung des ga- Präfixes: die perfektive Aktionsart wird durch das Präfix erkennbar. Ukyo zählt auch wie Streitberg drei Arten von den Aktionsarten auf: imperfektive, perfektive und iterative, wobei er ununterbrochen die perfektivierende Funktion von ga- betont. Das kann darauf hinweisen, dass er entweder unter dem Begriff Aktionsart den Aspekt versteht oder die Streitbergsche Theorie falsch interpretiert. Ukyo erwähnt auch andere semantische Funktionen von ga-. Er ist der Meinung, dass dieses Präfix „öfters als Mittel gebraucht ist, den Verbalbegriff kräftiger hervorzuheben oder zu verstärken“ (Ukyo 1977, 3). Den deutlichsten Unterschied sieht er zwischen dem Simplex und dem Kompositum, wobei das Simplex den „Ruhestand“ und das Kompositum die „Herstellung dieses Zustandes“ zum Ausdruck bringt, wie z.B. bei þahan ‚schweigen’ und gaþahan ‚verstummen’ (Ukyo 1977, 8). Das Aspektsystem sagen dem Gotischen auch die Slawisten, vor allem Maslov, ab. Er postuliert auf Grund von den Aspektpaaren im Russischen, dass der reine Aspekt nur dank der sekundären Imperfektivierung möglich ist. Doch dieser Prozess kann im Gotischen nicht stattfinden. Elisabeth Leiss findet aber die Antwort auf die Frage, warum es im Gotischen keine sekundäre Imperfektivierung möglich ist. Sie erklärt es durch das „ausgeprägte perfektive Potential von ga-“ (Leiss 2000, 122). Die sekundäre Imperfektivierung in den slawischen Sprachen ist ihrer Meinung nach die Reaktion auf das allmähliche Verschwinden des Aspektsystems. Sie postuliert dabei auch, dass der Aspekt in den 22 germanischen Sprachen im Verfall begriffen ist, doch infolge davon entsteht der Artikel. Leiss ist der Meinung, dass neben dem hohen Grammatikalisierungsgrad des ga- Präfixes es auch relevant ist, dass es „semantisch weit mehr entleert ist“ (Leiss 2000, 122). Sie postuliert auch, dass jedes Verb im Gotischen mit ga- präfigiert werden kann und dass die Verbpaare Simplex und das ga-Kompositum als Aspektpaare betrachtet werden können. Die ursprüngliche Bedeutung von ga- erscheint nach Leiss nur dann, wenn das Simplexverb schon perfektiv ist. So ist es z.B. beim Verb haftjan – ga-haftjan – ga-ga-haftjan. Ein schon perfektives Simplex, in diesem Fall ga-haftjan, wird noch einmal mit dem Präfix ga- präfigiert. Infolge dessen bekommt das Präfix seine ursprüngliche Bedeutung wieder. Diesen Prozess nennt sie „ein zuverlässig prognostizierbarer Reinterpretationsprozess“ (Leiss 2000, 122) und schreibt den anderen Präfixen wie z.B. us- und bi- die Rolle bei den Aktionsartdifferenzierungen zu. Leiss betont die ‚Neutralität’ der ga- Präfigierung, die keine grammatische Reaktion verursacht, wie es im Fall der Abhängigkeit der Bedeutung des Simplexverbs von der Aktionsartmodifizierung ist und stellt die These ‚präfigierbar = perfektivierbar’ auf, d.h. jedes im Gotischen präfigierbare Verb ist im Prinzip auch perfektivierbar. Semantisch gesehen ist die Rolle von ga- nicht so stark entwickelt, wie der Grammatikalisierungsgrad von diesem Präfix. Ukyo nennt neben der Perfektivierung auch andere Funktionen von ga-, wie z.B. Verstärkung und Rhythmisierung (Ukyo 1977, 33). Die Funktion von der Verstärkung wird nach Ukyo in den Verneinungssätzen realisiert, in denen die ga- Komposita keine Perfektivität zum Ausdruck bringen. Solche Sätze sind z.B. ni galeiþai nih laistjaiþ ‚wo ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht’ (Ukyo 1977, 17f.). Von der „unterschiedliche[n] kategoriale[n] Attribution der ga-Komposita“ schreibt auch Kotin (Kotin 2007, 39) und zählt neben der Perfektivität/Resultativität, Inchoativität, Sukzessivität und Mutativität auf. Er bestätigt aber auch die Funktion der Verstärkung bzw. Modifikation, die oft zusammen mit der Perfektivierung auftritt: „Das Präfix ga- nimmt eine Sonderstellung ein, es tritt sowohl als lexikalischer Verstärker bzw. Modifikator als auch als grammatisches Mittel der Perfektivierung auf, nicht selten werden durch ga- beide Funktionen zugleich kodiert: niman ‚nehmen’, ganiman ‚mitnehmen’, ‚bekommen’ [...] (Kotin 2012, 395). Der hohe Grammatikalisierungsgrad von ga- und seine unbestrittene perfektivierende Funktion lässt die ForscherInnen die Aspekttheorie postulieren. Nach Leiss war das Aspektsystem im Gotischen „intakt“ (Leiss 2000, 128), aber entwickelte sich nicht, 23 sondern löste sich langsam auf, was im Resultat zur Entstehung und Entwicklung vom Artikel geführt hatte. Bilanz Obwohl nur ein relativ geringes Textkorpus überliefert wurde, lässt sich eindeutig feststellen, dass das Gotische über ein entwickeltes grammatisches System verfügte. Einen besonderen Platz in diesem System haben die Suffixe und Präfixe eingenommen. Die Suffixe erfüllten verschiedene grammatischen Funktionen, wie z.B. bei der Steigerung der Adjektive oder die Ortsadverbiensuffixe, bei der Bildung der Abstrakta oder des Präteritums schwacher Verben (Kotin 2012, 281). Doch das größte Interesse stellt das Präfixsystem dar. Die gotischen Präfixe, die ihren Ursprung in den Adverbien oder Präpositionen haben, treten frei als Präpositionen oder in den Zusammensetzungen mit den Verben oder Nomina auf. Sie sind nicht so fest an das Verb angebunden und stehen in Proklise (Ziegler 2010, 334). Viele der deutschen Präfixe zeigen eine Verwandtschaft mit den gotischen auf, wie z.B. dt. ver-/vor- und got. faír-, faur-, fraoder dt. ent- und got. and(a)-, und-, int-. Das Basiskorpus bei der Untersuchung der gotischen Präfixe war vor allem die wulfilanische Fassung der Bibel. Den gotischen Präfixen wurden mehrere Funktionen zugeschrieben, wie z.B. Kodierung des Aspekts oder der Aktionsart, Ausdruck der Soziativität oder eine Art Verstärkung der Aussage, ein Mittel, mit dem man „einer Handlung besondere Bedeutung [...] verleihen“ kann (Grill 2009, 52). Die Grundfrage der heftigen Diskussionen war vor allem die Kodierung des Aspekts. Die Frage, ob das Gotische überhaupt über Aspekt verfügte, war das Thema zahlreichen sprachwissenschaftlicher Publikationen. Aspektverdächtig waren die ga-Komposita. Den Ausgangspunkt mehrerer Debatten bildet die Theorie von Wilhelm Streitberg, der sich in seinen Untersuchungen auf den Vergleich der germanischen Bildungen mit dem Präfix got. ga-, as. gi- mit „den slawischen aspektualen Präfigierungen mit so, sЪ [...], die übrigens auch etymologisch verwandt sind“ (Kotin 2012, 294) stützte. Streitberg berücksichtigte einerseits die ‚soziative Bedeutung’ von ga-, andererseits postulierte er eindeutig seine perfektivierende Funktion. Er war aber gegen die Theorie über verschiedene Benutzungsmöglichkeiten von ga-. Seine Theorie hat ihre Befürworter und Gegner gefunden, die sie weiterentwickeln oder widerlegen wollten. Der stärkste Widerspruch kam von Seiten der Slawisten, die das Vorhandensein des Aspekts im Gotischen abgelehnt haben. 24 Maslov war der Ansicht, dass im Gotischen nur eine Art der Opposition vorhanden ist – Terminativität/Aterminativität – wobei die Aspektkategorie (im Russischen) aus zwei Arten der Opposition besteht: Terminativität/Aterminativität und Determiniertheit/Indeterminiertheit. Das Gotische verfügt nach der Leningrader Schule nur über Aktionsarten. Leiss behauptet dagegen, dass nur solche Komposita Aktionsarten sind, die keinen Aspektpartner haben, z.B. fra-qiman oder ana-meljan. Die perfektivierende Funktion von ga- bleibt nach ihr unbestritten, doch sie betont dabei den instabilen Zustand des gotischen grammatischen Systems, was die Entwicklung der Kategorie des Artikels begründen kann. Neben der Aspektkodierung wird oft der Einfluss von ga- auf die Semantik angesprochen. Vor allem wird die soziative Rolle betont, wobei die etymologische Sicht und die Verwandtschaft des ga- mit dem lateinischen co- berücksichtigt wurde. Dieses Präfix kann aber auch zu anderen Modifikationen der Bedeutung führen, wie im Beispiel saiƕan – gasaiƕan. Tobler wies auch auf andere Beispiele von Verben hin, die durch ga-mit dem Laufe der Zeit völlig andere Bedeutung angenommen haben, wie z.B. gehören. Den gotischen Präfixen wird aber auch ganz umgekehrt die „Leere“ zugeschrieben, d.h. sie haben keinen Einfluss sowohl auf die Grammatik als auch auf die Semantik ausgeübt (z.B. kukjan – bikukjan). Andere befürworten einerseits die Theorie, dass ga- „semantisch weit mehr entleert ist“ (Leiss 2000, 122), bestehen aber auf dem hohen Grammatikalisierungsgrad dieses Präfixes. Das ga- kann die Perfektivierung oder die Verstärkung zum Ausdruck bringen, oft kann es auch beide Funktionen zugleich kodieren (Kotin 2012, 395). Wann also kodiert das ga- die Perfektivität und wann die Soziativität? Nach Leiss erscheint die soziative Bedeutung nur dann, wenn das Simplexverb schon perfektiv ist. In allen anderen Fällen wird die Perfektivität kodiert. Laut Ukyo (1977, 17f.) wird die Perfektivität auch nicht in den Verneinungssätzen zum Ausdruck gebracht, wo die Funktion von Verstärkung oder Rhythmisierung realisiert wird. Unter die Lupe wurden also „unterschiedliche kategoriale Attribution[en] der ga- Komposita“ genommen, wie Perfektivität/Resultativität, Inchoativität, Sukzessivität oder Mutativität (vgl. Kotin 2007, 39). Beim Vergleich des Einflusses von ga- auf die Grammatik und Semantik, stellt man leicht fest, dass die semantische Rolle im Schatten der Grammatik bleibt, denn der hohe Grammatikalisierungsgrad von ga- bleibt unbestritten. Wenn es sich um die Frage des Aspekts handelt, wird das ga- mehrmals ein Marker der Perfektivität genannt, und der ‚Aspektverdacht’ scheint bestätigt zu sein. Obwohl das Gotische über ein Aspektsystem verfügte, das „intakt“ (Leiss 2000, 128), aber im Verfall begriffen ist, 25 ist der Prozess seiner langsamen Auflösung von großer Bedeutung für die Sprachwissenschaft. Das Gotische erlaubt den ForscherInnen, den Prozess des Verfalls der Aspektkategorie und später der Entwicklung des Artikels in einer germanischen Sprache zu verfolgen. 26 4. Die Präverb-Ableitung im gotischen Verbalsystem und im gotischen Bibeltext: eine empirische Analyse Im folgenden Teil werden die im theoretischen Teil dargestellten Tatsachen mit entsprechenden Beispielen aus dem Untesuchungskorpus (hier ist es der Text der gotischen Bibel und ihr polnisches Äquivalent) konfrontiert. Auf Grund der Beispiele werden die kategorialen Affinitäten und Konvergenzen zwischen Semantik und Grammatik analysiert. Ein besonderer Platz wird hier auch der Suche nach den Ähnlichkeiten bei der Kodierung der Aspektualität mit Hilfe von den Präfixen im Gotischen und im Polnischen gewidmet. Der hohe Grammatikalisierungsgrad der gotischen Präfixe bleibt unumstritten. Das stark entwickelte Präfix- und Suffixsystem wurde zum beliebten Thema der sprachwissenschaftlichen Dissertationen. Im Endeffekt der zahlreichen Untersuchungen erschienen unterschiedliche Theorien. Einerseits wird der Einfluss der Präfixe sowohl auf die Grammatik als auch auf die Semantik postuliert, andererseits aber schreibt man ihnen ganz im Gegenteil die semantische „Leere“ zu (Leiss 2000, 122). Den gotischen Präfixen, vor allem dem ga- Präfix, schreibt man unterschiedliche Funktionen zu. Das Präfix gilt als Mittel der Perfektivierung, der Bedeutungsmodifikation, Mittel zum Ausdruck der Soziativität u.a. In diesem Kapitel wird den einzelnen Theorien gefolgt, wobei eine besondere Aufmerksamkeit dem Präfix ga- gewidmet wird. Eine der ersten Funktionen, die dem ga- Präfix zugeschrieben wurde, war es, ein Surrogat für die im Gotischen fehlenden Zeitstufenformen zu sein. Aus den ursprünglich fünf indogermanischen Tempusformen – Imperfekt, Futur, Aorist, Präsens und Perfekt (vgl. Förstemann 1869, 172) – kennt das Gotische nur Präsens und Präteritum. Das Griechische kennt sechs Tempusformen: Präsens, Imperfekt, Aorist, Futur, Plusquamperfekt und Perfekt. Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass die wulfilanische Fassung der Bibel nach dem griechischen Original entstanden ist, ist es offensichtlich, dass die fehlenden Tempusformen mit Hilfe von entsprechenden Mitteln ersetzt wurden. Das gotische Präsens bringt nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Zukunft und zukünftig vergangene Handlung zum Ausdruck, deshalb ist es ein Ersatzmittel für das griechische Futur: bidei mik þisƕizuh þei wileis, jah giba þus (Mk. 6.22) - ‚Bitte von mir, was du willst, ich will dir’s geben.’ 27 giban - st.Verb, V. Ablautreihe; giba - 1. Pers. Sg. Aktiv Präsens Indikativ aþþan atgaggand dagos þan afnimada at im sa bruþfaþs, jah þan fastand in jainamma daga (Mk. 2. 20) - ‚Es werden aber Tage kommen, da der Bräutigam von ihnen weggenommen sein wird, und dann, an jenem Tag, werden sie fasten.’ atgaggan - st. Verb, VII Ablautreihe (reduplizierende Verben); atgaggand - 3. Pers. Pl. Aktiv Präsens Indikativ afniman - st. Verb, IV Ablautreihe; afnimada - 3. Pers. Sg. Passiv Präsens Indikativ fastan - sw. Verb, III Klasse an-Verben; fastand - 3. Pers. Pl. Aktiv Präsens Indikativ Die Zukunftskodierung erfolgt auch mittels „Hilfszeitwörter“, die schon von Streitberg erwähnt wurden, d.h. die Umschreibung mit der Konstruktion dugginan/ haban/ skulan/ munan + Inf., die aber selten vorkommen. unte gaunon jah gretan duginnid (Lk. 6. 25) - ‚[...] denn ihr werdet klagen und weinen’ þarei im ik, þaruh sa andahts meins wisan habaiþ (J. 12. 26) - ‚und wo ich bin, da will mein Diener auch sein.’ (vgl. Ukyo 1977, 25) Birnbaum (1974, 124f.) postuliert im Gegensatz zu Ukyo, dass es im Gotischen noch eine Möglichkeit zum Ausdruck der Zukunft gibt, und zwar mittels der Konstruktion wairþan + Partizip Präsens und führt folgendes Beispiel an: jah stairnons himinis wairþand driusandeins (Mk. 13, 25) - ‚und die Sterne werden vom Himmel herabfallen’ (vgl. Birnbaum 1974, 124) Diese Umschreibung zeigt eine große Ähnlichkeit mit der polnischen Konstruktion będzie bzw. będą + Inf.., wie z.B. im oben dargestellten Beispiel: gwiazdy będą padać z nieba. Auch im Deutschen fungiert die Konstruktion werden + Inf. als ein Ausdrucksmittel der Zukunft. Eine andere Art der Zukunftskodierung soll mit Hilfe von den Präsensformen entsprechender Verben erfolgen, die von Streitberg „von Natur aus perfektive Verben“ genannt wurden, wie z.B. niman, qiman, wairþan, giban. 28 a) giban bidei mik þisƕizuh þei wileis, jah giba þus (Mk. 6, 22) - ‚Bitte von mir, was du willst, ich will dir’s geben.’; giba - (giban) 1. Pers. Aktiv Präs. Indikativ b) qiman Qiþa auk izwis þatei nibai managizo wairþiþ izwaraizos garaihteins þau þize bokarje jah Fareisaie, ni þau qimiþ in þiudangardjai himine (Mt. 5, 20) - ‚Denn ich sage euch: Wenn nicht eure Gerechtigkeit vorzüglicher ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen.’ qimiþ - (qiman) 2. Pers. Pl. Aktiv Präsens Indikativ c) wairþan [...], skula wairþiþ stauai (Mt. 5, 21) - ‚[...], der wird dem Gericht verfallen sein’; wairþiþ - (wairþan) 3.Pers.Sg. Aktiv Präsens Indikativ Nach Ukyo (1977, 20f.) werden auch die ga-Komposita zur Zukunftskodierung verwendet. Seiner Meinung nach drücken die ga-Komposita im Präteritum oft den griechischen Aorist aus, aber die ga-Komposita im Präsens kodieren die Zukunft. Diese Theorie sollen seiner Meinung nach folgende Beispiele aus der Gotischen Bibel bestätigen: [...], jah in karkara galagjaza. (Mt. 5, 25) - ‚und du wirst ins Gefängnis geworfen’; ga-lagjan - (lagjan) sw. Verb, I Klasse; galagjaza - 2. Pers., Passiv Präsens Indikativ Am Beispiel des Textes aus dem Evangelium des Matthäus (Codex argenteus) Kap. V. – VI. wurde eine Analyse durchgeführt, um das Auftreten der ga-Komposita als Mittel der Zukunftskodierung zu untersuchen. In diesem Text treten 26 ga-Komposita auf: viermal sind das Substantive: zweimal gaqumþim ‚Synagogen’, einmal garunsim ‚Straßen’ und garaihtans ‚Gerechten’; einmal erscheint ein Adjektiv (Komparativ, Genitiv) garaihteins ‚gerechter’. unterschiedlichen Formen. Die anderen Komposita sind Verben in Obwohl die Zukunft oft mittels Präsens der Simplizia 29 kodiert wird, erscheinen auch mehrere ga-Komposita, sowohl im Indikativ, als auch im Optativ, die die Zukunft ausdrücken: jah þande þata hawi haiþjos himma daga wisando jah gistradagis in auhn galagiþ gþ swa wasjiþ, [...] (Mt. 6, 30) - ‚wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird [...]’ galagiþ - 3. Pers. Aktiv Präsens Indikativ Am meisten aber erscheinen die ‚zukunftskodierenden’ ga-Komposita im Optativ: jah ni allata leik þein gadriusai in gaiainnan. (Mt. 5, 29) - ‚als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird’; gadriusai - 3. Pers. Sg. Aktiv Präsens Optativ ei ni gasaiƕaizau mannam fastands, [...] (Mt. 6, 18) - ,damit du von den Menschen nicht als Fastender gesehen wirst; gasaiƕaizau - 2. Pers. Passiv Präsens Optativ Wenn es um die ga-Komposita geht, die im Text im Präteritum stehen, kodieren sie – wie die Simplizia auch - eindeutig die Vergangenheit: ju gahorinoda izai in hairtin seinamma. (Mt. 5, 28) - ‚schon Ehebruch in seinem Herzen begangen hat’; gahorinoda - 3. Pers. Sg. Aktiv Präteritum Indikativ qiþuh þan izwis þatei nih Saulaumon in allamma wulþau seinamma gawasida sik swe ains þize. (Mt. 6, 29) - ‚Ich sage euch, dass selbst nicht Salomon in all seiner Herrlichkeit bekleidet war wie eine von diesen.’; gawasida – 3. Pers. Sg. Aktiv Präteritum Indikativ Andere Präfixe, die im oben genannten Ausschnitt aus dem Text des Evangeliums nach Matthäus auftreten, sind: af- (zwölfmal), us- (elfmal), and- (zehnmal), fra- (siebenmal), ana- (dreimal), at- (dreimal), an- (zweimal), in- und ufar- (einmal). Das gotische Präfix us-, das hier auch oft verwendet wurde, kann die Aktionsart oder Bewegungsrichtung ausdrücken, manchmal auch beides (vgl. Götti 1974, 134). Die Richtung, die hier gemeint sein soll, ist die „senkrechte [...] zwischen oben und unten[...]“ (Diefenbach 1851, 171). Diese Bedeutung kann im Fall ‚ni usgaggis jainþro’ (Mt. 5, 26) ‚du kommst von dort nicht heraus’ gemeint werden. In anderen Fällen kann es die Aktionsartänderung sein. 30 1) ni qam gatairan, ak usfulljan (Mt. 5, 17) - ,ich kam nich um aufzuheben, sondern um zu erfüllen’ 2) und þatei usleiþiþ himins jah airþa, [...] (Mt. 5, 18) - ‚bis Himmel und Erde vergehen, [...]’ 3) unte usgibis þana minnistan kintu. (Mt. 5, 26) - ‚bis du den letzten Pfennig bezahlst’ 4) jah þamma wiljandin af þus leiƕan sis ni uswandjais. (Mt. 5, 42) - ‚und wer von dir verborgen will, den weise nicht ab.’ (hier kann das Präfix sowohl die Aktionsart, als auch die Bewegungsrichtung ausdrücken) Das Präfix er-, das hier in der deutschen Übersetzung (1) auftritt, und seine Urform ussein konnte, wurde am produktivsten im Mittelhochdeutschen. Doch es kodiert in jeder Form den Wechsel. Nach Barbara Stiebels (1996) hängt die Interpretation des Präfixes vom Basisverb ab: „Abhängig vom Basisverb erhält das Präfix eine unterschiedliche Interpretation: Bei Basisverben, die kontinuierliche Prozesse oder längerfristig gültige Zustände bezeichnen, denotiert das Präfix den Wechsel in diesen Prozess oder Zustand (erblühen, erglühen); bei Basisverben, die nur punktuelle Ereignisse (erbeben, erzittern) oder kurz andauernde Zustände ausdrücken (erschallen, erklingen), wird nur ein kurzes, momentanes Auftreten des Ereignisses oder Zustandes durch das Präfix angezeigt. [...]“ (Stiebels 1996, 73) Das got. us-, ahd. ir- und mhd. er- ist also mit der Aktionsartänderung verbunden. Im gegenwärtigen Deutschen ist die Präfigierung ein morphologischer Prozess, der den Aktionsartwechsel ermöglicht. Der Wechsel kann aber auch auf die syntaktischen Prozesse erfolgen (z. B. mittels Adverbien wie ‚mehrmals’, ‚oft’ u.a. oder Fügungen wie ‚nach und nach’). Das Gotische hat nur eine Möglichkeit, die Aktionsart auszudrücken - die Präfigierung. Götti nennt auch andere Beispiele, in denen das Präfix die Aktionsart oder die Bewegungsrichtung bzw. beides kodiert: inngaggan, in dem sich das Präfix auf die Bewegungsrichtung bezieht und das doppelt präfigierte innatgaggan, in dem die beiden Funktionen erfüllt werden (vgl. Götti 1974, 134). Im oben erwähnten Ausschnitt aus dem Evangelium treten auch die Verben insaiƕan ‚ansehen’ (Mt. 6, 26) und atsaiƕan ‚zur Schau stellen’ (Mt. 6, 1) auf, bei denen das Präfix sich auf die Richtung der Handlung bezieht. Nach Götti enthält das Simplex den Verlauf der 31 Handlung bzw. Bewegung (z.B. giban), und das Kompositum betont den Beginn oder den Abschluss (usgiban – geben, bis man alles gibt). Der Ausdruck der Zukunft mittels ga-Komposita im Gotischen wurde auch von Tobler postuliert. Er sprach sich für solche Möglichkeit, dass ga- „als Verstärkung des Futurs“ fungiert (Grill 2009, 38). Rainer Grill postulierte daneben noch, dass eine präsentische Form mit ga-, in diesem Fall war es das Verb gasaiƕan, keine abgeschlossene Handlung, sondern eine „im Verlaufe“ (Grill 2009, 31) zum Ausdruck bringen kann. Wenn es sich um das Präteritum handelt, bringt es die vergangene Handlung zum Ausdruck, deshalb soll es das Perfekt, Plusquamperfekt und den Aorist ersetzen. Aorist ist ein Vergangenheitstempus, das sich auf eine momentane Handlung bezieht. Wenn man es in Betracht zieht, dass „die griechische Sprache [...] eine Vorliebe für den Aorist“ hat (Ukyo 1977, 26), stellt man sich die Frage, auf welche Art und Weise er im Gotischen wiedergegeben wird? Die Vergangenheit wird mittels Präteritums kodiert. Außerdem erfolgt im Gotischen die Perfektivierung der Verben mit Hilfe vom Präfix ga-. Aoristische Bedeutung wird entweder durch die Präterita oder durch ga-Komposita im Präteritum zum Ausdruck gebracht. Das ga- hat aber ursprünglich eine andere, soziative Bedeutung. Diese Soziativität besteht darin, dass man eine Handlung zum Ausdruck bringt, die mit den anderen Menschen ‚zusammen’ gemacht wird, das ‚Zusammensein’, etwas ‚Gemeinsames’. [Speyer] iþ jainai usgaggandans meridedun and allata miþ fraujin gawaurstwin jah þata waurd tulgjandin þairh þos afargaggandeins taiknins. (Mk 16, 20) – ‚Jene aber gingen aus und predigten überall, während der Herr mitwirkte und das Wort durch die darauf folgenden Zeichen bestätigte.’; pln. ‚Oni zaś poszli i głosili Ewangelię wszędzie, a Pan współdziałał z nimi i potwierdził naukę znakami, które jej towarzyszyły.’ Nach Streitberg wird diese Bedeutung dann gemeint, wenn das Präfix ihre perfektivierende Funktion nicht übernimmt. So ist es im Fall der ‚perfektiven Simplizia’, wie z.B. des Verbs qiman: jah suns gaqemun managai (Mk. 2, 2) - ‚und es versammelten sich viele’; pln. ‚zebrało się tyle ludzi,’ 32 [CA] iftumin þan daga, saei ist afar paraskaiwein, gaqemun auhumistans gudjans jah Fareisaieis du Peilatau (Mk 27, 62) – ‚Am nächsten Tag aber, der auf den Rüsttag folgt, versammelten sich die Hohenpriester und die Pharisäer bei Pilatus’; pln. ‚Nazajutrz, to znaczy po dniu Przygotowania, zebrali się arcykapłani i faryzeusze u Piłata.’ oder des Verbs rinnan: jah so baurgs alla garunnana was at daura (Mk. 1, 33) - ,und die ganze Stadt war an die Tür versammelt’ Doch diese Bedeutung tritt seltener auf. Auf 121 ga-Komposita, die sich im Ausschnitt aus dem Evangelium des Markus (Kapitel I. – V.) befinden, treten nur vier Fälle auf, die sich auf das ‚Zusammensein’ beziehen; außer der zwei oben erwähnten Sätze, sind es noch folgende Fälle: 1. [...] jah gaiddja sik managei, [...] (Mk. 3, 20) - ‚und wieder kommt eine Menschenmenge zusammen’ 2. [...] jah galesun sik du imma manageins filu, [...](Mk. 4, 1) - ‚und versammelte sich eine große Volksmenge zu ihm’ Bei dem ersten Beispiel ist die Soziativität um so mehr betont, denn im vorgehenden Teil des Satzes tritt auch das Verb gaggan (Prät. iddja) auf, diesmal aber mit dem Präfix at-: Jah atiddjedun in gard, [...] – ‚und sie kamen in ein Haus’. Hier wird nicht das ‚Zusammensein’ ausgedrückt, sondern einfach die Handlung des Eingehens. Dabei demonstriert das folgende Kompositum mit ga- die soziative Bedeutung. Das ga- verliert seine soziative Bedeutung zugunsten der Perfektivierung. Der Ausdruck der Soziativität mittels ga- tritt noch in den Texten auf, das Präfix wird aber eindeutig öfter zum Perfektivierungsmittel. Diese Theorie postulierte vor allem Streitberg, indem er schreibt, dass sich das „farblose partikel ga- [...] mit vorliebe mit dem participium praeteriti“ verbindet (Streitberg 1891, 176). Die einfachen Verben werden nach seiner Meinung dann perfektiv, wenn sie mit einem Präfix zusammengesetzt wurden. Die Bedeutung solcher Zusammensetzung besteht aus drei Komponenten: 1. Bedeutung des Simplex, 2. Bedeutung des Präfixes und 3. Änderung der Aktionsart. Diese Zusammensetzung kann entweder die Perfektivierung oder die Modifikation der 33 Bedeutung vom Simplex verursachen. In dem oben erwähnten Ausschnitt aus dem Evangelium nach Matthäus treten vier Formen des Verbs saiƕan auf: saiƕan, gasaiƕan, atsaiƕan und insaiƕan: fünfmal saiƕan, zweimal gasaiƕan und einmal atsaiƕan und insaiƕan. Das Verb tritt in allen Formen nur im Präsens auf. Die präfigierten Formen mit at- und in- ändern nicht den Aspekt oder die Aktionsart. Möglicherweise betonen sie hier die Bewegungsrichtung der Handlung. Saiƕan bleibt eine durative Aktionsart auch mit den Präfixen in- und at-. Es ändert sich nur die Richtung: insaiƕan ‚ansehen’ drückt aus, dass man an etwas sieht, beim Verb atsaiƕan ‚zur Schau stellen’ wird gemeint, dass man etwas exponiert, worauf die Handlung des Sehens gerichtet wird. Beim Präfix ga- sieht die Situation anders aus. Obwohl ga- im Text auch nur im Präsens steht, bezieht sich die Bedeutung des Kompositums auf eine Handlung, die in der Zukunft vollendet wird bzw. sein soll: ei gasaiƕaindau mannam fastands. (Mt. 6, 16) – ‚damit sie von den Menschen als Fastende gesehen werden’ ei ni gasaiƕaizau mannam fastands, [...] (Mt. 6, 18) – ‚damit du von den Menschen nicht als Fastender gesehen wirst’ Das Präfix ändert hier den Aspekt, indem eine unvollendete Handlung ‚sehen’ vollbracht wird: der fastende Mann wurde gesehen bzw. es wurde erblickt, dass er fastet (aber in der Zukunft). Wenn man aber diese Ansicht mit der Auffassung über die Zukunftskodierung mittels ga-Komposita vergleicht, entsteht die Frage, ob dieses Präfix entweder eine oder beide Funktionen erfüllt. Die oben dargestellte These über die Zukunftskodierung von Ukyo (vgl. Ukyo 1977) besagt, dass die ga-Komposita im Präsens auch die Zukunft kodieren können. Meiner Meinung nach kodiert die Zukunft das Simplex im Präsens, was eindeutig ein Mittel der Zukunftskodierung ist, wobei das Präfix die Abgeschlossenheit der Handlung demonstriert, z.B.: ik qimands gahailja ina. (Mt. 8, 7) – ‚Ich komme und ihn gesund mache.’ In diesem Satz wird die Zukunft durch die Präsensform des Simplexes, d.h. hailja zum Ausdruck gebracht. Das Präfix aber kodiert die Abgeschlossenheit der Handlung, hier ist es der Prozess des Heilens, der in der Zukunft stattfindet. Der Mann wird nicht mehr krank sein – das ‚Krank-Sein’ kommt zu Ende und es beginnt die Phase vom ‚Gesund- 34 Sein’. Dasselbe erfolgt im Satz „þataniei galaubei, jah ganasjada“ (L. 8, 50) – ‚glaube nur, so wird sie gesund’. jah ni allata leik þein gadriusai in gaiainnan. (Mt. 5, 29) - ‚als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird’ In diesem Satz wird der Prozess des Werfens zum Ausdruck gebracht, doch es bezieht sich auf die Vollendung dieses Prozesses – der Leib wurde geworfen. Die polnische Übersetzung bestätigt diese These: ‚niż żeby całe Twoje ciało miało być wrzucone do piekła’. Das Verb wrzucić ist ein perfektives Verb mit entsprechender Form des Wurzelvokals –i-. Davon kann im Polnischen – durch sekundäre Imperfektivierung – das durativ-imperfektive Verb wrzucać gebildet werden. Die resultative Aktionsart deckt sich im Polnischen sehr oft mit dem perfektiven Aspekt. Dasselbe erscheint im Beispiel: jah mahteis þos in himinam gawagjanda (Mk. 13, 25) – ‚und die Kräfte in den Himmeln werden erschüttert werden’ pln. ‚i moce na niebie zostaną wstrząśnięte.’ Im Polnischen gibt es mehrere Präfixe, die den Wechsel der Aktionsart bewirken, womit sehr oft der Wechsel des Aspekts verbunden ist: po-, z-/ za-, w-/ wy-, u-, prze-/ przy- u.a. Nach Grzegorz Jagodziński funktionieren im Polnischen achtzehn Präfixe, die den Aspektwechsel verursachen können. In Anlehnung an das Wörterbuch von Zygmunt Saloni (2007) hatte er eine Untersuchung durchgeführt, die folgende Ergebnisse bringt: das Präfix z-(ze-/s-/ś-) bildet insgesamt 42% der Aspektpaare, mit 23% befindet sich das Präfix za- am zweiten Platz, das drittpopulärste Präfix ist wy- mit 11%. Die Bildung eines Kompositums mit einem der erwähnten Präfixe bedeutet aber nicht gleichzeitig den automatischen Wechsel des Verbalaspekts. So ist es im Fall chodzić – wchodzić, in dem das Verb immer wieder imperfektiv durativ bleibt. Der Wechsel des Aspekts erfolgt im Polnischen nicht nur mittels Präfixe und Suffixe, sondern auch im Folge des Stammwechsels (z.B. nazywać – nazwać) oder des suppletiven Stamms (z.B. brać – wziąść, kłaść – położyć). Im gegenwärtigen Deutschen treten solche Präfixe auf, wie z.B.: er-, ver-, zer-, ab-, an-, aus-, ent- usw. Aber im Deutschen sind sie nur mit der Aktionsartänderung verbunden, „weil im Deutschen 35 keine grammatische Kategorie des Verbalaspekts vorhanden ist“ (Kotin 1998, 36). Das Gotische, ähnlich wie das Polnische, verfügt aber über eine Aspektkategorie, in der die erste Geige das Präfix ga- spielt. Deshalb bleibt die oben dargestellte Theorie wahrscheinlich. In den gotischen Texten treten oft solche Komposita auf, in denen das Simplex im Präsens steht und sich auf die Zukunft bezieht, aber das Präfix drückt die Abgeschlossenheit der Handlung aus, die in der Zukunft stattfindet: 1) [...,] ibai aufto managizein saurgai gasiggqai sa swaleiks. ( 2. Kor 2, 6) – ‚auf dass solch einer nicht in all zu große Traurigkeit versinke.’; pln. ‚aby nie popadł ów człowiek w rozpaczliwy smutek’ 2) ei ni gaaiginondau fram Satanin; [...] (2 Kor 2, 11) – ‚auf das wir nicht vom Satan angeeignet werden’; pln. ‚abyśmy nie zostali przywłaszczeni przez szatana’ 3) in þaimei gþ þis aiwis gablindida fraþja þize ungalaubjandane, [...] – ‚bei welchen der Gott dieser Welt der Ungläubigen Sinn verblendet hat’; pln. ‚dla niewiernych, których umysły zaślepił Bóg tego świata’ Im gegenwärtigen Deutschen ist es unmöglich, eine eindeutige Grenze zwischen der Kategorie der Aktionsart und des Aspekts zu ziehen. Deshalb spricht man eher von der Opposition durativ/resultativ. Obwohl das Deutsche über keine Kategorie des Aspekts verfügt, kann man die ‚aspektuale Bedeutung’ (Kotin 1998, 39) zum Ausdruck bringen. So z.B. demonstriert die Fügung sein + Partizip Perfekt (‚Zustandspassiv’) die „aspektuale Bedeutung der Abgeschlossenheit (Merkmal ‚resultativ’)“ (Kotin 1998, 39). Das Vorhandensein der Kategorie des Aspekts im Gotischen wurde aber von den Slawisten negiert. Maslov stellt für das Gotische fest, dass es nur über eine Opposition Terminativität/Aterminativität und keine der Determiniertheit/Indeterminiertheit verfügt, die seiner Meinung nach ein der Grundelemente der Kategorie des Aspekts ist. Im gegenwärtigen Deutschen fungiert der Artikel als Ausdrucksmittel der Kategorie Determiniertheit/Indeterminiertheit. Unter dieser Kategorie versteht man „den Grad der Informiertheit des Kommunikatiospartners“ (Gladrow 1998, 48). Im Russischen gibt es keinen Artikel, deshalb verwendet man unterschiedliche Verben, die aber in der Grammatik nicht als Aspektpaare gesehen werden: idti (D) – chodit’ (ID) ‚gehen’ (vgl. Leiss 1992, 65). Das Gotische soll nach Maslov und anderen Slawisten auch über keine solche Kategorie verfügen, sondern nur über die Opposition T/AT. Die terminativen Verben charakterisieren sich durch eine Grenzbezogenheit – sie beinhalten eine Grenze 36 (Telos), die eine Weiterführung der Handlung unmöglich macht (z.B. sterben, finden). Die aterminativen Verben haben diese Grenze nicht, deshalb kann die Handlung weitergeführt werden (z.B. suchen). Nach Hans Schlegel steht die Terminativität/Aterminativität im engen Zusammenhang mit dem Aspekt: „Aspekt und Terminativität/Aterminativität Zusammenhang: Die stehen in einem Terminativität/Aterminativität unlösbaren beinhaltet das Vorhandensein/Fehlen des Merkmals der Handlungsgrenze in der Semantik des Verbs und/oder seines Kontextes, der Aspekt drückt das Erreichtsein/Nichterreichtsein dieser Handlungsgrenze zum Bezugsmoment aus.