NAPOLEONs Herrschaft der Hundert Tage 1815

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NAPOLEONs Herrschaft der Hundert Tage 1815
Nach der Katastrophe der « Großen Armee » in Rußland schlossen die Gegner
Frankreichs – Preußen, Österreich, Rußland, England und Schweden – erneut ein Bündnis
gegen Napoleon. Ziel war es die alten Besitzstände wieder herzustellen, in Frankreich sollte
aber nicht eingedrungen werden. Doch, weil Napoleon keinen Friedensvertrag
unterzeichnen wollte, wurde er in Frankreich angegriffen. Am 31. März 1814 zogen der Zar
und der König von Preußen in Paris ein. Am 2. April, rief der Senat die Absetzung des
Kaisers aus, nachdem er ihn immer unterstützt hatte. Am 6. April dankte Napoleon ab. Er
behielt nur die Herrschaft über die kleine Mittelmeerinsel Elba.
Die Monarchen der verbündeten Länder schlossen Frieden mit dem neuen, von
ihnen eingesetzten König von Frankreich, Ludwig den XVIII Die Grenzen von 1792 wurden
anerkannt. Frankreich wurde nicht besetzt und mußte auch keine Reparationen zahlen.
Diese erste Herrschaft Ludwig des XVIII war schwierig. Die Kassen des Staates
waren leer, sodaß die Royalisten ihre demagogischen Versprechungen nicht einhalten
konnten. Am 4. Juni akzeptierte Ludwig der XVIII eine konstitutionnelle Charte, in der
einige Grundsätze der Revolution beibehalten wurden. Doch das Ergebnis war eine
konstitutionnelle Monarchie mit einer sehr starken Exekutive, d.h. einem mächtigen
König. Die einflußreichen Persönlichkeiten, der Industrie und des Handels vor allem,
unterstützten diese Entwicklung, wegen ihren materiellen Interessen, sie fühlten sich
geschützter, als während der napoleonischen Kriege. Ferner ließ der König traditionnelle
Züge des Ancien Regims wiederaufleben, um die harten Royalisten zu befriedigen. Sein
Verhalten löste Unzufriedenheit aus, man wollte nicht die Errungenschaften der Revolution
verlieren. Am aktivsten waren die napoleonischen Kreise, die an Einfluß gewannen. Die
Regierung war unbeliebt. Außerdem waren die Soldaten empört, weil die Größe der
Armee vom König reduziert worden war.
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Als Napoleon auf Elba von der Unzufriedenheit im französichen Volk und von
einer Auseinandersetzung zwischen seinen ehemaligen Gegnern hörte, landete er
überraschend am 1. März 1815 mit 1000 Soldaten in Südfrankreich im Juan Golf. Rasch
fand er Anhänger. In den Schlagzeilen der französischen Presse spiegelte sich die Wandlung
wider, die sich in der öffentlichen Einstellung gegenüber Napoleon vollzog, je näher er an
die Hauptstadt heranrückte :
26. Februar : “Der Korse ist von der Insel Elba abgereist”.
2. März : “Bonaparte ist bei Cannes gelandet”.
4. März : “Der General Bonaparte hat sich der Stadt Grenoble bemächtigt”.
11. März : “Napoleon ist in Lyon eingezogen”.
18. März : “Der Kaiser wurde in Auxerre von den Behörden feierlich
empfangen”.
2O. März : “Seine kaiserliche Majestät wird heute […] von den Spitzen des
Staates und seinem Hof in den Tuilerien erwartet”.
Napoleon besaß eine große Legitimität, die auf der völkstümlichen Unterstützung
beruhte, die er auf seiner ganzen “Rückreise” genießen konnte. Seine Rückkehr war
trotzdem riskiert, denn die dirigierende Schicht unterstützte ihn nicht. Es war das kleine
Volk, das hinter ihm war und ihn als Held betrachtete. Die Soldaten waren voller
Begeisterung, sie gehorchten ab sofort nicht mehr dem König, sie wollten ihren Kaiser
wieder haben. Viele Handwerker bewarben bei der Armee, um Napoleon dienen zu können.
Ludwig der XVIII flüchtete nach Gand in Belgien.
Napoleons größte Sorge war einen neuen Krieg zu verhindern. Die
ausländischen Mächte informierte er von seinen friedlichen Absichten. Er sagte, daß er von
einem großen Reich für Frankreich nicht mehr träume, er hätte aus seinen Fehlern gelernt.
