Sitzung 5 Al-Kindī Biographisches: Ca. 800-870 (3 Jh.n.H.) Stammt aus einer priviligierten Familie, arbeitete später selber am Hof. Wurde “als Philosoph der Araber” bezeichnet Breites Oevre: Philosophie, Mathematik, Optik, Astronomie, Alchemie, Musik, Medizin Vor al-Kindī bedeutet falsafa das Studium der Außenwelt: Metereologie, Pharmakologie, Kindīs anfängliches Interesse galt daher Euklid (Elemente=Arithmetik, Geometrie; Optik, möglich auch Einflüsse zu seiner Musiktheorie). In Euklid findet er eine Methode zur Nachforschung der kosmischen Harmonie. Also lässt er Werke von Euklid, Ptolomäus 1, Galen und Aristoteles übersetzen. Durch Aristoteles dann Interesse an Theologie, was ihn zum Neuplatonismus führt. Danach falsafa allgemein mit Metaphysik verbunden. Für Kindi ist Metaphysik (=Theologie2) die “erste Philosophie” (falsafat al-ūlā). Unterscheidung zwischen einer ersten und der allgemeinen falsafa wird notwendig Gott außerhalb der Kategorien zu stellen. Also Unterscheidung zwischen dem absoluten Sein und dem vergänglichen/veränderlichen Sein. Dies führt später zur Emanationslehre. Al-Kindī, Falsafat al-ūlā, übers. Anna Akasoy, Freiburg (2011) I. Einleitung 59 f.: al-Kindī beginnt damit, dass er die Philosophie als die höchste aller Wissenschaften bezeichnet, insofern es die Wissenschaft ist, die nach Wahrheit strebt. Alles, was am Sein (annīya) ist, hat auch Wahrheit. Dieses wird jetzt erstmal einfach postuliert, ohne begründet zu werden. Dann: “Daher existiert die Wahrheit notwendigerweise wegen der existierenden annīyas”. Die Wahrheit wird also mit dem Sein in Verbindung gebracht, ohne über die Beziehung zwischen Wahrheit und Sein zu reflektieren. Der Punkt scheint für ihn 1 General und Freund von Alex, baut die Bibliothek (Ptolomäeusdynastie in Ägypten dauert 300 Jahre). Alex Schüler von Aristo. Aristo lehrt die Überlegenheit von Wissen als die einzige Möglichkeit Dauerhaftigkeit zu schaffen: Priorität ist die Bildung der Jugend. Alexandria als Symbol von diesem Traum, womöglich auch der eigentliche Versuch Alex sein Reich vor dem Untergang zu sichern. So bezeichnet auch bei Ibn Sīnā ilahiyat Metaphysik. Kindis “Theologie des Aristoteles” womöglich Plotins Enneaden IV-VI. 2 axiomatisch zu sein. Daraus folgt für ihn: Wenn man die Wahrheit über ein Ding herausfinden will, so muss man sich dessen ʿilla (Ursache) vergegenwärtigen. Kennt man die Ursache, kennt man also auch die Wirkung? (Kausalität wird in diesem Stadium noch nicht erörtert.) Die höchste Wissenschaft ist deshalb die erste Philosophie, die sich mit dem Problem der ersten Ursache, also der ersten Wahrheit beschäftigt. (61) 65-71: Hier versucht al-Kindī die Legitimität des Philosophierens herauszuarbeiten. In erster Linie geht es ihm dabei darum zu sagen, dass es legitim ist von fremden Kulturen zu lernen, wie es die griechische ist. II. Zweiter Abschnitt In diesem Kapitel bereitet al-Kindī seinen Gottesbeweis vor. Er hebt mit einem erkenntnistheoretischen Passus an, in welcher er darlegt, dass es grundsätzlich zwei Arten der Erkenntnis gibt. Die sinnliche und die intellektuelle. Bemerkenswert ist, dass er meint, die Sinneswahrnehmung sei der Natur fern, aber dem Menschen unmittelbar. Hingegen die intellektuelle Anschauung sei der Natur nah aber dem Menschen fern. (Dies bleibt für mich eine dunkle Aussage) Hiernach geht er auf die Methodik. Wenn man etwas verstehen wolle, so müsse man immer zu den Ursachen gehen. Man müsse wissen, was lebendig, was vernünftig heißt, damit