Vom babylonischen Messer zum Sekundenlaser – Erfolgsgeschichte Katarakt-Operation 3.800 Jahre Graue-Star-Behandlungen: Eine OP schenkt Augenlicht BENSHEIM, Juli 2016. Schon 1.800 vor Christus gibt es die ersten Zeugnisse einer chirurgischen Behandlung bei der Augenkrankheit Grauer Star. Seither hat sich viel getan: Die Operationsmethoden sowie die Ergebnisse haben sich im Laufe der Jahrhunderte nachhaltig verbessert. Das hat vielen Menschen das verlorene Augenlicht zurückgeschenkt. Auch in Entwicklungsländern erhalten blinde Menschen heute Dank deutscher Spenderinnen und Spender durch eine kostenlose Operation eine Chance auf ein besseres Leben. Als Grauer Star (Katarakt) bezeichnet man die Eintrübung der Augenlinse: Erst sieht der Betroffene noch wie durch einen Schleier, der dann aber immer dichter wird – bis hin zum vollständigen Verlust des Sehvermögens. Weltweit ist Grauer Star die häufigste Ursache für Blindheit. Rund 20 Millionen Menschen sind daran erblindet, 90 Prozent von ihnen leben in Entwicklungsländern. Allerdings kann Grauer Star durch eine Operation geheilt werden. Erste Zeugnisse einer chirurgischen Behandlung gibt es bereits um das Jahr 1.800 vor Christus. In einer Gesetzessammlung des antiken Babylon heißt es: „Wenn ein Arzt mit dem Messer den ‘nakaptu’ (vermutlich die Hornhaut) öffnet und das Auge heilt, so soll er zehn Silberschekel erhalten.” Im Mittelalter waren sogenannte Starstecher populär. Sie reisten von Stadt zu Stadt und „heilten” Blinde, indem sie die Hornhaut mit einer Nadel durchstachen und die getrübte Linse in den Glaskörper des Auges drückten. Dadurch fiel wieder Licht ins Auge und sehr verschwommenes Sehen wurde möglich. Mit Löffel und Plexiglas Der erste moderne Graue-Star-Eingriff gelang dem französischen Augenarzt Jaques Daviel am 8. April 1745. Er entfernte zum ersten Mal die Linse ganz aus dem Auge. Die Überreste des Stars beseitigte er mit einem kleinen metallenen Hohlspatel, der auch heute noch unter dem Begriff Davielscher Löffel bekannt ist. Daviels Methode verbreitete sich langsam und galt seit Anfang des 19. Jahrhunderts als Standard. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts wurden mit der mikroinvasiven Chirurgie neue Operationstechniken entwickelt, bei der ein nur wenige Millimeter großer Schnitt einen schonenden Eingriff ermöglichte. Nicht nur bei der OP-Methode, sondern auch bei der eigentlichen Behandlung gab es große Entwicklungen. 1949 revolutionierte eine künstliche Linse aus Plexiglas die Augenchirurgie. Der britische Augenarzt Sir Harold Ridley setzte sie damals einer Grauen-Star-Patientin ein. Mit der Kunstlinse konnte die Patientin erstmals wieder scharf sehen. Bis diese Behandlungsmethode weltweit und vor allem auch in Entwicklungsländern umgesetzt wurde, vergingen aber noch viele Jahre. Stromausfälle im OP-Saal „In den 70er- und 80er-Jahren waren künstliche Linsen noch sehr teuer, deshalb haben wir sie nicht verwendet“, erzählt Dr. Allen Foster. Er war lange Jahre als Augenarzt der Christoffel-Blindenmission (CBM) im Einsatz und arbeitete unter anderem in der CBMgeförderten Klinik in Mvumi/Tansania, wo er tausende Menschen am Grauen Star operierte. Fosters erster Katarakt-Eingriff fand unter schwierigen Bedingungen statt: „Es konnte passieren, dass es plötzlich keinen Strom mehr gab, deshalb hatte eine OP-Schwester immer eine Taschenlampe dabei. Damit musste sie mir dann im Notfall leuchten.“ Stromausfall und kein fließendes Wasser – das kennt auch Dr. Albrecht Hennig. 1982, in seiner ersten Zeit als CBM-Arzt im Südosten Nepals, war Improvisieren angesagt. Mangels medizinischem Sterilisationsgerät wurde das OP-Besteck in Tücher gewickelt und im Schnellkochtopf auf dem Kerosinkocher entkeimt. Das Ergebnis waren ebenfalls keimfreie Instrumente, doch der Aufwand war deutlich höher als mit entsprechender Ausstattung. Mit Seidenfaden und Hightec-Laser In den Industrieländern dagegen wurden die Operationen bald immer professioneller: Seidengarn aus Deutschland wurde zum Beispiel als Nähmaterial bei den KataraktOperationen verwendet. Auch für die Arbeit von CBM-Augenarzt Hennig war dieses SpezialGarn ideal: „Es ließ sich sehr gut sterilisieren und wurde nach einer Weile vom Auge abgestoßen. Die Patienten brauchten also nicht mehr zum Fädenziehen zu kommen.“ Als Hennig in Nepal zu operieren begann, war es dort üblich, die getrübte Linse samt Kapsel zu entfernen und stark vergrößernde Starbrillen anzupassen. Doch wie in den Industrieländern wurde auch dort der Verbleib der Kapsel und das Einsetzen einer künstlichen Linse ins Auge schon bald zum Standard. Ab den 90er-Jahren gewann dann die Phako-Technik an Bedeutung. Dabei wird der getrübte Linsenkern mittels Ultraschall oder Laser zerkleinert, abgesaugt und schließlich durch eine künstliche Linse ersetzt. Bei der aktuell neuesten Methode bearbeiten die Ärzte Hornhaut und Linse mit einem Femto-Sekundenlaser, wobei die ultrakurzen Infrarot-Lichtimpulse einen minimalen und vor allem sehr schonenden Eingriff ermöglichen. Häufigste Operation weltweit Auch heute noch ist die Graue-Star-Operation der häufigste Eingriff weltweit. Sie dauert rund zehn Minuten und schenkt starblinden Menschen ihr Augenlicht zurück. Die CBM hat allein im Jahr 2015 über 460.000 Graue-Star-Operationen ermöglicht, das entspricht 1.260 Operationen pro Tag. Der Eingriff kostet in den CBM-geförderten-Projekten in Entwicklungsländern im Schnitt 30 Euro bei einem Erwachsenen – ein Betrag, den sich viele arme Menschen nicht leisten können. Deswegen ist die Operation in diesen Projekten auch dank der Unterstützung durch Spenderinnen und Spender aus Deutschland für arme Patienten kostenlos. Pressekontakt: Weitere Informationen und Bildmaterial über die Arbeit der Christoffel-Blindenmission unter www.cbm.de oder über Ulrike Loos, CBM-Pressereferentin, Tel: (0 62 51) 1 31-1 92, [email protected], [email protected]