Die Aliierten wollten nichts hören. Sie schwuren Napoleons Macht ein Ende zu machen. Sie
fürchteten, daß er Europa wieder in Blut und Feuer warf. Am 25. März 1815 erklärten sie
Frankreich den Krieg. Diese neue Koalition konnte sich unter anderem auf die preußischen
und britischen Truppen stützen, die im Königreich Niederlande stationniert waren. Ferner
waren die russischen und österreichischen Armeen bereit schnellsten einzugreifen.
Diese Drohung, wartete Napoleon nicht ab, er stellte eine neue Armee auf. Von
beiden Seiten wurde ein neuer Krieg vorbereitet.
In Paris formte Napoleon eine neue Regierung, in der er überwiegend seine alten
Minister, seine treusten Gefährten, aufnahm. Die Beamten wurden von den Bourbonen
kaum ausgewechselt, so daß die meisten mit Eifer für Napoleon wieder arbeiteten, die
anderen wurden entlassen.
Seitdem er zurück in Frankreich war, hatte Napoleon keine Gelegenheit verfehlt
seine Anhänglichkeit an die französische Revolution in Erinnerung zu bringen, vor allem,
was die Souveränität des Volkes anging. In diesen späten März-Tagen wurde Napoleon
immer noch sehr von der volkstümmlichen Begeisterung getragen. Doch er war auf eine
Unterstützung der dirigierenden Schicht aus. Sein Regime gestaltete er daher mehr liberal
als demokratisch. Sein Kaiserreich wollte er durch Reformen modernisieren. Dies führte er
mit der Hilfe von Benjamin Constant durch, der sehr hart Napoleons Rückkehr kritisiert
hatte, der aber angenehm überrascht war, als er feststellte, daß Napoleon Frankreich die
Freiheit geben wolte. Frankreich sollte ein konstitutionnelles Regime bekommen,
Kontinuität mit dem Kaiserreich sollte es auch geben. Zwei Kammern waren vorgesehen :
die “Chambre des Pairs” und die “Chambre des Représentants”. Die Exekutive sollte dem
Kaiser anvertraut werden. Nur die dirigierende Schicht sollte das Recht haben, die
Deputierten zu wählen. Die Verfassung von 1815 hatte also revolutionäre Prinzipien, schien
aber auch ein bürgerliches Regime zu verkörpern. Daher war die breite Masse, die Napoleon
unterstützte und das allgemeine Wahlrecht erhofft hatte, enttäuscht. Ferner hat sich die
dirigierende Schicht ihm nicht genähert, wie er es erwartet hatte. Ein Referendum bezüglich
der Verfassung wurde organisiert. Sehr viele Franzosen enthielten sich der Stimme. Es war
kein Erfolg, auch wenn die überwiegende Mehrheit mit « Ja » stimmte. Die Begeisterung
der März-Tage schient an Stärke verloren zu haben.
Der volkstümmliche Elan fand sich jetzt bei den “Fédérés-Gruppen” wieder, die
sich im April/Mai zusammengestellt hatten. Sie forderten Waffen, um gegen die Feinde der
Revolution kämpfen zu können, im Inland wie im Ausland. Sie sangen die “Marseillaise”,
schrien Priester und Adlige nieder. Napoleon wurde als “Mann der Nation”, als “Verteidiger
der Patrie” angesehen. Doch der Kaiser gab ihnen keine Waffen. Die dirigierende Schicht
fürchtete sich vor diesen Wiederaufleben des Jakobinertums. Die Drohungen gegenüber der
Kirche und des Adels waren oft heftiger als 1793. Dies erklärt sich durch das Verharren der
monarchistischen Partei, die Ludwig den XVIII treu geblieben war.
Die Monarchisten machten sich, vor allem im Nord-Westen, im Westen und im
Süden, durch Aktionen gegen die herrschende Ordnung, bemerkbar. Die Plakate von
Napoleon wurden abgerissen und durh solche von Ludwig den XVIII ersetzt, oft wehte die
weiße Fahne, Symbol der Monarchie. Außerdem wurden die Soldaten Napoleons
angegriffen. Am 15. Mai 1815, mit Hilfe von den Engländern, brach ein monarchistischer
Aufstand in der Vendée sowie in einem Teil der Bretagne aus, so daß Napoleon dorthin eine
Armee schicken mußte.