“ (Schlegel 2002, 33) Wenn also das Gotische über diese Kategorie verfügt, ist es wahrscheinlich, dass auch die Kategorie des Aspekts vorhanden sein kann. Vielleicht ist diese Kategorie nicht so stark wie im Russischen oder im Polnischen entwickelt, funktioniert aber und befindet sich auf einem anderen Niveau. „Im Russischen gibt es unbestreitbare morphologische Kriterien, die es erlauben, ein Verb als imperfektiv zu erkennen (z.B. [...] die Möglichkeit, ein Präsenspartizip oder ein Gerudium zu bilden); [...] in allen slawischen Sprachen hat normalerweise die perfektive Präsensform im Hauptsatz nicht den Wert einer aktuellen Gegenwart. Im Gotischen findet sich nichts dergleichen.“ (Feuillet1995, 126) Im Polnischen kann im Fall eines perfektiven Verbs nach Aleksander Kiklewicz (2005, 17) die Feststellung der Abgeschlossenheit der Handlung zu der Zukunft gehören: „[...] w przypadku czasownika dokonanego moment stwierdzenia osiągnięcia rezultatu może należeć do przeszłości, do teraźniejszości lub też do przyszłości, por.: wczoraj przyjechał, dziś (właśnie) przyjechał, dziś przyjedzie, jutro przyjedzie“. Deswegen kann vielleicht das ga-Kompositum im Präsens auch eine in der Zukunft abgeschlossene Handlung demonstrieren, was also auf die Funktion von ga- hinweist, ein Aspektualitätsmarker zu sein. Wenn man von der Definition des Aspekts ausgeht, die besagt, dass er die Vollendung und Nicht-Vollendung der Handlung ausdrückt, d.h., 37 dass er „die Betrachtungsweise des Ereignisses nach den Grundkategorien perfektiv (als abgeschlossen gedachtes Ereignis) und imperfektiv (als nicht abgeschlossen gedachtes Ereignis)“ (Hassler/Nais 2009, 1259) zum Ausdruck bringt, zieht man die Schlussfolgerung, dass in dieser Hinsicht das Gotische diese Funktionen erfüllt. Mehrere Sprachwissenschaftler haben die einzelnen Textstellen der gotischen Bibel untersucht, um die Antwort auf die Frage zu finden, ob ga- mit der Aspektualität verbunden ist. Eine der untersuchten Stellen ist der Ausschnitt aus dem Evangelium nach Lukas: qiþa auk izwis þatei managai praufeteis jah þiudanos wildedun saiƕan þatei jus saiƕviþ jah ni gaseƕun, jah hausjan þatei jus [ga]hauseiþ jah ni hausidedun. (Lk. 10, 24) – ‚Ich sage euch, dass viele Propheten und Könige sehen wollten, was ihr seht, aber nicht sahen, und hören (wollten), was ihr hört, aber nicht hörten.’ Man stellt unterschiedliche Übersetzungen dieser Stelle dar. Streitberg war der Ansicht, dass diese Stelle eindeutig von Wulfila falsch übersetzt wurde, indem er im zweiten Teil des Satzes keine Parallelität beibehalten hat. Der parallele Satzbau fordert, dass im zweiten Teil statt hausidedun das präfigierte Verb gahausidedun stehen soll. Streitberg beweist seine Ansicht mit anderen parallelen Sätzen: (Mk. 4,9) jah qaþ: saei habai ausona hausjandona, gahausjai. Seiner Meinung nach ergibt diese Stelle in dieser Form nicht den erwünschten Sinn. Er postuliert, dass folgende Übersetzung der dargestellten Verse falsch ist: „Viele wünschten zu sehn, was ihr jetzt vor augen habt, gelangten aber nicht zu diesem anblick.Sie wünschten zu hören, was ihr jetzt vernehmt, besassen aber diese möglichkeit des hörens nicht“ (vgl. Streitberg 1889, 85). Die andere Hälfte soll nach Streitberg folgend lauten: „Sie wünschten zu hören, was ihr die ganze Zeit über hört, gelangten aber nicht dazu“ (Streitberg 1889, 85). Selbst der Satzbau fordert den Ausdruck der Vollendung der Handlung, obwohl sie von den Propheten und Königen nicht erreicht wurde. Das ga- drückt in diesem Satz eindeutig die Aspektualität aus. Die polnische Fassung des Evangeliums bestätigt diese These: „Bo powiadam wam: Wielu proroków i królów pragnęło ujrzeć to, co wy widzicie, a nie ujrzeli, i usłyszeć to, co wy słyszycie, a nie usłyszeli.“ 38 Im folgenden Text habe ich das u- Präfix mit dem Fettdruck geschrieben, um auf den perfektivierenden Marker die Aufmerksamkeit zu richten. Wie in den früheren Beispielen, perfektiviert auch hier das Präfix und bringt somit die Vollendung, das Zustandebringen zum Ausdruck: von dem imperfektiven durativen Verb słyszeć wird das perfektive resultative usłyszeć gebildet. Das perfektivierende Präfix u- tritt in den beiden Hälften des Satzes auf, um die Erreichung des Ziels zum Ausdruck zu bringen. Dieselbe Situation soll in der gotischen Fassung vorkommen. Deshalb bietet die Streitbergsche Theorie von der Verderbtheit dieser Stelle eine logische und aller Wahrscheinlichkeit nach richtige Antwort an. Sie bestätigt die oben dargestellte These, dass das Gotische über eine Aspektkategorie verfügt, deren Marker das ga- Präfix ist. Auch nach der Aspektdefinition von Leiss, die besagt, dass man vom Aspekt spricht, wenn sich zwei Verben „einzig“ oder „mindestens primär“ mittels des Perfektivitätoder Imperfektivität-Merkmal voneinander unterscheiden lassen, verfügt das Gotische über diese Kategorie. In diesem Fall soll das ga-Präfix die Rolle dieses Unterscheidungs-Merkmals erfüllen. Reiner Grill postuliert dagegen in diesem Satz, dass ga- kein Perfektivierungs- sondern ein Verstärkungsmittel ist. Seiner Meinung nach war es Wulfilas Absicht „mit Hilfe des Präfixes einen bestimmten Sachverhalt besonders hervor[zu]heben [...]“ (Grill 2009, 33). Der Autor wollte die Unfähigkeit zum Sehen und Hören der Propheten und Könige betonen. Er postuliert auch die Rolle von ga- an dieser Stelle bei der Rhythmisierung und bestätigt diese These mit der Tatsache, dass die meisten Menschen damals nicht Lesende, sondern Zuhörende waren (vgl. Grill 2009, 34). Im Text der Gotischen Bibel findet man mehrere Beispiele, die die These bestätigen, dass ga- die Abgeschlossenheit/Vollendung zum Ausdruck bringen. Eines der einfachsten Beispiele tritt im Satz 31 im ersten Kapitel des Evangeliums nach Lukas auf: jah sai, ganimis in kilþein jah gabairis sunu jah haitais namo is Iesu. (Lk. 1, 31) – ‚und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm seinen Namen Jesus nennen’; pln. ‚Oto poczniesz i porodzisz Syna, któremu nadasz imię Jezus.’ Das Kompositum gabairan kommt vom Simplizium bairan, d.h. ‚tragen’. Die Schwangerschaft bedeutet also ein Kind bis zum Geburt tragen. Im Polnischen veranschaulicht es die Redewendung „donośić ciążę“, die sich auch auf das Verb 39 ‚tragen’ bezieht, wobei auch ein perfektivierendes Präfix do- vorkommt. Deswegen drückt das Verb gabairan die Zielerreichung aus, d.h. die Vollendung/Abgeschlossenheit des Prozesses. Diese Bedeutung gibt sehr gut der folgende Satz wieder: iþ Aileisabaiþ usfullnoda mel du bairan jah gabar sunu (Lk. 1, 57) ‚Für Elisabeth aber erfüllte sich die Zeit, dass sie gebären sollte, und sie gebar einen Sohn.’ Andere Beispiele sind: qino, þan bairiþ, saurga habaid, unte qam ƕeila izos; iþ biþe gabauran ist barn, [...] (J 16, 21) – ‚Die Frau hat Traurigkeit, wenn sie gebiert, weil ihre Stunde gekommen ist, wenn sie aber das Kind geboren hat, [...]; pln. ‚Kobieta, gdy rodzi, doznaje smutku, bo przyszła jej godzina. Gdy jednak urodzi dziecię [...]’ Im Polnischen wird von dem durativen Verb rodzić ein resultativ-perfektives Verb urodzić gebildet. Hier spielt wieder das perfektivierende Präfix u- die aspektbildende Rolle. Reiner Grill beharrt aber auf seiner These, dass ga- eine „Aufmerksamkeitspartikel ist“ (Grill 2009, 52). Seine These besagt, dass obwohl der Geburtsakt „ein hervorragendes Ereignis im Leben von Frau ist“ (Grill 2009, 51), Wulfila unsere Aufmerksamkeit auf den Geburt von Jesus und Johannes der Täufer lenken wollte, die zwei wichtigen Personen in der Geschichte von Messias sind. Doch das Verb gabairan kommt auch im Bezug auf andere Personen, die keine ‚entscheidenden Person’ in der christlichen Geschichte sind – es geht hier um einen Bettler, der blind geboren war: [CA] jah frehun ins qiþandans: sau ist sa sunus izwar þanei jus qiþiþ þatei blinds gabaurans waurþi?[...] witum þatei sa ist sunus unsar, jah þatei blinds gabaurans warþ (Joh 9, 20) – ‚Und sie fragten sie und sprachen: Ist dieser euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde? [...] Wir wissen, dass dieser unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde.’; pln. ‚i wypytywali się ich w słowach: Czy waszym synem jest ten, o którym twierdzicie, że się niewidomym urodził? […] Wiemy, że to jest nasz syn i że się urodził niewidomy.’ Grill weist daneben noch auf eine andere Stelle aus dem ersten Brief an Timotheus hin, die von einem ‚normalen’ Geburt spricht und deshalb wurde hier keine Präfigierung verwendet: 40 wiljau nu juggos liugan, barna bairan, garda waldan [...] (T 5, 14) – ‚Ich will nun, dass jüngere [Witwen] heiraten, Kinder gebären, den Haushalt führen’; pln. ‚Chcę zatem żeby młodsze wychodziły za mąż, rodziły dzieci, były gospodyniami domu’ Die polnische Fassung zeigt aber, dass im Text ein duratives Verb rodzić anstatt ein resultatives urodzić vorkommt. Eine spezielle Betonung ist auch nicht in anderen Stellen nötig, wo eine präfigierte Form vorkommt, wie z.B.: [CA] qin, þan bairiþ, saurga habaida, unte qam ƕeila izos; iþ biþe gabauran ist barn, ni þanaseiþs ni gaman þizos aglons faura fahedai, unte gabaurans warþ manna in faiƕau (joh 16, 21) – ‚Die Frau hat Traurigkeit, wenn sie gebiert, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn sie aber das Kind geboren hat, gedenkt sie nicht mehr der Bedrängnis, um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt geboren ist.’; pln. ‚Kobieta, gdy rodzi, doznaje smutku, bo przyszła jej godzina. Gdy jednak urodzi dziecię, już nie pamięta o bólu z powodu radości, że się człowiek narodził na świat.’ Die oben dargestellte Stelle zeigt eindeutig, dass sich das unpräfigierte Simplex auf eine dauernde Handlung bezieht, wobei das präfigierte Kompositum die Vollendung demonstriert. Das Simplex bairan entspricht in der polnischen Fassung dem durativen Verb rodzić – der Prozess ist also im Gang. Das präfigierte Kompositum demonstriert sowohl in der gotischen, als auch in der polnischen Fassung die Abgeschlossenheit, d.h. das Kompositum gabairan entspricht dem polnischen resultativ-perfektiven Verb urodzić. Grill postuliert aber immer wieder, dass auch in diesem Beispiel die Präfigierung zur Betonung dient, hier soll es die Freude der Frau nach der Geburt betonen. Die präfigierte Form tritt auch im andern Satz aus dem Evangelium nach Johannes auf, in dem keine Freude oder auch ein anderes besonderes Gefühl zum Ausdruck gebracht wird: [...] weis us horinassau ni sijum gabaurnai, [...] (Joh 8, 41) – ‚Wir sind nicht durch Hurerei geboren’; pln. ‚Myśmy się nie urodzili z nierządu.’ Auch in diesem Satz bringt das präfigierte Verb die abgeschlossene Handlung zum Ausdruck. Im Polnischen verleiht man dem Verb immer eine Aspektfunktion. Das Verb urodzić ist ein perfektives Verb und demonstriert Abgeschlossenheit. Ein perfektives 41 Verb kodiert entweder eine vergangene oder eine zukünftige Handlung – eine gegenwärtige Form kommt nicht in Frage. „Czasowniki dokonane oznaczają czynności przeszłe lub przyszłe, ale nie teraźniejsze – czynność właśnie odbywająca się nie może być już zakończona, więc nie może być wyrażona czasownikiem dokonanym” (Grzegorz Jagodziński Gramatyka języka polskiego) So ist es im Fall vom Verb urodzić; man kann nur eine vergangene (z.B. urodził) oder eine zukünftige Form (z.B. urodzi) bilden. Beide Formen sind auch mit dem u-Präfix präfigiert. Wenn man annimmt, dass das Gotische auch über ein Aspektsystem verfügt, das nach mindestens ähnlichen Regeln geschaffen wurde, kommt man zum Schluss, dass die mit ga- präfigierte Form auch die Abgeschlossenheit kodiert. Diese Ansicht bestätigen auch mehrere Beispiele aus der Gotischen Bibel: [CA] [...] rabbei, ƕas frawaurhta, sau þau fadrein is, ei blinds gabaurans warþ (Joh 9, 2) – ‚Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?’; pln. ‚Rabbi, kto zgrzeszył, on czy jego rodzice, że się urodził niewidomym?’ [CA] […] in frawaurhtim þu gbaurans warst alls jah þu laiseis unsis? (Joh 9, 34) – ‚Du bist ganz in Sünden geboren, und du lehrst uns?’; pln. ‚Cały urodziłeś sie w grzechach, a śmiesz nas pouczać?’ [B] akei þan sa us þiujai bi leika gabaurans was, iþ sa us frijai bi gahaita; (Gal 4, 23) – ‚aber der von Magd war nach dem Fleisch geboren, der von der Freien jedoch durch die Verheißung’; pln. ‚lecz ten z niewolnicy urodził się tylko według ciała, ten zaś z wolnej – na skutek obietnicy’. Die perfektive Bedeutung kann sich sowohl auf das Ergebnis als auch auf den Beginn der Handlung beziehen, wie im Verb saiƕan: jah gasaiƕviþ all leike nasein gudis (Lk. 3, 6) – ‚und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen’; pln. ‚I wszyscy ludzie ujrzą zbawienie“, oder beim Verb bairhtjan: gabairhtjan þaim in riqiza jah skadau dauþus sitandam, […] (Lk. 1, 79) – ‚um denen zu leuchten,die in Finsternis und Todesschatten sitzen’; pln. ‚by zajaśnieć tym, co w mroku i cieniu śmierci mieszkają’. Die 42 Sprachwissenschaftler widmen oft ihre Aufmerksamkeit den Verben saiƕan und hausjan (Streitberg, Pollak, Recha, Mirowicz, Bernhardt, Lloyd u.a.). Grill weist dabei darauf hin, dass die präfigierten Verben deutlich öfter vorkommen als die unpräfigierten Simplizia: „(hausjan 25mal, gahausjan 43mal, saiƕan zehnmal, gasaiƕan 59mal) [in ca. 420 Versen]“ (Grill 2009, 31). Eines der Beispiele, die Reiner Grill in seiner Arbeit erwähnt, ist der folgende Vers: Leitil nauh jah ni saiƕiþ mik; jah aftra leitil jah gasaiƕiþ mik, unte ik gagga du attin (J 16, 16) – ‚Eine kleine Weile, und ihr seht mich nicht, und wieder eine kleine Weile, und ihr werdet mich sehen’; pln. ‚Jeszcze chwila, a nie będziecie mnie widzieć, i znów chwila, a ujrzycie Mnie.’ Der dargestellte Satz wird von den Sprachwissenschaftlern unterschiedlich verstanden. Eine der Thesen besagt, dass ga- wieder eine Rolle bei der Zukunftskodierung spielt. In dieser Gruppe der Sprachwissenschaftler befinden sich u.a. Schleicher und Tobler. Für Schleicher ist es ein Beispiel, das die Funktion von ga- als „Produzent von Futurformen“ (Grill 2009, 38) veranschaulicht. Tobler postuliert eine ähnliche These, die besagt, dass ga- zur Verstärkung des Futurs dient. Streitberg stellte seine Übersetzung dar, in der er die Vollendung darstellt: „Über ein kleines und ihr seid meines anblickes beraubt, und wieder über ein kleines und ihr gelangt wider zu meinem anblick“ (Streitberg 1891, 84). In seiner Fassung bezeichnet das präfigierte Verb die abgeschlossene Handlung, die Zielerreichung – gasaiƕan ‚zum Anblick gelangen’. Er konzentriert sich aber auf der Opposition Präsens-Futur und Simplex-Compositum: „Die beiden letzten stellen [J 16,16. 