Parmenides versus Heraklit In Elea (Unteritalien) entstand im 6. Jhdt. v. Chr. eine philosophische Schule, die nach ihrem Heimatort die Eleaten genannt werden. Ihre bedeutendsten Vertreter sind XENOPHANES, PARMENIDES und ZENON. Die für die Philosophiegeschichte folgenreichste Lehre ist die des PARMENIDES (um 540 bis 470 v.Chr.), die Lehre von der Einheit des Seins: Das Seiende zeichnet sich aus durch die Attribute „unentstanden“, „unvergänglich“, „unbeweglich“, „unveränderlich“. Parmenides lehrt: „Das Seiende ist; das Nicht-Seiende ist nicht.“ Dabei versteht er unter Seiendem alles, was den Raum erfüllt, d.h. die Möglichkeit des leeren Raumes, das dem Nicht-Seienden entspricht, wird geleugnet. Die Annahme einer Bewegung setzt immer Nichtseiendes voraus - denn damit sich ein Körper an einen betimmten Ort bewegen kann, muß vorher dort leerer Raum, also nichts gewesen sein. Ebenso verhält es sich mit der Annahme einer Entwicklung, also eines Werdens: Denn was erst werden soll, ist zuvor noch nicht! Hieraus folgt für Parmenides der kühne Schluss, dass es in Wahrheit weder Werden noch Bewegung geben kann, sondern nur unveränderlich beharrendes Sein. Da das Seiende alles erfüllt, gibt es auch kein dem Sein gegenüberstehendes Denken, vielmehr ist Denken und Seiendes eins. Die Sinne, die uns eine Welt ständigen Werdens und Vergehens vortäuschen, sind die Quelle allen Irrtums. Wahre Erkenntnis erlangt man, so Parmenides, nur durch die Vernunft, nicht durch die Sinne! Parmenides’ Schüler ZENON versucht, dessen Lehre durch eine Reihe von Argumentationen zu untermauern, die bereits in der Antike Berühmtheit erlangten. Er versucht zu zeigen, daß die Annahme von Bewegung, als Ortsveränderung in der Zeit, zu Widersprüchen führt: Zeit ist entweder eine Folge von getrennten Zeitpunkten oder ein unendliches Kontinuum. Ausgehend von einer Vorstellung von Zeit als Folge getrennter Zeitpunkte würde ein abgeschossener Pfeil, wenn man seinen Flug in einzelne Zeitpunkte zerlegt, in jedem der Punkte feststehen und sich somit auch insgesamt nicht bewegen. ("Der fliegende Pfeil ruht!") Nimmt man andererseits Zeit als ein unendliches Kontinuum an, so ergibt sich das Paradox, daß z.B. Achilles im Wettlauf mit einer Schildkröte, die einen Vorsprung hat, diese niemals überholen könnte. Denn wenn Achilles die Ausgangsposition der Schildkröte erreicht hat, so ist diese selber ja wieder ein Stück weitergekommen, so daß der Abstand zwischen beiden zwar kleiner wird, aber immer bestehen bleibt. Eine weitere Form dieses Paradoxons, die Dichotomie (griech.: "zweigeteilt"), besagt, dass Achilles gar nicht mit dem Lauf beginnen kann. Denn bevor er die erste Hälfte der Strecke zurücklegen kann, muss er die Hälfte zurücklegen, davor die Hälfte der Hälfte usw. Da aber dieses permanente Halbieren immer eine Reststrecke übriglässt, kann Achilles die gesamte Strecke gar nie bewältigen. Mit Zenons Beweisführung haben sich Generationen von Philosophen und Mathematikern auseinandergesetzt. Seine Paradoxien können mittlerweile folgendermaßen erklärt werden: Der logische Fehler im zweiten Argument besteht darin, dass Zenon die Laufzeit ebenso unendlich unterteilt wie die Strecke. Das dritte Paradoxon ist durch die moderne Analysis (Konvergenz der geometrischen Reihe ½ + ¼ + … gegen 1) auflösbar. Zur Pfeilparadoxie: In einer Momentaufnahme sind Bewegung und Ruhe nicht voneinander unterscheidbar, soweit hat Zenon Recht. Daraus folgt aber nicht, dass sich der Pfeil insgesamt nicht bewegt. "Ruhen" bedeutet, zu unterschiedlichen Zeiten an demselben Ort, "Bewegtsein" zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Orten zu sein. Es ist sehr zu bezweifeln, dass Zenon von der Logik seiner Argumente überzeugt war. Zumindest aber hatten seine Paradoxien für Parmenides eine große Bedeutung. Darüber hinaus haben Zenons Ansätze die Mathematik und die Quantenphysik inspiriert (Begründung der indirekten Beweismethode, Formulierung von Problemen aus der Infinitesimalrechnung, z.B. Unendlichkeit, Konvergenz, "Quanten-Zeno-Effekt"). Der große Gegenspieler von Parmenides wurde HERAKLIT von Ephesos (um 550 bis 480 v.Chr.). Er lehrt: „Alles fließt, nichts besteht!“ - „Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen.“ (Denn neue Wasser sind inzwischen herangeströmt, und auch wir selber sind beim zweitenmal schon andere geworden.) Heraklit betont also im Gegensatz zu Parmenides das ununterbrochene Werden und Vergehen, den ständigen Wandel! Dieses ewige Werden mündet für Heraklit in Gegensätzlichkeiten: Denn damit etwas werden kann, muss es zuvor anders, eben gegensätzlich gewesen sein. So gilt: Nichts ist vorstellbar ohne seinen Gegensatz : Leben und Tod, Schlafen und Wachen, Tag und Nacht. Jedes Ding bedarf zu seinem Sein seines Gegenteils. Die Welt befindet sich also im ständigen Austausch gegensätzlicher Bestimmungen: Das Kalte wird warm, das Warme wird kalt, das Feuchte trocken, das Dürre nass ... Dieses Umschlagen eines Dinges in sein Gegenteil jedoch zeigt, dass alle Dinge durch ihr gegensätzliches Verhalten miteinander zusammengefügt sind. Leben und Tod, Schlafen und Wachen, Tag und Nacht, Winter und Sommer, alle diese Gegensätze stehen in inniger Berührung miteinander. Daher gibt es eine Einheit der Gegensätze: „Alles ist eins.“ Aus dem Spannungsverhältnis der Gegensätze leitet sich alles Geschehen ab. Somit wird der Krieg zum Vater aller Dinge erklärt. Denn zu einem ewigen Frieden bedarf es dem Aufhören jeglicher Spannungen; das aber würde Stillstand und Tod bedeuten. Das Denken in aufeinander bezogenen Polaritäten und Gegensätzen hat auch eine psychologische Seite: Der Mensch wäre nicht zufrieden, wenn er ans Ziel aller seiner Wünsche gelänge. Denn es ist die Krankheit, die die Gesundheit angenehm macht, genauso wie am Hunger die Sattheit, an der Arbeit die Ruhe in Erscheinung tritt (Einheit der Gegensätze). Als Symbol für diese ständigen Verwandlungen verwendet Heraklit das Feuer und nennt damit genauso wie einige Philosophen vor ihm (Thales, Anaximander, Anaximenes) einen Urstoff, aus dem der Kosmos entsteht und in den er wieder zurückkehrt. Das philosophische Konzept Heraklits erinnert inhaltlich an die chinesische Yin-Yang-Lehre. Methodisch stellen sowohl Zenons Paradoxien wie auch Heraklits Philosophie die ersten Modelle der Dialektik ("Kunst der Unterredung"; widersprüchliche Meinungen werden verknüpft, um so zu einer Aussage mit höherem Wahrheitsgehalt zu kommen) dar, die später bei HEGEL wiederaufersteht. Mit der eleatischen Philosophie löst sich das Denken von der konkreten Erfahrung.