Trotzdem fand am 1. Juni 1815 die “Assemblée du Champ de Mai” statt, d.h. die
ersten Anfänge der neuen Verfassung. Die Deputierten wählten als Präsident der Kammer
nicht Lucien Bonaparte, wie Napoleon es wollte, sondern Lanjuinais, der sehr lange gegen
das Kaiserreich gekämpft hatte. Das war eine Warnung für Napoleon. Am 7. Juni fand die
erste parlamentarische Sitzung statt.
Schon ein paar Tage später, mitte Juni, waren die französischen Truppen
kampfbereit. Napoleon verfügte über eine Armee von 500 000 Mann. Viele waren im Osten
und um Paris stationniert, weitere Einheiten waren um Lyon, 25 000 Soldaten befanden sich
im Elsaß, um die Rheingrenze zu verteidigen. Der Kaiser kommandierte selbst die
Nordarmee, bestehend aus 125 000 Soldaten und 370 Geschützen (pièces d’artillerie). Am
12. Juni marschierten sie los.
Napoleon wählte eine offensive Strategie aus. Er wollte der englischen und der
preußischen Armee zuvorkommen, die in den Niederlande stationniert waren, um ihre
Konzentration zu verhindern. Der Kaiser wollte die eine nach der anderen besiegen. Die
englisch-holländische Armee, von Wellington kommandiert, zählte 124 000 Mann und die
preußische, unter den Befehlen Blüchers, bestand aus 94 000 Soldaten. Das Kräfteverhältnis
war sehr verschieden, doch Napoleon erhoffte sich trotz dessen einen raschen Sieg.
Am 15. Juni überquerte die französische Armee die Sambre, bei Charleroi und
überrumpelte Büchers Armee. Napoleon wollte verhindern, daß der preußische General ihn
auf der linken Seite angreift. Einige Mißhelligkeite verhinderten, daß die Franzosen
vollkommen von der Situation profitierten. Die Armee war etwas desorganisiert, aber
Napoleon hatte ein großes Vertrauen in sie.
Am nächsten Tag, dem 16. Juni, besiegten die Franzosen wieder Blücher in Ligny.
Doch der Feind war schnell davongelaufen, wollte nicht kämpfen, weil er die englische
Hilfe von Wellington erwartete. Die Verfolgung fand nicht gleich statt. Erst am 17. Juni
befahl Napoleon dem Marschall Grouchy die preußische Armee zu verfolgen. Diese
Entscheidung war die Ursache des kommenden Dramas : die französische Armee wurde in
zwei geteilt und wurde dadurch verwundbarer. Ferner wurde eine rasche Verbindung
unmöglich. Napoleon wollte mit dem restlichen Teil der Armee, d.h. 75 000 Soldaten,
gegen die englischen Armee kämpfen.
Die Schlacht fand am 18. Juni, bei Waterloo statt, in der Nähe von Brüssel. Die
Wolkenbrüche der Nacht hatten den Boden aufgeweicht, so daß Napoleon das Ende des
Vormittags abwarten mußte, um anzugreifen. Die englische Armee hatte auf einer
Hochebene Stellung eingenommen, auf dem “Mont Saint-Jean”. Napoleon rief Grouchy um
Hilfe, die Nachricht erreichte diesen aber zu spät. Die Engländer verfolgten einem Plan, sie
sollten die französische Armee zurückhalten und auf das Kommen Blüchers warten. Die
Kämpfe waren sehr heftig, doch keine der beiden Armeen gewann die Oberhand. Die
Franzosen waren sehr gewalttätig, sie konnten gegen ihren Feind von immer kämpfen : die
Engländer. Ferner wollten sie, daß Napoleon besiege, weil sie die Rückkehr der Bourbonen
verhindern wollten. Noch nie war die Begeisterung der kaiserlichen Armee so groß
gewesen.
Die französischen Offiziere wollten den “Mont Saint-Jean” angreifen, aber
Napoleon hatte Angst, er befürchtete, daß die preußische Armee jederzeit eintreffen könnte,
bevor Grouchy ihm zur Hilfe kommen könnte. Die Armee Grouchys hörte den Lärm der
Schlacht, die Soldaten wollten Napoleon sofort Hilfe leisten, der Marschall wollte sich nicht
bewegen und auf die Armee Wellingtons warten, wie Napoleon es ihm befohlen hatte.
Wellington hatte aber nur so getan, als ob er an der Schlacht bei Waterloo nicht teilnehmen
würde, wie Grouchy. Der Franzose hatte einen großen Fehler begangen, der die Geschichte
hätte verändern können.