17. 19] sind durch das gegenüberstehen von praesens-futur auf der einen, simplex-compositum auf der andern charakteristisch.“ (Streitberg 1891, 129). Für Grill ist diese Erklärung sinnlos, weil die beiden Formen – saiƕan und gasaiƕan in der Zukunft stattfinden. Deswegen sollen seiner Meinung nach die beiden Formen präfigiert werden. Der dargestellte Satz bestätigt aber eindeutig die oben dargestellte These, dass ga- die Abgeschlossenheit kodiert. Man bediene sich hier wieder der polnischen Fassung, die diesen Prozess genau widerspiegelt. In der ersten Hälfte steht das durativ-imperfektive Verb widzieć, wobei in der zweiten Hälfte das resultativ-perfektive ujrzeć vorkommt. Meiner Meinung nach sollte auch in der deutschen Fassung lieber statt „ihr werdet mich sehen“ die Wendung „ihr werdet mich erblicken“ stehen, die besser den momentanen Charakter der Abgeschlossenheit 43 wiedergibt. Grill beharrt immer wieder bei seiner Ansicht, dass ga- zur Verstärkung bzw. Betonung entsprechender Informationen dient: „Deutlich ist aber, dass das erste „Sehen“ (oder besser gesagt „Nichtsehen“) aus der Sicht des Wulfila (und natürlich auch des Evangelisten Johannes) nicht das wichtige Ereignis darstellt, sondern das zweite Sehen: Jesus wird wieder auferstehen (die eigentliche frohe Botschaft des Christentums, weil „Tod“ und „Sünde“ endgültig dadurch besiegt werden und klar wird, dass Jesus der Messias ist) und darum betont Wulfila das zweite Sehen mit dem Präfix.“ (Grill 2009, 39f.) Seine Interpretation der dargestellten Stelle geht für mich zu weit und lässt sich nicht in allen Stellen, wo das ga-Präfix vorkommt, einsetzen. So ist es z.B. beim Satz jah gadrobnoda Zakarias gasaiƕands, jah agis disdraus ina. (Lk 1, 12) – ‚Und als Zacharias [ihn] sah, wurde er bestürzt, und Furcht kam über ihn.’; pln. ‚Przeraził się na ten widok Zachariasz i strach padł na niego’. In diesem Satz wurde auch das präfigierte Verb verwendet, obwohl es sich hier das „Sehen“ auf keine besondere Ereignis bezieht. Das Kompositum demonstriert die Zielerreichung, die „effectuation of perception“ (Josephson 1976, 164), d.h. das Erblicken des Engels, deshalb spricht man hier von keiner Verstärkung bzw. Betonung. Grill aber weist auf eine Stelle in der Bibel, wo auch die Abgeschlossenheit demonstriert wird, diesmal aber nicht mittels ga-Komposita. Dieses Beispiel soll seiner Meinung nach gegen die Streitbergsche Ansicht über die Perfektivierungsfunktion von ga- sprechen: ei saiƕandans saiƕaina jah ni gaumjaina, jah hausjandans hausjaina jah ni fraþjaina ibai ƕan gawandjaina sik jah afletaindau im frawaurhteis. (Mk 4, 12) – ‚damit sie sehend sehen und nicht wahrnehmen und hörend hören und nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.’; pln. ‚aby patrzyli oczami, a nie widzieli, słuchali uszami, a nie rozumieli, żeby się nie nawrócili i nie była im wydana [tajemnica].’ Grill postuliert, dass nach Streitbergscher These in den beiden Hälften eine präfigierte Form stehen soll. Wulfila hat aber andere Verben verwendet, „die daher eine eigene 44 Bedeutung des Sehens und Hörens nicht notwendig machen, wie dies in L 8,10 geschieht“ (Grill 2009, 36). In Anlehnung an die polnische Fassung bin ich der Meinung, dass hier keine Vollendung zum Ausdruck gebracht wurde. Die Wendung „aby patrzyli oczami, a nie widzieli“ beschreibt den Prozess des Sehens, der aber mit keinem ‚Aufnahmeakt’ beendet wurde. Der Sehende hat das Gesuchte nicht erblickt, deswegen steht in der polnischen Fassung das durative Verb ‚widzieć’ und nicht ein resultatives ‚ujrzeć’. Dieselbe Situation findet in der folgenden Wendung „słuchali uszami, a nie rozumieli“ statt. Der Hörende hat das Erwartete nicht vernommen – man hat hier mit keinem Zustandswandel zu tun. Man muss auch unter Acht nehmen, dass die Verben gaumjan und fraþjan als schon perfektive Simplizia vorkommen, was die These von Streitberg über Verben, die von Natur aus perfektive Bedeutung haben, bestätigt. Deshalb auch kommen die Formen ga-gaumjan oder ga-fraþjan nicht vor. Sie demonstrieren auch andere Bedeutungen als nur hören und sehen. Gaumjan bedeutet soviel wie bemerken, erscheinen und fraþjan soviel wie denken, erkennen, verstehen. Um diese Ansicht zu bestätigen führe ich hier andere Stellen aus der gotischen Bibel, in denen die Verben gaumjan und fraþjan vorkommen. 1) aþþan ƕa gaumeis gramsta in augin broþrs þeinis, iþanza in þeinamma augin ni gaumeis? (Lk 6, 41) – ‚Was aber siehst du den Splitter, der in deines Bruders Auge ist, den Balken aber, der in deinem eigenen Auge ist, nimmst du nicht wahr?’; pln. ‚Czemu to widzisz drzazgę w oku swego brata, a belki we własnym oku nie dostrzegasz?’ 2) aiþþau ƕaiwa magt qiþan du broþr þeinamma: broþar let, ik uswairþa gramsta þamma in augin þeinamma, silba in augin þeinamma anza ni gaumjands? liuta, uswairþ faurþis þamma anza us augin þeinamma, jah þan gaumjais uswairþan gramsta þamma in augin broþrs þeinis. (Lk 6, 42) - ,Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Bruder, erlaube, ich will den Splitter herausziehen, der in deinem Auge ist, während du selbst den Balken in deinem Auge nicht siehst? Heuchler, ziehe zuerst den Balken aus deinem Auge, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter herauszuziehen, der in deines Bruders Auge ist.’; pln. ‚Jak możesz mówić swemu bratu: „Bracie, pozwól, że usunę drzazgę, która jest w twoim oku“, gdy sam belki w swoim oku nie dostrzegasz? Obłudniku, wyrzuć najpierw belkę ze swego oka, a wtedy przejrzysz, ażeby usunąć drzazgę z oka swego brata.’ 45 3) gablindida ize augona jah gadaubida ize hairtona, ei ni gaumidedeina augam jaf froþeina hairtin jah gawandidedeina jah ganasidedjau ins. (Joh 12, 40) – ‚Er hat ihre Augen verblendet, dass sie nicht mit den Augen sehen und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren und ich sie heile.’; pln. ‚Zaślepił ich oczy i twardym uczynił ich serce, żeby nie zobaczyli oczami oraz nie poznali sercem i nie nawrócili się, ażebym ich uzdrowił.’ In diesen Versen wurde kein Wechsel in dem Prozess des Sehens oder Hörens dargestellt. Streitberg bezeichnete die Form der beiden Verben in seinem GotischGriechisch-Deutschen Wörterbuch als perfektive Simplizia. Deswegen können diese Verben auch eine abgeschlossene Handlung ohne ga-Präfigierung bezeichnen. þaruh ushof augona Iesus jah gaumida þammei manageins filu iddja du imma, [...] (Joh 6, 5) – ‚Als nun Jesus die Augen aufhob und sah, dass eine große Volksmenge zu ihm kommt, [...]’; pln. ‚Kiedy więc Jezus podniósł oczy i ujrzał, że liczne tłumy schodzą do Niego, [...]’ jah insaiƕandeins gaumidedun þammei afwalwiþs ist sa stains, was auk mikils abraba. (Joh 16, 4) – ‘Und als sie aufblickten, sehen sie, dass der Stein zurückgewälzt ist, er war nämlich sehr groß.’; pln. ‚Gdy jednak spojrzały, zauważyły, że kamień był już odsunięty, a był bardzo duży.’ [CA] jah gaumjands Fareisaieis qeþun du þaim siponjan is: [...] (Mt 9, 11) – ‘Und als die Pharisäer es sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern’; pln. ‚Widząc to, faryzeusze mówili do Jego uczniów’ Das häufige Vorkommen der Komposita gahausjan und gasaiƕan hat dazu geführt, dass sie die beliebten Untersuchungsobjekte sind. In den Kapiteln 7-27 des Evangeliums nach Matthäus habe ich zwölfmal präfigierte Formen von saiƕan und fünfmal von hausjan gefunden. Wenn es sich um das Kompositum gasaiƕan handelt, kodiert es in jedem Fall die Abgeschlossenheit/ Vollendung, d.h. den Aufnahmeakt. Dieselbe Situation kommt beim Kompositum vom Verb hausjan. [CA] iþ hundafaþs jah þai miþ imma witandans Iesua, gasaiƕandans þo reiron jah þo waurþanona, [...] wesun þan jainar qinons managos fairraþro saiƕandeins, 46 [...] (Mt 27, 54-55) – ‚Als aber der Hauptmann und die, die mit ihm Jesus bewachten, das Erdbeben sahen und das, was geschah, [...]. Es sahen aber dort viele Frauen von fern zu’; pln. ‚Setnik zaś i jego ludzie, którzy odbywali straż przy Jezusie, widząc trzęsienie ziemi i to, co się działo, [...]. Było tam również wiele niewiast, które przypatrywały się z daleka.’ Die oben dargestellte Verse demonstrieren eindeutig den Unterschied zwischen dem unpräfigierten Verb und seinem ga-Kompositum. Im ersten Satz wurde das perfektive Verb gasaiƕan verwendet, das sich auf den Aufnahmeakt bezieht. Die anwesenden Menschen haben das Erdbeben gefühlt bzw. aufgenommen, d.h. man hat hier mit dem Resultat/Ergebnis zu tun. In dem zweiten Satz wurde das unpräfigierte saiƕan verwendet, um eine durative Handlung zum Ausdruck zu bringen. So ist es auch in der polnischen Fassung, in der hier ein duratives Verb przypatrywać się auftritt. Das Verbpaar saiƕan/gasaiƕan kommt sehr oft vor, bei dem die perfektivierende Funktion von ga- am meisten eindeutig bleibt. Es kommen aber auch andere Verbpaare vor, die auf den ersten Blick komplizierter sind. Der Vergleich mit den anderen Fassungen (hier mit der polnischen) bietet nicht immer eine Erklärung an. Eine solcher Stellen befindet sich im Evangelium nach Matthäus: [CA] swa all bagme godaize akrana goda gataujiþ, iþ sa ubila bagms akrana ubila gataujiþ. ni mag bagms þiuþeigs akrana ubila gataujan, nih bagms ubils akrana þiuþeiga gataujan. all bagme ni taujandane akran god usmaitada jah in fon atlagjada. (Mt 7, 17-19) – ‚So bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, noch ein fauler Baum gute Früchte. Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen’; pln. ‚Tak każde dobre drzewo wydaje dobre owoce, a złe drzewo wydaje złe owoce. Nie może dobre drzewo wydać złych owoców ani złe drzewo wydać dobrych owoców. Każde drzewo, które nie wydaje dobrego owocu, będzie wycięte i w ogień wrzucone.’ In diesem Fall bringt ein Vergleich mit der deutschen Fassung keine Erklärung, weil in jedem Satz dasselbe Verb verwendet wurde. Aber des Deutsche verfügt über keine Aspektkategorie, deshalb wenn das Gotisch über solch eine Kategorie verfügt, ist dieser Ergebnis selbstverständlich. Ein Vergleich mit der polnischen Fassung gibt aber auch keine eindeutige Antwort auf die Frage, warum in dem letzten Satz eine unpräfigierte 47 Form steht. In der polnischen Fassung steht im ersten und im letzten Satz die Form ‚wydaje’, die eine durative Handlung kodiert. Man muss aber auch den zweiten Satz unter die Lupe nehmen. Hier wurde die Konstruktion ‚może wydać’ verwendet. Im Polnischen funktionieren zwei ähnliche Verben: wydać und wydawać. Das erste Verb beschreibt eine einmalige Handlung und ist eine perfektive Form vom Verb wydawać (vgl. Markowski 1999, 1197), d.h. dass es die Abgeschlossenheit kodieren kann. Das Verb wydawać kodiert eine durative Handlung, die auch mehrmals stattfinden kann. Diese Tatsache erklärt, warum im zweiten Satz statt „może wydawać“ eine perfektive Form „może wydać“ steht. In diesem Hinsicht stimmen die beiden Fassungen miteinander überein. Die Frage bleibt aber offen bei dem dritten Satz. Die Antwort bringt hier die Grammatik. In der gotischen Fassung steht ein Partizip Präsens, das auf keine Abgeschlossenheit hinweist, sondern auf einen Prozess, der in diesem Moment im Verlauf ist. „Bei attributivem Gebrauch reduziert sich die temporale Semantik des Partizips Präsens oft noch weiter auf eine eher aspektuelle, und zwar progressive Bedeutung (‚im Verlauf befindlich’), die gelegentlich auch über Gleichzeitigkeit mit dem Hauptverb hinaus reichen und in die Richtung auf ‚Allgemeingültigkeit’ gehen kann – ganz ähnlich, wie ja auch das Präsens selbst Allgemeingültigkeit ausdrücken kann [...].“ (Hentschel/Vogel 2009, 277) Im dritten Satz wird also der laufende Prozess gemeint, was die Verwendung einer präfigierten Form unmöglich macht. Im ersten Satz handelt es sich dagegen um das Ergebnis, d.h. um eine resultative Handlung. Ähnliche Stellen befinden sich auch im Evangelium nach Johannes. Dort betrifft die Unklarheit des Verbpaares saiƕan/gasaiƕan: [CA] Abraham atta izwar sifaida ei gaseƕvi dag meinana, jah gasaƕ jah faginoda. þanuh qeþun þai Iudaieis du imma: fimf tiguns jere nauh ni habais jah Abraham saƕt? (Joh 8, 56-57) – ‚Abraham, euer Vater, frohlockte, dass er meinen Tag sehen sollte, und er sah [ihn] und freute sich. Da sprachen die Juden zu ihm: Du bist noch nich fünfzig Jahre alt und hast Abraham gesehen?’; pln. ‚Abraham, ojciec wasz, rozradował się z tego, że ujrzał mój dzień – ujrzał [go] i ucieszył się. Na to rzekli do Niego Żydzi: Pięćdziesięciu lat jeszcze nie masz, a Abrahama widziałeś?’ 48 Die ersten zwei präfigierten Formen kodieren eindeutig die Abgeschlossenheit, die sowohl im Gotischen als auch im Polnischen klar ausgedrückt wurden. Die dritte unpräfigierte Form soll aus dieser Hinsicht den imperfektiven Aspekt kodieren. Die polnische Fassung bietet eine Form, die auch als Form mit perfektiver Bedeutung verstanden sein kann. Das Deutsche unterscheidet hier die Formen nicht. Im Polnischen wurden zwei unterschiedliche Verben verwendet: ujrzeć und widzieć. Das Verb ujrzeć ist ein perfektives Verb und kodiert eindeutig die Abgeschlossenheit. Im letzten Satz bleibt die Frage offen, ob das Sehen von Abraham das einmalige momentane Ereignis oder eine länger dauernde oder eine mehrmals in der Zukunft stattgefundene Situation kodiert. Im Polnischen kann man in der gesprochenen Sprache z.B. den resultativen Charakter des Sehens, d.h. den Aufnahmeakt, als auch den imperfektiven ausdrücken: Widziałem jak wychodził. – kodiert das Resultat, d.h., der Sprecher hatte diese Person bemerkt, als sie ausgegangen war. Codziennie widziałem, jak wychodzi i spaceruje po parku. – hier hat man mit einer sich wiederholenden Situation zu tun, wobei auch keine Information über Beginn bzw. Ende angegeben wird. In dieser Hinsicht wird auch oft im Polnischen das Verb widywać verwendet, das den inchoativen Charakter zum Ausdruck bringt. Das Verb widzieć bleibt aus der rein grammatischen Sicht ein imperfektives Verb und fungiert als Aspektpaar mit dem Verb zobaczyć (vgl. Jagodziński http://grzeg orj.w.interia.pl/gram/pl/czasy00.html - gesehen am 03.04.2013). Es kann auch im Gegensatz zum Verb ujrzeć eine gegenwärtige Form bilden. Auch in diesem Beispiel deckt sich die Aspektkodierung im Gotischen mit der Kodierung im Polnischen. Es kommen aber auch Stellen vor, wo das Verb gasaiƕan als widzieć übersetzt wurde: [Speyer] [...], unte þaim gasaiƕandam ina urrisanana, ni galaubidedun. (Mk 16, 14) – ‚dass sie denen, die ihn auferweckt gesehen, nicht geglaubt hatten’; pln. ‚że nie wierzyli tym, którzy widzieli Go zmartwychwstałym.’ [CA] jah eis hausjandans þatei libaiþ jah gasaiƕans warþ fram izai, ni galaubidedun. (Mk 16, 11) – ‚Und als jene hörten, dass er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie nicht.’; pln. ‚Ci jednak słysząc, że żyje i że ona Go widziała, nie chcieli wierzyć.’ 49 [CA] sa Xristus, sa þiudans Israelis, atsteigadau nu af þamma galgin, ei gasaiƕaima jah galaubjaima, […] (Mk 15, 32) – ‚Der Christus, der König Israels, steige jetzt herab vom Kreuz, damit wir sehen und glauben!’; pln. ‚Mesjasz, król Izraela, niechże teraz zejdzie z krzyża, żebyśmy widzieli i uwierzyli.’ Obwohl das Verb widzieć aus der grammatischen Sicht ein imperfektives Verb ist, demonstriert es hier die abgeschlossene Handlung. Im ersten und im zweiten Beispiel wollte man das Ergebnis zum Ausdruck bringen, d.h., dass der auferstandene Christus gesehen wurde. Im dritten Satz wollen die Sprecher ein Wunder mit eigenen Augen sehen, d.h., wie Christus von dem Kreuz heruntersteigt. Es handelt sich hier also um das Resultat, um den Aufnahmeakt. Die Sprecher wollen Zeugen des Wunders sein, das Erwünschte erblicken. Deswegen bin ich der Meinung, dass hier in der polnischen Fassung eher das Verb zobaczyć stehen sollte, dass die Abgeschlossenheit der Handlung in der Zukunft besser zum Ausdruck bringen würde, wie es z.B. im folgenden Satz steht: [CA] iþ Iesus gasaiƕands ize liutein gaþ du im: ƕa mik fraisiþ? atbairiþ mis skatt, ei gasaiƕau. (Mk 12, 15) – ‚Da er aber ihre Heuchelei kannte, sprach er zu ihnen: Was versucht ihr? Bringt mir einen Denar, damit ich ihn sehe.’; pln. ‚Lecz on poznał ich obłudę i rzekł do nich: <<Czemu Mnie wystawiacie na próbę? Przynieście Mi denara, chcę zobaczyć.’ Im Kapitel 15 des Evangeliums nach Markus findet man auch solche Sätze, in denen das unpräfigierte Verb saiƕan als perfektives zobaczyć übersetzt wurde. [CA] þragjands þan ains jah gafulljands swam akeitis, galagjands ana raus, dragkida ina qiþands: let, ei saiƕam qimaiu Helias athafjan ina. (Mk 15, 36) – ‚Einer aber lief, füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, tränkte ihn und sprach: Halt, lasst uns sehen, ob Elia kommt, ihn herabzunehmen!’; pln. ‚Ktoś pobiegł i napełniwszy gąbkę octem, włożył na trzcinę i dawał Mu pić, mówiąc: Poczekajcie, zobaczymy, czy przyjdzie Eliasz, żeby Go zdjąć [z krzyża].’ In diesem Satz wollte der Autor eher das Sehen und Beobachten unter dem Kreuz betonen. Es handelt sich hier also um den durativen, nicht resultativen Prozess des Sehens, besser gesagt, es geht um das Schauen, das eindeutig eine imperfektive 50 Handlung kodiert. Warum steht im Polnischen also ein resultatives Verb zobaczmy? Der Übersetzer wollte wahrscheinlich das erwartete Ergebnis des Sehens betonen, d.h., den eigentlichen Aufnahmeakt. Die Zeugen des Leidens Christi wollten das Wunder sehen, das aber nicht stattgefunden hat. Die gotische Fassung spricht aber von dem durativen imperfektiven Sehen. Um das durative Sehen im Polnischen auszudrücken, verwendet man vor allem das Verb patrzeć, das in diesem Satz stilistisch nicht passt. In diesem Beispiel wurden auch zwei andere ga-Komposita dargestellt: gafulljan und galagjan. Auch in diesem Fall stellt man eindeutig fest, dass das ga-Präfix als Aspektmarker fungiert. Beide Komposita wurden von den imperfektiven Simplizia gebildet und kodieren die Abgeschlossenheit der Handlung. Obwohl das Deutsche diese Vollendung nur semantisch ausdrücken kann, findet man die Übereinstimmung zwischen der gotischen und der polnischen Fassung, wo die Aspektkategorie eindeutig kodiert wird. Die gotischen ga-Komposita wurden im Polnischen als perfektive Verben übersetzt: gafulljan ‚napełnić’ und galagjan ‚włożyć’. Die dargestellten Formen demonstrieren eindeutig einmalige Handlungen, die das Resultat der Handlung zum Ausdruck bringen: fulljan - gafulljan ‚napełniać - napełnić’; lagjan - galagjan ‚wkładać - włożyć’. Obwohl die Komposita gahausjan und gasaiƕan am häufigsten untersucht wurden (wegen ihrer hohen Frequenz), kann man die perfektivierende Funktion von ga- am Beispiel von vielen anderen Komposita bestätigen, die im Textkorpus vorkommen. [CA] gabairhtida þeinata namo mannam þanzei atgaft mis us þamma fairƕau þeinai wesun jah mis atgaft ins, jah þata waurd þeinata gafastaidedun. (Joh 17, 6) – ‚Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Dein waren sie, und mir hast du sie gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.’; pln. ‚Objawiłem imię Twoje ludziom, których Mi dałeś ze świata. Twoimi byli i Ty Mi ich dałeś, a oni zachowali słowo Twoje.’ Im obigen Satz findet man zwei ga-Komposita: gabairhtida und gafastaidedun. Das Kompositum gabairhtjan ‚offenbaren, erscheinen’ wurde vom Simplex bairhtjan ‚offenbaren’ gebildet und bringt eine perfektive Handlung zum Ausdruck, was an der Bedeutung des Simplexes festgestellt werden kann. Obwohl beide Verben ‚offenbaren’ bedeuten, wird das ga-Kompositum als ein perfektives Verb von Streitberg bezeichnet und kodiert eindeutig den perfektiven Aspekt. Die semantische Perfektivität wurde auch in der deutschen Fassung in einer vergangenen Form des Verbs 51 ‚offenbaren’ demonstriert, die hier eine einmalige perfektive Handlung bzw. Aktionsart zum Ausdruck bringt. Das Polnische, das über eine grammatikalisierte Aspektkategorie verfügt, bedient sich hier eines perfektiven Verbs objawić, das im Text in einer Vergangenheitsform auftritt und sich auf das Resultat/ die Vollendung bezieht. Wenn es sich um das andere ga-Kompositum handelt, wird es vom Simplex fastan ‚halten, beobachten, fasten’ gebildet. Das Verb gafastan demonstriert in diesem Fall auch den perfektiven Charakter, indem es eine einmalige abgeschlossene Handlung ausdrückt. Auch im Deutschen wurde die semantische Perfektivität in der perfektiven Aktionsart bewahren demonstriert, die hier auch in der Vergangenheitsform verwendet wurde. Das Polnische kodiert hier auch wie das Gotische den perfektiven Aspekt mittels des perfektiven Verbs zachować. Das ga- Präfix hatte außer dem Aspekt auch die Aktionsart kodiert. Die Unklarheit, die jahrelang das Problem der Unterscheidung zwischen Aspekt und Aktionsart begleitete, machte die Untersuchung der ga-Komposita auf die Aktionsartkodierung hin unmöglich. Im Deutschen und im Polnischen markiert man die Aktionsart mit Hilfe von unterschiedlichen Mitteln, wie z.B. Präfixen und Suffixen. Das Deutsche verfügt dabei über keine Aspektkategorie und ist sie vorhanden, wie auch die Kategorie der Aktionsart. Im Polnischen ist auch jedes Verb sowohl mit einem Aspekt als auch mit einer Aktionsart verbunden. Die Situation sieht beim Gotischen komplizierter aus, denn die Kategorie des Aspekts ist einerseits vorhanden, andererseits ist sie auch instabil und im Verfall begriffen. Deswegen treten im gotischen Textkorpus beide Kategorien auf. Im Gotischen kodiert man die Aktionsart auch mit Hilfe von Präfixen. Unter den Beispielen findet man auch das Präfix ga-. [CA] jah anabauþ þizai managein anakumbjan ana airþai; jah nimands þans sibun hlaibans jah awiliudonds gabrak jah atgaf siponjam seinaim, ei atlagjidedeina faur; jah atlagidedun faur þo managein. (Mk 8,6) – ‚Und er gebietet der Volksmenge, sich auf der Erde zu lagern. Und er nahm die sieben Brote, dankte, brach sie und gab sie den Jüngern, damit sie vorlegten; und sie legten der Volksmenge vor.’; pln. ‚I polecił ludowi usiąść na ziemi. A wziąwszy siedem chlebów, odmówił dziękczynienie, połamał i dawał uczniom, aby je rozdzielali. I rozdali tłumowi.’ 52 Im folgenden Satz wurde sowohl die Aspektkategorie als auch die Aktionsart realisiert. Die Form gabrak kommt vom imperfektiven Verb brikan ‚brechen’ und kodiert die Abgeschlossenheit der Handlung, die hier durch ga- markiert wurde. Die Aktionsart wurde in Verben atgiban und atlagjan demonstriert. Das Verb atgiban kommt vom Verb giban und bedeutet ‚hingeben, übergeben’. Im Polnischen findet man die Übersetzung dawać und die ähnlichen Formen podawać/rozdawać. Dasselbe kommt beim Verb atlagjan vor, wo das Kompositum vom Verb lagjan ‚legen’ gebildet wurde und rozdawać/rozdzielać bedeutet. Das Präfix hat in diesen Beispielen keinen Einfluss auf den Aspekt ausgeübt: die Verben bleiben imperfektiv, sowohl im Gotischen als auch im Polnischen und Deutschen. Man kodiert nur „die Art und Weise der Ausführung der Handlung“ (Breu/Berger/Kempgen 2009, 216), d.h. in diesem Beispiel (atlagjan), dass man etwas den anderen austeilt, bis man alles verteilt. Die Aktionsart kann mittels unterschiedlicher Präfixe kodiert werden, die oft auch die Richtung der Handlung/Bewegung demonstrieren. [CA] jah sai, qino bloþarinnandei ib wintruns duatgaggandei aftaro attaitok skauta wastjos is (Mt 9, 20) – ‚Und siehe, eine Frau, die zwölf Jahre blutflüssig war, trat von hinten heran und rührte die Quaste seines Kleides an’; pln. ‚Wtem jakaś kobieta, która dwanaście lat cierpiała na krwotok, podeszła z tyłu i dotknęła się frędzli Jego płaszcza.’ [CA] aþþan ni ƕashun lagjiþ du plata fanan þarihis ana snagan fairnjana, unte afnimiþ fullon af þamma snagin, […] (Mt 9, 16) – ‘Niemand aber setzt einen Flicken von neuem Tuch auf ein altes Kleid; denn das Eingesetzte reißt von dem Kleid ab, [...]’; pln. ‚Nikt nie przyszywa łaty z surowego sukna do starego ubrania, gdyż łata obrywa ubranie, [...]’ In den dargestellten Versen fungieren die Präfixe als Aktionsartmarker. Im ersten Beispiel findet man das Verb duatgaggan. Das Präfix duat- besteht eigentlich aus zwei Teilen du- und at-. Das Präfix du- bedeutet soviel wie „von hinten“, das oft auch als Präposition auftritt (vgl. Götti 1974, 22). Das Präfix at- hat auch eine räumliche Bedeutung und heißt soviel wie ‚bei, zu, an, von’ (Feist 1939, 60). Die beiden Präfixe ändern die Aspektkategorie des Verbs nicht und kodieren die Art und Weise der Handlung, d.h. hier eine partiell-resultative Aktionsart. Im Polnischen wird der 53 perfektive Aspekt durch den Wurzelvokalwechsel ausgedrückt: podchodzić - podejść. Nach Götti kommt im Gotischen das Verb atgaggan im Text vor, wenn jemand auf eine Person zugeht, um sie anzusprechen (vgl. Götti 1974, 21). Der Unterschied in der Übersetzung der Verben atgaggan und duatgaggan besteht darin, dass atgaggan soviel wie „er ging zu ihm hin und sagte“ und duatgaggan „er ging auf ihn zu und sagte“ bedeutet (Götti 1974, 21). Beim zweiten Beispiel handelt es sich um das imperfektive Simplex niman und das imperfektive Kompositum afniman. Das Präfix af- tritt auch als Präposition auf und bedeutet ‚von, von-weg, seit, aus’ (Feist 1939, 3). Sowohl im Deutschen als auch im Polnischen kann man mit Hilfe von Präfixen solche Formen bilden: dt. reißen – abreißen; pln. rwać – obrywać. Es gibt mehrere Beispiele, die bestätigen, dass im Gotischen auch eine Aktionsartkategorie vorhanden ist, die u.a. mittels Präfixen markiert wird. Unter diesen Präfixen findet man auch ga-, was zur Entstehung der Frage führte, ob dieses Präfix sowohl den Aspekt als auch die Aktionsart markieren kann. [CA] jah þisƕaruh þei ina gafahiþ, gawairpiþ ina, jah ƕaþjiþ jah kriustiþ tunþuns seinans jah gastaurkniþ, [...] (Mk 9, 18) – ‚und wo er ihn auch ergreift, zerrt er ihn zu Boden, und er schäumt und knirscht mit den Zähnen und wird starr.’; pln. ‚Ten, gdziekolwiek go chwyci, rzuca nim, a on wtedy się pieni, zgrzyta zębami i drętwieje.’ Das Kompositum gastaurkniþ stammt vom Simplex staurknan ‚erstarren, verdorren’ (Heyne/Wrede 2012, 305). Obwohl das Verb hier mit ga- präfigiert wurde, übersetzt man es sowohl in der deutschen als auch in der polnischen Fassung als ein imperfektives Verb. Im Deutschen findet man die Form starr werden. Um eine abgeschlossene Handlung auszudrücken konnte man hier eine egressive Aktionsart erstarren verwenden, was hier aber nicht stattfindet. Im Polnischen fungiert das Verb drętwieć auch als ein imperfektives Verb, von dem man ein perfektives Kompositum zdrętwieć bilden kann. Es kann also darauf hinweisen, dass ga- hier nicht den Aspekt, sondern die Aktionsart kodiert. Das Verb gastaurkniþ demonstriert hier einen Prozess, in dem der menschliche Leib einen entsprechenden Zustand annimmt – die Taubheit bzw. Gefühllosigkeit. Es kodiert also kein Ergebnis, sondern eine durative Handlung. Im oben dargestellten Textausschnitt treten auch zwei andere ga-Komposita auf. Die beiden Komposita, gawairpan und gafahan, kodieren keine Aktionsart und werden von 54 Streitberg als perfektive Verben bezeichnet (vgl. Streitbergs Wörterbuch online http://www.wulfila.be/lib/streitberg/1910/text/html/ - gesehen am 13.04.2013). In einem anderen Beispiel haben wir mit dem Kompositum gaþreihan im zweiten Brief an die Thessalonicher zu tun: [A] sweþauh jabai garaiht ist at guda usgildan þaim gaþreihandam izwis aggwiþa, [...] (2 Thes 1, 6) – ‚so gewiß es bei Gott gerecht ist, denen zu vergelten, die euch durch Drangsal bedrängen’; pln. ‚Bo przecież jest rzeczą słuszną u Boga odpłacić uciskiem tym, którzy was uciskają.’ Das Verb gaþreihan kommt vom Simplex þreihan ‚drängen’. In diesem Fall hat man mit derselben Situation zu tun. Das Präfix kodiert nicht die Abgeschlossenheit, sondern die Handlung in Dauer. Das ga-Kompositum, das als bedrängen übersetzt wird, wird von Streitberg als perfektiv bezeichnet. Es bezieht sich aber nicht auf die Abgeschlossenheit. Auch in der polnischen Fassung tritt ein imperfektives Verb uciskać, das vom Verb cisnąć gebildet wird. Obwohl das Präfix u- im Polnischen oft mit der perfektiven Bedeutung zusammengestellt wird (vgl. Bluszcz 1994, 206f.), übt es in diesem Fall keinen Einfluss auf den Verbalaspekt aus, weil die Form ciskać eindeutig eine durative Handlung bzw. Aktionsart demonstriert. Ein Beispiel, in dem ein gaKompositum in der polnischen Fassung als ein perfektives mit u- präfigiertes Verb übersetzt wird, findet man im Brief an Epheser: [A] ei þo gaweihaidedi gahrainjands þwahla watins in waurda (Eph 5, 26) – ‘um sie zu heiligen, [sie] reinigend durch das Wasserbad im Wort’; pln. ‚aby go uświęcić, oczyściwszy obmyciem wodą, któremu towarzyszy słowo.’ Das Verb gaweihaidedi wird als uświęcić übersetzt, in dem das u- Präfix seine perfektivierende Rolle erfüllt, denn würde dieses Verb ohne u-, d.h. święcić eine imperfektive durative Handlung kodieren: „ [...] przedrostek u- tworzy czasowniki pochodne (także imiesłowy), rzeczowniki odsłowne z uwydatnieniem odcieni uzupełniających znaczenie czasownika podstawowego poprzez dodanie znaczenia doprowadzenia danej czynności do skutku, jak ugotować, umyć, upiec.“ (Bluszcz 1994, 206f). Das andere ga-Kompositum, das im obigen Textausschnitt vorkommt, ist gahrainjan, das sich auf die perfektive Handlung bezieht – die Vollendung des 55 Reinigungsprozesses. Die Perfektivität wird deutlich und eindeutig in der polnischen Fassung im Verb oczyściwszy dargestellt, das vom durativen Verb czyściwszy gebildet wurde. Das Deutsche stellt hier eine durative Form dar und bedient sich Partizip Präsens Aktiv vom Verb reinigen, das die Gleichzeitigkeit der Handlungen zum Ausdruck bringt. Am häufigsten tritt aber das ga- Präfix als Aspektmarker auf. Außer dem ga- Präfix perfektivieren nach Schwerdt auch andere Präfixe, wie z.B. dis-, fair-, fra-, fri- (vgl. Schwerdt 2008, 71). Sie nennt aber dabei keine Beispiele, die diese Ansicht bestätigen könnten. Um diese These zu prüfen, habe ich einige Beispiele aus der gotischen Bibel ausgesucht: ni manna mag kasa swinþis galeiþands in gard is wilwan, niba faurþis þana swinþan gabindiþ; jah þan þana gard is diswilwai. (Mk 3, 27) – ‚Niemand aber kann in das Haus des Starken eindringen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken gebunden hat, und dann wird er sein Haus berauben.’; pln. ‚Nikt nie może wejść do domu mocarza i sprzęt mu zagrabić, jeśli mocarza wpierw nie zwiąże, i wtedy dom jego ograbi.’ In diesem Satz findet man sowohl die ga-Komposita als auch ein mit dis- präfigiertes Verb. Die dargestellten ga-Komposita kodieren eindeutig den Aspekt, indem sie das Ergebnis einer entsprechenden Handlung zum Ausdruck bringen. Wenn es sich um das dis-Kompositum handelt, findet man im Satz auch eine unpräfigierte Form wilwan ‚rauben, plündern’. Die Gegenüberstellung der Bedeutung der beiden Formen in diesem Satz zeigt, dass die präfigierte Form die Abgeschlossenheit zum Ausdruck bringen kann. In der polnischen Fassung steht das Verb o-grabić, dass ebenso die Abgeschlossenheit der Handlung kodiert. Der einzige Unterschied zwischen beiden Fassungen besteht in der Übersetzung des unpräfigierten Verbs wilwan, das im polnischen Text als zagrabić übersetzt wurde. Das Verb zagrabić drückt auch die Vollendung aus, man konnte hier aber das unpräfigierte Verb grabić verwenden und den Anfang des Satzes folgend formulieren: Nikt nie może wejść do domu mocarza i sprzęt jego grabić [...]. [CA] sildaleik auk dishabaida ina jah allans þans miþ imma in gafahis þize fiske þanzei ganutun (Luk 5, 9) – ‚Denn Entsetzen hatte ihn erfaßt und alle, die bei ihm 56 waren, über den Fischfang, den sie getan hatten.’; pln. ‚I jego bowiem, i wszystkich jego towarzyszy w zdumienie wprawił połów ryb, jakiego dokonali.’ Im obigen Satz steht ein dis-Kompositum, das vom Simplex haban kommt, und hier die Vollendung zum Ausdruck bringt. Es beschreibt den Eintritt in einen neuen Zustand. Im Deutschen gehört dieses Verb zu der ingressiven Aktionsart. Im Polnischen kodiert das Verb wprawić sowohl den perfektiven Aspekt als auch eine ingressive punktuelle semelfektive Aktionsart. Im folgenden Satz findet man auch ein ga-Kompositum, bei dem das Präfix seine perfektivierende Funktion ausübt. Das Kompositum ganiutan wird von Streitberg als perfektiv bezeichnet und stammt vom Simplex niutan ‚treffen, erreichen, einer Sache froh sein’. Die Abgeschlossenheit der Handlung wird semantisch im Deutschen und grammatisch im Polnischen durch das perfektive Verb dokonać ausgedrückt. [A] wrikanai, akei ni biliþanai: gadrausidai, akei ni fraqistidai (2 Kor 4, 9) – ‚verfolgt, aber nicht verlassen, niedergeworfen, aber nicht vernichtet’; pln. ‚znosimy prześladowania, lecz nie czujemy się osamotnieni, obalają nas na ziemię, lecz nie giniemy.’ In diesem Beispiel kodiert das ga-Kompositum ein Resultat. Der gotische Text besteht hier aus den Partizipien im Präteritum, wo das ga-Kompositum vom Verb drausjan kommt und sich auf die niedergeworfenen Menschen bezieht. Der polnische Autor bediente sich der Verben. Das fra-Abstractum spricht ebenso von einer Art Resultat, d.h. von den Vernichteten, obwohl in der polnischen Fassung ein duratives Verb ginąć steht. Das fra-Präfix tritt relativ oft auf und von seiner perfektivierenden Funktion haben auch andere Sprachwissenschaftler geschrieben (vgl. z.B. Leopold 1907, 20). [CA] jah ni magandans neƕa qiman imma faura manageim, andhulidedun hrot þarei was Iesus jah usgrabandans insalilidedun þata badi [jah fralailotun] ana þammei lag sa usliþa. (Mk 2, 4) – ‚Und da sie wegen der Volksmenge nicht zu ihm hinkommen konnten, deckten sie das Dach ab, wo er war, und als sie es aufgebrochen hatten, ließen sie das Bett hinab, auf dem der Gelähmte lag.’; pln. ‚Nie mogąc z powodu tłumu przynieść go do Niego, odkryli dach nad miejscem, gdzie Jezus się znajdował, i przez otwór spuścili łoże, na którym leżał paralityk.’ 57 Im folgenden Satz findet man wieder ein fra-Kompositum, das sich aber diesmal nicht an ein perfektives Verb bezieht. Das unpräfigierte Verb letan ‚lassen’ bildet auch andere Komposita mit anderen Präfixen wie z.B. af-letan, us-letan, die auch als imperfektiv bezeichnet werden können. Das Präfix fra- kodiert hier eine Vollendung, und zugleich die Richtung der Handlung: „In der Mehrzahl der got. Belege bezeichnet fra- „weg-“ bei einfachen Handlungen von Person zu Person.“ (Leopold 1907, 18). Auch die polnische Fassung bedient sich hier eines perfektiven Verbs spuścić, das ebenso die Abgeschlossenheit und die Richtung der Handlung ‚nach unten’ demonstriert. [CA] usstandans gagga du attin meinamma jah qiþa du imma: atta, frawaurhta mis in himin jah in andwairþja þeinamma; (Luk 15, 18) – ‚Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und will zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir’; pln. ‚Zabiorę się i pójdę do mego ojca, i powiem mu: Ojcze, zgrzeszyłem przeciw Bogu i względem ciebie;“ Die perfektivierende Funktion von fra- in diesem Satz bleibt unumstritten. Das Kompositum fra-waurhta kommt vom Simplex waurkjan ‚machen, wirken’ und bedeutet ‚eine Sünde begehen, sich versündigen’ (vgl. Streitberg, Gotisch-GriechischDeutsches Wörterbuch 1910 online). Das Kompositum demonstriert eindeutig den Akt des Begehens von einer Sünde, deswegen spricht man ihm einen perfektiven Charakter zu. Dieselbe Bedeutung wird auch in der deutschen und polnischen Fassung überliefert. Im polnischen Textausschnitt steht das perfektive Verb zgrzeszyć, das in Folge der sekundären Imperfektivierung wieder nicht imperfektiviert sein kann, die im Polnischen vorhanden ist. Um eine imperfektive Handlung auszudrücken, muss man sich des unpräfigierten Verbs grzeszyć bedienen. Das Verb zgrzeszyć kodiert deshalb eindeutig den perfektiven Aspekt. [CA] jah fairgraip bi handau þata barn qaþuh du izai: taleiþa kumei, þata ist gaskeiriþ: mawilo, du þus qiþa: urreis. (Mk 5, 41) – ‚Und er ergriff des Kindes Hand und spricht zu ihm: Talitha kum! Das ist übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf!’; pln. ‚Ująwszy dziewczynkę za rękę, rzekł do niej: Talitha kum, to znaczy: Dziewczynko, mówię ci, wstań!’ 58 In diesem Textausschnitt hat man mit einem fair-Kompositum zu tun, das vom Verb greipan ‚greifen’ gebildet wird. Das Präfix kann hier sowohl den perfektiven Aspekt als auch die egressive Aktionsart kodieren. Das Kompositum fairgreipan bezieht sich auf die Vollendung einer Handlung (des Greifens), was den perfektiven Aspekt charakterisiert. Andererseits kann es auch eine egressive Aktionsart kodieren, die ebenso die Beendigung einer Handlung bzw. eines Prozesses zum Ausdruck bringt. Weil das Deutsche über keine grammatische Aspektkategorie verfügt, spricht man hier nicht vom Aspekt. Das Verb ergreifen kodiert eindeutig eine perfektive Aktionsart: 1. mit der Hand nach einer Person, Sache greifen u. sie festhalten; 2. festnehmen (Duden, 6., überarbeitete und erweiterte Auflage 2007, 512). Im Polnischen funktionieren beide Kategorien: Aspekt und Aktionsart, wobei jedes Verb beide Kategorien kodiert. Das Verb ująć bringt eine perfektive einmalige Handlung zum Ausdruck, d.h. eine egressive semelfektive Aktionsart. Im Polnischen kann ein Verb mehrere Aktionsarten auf einmal kodieren, wenn sie sich gegenseitig nicht ausschließen. Das oben dargestellte gaKompositum bringt den perfektiven Aspekt zum Ausdruck. Es stammt vom Verb skeirjan und bedeutet ‚erklären’. Es wird auch von Streitberg als perfektives Verb bezeichnet. [A] þai auk waila andbahtjandans grid goda sis fairwaurkjand jah managa balþein galaubeinai þizai in Xristau Iesu. (1 Tim 3, 13) – ‚denn die, welche gut gedient haben, erwerben sich eine schöne Stufe und viel Freimütigkeit im Glauben, der in Christus Jesus ist.’; pln. ‚Ci bowiem, skoro dobrze spełnili czynności diakońskie, zdobywają sobie zaszczytny stopień i ufną śmiałość w wierze, która jest w Chrystusie Jezusie.’ In diesem Beispiel haben wir auch mit einem fair-Kompositum zu tun. In diesem Fall schreibt man dem Präfix fra- keine Funktion der Aspektmarkierung. Das Verb fairwaurkjan drückt hier keine Abgeschlossenheit aus und demonstriert eine durative Aktionsart, die auch im Deutschen und im Polnischen zum Ausdruck gebracht wird. Das Verb erwerben ‚zdobywać’ ist nicht mit dem perfektiven Aspekt verbunden, sondern es kodiert eine resultative Aktionsart. Auch Elisabeth Leiss (2000, 122f.) schreibt von der Funktion eines Aspektmarkers, über die auch andere Präfixe verfügen. Für solche Präfixe hält sie u.a. us- und bi-, die außer der Aktionsartdifferenzierung auch die Aspektmarkierung ausdrücken. Das Präfix us-, das im Gotischen sehr häufig 59 vorkommt und ursprünglich die Handlungsrichtung bezeichnet, bringt oft die Abgeschlossenheit zum Ausdruck. [CA] jah gasaiƕandans allai birodidedun, qiþandans þatei du frawaurhtis mans galaiþ [in gard] ussaljan. (Luk 19, 7) – ‚Und als sie es sahen, murrten alle und sagten: Er ist eingekehrt, um bei einem sündigen Mann zu herbergen.’; pln. ‚A wszyscy, widząc to, szemrali: Do grzesznika poszedł w gościnę.’ Das Kompositum ussaljan ‚Herberge nehmen’ kommt vom Simplex saljan ‘herbergen, bleiben’. Im gotisch-griechisch-deutschen Wörterbuch von Streitberg (1910) wurde es als perfektives Verb bezeichnet. Als der Perfektivitätsmarker fungiert hier das us-Präfix, dass hier die Vollendung kodiert. Im Deutschen wurde diese Handlung als imperfektiv dargestellt mittels der Konstruktion um zu + Infinitiv. Im Polnischen wurde ein perfektives Verb pójść verwendet, um die Abgeschlossenheit zu äußern. In diesem Fall kann man auch die Aufmerksamkeit auf den Substantiv frawaurhtis richten. Das Abstraktum frawaurhtis wurde vom Kompositum fra-waurkjan ‚eine Sünde begehen’ gebildet, das aus dem Präfix fra- und dem Verb waurkjan ‚tun, machen’ besteht. Genauso bei einem Kompositum trägt hier das Präfix perfektiven Charakter, d.h. man beschreibt einen Mann, der schon eine Sünde begangen hat. Im obigen Beispiel tritt auch ein ga-Kompositum gasaiƕan, das wie in den früheren Beispielen eindeutig als perfektives Verb bezeichnet wurde, in dem das ga-Präfix als Aspektmarker fungiert. [CA] jah dugann laisjan ins þatei skal sunus mans filu winnan jah uskiusan skulds ist fram þaim sinistam jah þaim auhumistam gudjam jah bokarjam jah usqiman jah afar þrins dagans usstandan. (Mk 8, 31) – ‚Und er fing an, sie zu lehren, dass der Sohn des Menschen vieles leiden und verworfen werden müsse von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und dass er getötet werden und nach drei Tagen auferstehen müsse.’; pln. ‚I zaczął ich pouczać, że Syn Człowieczy musi wiele cierpieć, że będzie odrzucony przez starszych, arcykapłanów i uczonych w Piśmie, że będzie zabity, ale po trzech dniach zmartwychwstanie.’ Der obige Satz demonstriert drei Funktionen vom us-Präfix. Beim ersten Kompositum uskiusan haben wir mit der perfektivierenden Funktion von us- zu tun. Das Kompositum bringt eine perfektive Handlung zum Ausdruck, die im Deutschen in Form 60 von einem Partizip Präteritum und im Polnischen in Form von einem Adjektiv ausgedrückt wurde, das von einem perfektiven Verb odrzucić gebildet wurde. Beim zweiten Kompositum usqiman dient das Präfix der Bedeutungsveränderung. Die Modifikation ist bedeutend, denn das Simplex qiman heißt ‚kommen’ und das Kompositum usqiman ‚töten’. Das dritte Kompositum usstandan wird vom Simplex standan ‚stehen’ gebildet und bedeutet ‚sich erheben, auferstehen’. Das Präfix demonstriert hier die Abgeschlossenheit und die Modifikation der Bedeutung. [CA] jah usbugjands lein jah usnimands ita biwand þamma leina jah galagida ita in hlaiwa, þatei was gadraban us staina, jah atwalwida stain du daura þis hlaiwis. (Mk 15, 46) – ‚Und er kaufte feines Leinentuch, nahm ihn herab, wickelte ihn in das Leinentuch und legte ihn in eine Gruft, die in einen Felsen gehauen war, und er wälzte einen Stein an die Tür der Gruft.’; pln. ‚Ten kupił płótno, zdjął Jezusa [z krzyża], owinął w płótno i złożył w grobie, który wykuty był w skale. Przed wejście do grobu zatoczył kamień.’ In diesem Textausschnitt findet man mehrere Präfixe: ga-, us-, bi-, at-. In diesem Fall kann man u.a. die unterschiedlichen Funktionen von us- feststellen. Das Präfix userscheint hier als Aspektmarker, Marker der Handlungsrichtung und als Präposition. Im Verb usbugjan, das vom Simplex bugjan ‚kaufen, verkaufen’ stammt, markiert das Präfix den perfektiven Aspekt, der auch im Polnischen durch die Verbform kupić zum Ausdruck gebracht wurde. Beim Verb usniman demonstriert es die ursprüngliche Bedeutung, d.h. die Handlungsrichtung ‚zwischen unten und oben’, die im Deutschen durch das Adverb herab kodiert wird. Letztendlich erscheint das Präfix us- einzeln als Präposition. Wenn es sich um das Präfix bi- handelt, drückt es ursprünglich die Bedeutung ‚rings umher’ aus. In diesem Fall nimmt man an, dass es genau diese Bedeutung und keinen perfektiven Aspekt demonstriert, denn es handelt sich um das Umwickeln, d.h. um die Handlung ‚rings um’ die Leiche. Obwohl in der polnischen Fassung der perfektive Aspekt ausgedrückt wurde, indem eine resultative Verbform owinąć und nicht imperfektive owijać verwendet wurde, spricht man hier nicht von einer perfektivierenden Funktion des bi- Präfixes. Die ga-Komposita kodieren im oben dargestellten Textausschnitt den perfektiven Aspekt. Das Verb galagjan kommt vom imperfektiven Simplex lagjan und bringt die Abgeschlossenheit zum Ausdruck, die auch im Polnischen markiert wird. Das Verb złożyć ist ein perfektives Verb, das nur in 61 einer vergangenen oder zukünftigen Form auftritt, und ist der Aspektpartner mit dem imperfektiven Verb kłaść. Das Kompositum gadraban kommt vom imperfektiven Verb draban ‚hauen’ und genau wie das vorige Kompositum bringt es das Resultat/das Ergebnis zum Ausdruck. Das Präfix ga- fungiert hier eindeutig als Aspektmarker. Deswegen bleibt das ga- Präfix als der prototypische Aspektmarker. In der gotischen Bibel findet man mehrere Beispiele für die perfektivierende Funktion von ga-. iþ Marja nam pund balsanis nardaus pistikeinis filugalaubis jah gasalbota fotuns Iesua jah biswarb fotuns is skufta seinamma (Joh 12, 3) – ‚da nahm Maria ein Pfund Salböl aus unverfälschter, kostbarer Narde und salbte die Füße Jesu und trocknete mit ihrem Haar Seine Füße ab’; pln. ‚Maria zaś wzięła funt szlachetnego i drogocennego olejku nardowego i namaściła Jezusowi nogi, a włosami swymi je otarła [...]’ In diesem Beispiel findet man das bi-Kompositum, in dem das Präfix eine perfektivierende Funktion ausübt. Das Verb biswairban ‚abtrocken, abwischen’ demonstriert selbstverständlich die Vollendung und nicht die Handlungsrichtung. Es bestätigt auch die polnische Fassung, in der das perfektive Verb otrzeć steht. Auch das ga-Kompositum, wie in vielen früheren Beispielen, drückt die Perfektivität aus. Wie aber schon früher gesagt wurde, ist das Aspektsystem im Gotischen im Verfall begriffen. Dieser Prozess hat zur Entwicklung einer neuen Kategorie geführt, des Artikels. Leiss (2000) erklärt die beiden Kategorien nicht als Konkurrenten, sondern als Kategorien, die denselben Effekt zum Ausdruck bringen – die Perfektivierung. Auch in diesem Fall entstanden mehrere Arbeiten, die unterschiedliche Ansichten darstellen. Einerseits findet man die Meinung, dass das Gotische über keinen Artikel verfügt (Lehmann 1994, 28), andererseits befürwortet man das Vorhandensein eines „intakten grammatikalisierten Artikel[s]“ (Leiss 2000, 114). Die kritischen Meinungen erschienen, weil der Artikel im Gotischen nur sehr selten auftritt. Kotin (2012) weist auf die Demonstrativpronomina sa, so, þata hin, die in Folge der Degrammatikalisierung des ga- Präfixes die perfektivierende Funktion erfüllen. Aus diesen Pronomina entwickelte sich später der bestimmte Artikel, der auch die ‚Definitheit’ kodiert. Als Beispiel für diese Perfektivitätsmarkierung führt Kotin folgenden Satz an: 62 qaþ þan Iesus: let ija!; in dag gafilhis meinis fastaida þata (Joh 12, 7) – ‚da sagte Jesus: Lass sie in Frieden! Mag es gelten für den Tag Meines Begräbnisses’; pln. ‚Na to Jezus powiedział: Zostaw ją! Przechowała to, aby [Mnie namaścić] na dzień mojego pogrzebu.’ Kotin vergleicht diesen Satz mit dem Satz Joh 12, 7, um zu veranschaulichen, dass þata „definiten Kontext und semantische Perfektivität des Verbs [...] kodiert“, obwohl das Verb fastaida in einer imperfektiven Form hier auftritt (Kotin 2012, 215). Die Perfektivität wurde auch in der polnischen Fassung demonstriert. Das polnische Verb namaścić ist eine perfektive Aktionsart, die auch den perfektiven Aspekt kodiert. Es drückt eine einmalige abgeschlossene Handlung aus, wobei in Folge der sekundären Imperfektivierung eine imperfektive Form namaszczać gebildet sein kann. Kotin betont auch, „dass die Definitheit im Gotischen auch doppelt kodiert werden kann und auf jeden Fall der Opposition von Fokus und Topik des Satzes hierarchisch übergeordnet ist“ (Kotin 2012, 223). Wenn es sich um den unbestimmten Artikel handelt, entwickelte er sich aus dem Numeral ains (vgl. Wilhelm Thomas Deutsch: Grammatik und Wortarten online, s. 73) und bringt keine Definitheit zum Ausdruck. Auf Grund der oben dargestellten und analysierten Textstellen stellt man fest, dass die Präfixe wie us-, fra-, bi- mehrere Funktionen ausüben können. Deswegen teilt man ihnen nicht eine eindeutige Funktion der Aspektkodierung zu. Die Bedeutung des Kompositums hängt vom Kontext ab. Beim ga- Präfix ist die Situation klarer. Obwohl es auch die Modifikation der Bedeutung bewirken kann, schreibt man ihm vor allem die Funktion des Aspektmarkers zu. Die Modifikation der Bedeutung tritt sehr selten auf. Öfter hat man mit dem Ausdruck der Soziativität zu tun, der aber auch relativ niedrige Verwendungshäufigkeit hat, wenn man unter Acht nimmt, dass die ga-Komposita am häufigsten unter den Komposita allgemein auftreten. Die Rolle des ga- Präfixes bei der Bildung der Aspektkategorie im Gotischen wird aber immer wieder bestritten. Einerseits spricht man diesem Präfix zu, dass es viele Funktionen erfüllt (wie z.B. Ukyo, der neben der Funktion von Verstärkung, Rhythmisierung und Aktionsartänderung auch die Rolle des Mittels bei der Kodierung der Zukunft erwähnt), andererseits lehnt man die Möglichkeit ab, dass es so viele Funktionen erfüllt und teilt man ihm nur eine Funktion zu: 63 „Wie ist es überhaupt denkbar, dass eine einzige partikel zugleich so verschiedene functionen wie die genannten in sich vereinige und bald die eine bald die andere beliebig hervorkehre, ohne dass innere oder äussere bedingungen ein regelmäßiges gesetz erschliessen lassen?“ (Streitberg 1891, 92) Dem ga- Präfix wurden unterschiedliche Rollen zugeschrieben. Eine der Auffassungen ist es, dass ga- keine grammatische, sondern rein stilistische Rolle spielt. Es ist aber unmöglich, weil das Kompositum mit ga- in einem Vergleich mit dem unpräfigierten Simplex eindeutig zeigt, dass das Präfix einen Einfluss u.a. auf die Bedeutung hat. So postulierten mehrere Sprachwissenschaftler, dass die Präfigierung mit ga- dem Verb eine neue Bedeutung verleiht. Neben der schon erwähnten Soziativität, die ga- zum Ausdruck bringen kann, geht es um eine neue Bedeutung des Verbs. So ist es im Fall saiƕan – gasaiƕan (sehen – die Sehfähigkeit bekommen) oder taurnan – gataurnan (reißen – vergehen, aufhören). Die Bedeutungsänderung kommt aber seltener bei gavor, als bei anderen Präfixen wie z.B. beim Präfix us-: qiman – usqiman (kommen – töten); qistjan – usqistjan (verderben – umbringen); skarjan – usskarjan (reißen, abteilen – nüchtern werden, zur Besinnung kommen, herausreißen) (in Anlehnung an „Gotisches Wörterbuch“ von Gerhard Köbler 2. Auflage, 1989). [CA] jah ni ogeiþ izwis þans usqimandans leika þatainei, iþ vsaiwalai ni magandans usqiman, [...] (Mt 10, 28) – ‚Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; [...]’; pln. ‚Nie bójcie się tych, którzy zabijają ciało, lecz duszy zabić nie mogą.’ [CA] jah gahausidedun þai bokarjos jah gudjane auhumistans jah sokidedun, ƕaiwa imma usqistidedeina: […] (Mk 11, 18) – ‚Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten hörten es und suchten, wie sie ihn umbringen könnten; [...]’; pln. ‚Doszło to do arcykapłanów i uczonych w Piśmie, i szukali sposobu, jak by Go zgładzić.’ [A] usskarjiþ izwis garaihtaba jan~ni frawaurkjaid; (1 Kor 15, 34) – ‘Werdet doch niemal recht nüchtern und sündigt nicht!’; pln. ‚Ocknijcie się naprawdę i przestańcie grzeszyć!’ 64 Auch andere Präfixe können diese Funktion erfüllen, deshalb kann man kein Monopol auf diese Funktion dem ga- zuschreiben (z.B. qiman – usqiman – fraqiman, kommen – umbringen – vertun). a) qiman [CA] iftumin daga manageis filu sei qam at dulþai, gahausjands þatei qimiþ Iesus in Iarausaulwmai, (Joh 12, 12) – ‚Am folgenden Tag, als eine große Volksmenge, die zu dem Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem komme,’; pln. ‚Nazajutrz wielki tłum, który przybył na święto, usłyszawszy, że Jezus przybywa do Jerozolimy, [...]’ b) usqiman [CA] munaidedunuþ~þan auk þai auhumistans gudjans, ei jah Lazarau usqemeina (Joh 12, 10) – ‚Die Hohenpriester aber ratschlagten, auch den Lazarus zu töten’; pln. ‚Arcykapłani zatem postanowili stracić również Łazarza’ c) fraqiman [CA] jah qino wisandei in runa bloþis jera twalif, soei in lekjans fraqam allamma aigina seinamma, [...] (Luk 8, 43) – ‚Und eine Frau, die seit zwölf Jahren mit einem Blutfluß behaftet war und, obgleich sie ihren ganzen Lebensunterhalt an [die] Ärzte verwandt hatte’; pln. ‚A pewna kobieta od dwunastu lat cierpiała na upływ krwi; całe swe mienie wydała na lekarzy’ Eine andere Auffassung über ga- und die Semantik der Verben stellte Josef Raith auf. Er war der Meinung, dass das unpräfigierte Simplex und das präfigierte Kompositum unterschiedliche Verben sind (vgl. Raith 1951, 25). Diese Theorie findet aber ihre Bestätigung nur in wenigen Fällen (siehe die Beispiele oben). Im Gotischen findet man auch Verben, die entweder nur als unpräfigierte Verben, wie z.B. ahjan, aljanon, airinon, frijon, haurnjan u.a. (vgl. Grill 2009, 30), oder nur als Komposita, wie z.B. gablindjan, gahroton, gamotan, garaþjon (vgl. ebenda, 31) auftraten. Deswegen bleibt es unbestätigt, dass jedes Verb präfigiert werden kann. Das erstaunlich hohe Vorkommen des ga- Präfixes in der gotischen Bibel (insgesamt 2516mal) weist darauf hin, dass die Zusammensetzung des ga- mit unterschiedlichen Simplexen ein wichtiges (eher grammatisches) Mittel war. 65 Schlussbetrachtungen Die vorliegende Arbeit hatte zum Ziel eine komplexe Untersuchung der Semantik und der Kategorialfunktionen der gotischen Präverben vorzunehmen. Im Gotischen funktioniert ein gut entwickeltes Präfix- und Suffixsystem, wo diese Elemente unterschiedliche Funktionen haben. Der Suffigierung wurden hier nur kleinere Fragmente gewidmet und die ganze Aufmerksamkeit wurde auf die Präfigierung gerichtet wegen ihrer Bedeutsamkeit für die Sprachentwicklung und Sprachforschung. Im Gotischen findet man mehrere Präfixe, die nicht nur ihre eigene Bedeutung haben, sondern auch einen bedeutsamen Einfluss auf die Semantik der Verben ausüben. Die Präfixe haben ihren Ursprung in den Adverbien oder in Präpositionen. Wenn sie ihre ursprüngliche Bedeutung in einer Zusammensetzung mit einem Verb bewahren, modifizieren sie oft auch die Semantik des Verbs nicht, denn am meisten ist es die Bezeichnung der Handlungsrichtung. So ist es im Beispiel des bi- oder des us- Präfixes: niman – usniman (nehmen – ausnehmen), windan – biwindan (winden - umwickeln). Nicht immer aber bleibt die Semantik des angefügten Verbs unverändert. Die Präfigierung kann die Modifizierung der Bedeutung verursachen, z.B. qiman – usqiman (kommen – töten). Den gotischen Präfixen wurden aber mehrere Funktionen zugeschrieben. Unter den gotischen Präfixen erfreut sich das ga-Präfix des größten Interesses von Seiten der Sprachwissenschaftler. Eine der wichtigsten Rollen, die dem ga-Präfix zugeschrieben wurde, ist die Aspektmarkierung. Die perfektivierende Funktion von ga- wurde schon im 19. Jahrhundert von Streitberg postuliert und seine Ansicht bleibt noch heutzutage der Ausgangspunkt mehrerer Arbeiten. Auch die in der vorliegenden Arbeit angeführten Textausschnitte bestätigen die These, dass das gaPräfix den perfektiven Aspekt kodiert. Die hohe Frequenz von diesem Präfix erlaubt uns eine genaue Untersuchung der Semantik von ga- durchzuführen. In dem empirischen Teil wurden mehrere Ansichten auf Grund von unterschiedlichen Textausschnitten bestätigt oder widerlegt. Eine relativ reiche Gruppe der Linguisten postuliert das Vorhandensein der Aspektkategorie im Gotischen und weist auf das ga-Präfix als ihrer Marker hin. Um diese Ansicht zu prüfen, habe ich die gotische Fassung der Bibel mit der deutschen und der polnischen vergleicht. Weil das Deutsche über keine grammatische Aspektkategorie verfügt, war es von großer Bedeutung, die polnische Fassung neben der gotischen zu stellen, denn im Polnischen sind sowohl die Kategorie des Aspekts als auch der Aktionsart 66 grammatikalisiert. In Folge einer Gegenüberstellung der beiden Auffassungen konnte man das Vorhandensein und die Kodierungsformen des Aspekts bestätigen. Die Untersuchung ausgewählter Sätze zeigte, dass dort, wo das ga-Kompositum den perfektiven Aspekt kodiert, er auch im Polnischen zum Ausdruck gebracht wird. Es erfolgt im Polnischen nicht immer mittels eines Präfixes, denn es hat auch andere Mittel zur Kodierung des Aspekts, obwohl die Präfigierung am meisten verwendet wird. Im Gotischen kommen auch andere Präfixe als ga- vor, die dieselbe Funktion erfüllen, wie z.B. die oben erwähnten us-, fra-, disu.a. Deswegen ist es unmöglich, das ga-Präfix als einziger Aspektmarker zu bezeichnen. Aus denselben Grund entstanden die Bedenken, ob sich im Gotischen eine grammatikalisierte Aspektkategorie entwickelt hatte, wenn es auch andere Möglichkeit gibt, die Perfektivität auszudrücken. Man nimmt aber unter Acht, dass auch im Polnischen unterschiedliche Präfixe auftreten, die den Aspektwechsel verursachen. Nach Jagodziński fungieren im Polnischen achtzehn Präfixe, die den Aspekt ändern können. So kann es auch im Fall des Gotischen sein. Wenn man sich aber auf das gaPräfix konzentriert, kommt es am meisten unter den aspektkodierenden Präfixen vor. Der Ausdruck der Abgeschlossenheit bleibt auch seine führende Funktion. Nur in 13,(3)% der Textausschnitte, die in dem empirischen Teil untersucht wurden, drückt das ga-Präfix eine andere Funktion als die Aspketkodierung aus. Am meisten war es die Soziativität, die ursprüngliche Bedeutung von ga-. Dieses Präfix kann auch die Bedeutung des Verbs modifizieren, was aber selten vorkommt: z.B. taurnan - gataurnan (reißen - vergehen, aufhören). Die Mehrheit der Belege bestätigte also, dass ein ga-Kompositum perfektiven Charakter hat. In der vorliegenden Arbeit habe ich auch zwei kontroverse Thesen geprüft, die dem ga-Präfix völlig andere Funktionen zugeschrieben haben. Anfangs habe ich mich mit der Ansicht von Sanae Ukyo beschäftigt, die besagt, dass die ga-Komposita auch die Zukunft kodieren können. Ukyo hatte in seiner Arbeit (1977) mehrere Beispiele aus der gotischen Bibel angeführt, die seiner Meinung nach die zukunftskodierende Funktion von ga- beweisen. Es handelt sich um die ga-Komposita im Präsens, die die Vollendung der Handlung in der Zukunft platzieren. Eine genaue Untersuchung zeigt aber, dass dieses Präfix keinen Einfluss auf die Zukunftkodierung hat. Entscheidend ist die Präsensform der Verben, die für den Ausdruck der Zukunft verantwortlich ist. Präsens fungiert als eine Tempusform, die nicht nur in den urgermanischen Sprachen, sondern auch in den gegenwärtigen Sprachen die Zukunft kodiert. Dies gilt sowohl für die Sprachen, die über keine 67 grammatikalisierte Aspektkategorie verfügen als auch für diejenigen, die diese entwickelt haben, z.B.: Ich gehe morgen ins Kino. – Jutro idę do kina. Ukyo hat in dieser Hinsicht die Funktion von ga- falsch interpretiert, indem er ihm die Zukunftskodierung zugeschrieben hat. Das Präfix verursachte hier eindeutig die Perfektivität der genannten Handlung, obwohl sie erst in der Zukunft stattfindet. Auch im Polnischen wird ein Verb als perfektiv bezeichnet, wenn die Vollendung erst in der Zukunft erfolgt (vgl. Kiklewicz 2005, 17). Ukyo bedient sich auch der Bezeichnung Aktionsart statt Aspekt. Obwohl auch Streitberg in seiner Arbeit (1891) über Aktionsart geschrieben hatte, meinte er darunter den Aspekt. Im Gotischen ist aber auch die Kategorie der Aktionsart vorhanden. Das Gotische bedient sich auch der Präfigierung um die Aktionsart zum Ausdruck zu bringen. Darunter nimmt man auch das ga-Präfix in die Gruppe der Präfixe auf, die die Aktionsart kodieren. Die Lektüre der gotischen Bibel bietet aber eine andere Möglichkeit an. Zum Ausdruck der Aktionsart wurden andere Präfixe, wie z.B. in-, at-, and-, þairh- verwendet. Die Komposita, die mit oben erwähnten Präfixen gebildet werden, nannte Leiss (2000, 123) periphere Aspektpartner. Solche Benennung kann aber auch irreführen, denn sie kodieren keine Vollendung, sondern eine andere Art und Weise der Handlungsdurchführung. Als zentralen Aspektpartner nennt sie aber das ga-Kompositum, obwohl auch die mit us- und bipräfigierten Verben perfektiven Charakter tragen können. Die andere These, die von Reiner Grill (2009) postuliert wurde, besagt, dass das gaPräfix am häufigsten keinen Aspekt kodiert, sondern zur Verstärkung und Betonung der wichtigsten Informationen dient, die der Autor überliefern wollte. Grill nennt ga- eine „Aufmerksamkeitspartikel“ (2009, 52) und schreibt ihm eine Funktion zu, bei der es „eine zusätzliche Betonung aufweist, um die Leserschaft bzw. Zuhörerschaft auf bestimmte Zusammenhänge (in diesem Falle theologischer Natur) aufmerksam [zu] machen’ (Grill 2009, 54). Seine Erklärungs- und Untersuchungsweise gründet aber eher auf einer literarischen Interpretation und nicht auf einer sprachwissenschaftlichen. In seiner Arbeit konzentrierte er sich vor allem auf zwei Verbpaare: saiƕan/gasaiƕan und hausjan/gahausjan, die häufig im Textkorpus auftreten. Die von ihm ausgewählten Stellen vergleicht er mit den Thesen von unterschiedlichen Sprachwissenschaftlern wie Streitberg, Lloyd, Tobler, Josephson u.a. Um die These von der perfektivierenden Funktion von ga- zu widerlegen, wählt er auch solche Stellen aus, in denen die oben erwähnten Verben als Simplizia vorkommen. Auf diese Art und Weise wollte Grill 68 entweder seine Meinung bestätigen, das das Simplex und das ga-Kompositum gleiche Bedeutung haben (z.B. Luk 10, 24), d.h. ga- kodiert keine Perfektivität, oder die von ihm postulierte These zu befürworten, dass der Autor eine Erhebung entsprechender Fakten zum Ziel hatte. In seiner Untersuchung betont er immer wieder die Bedeutsamkeit einiger Erscheinungen oder Personen in der Geschichte Jesu Christi und übersieht eine Menge von Belegen, die seine Theorie falsifizieren. Grill beschäftigte sich auch mit anderen Verbpaaren, wie z.B. standan/gastandan oder bairan/gabairan. Wie in vorigen Fällen versuchte er die Funktion von ga- auf Aufmerksamkeit zu reduzieren. Im Vergleich mit anderen Sätzen aus der gotischen Bibel wird es aber klar, dass dieses Präfix die Vollendung/Abgeschlossenheit zum Ausdruck bringt. Am deutlichsten scheint es beim Beispiel bairan/gabairan zu sein, wo dieses Verbpaar für das Musterbeispiel der Aspektmarkierung gilt, was auch die anderen Belege aus der gotischen Bibel bestätigen. Obwohl die Aspektkategorie im Gotischen vorhanden ist, ist sie im Verfall begriffen. Man kann einen konstanten Abbauprozess beobachten, was zur Entwicklung einer neuen grammatischen Kategorie führt – des Artikels. Der bestimmte Artikel entwickelte sich aus den Demonstrativpronomina sa, so, þata und übernimmt die perfektivierende Funktion des ga-Präfixes in Folge der Degrammatikalisierung von ga-. Der Artikel tritt immer öfter auf und kodiert die Definitheit. Dabei ist die Hierarchie von Topik und Fokus von großer Bedeutung. Denn Topik (Hintergrund) beinhaltet die schon erwähnten (bekannten) Informationen und Fokus führt die neuen ein. Deswegen kommt der bestimmte Artikel im Topik und der unbestimmte im Fokus vor. Solches Verhältnis beobachtet man auch im Gotischen: qaþ þan Iesus: let ija!; in dag gafilhis meinis fastaida þata (Joh 12, 7) (vgl. Kotin 2012, 215). Die Kategorie des Artikels entwickelt sich und letztendlich verdrängt sie die Aspektkategorie. Im Polnischen gibt es diese Kategorie nicht, deswegen treten mehrere Probleme bei der Übersetzung des Deutschen ins Polnische auf. Aus dieser Sicht ist das Gotische eine wichtige Quelle für die Untersuchung der Sprachentwicklung. Es präsentiert eine grammatikalisierte Aspektkategorie, eine Aktionsartkategorie und das Vorhandensein und eine konstante Entwicklung des Artikels. Eine andere Reaktion auf das Verschwinden des Aspekts ist auch nach Leiss (2000) die sekundäre Imperfektivierung, die im Gotischen nicht vorhanden ist, was ein Argument der Slawisten gegen das Vorhandensein des Aspekts im Gotischen war. Obwohl nach ihnen die reinen Aspektpaare in Folge der sekundären Imperfektivierung entstehen, spricht man dem Gotischen nicht ab, dass es über eine 69 Kategorie verfügt, die mithilfe von u.a. ga- die Abgeschlossenheit der dargestellten Handlung kodieren. Die Slawisten postulierten, dass die Aspektkategorie aus zwei Oppositionen besteht: Determiniertheit/Indeterminiertheit und Terminativität/ Aterminativität. Das Gotische verfügt über keine Kategorie Determiniertheit/ Indeterminiertheit, die nach Maslov eines der Grundelemente dieser Kategorie ist, verfügt aber über die Kategorie Terminativität/Aterminativität, die nach Schlegel im engen Zusammenhang mit dem Aspekt steht (vgl. Schlegel 2002, 33). Obwohl sich die Aspektkategorie im Gotischen nicht auf demselben Niveau wie diese im Russischen oder Polnischen befindet, bleibt es unumstritten, dass sie im Gotischen vorhanden ist und mithilfe von unterschiedlichen Mitteln ausgedrückt wird, wo als Hauptmarker der Perfektivität das ga-Präfix fungiert. . 