man versteht, was Mensch ist. Jetzt folgt wieder ein interessanter Passus, wo er darlegt, dass die Mathematik sich nicht mit der Natur beschäftigt, weil sie auf demonstrative Beweise (burhan) aus ist. In der Natur aber seien alle Dinge in Bewegung begriffen, weshalb man hier keine mathematischen Wahrheiten ableiten könne. Die Physik (ilm at-tabiʿīyāt) sei die Wissenschaft, die sich mit den Wandlungen des Körpers beschäftige. Hingegen die Metaphysik (=Mathematik) beschäftige sich mit dem unbeweglichen, daher unwandelbaren, ewigen. Denn über der Natur gebe es keine Bewegung. Hiernach verwendet er Mühe, um zu beweisen, dass die Körper und folglich die Welt nicht ewig sein kann. Er schließt mit Argumenten bezüglich der Zeit ab. Zeit sei etwas, dass an der Bewegung abgemessen werde. Zeit und Körper sind sozusagen “zeitgleich”. Wenn aber das Ewige unbeweglich ist, wie kommt dann Bewegung zustande? III. Dritter Abschnitt (bis 143) Jetzt geht es zu zeigen, dass die Welt au seiner externen Ursache verursacht wurde und dass diese Ursache nicht Vieles sein kann, sondern nur Eines. Bevor er diesen Gedanken präsentiert, gibt al-Kindī die Modi an, in denen von Einheit und Vielheit die Rede ist. Er geht hier die fünf Universalien durch und zeigt in welchem Sinne sie sich von aneinander unterscheiden und wo sie gleich sind: Einheit und Vielheit. Ergebnis: Was die vergängliche Welt anbelangt, so kann man weder von einer absoluten Einheit noch von einer absoluten Vielheit reden. Sondern immer nur Beziehungsweise. Die erste Ursache aber ist absolut Eines und gerade dadurch nicht in den Kategorien zu verorten. Das Hauptargument ist: Etwas kann nicht die Ursache seiner eigenen Essenz sein. Nur etwas, dass nicht in die Beziehungen der Kategorien eingetragen warden kann, kann die erste Ursache sein, insofern sie keinen Anfang hat. Folgen muss nun die Erklärung wie aus der absoluten Einheit, die ja nicht Bewegung sein darf, Vielheit folgt, die Bewegung ist. IV. 145 – 183. al-Kindī analysiert weiterhin die Modi, in denen von der Eins geredet werden kann. Zunächst stellt er fest, dass die Eins keine Zahl sein kann, aber die Zahlen begründet. Das eigentliche Problem jedoch bleibt am Ende der Untersuchung unberührt: Nämlich die Frage wie aus dem Einen, der unbeweglich ist, Vielheit entstehen kann. Im letzten Absatz spricht er auch tatsächlich von Gott, wie aus der Wortwahl ersichtlich. Und dann genügt es ihm hier schlicht darauf zu verweisen, dass er die Welt erschaffen hat. Wichtig ist hier allein anzumerken, dass er die Attribute Gottes ablehnt. (Philosophie: Bezüglich der Frage was mit dem aktiven und passiven Intellekt bei Aristoteles gemeint ist unterscheidet er “drei Stufen der geistigen Erkenntnis in den einzelnen Seelen” A Der potentielle Intellekt: Das Vermögen des Menschen zu denken und Wissen zu erwerben B Der erworbene Intellekt: Bereits erworbenes Wissen, dass aber nicht aktuell angewendet wird C Der sichtbare Intellekt: Das erworbene Wissen wird auch aktualiter Verwendet und nach außen “manifestiert” Verhältnis von Philosophie und Religion: “Ihr Kennzeichen bestand darin, dass er die philosophische Erkenntnis und das Wissen, das sich aus der Offenbarung ableitet, noch nicht auf eine gemeinsame epistemologische Basis stellte, sondern unvermittelt nebeneinander stehen ließ bzw. in Konfliktfällen der Religion den Vorrang gab.” Rudolph, 21. Philosophen kommen nur schrittweise der Wahrheit näher, während Propheten ein vollkommenes und ewiges Wissen zuteil wird.)