Die französiche Armee griff doch die englischen Positionen an. Mit viel Mühe und
hohen Verlusten, schaffte sie es in die englischen Positionen einzudringen. Doch sie hörte
gleich auf als sie sah, daß die preußische Armee auf ihrer rechten Seite vorstieß. Die
zahlmäßige Überlegenheit der Anglo-preußen war jetzt so stark, daß eine Niederlage
Napoleons nicht zu verhindern war. Die französische Armee war von Blücher und der
restlichen Armee Wellingtons umkreist. Es blieb nur noch die persönliche Garde Napleons,
die nach einem tapferen und mutigen Kampf zurücktreten mußte. Einige Soldaten der Garde
kämpften bis in die Nacht : “La Garde meurt, mais ne se rend pas”. Schließlich war die
Armee Napoleons umzingelt. Dies bedeutete das Ende Napoleons Traums.
Dennoch wollte Napoleon nicht auf die Macht verzichten. Er repatriierte den Rest
der Armee nach Paris, wo noch andere Truppen zu Verfügung standen. Aber Fouché, der
Polizeiminister, der seit dem 19. Juni über die Niederlage informiert war, überzeugte mit
großer Geschicklichheit die Minister und Deputierten, daß Napoleon die Macht verlassen
sollte. Bei Napoleons Rückkehr stimmten die Deputierten für einen Mißtrauensantrag gegen
Napoleon. Obwohl ihn ein Teil der Pariser Bevölkerung stark unterstützte, wollte Napoleon
nicht gegen die Versammlung kämpfen.
Am 22. Juni unterzeichnete er seine Abdankung. Zur selben Zeit ernannten die
Deputierten eine “Regierungskomission” mit fünf Mitgliedern und Fouché als Präsident.
Die Versammlung beschleunigte Napoleons Sturz. Er installierte sich in Malmaison, bei
Paris, wo er immer noch hoffte, daß die Franzosen ihn zurückrufen würden. Am 29. Juni
erfuhr er, daß Blücher in Paris angekommen war. Frankreich führte nämlich immer noch
Krieg. Napoleon schlug vor, die Kämpfe wieder zu leiten, aber die Regierung weigerte sich.
Am 3. Juli kapitulierte Frankreich und am 8. kehrte Ludwig der XVIII nach Paris zurück.
Um den Preußen nicht in die Hände zu fallen – der Dichter Heinrich von Kleist
hatte früher gechrieben : « Schlagt ihn tot, das Weltgericht fragt euch nach den Gründen
nicht » - floh Napoleon zu den Engländern, und weigerte sich weiter zu kämpfen, obwohl
einige seiner Anhänger ihn darum gebeten hatten. Er hoffte von England aus in die
Vereinigten Staaten fliehen zu können, aber von den Engländern wurde er auf die Insel St
Helena im südlichen Atlantik verbannt. Dort kam er, mit einigen Anhängern, am 16.
Oktober 1815 an. Sein Exil dauerte fünf und halb Jahre, bis er 1821 starb oder von den
Engländern vergiftet wurde, wie einige Historiker meinen.
Die Franzosen überführten seine Gebeine 1840 nach Paris und bestatteten sie
feierlich im Invalidendom.
Ausblick : Europa nach der Herrschaft Napoleons : Der Wiener Kongreß brachte
die Restauration der alten Mächte. Man sagte : “Der Kongreß tanzt, aber er kommt nicht
vorwärts”. In der Tat blickten die Verantwortlichen mehr nach rückwärts und strebten die
Wiederherstellung der Zustände vor der Revolution an, d.h. eine Restauration. Um einem
revolutionären Umbruch vorzubeugen, sollten die Monarchien auf der Grundlage des
Gottesgnadentums wieder gesichert werden. Darin waren sich die Herrscher mit Metternich
einig.
Man wollte keine Rache an Frankreich nehmen ; das hatte dessen Vertreter
Talleyrand durch geschickte Diplomatie erreicht. In Europa entstand ein Gleichgewicht der
Mächte, in dem neben den Siegern England, Rußland, Österreich und Preußen auch
Frankreich eine wichtige Rolle spielte. Künftig sollte kein Staat mehr eine Vorherrshaft in
Europa ausüben ; der Frieden wurde vielmehr auf das Gleichgewicht der fünf Großmächte
aufgebaut. Man schwor die internationale Verständigung. Die europäische Neuordnung des
Wiener Kongresses hatte den Verdienst Europa, von Ausnahmen abgesehen, ein ganzes
Jahrhundert Frieden gebracht zu haben.
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