70 Literaturverzeichnis Primärliteratur: Biblia Tysiąclecia. Wyd. 5. Poznań: Pallottinum, 2000. Die Bibel: Altes und Neues Testament. Eineitsübersetzung. 14. Auflage. Freiburg: Herder Verlag, 1999. Streitberg, Wilhem (Hg.) (1908): Die gotische bibel: Teil 1: Der gotische text und seine griechische vorlage mit einleitung, lesarten und quellennachweisen sowie den kleinern denkmälern als anhang. Heidelberg: Carl Winter. Sekundärliteratur: Berger, Tilman/Breu, Walter/Gutschmidt, Karl/Kempgen, Sebastian/Kosta, Peter (Hg.) (2009): Die slavischen Sprachen: Ein internationales Handbuch zu ihrer Struktur, ihrer Geschichte und ihrer Erforschung. Berlin: Walter de Gruyter. Binnig, Wolfgang (1999): Gotisches Elementarbuch, 5., völlig neubearbeitete Auflage der früheren Darstellung von Heinrich Hempel. Berlin: Walter de Gruyter Verlag. Birnbaum, Henrik (1974): On Medieval and Renaissance Slavic Writing. Selected Essays. Hague: mouton & Co. Bluszcz, Anna (1994): Ubogacony, VATować, PITolić i inne. In: Język Polski. Band 74, Heft 3. Kraków: Towarzystwo Miłośników Języka Polskiego, 206-210. Braune, Wilhelm/Heidermanns, Frank (2004): Gotische Grammatik mit Lesestücken und Wörterverzeichnis. 20. Aufl. Tübingen: Max Niemeyer Verlag. Comrie, Bernard (1976): Aspect. An introduction to the study of verbal aspect and related problems. First Printing edition. Cambridge: Cambridge University Press. Diefenbach, Lorenz (1851): Vergleichendes Wörterbuch der germanischen Sprachen und ihrer sämtlichen Stammverwandten, mit besonderer Berücksichtigung der romanischen, lithauisch-slavischen und keltischen Sprachen und mit Zuziehung der finnischen Familie. Erster Band. Frankfurt am Main: Verlag von Joseph Baer. Dieter, Ferdinand (Hg.) (1900): Laut- und Formenlehre der altgermanischen Dialekte. Leipzig: O.R. Reisland Dorfeld, Carl (1885): Ueber die Funktion des Präfixes ge- (got. ga-) in der Composition mit Verben. Teil I.: Das Präfix bei Ulfilas und Tatian. Giessen: Universitäts-Buch- und Steindruckerei. Duden. Deutsches Universalwörterbuch. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Mannheim 2007. Förstemann, Ernst Wilhelm (1869): Alt-, mittel-, neuurdeutsch. In: Kuhn, Adalbert (Hg.): Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen. Band XVIII. Erstes Heft. Berlin: Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung. Feist, Sigmund (1939): Vergleichendes Wörterbuch der gotischen Sprache. Mit Einschluss des Krimgotischen und sonstiger zerstreuter Überreste des Gotischen. Dritte neubearbeitete und vermehrte Auflage. Leiden: E.J.Brill. Feuillet, Jack (1995): Die aspektuellen Oppositionen im Gotischen. In: Faucher, Eugène/ Métrich, René/ Vuillaume, Marcel (Hg.): SIGNANS und Signatum. Auf dem Weg zu einer semantischen Grammatik. Festschrift für Paul Valentin zum 60. Geburtstag. Tübingen: Narr, 121-129. 71 Frank, Helga (1994): Untersuchungen zur verbalen Zeit- und Handlungsstruktur im Russischen (am Beispiel der mit raz- präfigierten Verben). Regensburg: S. Roderer Verlag. Gante, Christiane (2012): Germanic *ga(-) revisited. In: Etymology and the European Lexicon. 14. Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft, 17-22 September 2012. Universität Kopenhagen Gladrow, Wolfgang (1998): Russisch im Spiegel des deutschen: eine Einführung in den russisch-deutschen und deutsch-russischen Sprachvergleich. Frankfurt am Main: Lang. Götti, Ernst (1974): Die gotischen Bewegungsverben: Ein Beitrag zur Erforschung des gotischen Wortschatzes mit einem Ausblick auf Wulfilas Übersetzungstechnik. Berlin: Walter de Gruyter Verlag. Grill, Reiner (2009): Zur Funktion des Präfixes ga- im Gotischen. Untersuchung anhand der Verbpaare saiƕan/gasaiƕan und hausjan/gahausjan mit einem Erklärungsvorschlag. Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller. Habermann, Johanna (1991): Untersuchung von Aktionsart und Aspekt der mit popräfigierten Verben im Russischen. Regensburg: S. Roderer Verlag. Hassler, Gerda/Neis, Cordula (2009): Lexikon sprachtheoretischer Grundbegriffe des 17. und 18. Jahrhunderts. Band 1. Berlin: Walter de Gruyter Verlag. Hempel, Heinrich (1980): Bedeutungslehre und allgemeine Sprachwissenschaft: sprachtheoret.-linguist. Arbeiten 1952-1973. Tübingen: Günter Narr Verlag. Hentschel, Elke/Vogel, Petra (2009): Deutsche Morphologie. Berlin: Walter de Gruyter Verlag. Herwig, Wolfram (2001): Die Gotem und ihre Geschichte. 2., durchgesehene Auflage. München: C.H. Beck. Herwig, Wolfram (2001): Die Goten: Von den Anfängen bis zur Mitte des sechsten Jahrhunderts. Entwurf einer historischen Etnographie. 4. Auflage. München: C.H. Beck. Heyne, Moritz/Wrede, Ferdinand (2012): Friedrich Stamms Ulfilas: Oder die uns erhaltenen Denkmäler der gotischen Sprache. Paderborn: Europäischer Geschichtsverlag. Heyne, Moritz/ Stamm, Friedrich(Hg.) (1865): Ulfilas oder die uns erhaltenen Denkmäler der gotischen Sprache. Text, Grammatik und Wörterbuch. 3. Auflage. Paderborn: Verlag von Ferdinand Schöningh. Josephson, Folke (1976): On the function of the Gpthic preverb ga-. In: Indogermanische Forschungen. Band 81. Berlin: Walter de Gruyter, 152-175. Kiklewicz, Aleksander (2005): Finitywny (teologiczny) model aspektualności: założenia teoretyczne. In: Prace Filologiczne. Band L. Warszawa: Wydawnictwo Wydziału Polonistyki Uniwersytetu Warszawskiego, 59-82. Kirschbaum, Ernst-Georg/Tauscher, Elisabeth (1968): Grammatik der russischen Sprache. 7., bearbeitete Auflage. Berlin: VEB Verlag. Kluge, Friedrich (1911): Die Elemente des Gotischen. Eine erste Einführung in die deutsche Sprachwissenschaft. In: Paul, Hermann(Hg.): Grundriss der germanischen Philologie. 3. Auflage. Strassburg: Karl J. Trübner Verlag. Kotin, Michail (1989): Wortbildung und Bedeutungsentwicklung (am Beispiel der diachronischen Untersuchung von Verben mit dem Präfix ge-). In: Breitung, Horst (Hg.) Das Wort. Germanistisches Jahrbuch 1988/89. Moskau, 18-24. Kotin, michail (1998): Die Herausbildung der grammatischen Kategorie des Genus verbi im Deutschen: eine historische Studie zu den Vorstufen und zur Entstehung des deutschen Passiv-Paradigmas. Hamburg: Helmut Buske Verlag. 72 Kotin, Michail (2000): Die Aspekttheorie in der linguistik und die „Aspekt-Empirie“ in germanischen Sprachen. In: Kątny, Andrzej (Hg.) Aspektualität in germanischen und slawischen Sprachen. Poznań: Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu im. A. Mickiewicza, 21-34. Kotin, Michail (2007): Sprache in statu movendi: Sprachentwicklung zwischen kontinuität und Wandel: Zweiter Band: Kategorie – Prädikation – Diskurs. Heidelberg: Universitätsverlag WINTER. Kotin, Michail (2012): Gotisch. Im (diachronischen und topologischen) Vergleich. Heidelberg: Universitätsverlag Winter. Krause, Wolfgang (1953): Handbuch des Gotischen. 1. Auflage. München: Beck. Kuroda, Susumu (2010): Inkorporation im Althochdeutschen. In: Ziegler, Arne (Hg.): Historische Textgrammatik und historische Syntax des Deutschen. Traditionen, Innovationen, Perspektiven. Berlin: Walter de Gruyter, 317-338. Kusmenko, Jurij (2011): Der samische Einfluss auf die skandinavischen Sprachen. 2., durchgesehene Ausgabe. Berlin: Nordeuropa-Institut. Lehmann, Winfred P. (1994): Gothic and the reconstruction of Proto-Germanic. In: The GERMANIC languages. Ed. by Ekkehard König and Johan van der Auwera. London: Routledge, 19-37. Leiss, Elisabeth (1992): Die Verbalkategorien des Deutschen. Ein Beitrag zur Theorie der sprachlichen Kategorisierung. Berlin: Walter de Gruyter. Leiss, Elisabeth (2000): Artikel und Aspekt: Die grammatischen Muster von Definitheit. Berlin: Walter de Gruyter. Leopold, Max (1907): Die Vorsilbe VER- und ihre Geschichte. Breslau: Georg Olms Verlag. Lloyd, Albert L. (1979): Anatomy of the verb. The Gothic verb as a model for a unified theory of aspect, actional types, and verbal velocity. Studies in Language Companion Series 4. Amsterdam: John Benjamins Publishing Company. Lühr, Rosemarie (2005): Der Einfluss der klassischen Sprachen auf die germanische Grammatik. In: Hackstein, Olav/Meiser, Gerhard: Sprachkontakt und Sprachwandel. Akten der XI. Fachtagung der Indogermanischen Gesellschaft. Wiesbaden, 341-362. Marache, Maurice (1960/61): Die gotischen verbalen ga-Komposita im Lichte einer neuen Kategorie der Aktionsart. In: Zeitschrift für deutsches Altertum. Band 90. 1-35. Marchand, Jamek W. (1970): Gotisch. In: Schmitt, Ludwig Erach (Hg.): Kurzer Grundriss der germanischen Philologie bis 1500. Band 1: Sprachgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter. Markowski, Andrzej (1999): Nowy Słownik Poprawnej Polszczyzny. Warszawa: Wydawnictwo Naukowe PWN. Martens, Heinrich (1863): Die verba perfecta in der nibelungendichtung. In: Kuhn, Adalbert (Hg.): Zeitschrift für vergleichende Forschung auf dem Gebiete des Deutschen, Griechischen und Lateinischen. Band 12. Berlin: Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung, 31-41 und 321-335. Maslov, Jurij S. (1985): An outline of contrastive aspectology. In: Contrastive STUDIES in verbal aspect in Russian, English, French and German. Heidelberg: Julius Groos, 144. Maslov, Jurij S. (1959): Glagol’nyj vid v sovremennom bolgarskom literaturnom jazyke (znacenie i upotreblenie). Voprosy grammatiki bolgarskogo literaturnogo jazyka. Moscow: Akademija nauk SSSR, 157-312. Mirowicz, Anatol (1935): Die Aspektfrage im Gotischen. In: Towarzystwo Przyjaciół Nauk w Wilnie: Wydział 1: Rozprawy i materiały. Wilno: Towarzystwo Przyjaciół Nauk. 73 Pollak, Hans (1967): Problematisches in der Lehre von Aktionsart und Aspekt. In: Zeitschrift für deutsches Philologie. Band 86. Heft 3. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 397-420. Pollak, Hans (1971): Über ga- beim gotischen Verb. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Band 93. Halle: Niemeyer Verlag, 1-28. Pollak, Hans (1974): Über gotische Verben mit doppeltem ga-. In: Beitrage zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur. Band 96. Halle: Niemeyer Verlag.1216. Raith, Josef (1951): Untersuchungen zum englichen Aspekt. Teil I: Grundsätzliches. Altenglisch. München: Max Hueber. Scardigli, Piergiuseppe (1973): Die Goten. Sprache und Kultur. München: C.H. Beck. Schemerényi, Oswald (1990): Einführung in die vergleichende Sprachwissenschaft. 4., durchgesehene Auflage. Darmstadt: WBG. Schlegel, Hans (2002): Bildung, Bedeutung und Gebrauch des russischen Verbalaspekts. Teil 1: Theoretusche Grundlagen (Lehrbuch). München: Otto Sagner Verlag. Schmitt, Ludwig(Hg.) (1970): Kurzer Grundriss der germanischen Philologie bis 1500. Band 1 Sprachgeschichte. Berlin: Walter de Gruyter Verlag. Schwerdt, Judith (2008): Morphosemantik der schwachen Verben im Ostgermanischen und Kontinentalgermanischen. Frankfurt am Main: Peter Lang Verlag. Speyer, Augustin (2007):Germanische Sprachen. Ein vergleichender Überblick. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Stiebels, Barbara (1996): Lexikalische Argumente und Adjunkte: zum semantischen Beitrag von verbalen Präfixen und Partikeln. Berlin: Akademie Verlag. Streitberg, Wilhelm (1889): Perfective und imperfective actionsart im germanischen. Teil I. Halle an der Saale: Druck von Ehrhardt Karras. Streitberg, Wilhelm (1910): Die gotische Bibel: Zweiter Teil: Gotisch-griechischdeutsches Wörterbuch. Heidelberg: Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung. Tobler, Ludwig (1865): Ueber die bedeutung des deutschen ge- vor verben. In: Kuhn, Adalbert (Hg.): Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung. Band 14. Berlin:Ferd. Dümmler’s Verlagsbuchhandlung, 108-138. Zeman, Sonja (2010): Tempus und „Mündlichkeit“ im mittelhochdeutschen: Zur interdependenz grammatischer Perspektivensetzung und „historischer Mündlichkeit“ im mittelhochdeutschen Tempussystem. Berlin: Walter de Gruyter. Internetquellen: Jagodziński Grzegorz: Gramatyka języka polskiego. Część pierwsza. Zugänglich unter: http://grzegorj.w.interia.pl/gram/pl/czasy00.html Köbler, Gerhard (1989): Gotisches Wörterbuch. 2. Auflage. Zugänglich unter: http://www.koeblergerhard.de/gotwbhin.html Ukyo, Sanae (1997): Das Präfix ga- im Gotischen. In: Philologia. Vol. 9. PDF zugänglich unter: http://miuse.mie-u.ac.jp/bitstream/10076/11146/3/10C12746.pdf Streitberg, Wilhelm (1910): Die gotische Bibel: Zweiter Teil: Gotisch-griechischdeutsches Wörterbuch. Zugänglich unter: http://www.wulfila.be/lib/streitberg/1910/text/html/ Wilhelm, Thomas: Deutsch: Grammatik und Wortarten. Zugänglich unter: http://books.google.pl/books?id=oXW4Es0R9hkC&printsec=frontcover&hl=pl#v=onep age&q&f=false 74 ……………………………………………….. nazwisko i imię ……………………………………………….. kierunek studiów Zielona Góra, dnia ……………………….. UNIWERSYTET ZIELONOGÓRSKI W ZIELONEJ GÓRZE OŚWIADCZENIE Świadoma(y) odpowiedzialności karnej oświadczam, że przedkładana praca dyplomowa/magisterska* …………………………………………………………………………………………. …………………………………………………………………………………………. została napisana przeze mnie samodzielnie i nie była wcześniej podstawą żadnej innej urzędowej procedury związanej z nadaniem dyplomu wyższej uczelni lub tytułów zawodowych. Jednocześnie oświadczam, że w/w praca nie narusza praw autorskich w rozumieniu ustawy z dnia 4 lutego 1994 r. o prawie autorskim i prawach pokrewnych innych osób (DZ.U. tj. z roku 2000 Nr 80 poz. 904) oraz dóbr osobistych chronionych prawem cywilnym. …………………………………….. podpis *niepotrzebne skreślić