klasswestlparadigma4.9.16

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Das klassische westliche biowissenschaftliche Paradigma ist nicht das einzige
Paradigma, das effektive Heilungsmöglichkeiten für Patienten bietet
Romano Minwegen
Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren und Regulationsmedizin, Juni 2006, 47.
Jahrgang, S. 402-406
Einleitung
Die moderne westliche Medizin geht üblicherweise davon aus, dass Heileinwirkungen
wissenschaftlich bewiesen sein müssen. Dabei wird „wissenschaftlich bestätigt“ zum
Teil so verstanden, dass es aus Begriffen eines materialistischen Weltbildes herleitbar
sein muss. Im Folgenden versuche ich aufzuzeigen, dass der wissenschaftliche Weg
sehr effizient, aber nicht auf ein materialistisches Weltbild begrenzt ist. Denn andere
Heilansätze wie Homöopathie oder Akupunktur sind nicht materialistisch erklärbar,
können aber durchaus effektive Heilmethoden bereitstellen. Daher sollten auch
Methoden wie Schamanische Medizin oder Geistheilung wissenschaftlich überprüft
werden; sie können nicht a priori als uneffektiv gekennzeichnet werden.
Wenn ein Mittel im Doppel-Blind-Experiment als wirksam erwiesen wird, kann man
davon ausgehen, dass dieses Mittel auch tatsächlich wirkt. Dabei ist zu bemerken,
dass dieser Ansatz dazu geführt hat, dass die Beschränktheit der klassischen
westlichen Medizin mit ihrem naturwissenschaftlichen Ansatz aufgewiesen wurde: In
einer Metaanalyse, die von P.SCHUCK u.a. (1) als „methodisch sehr gut aufbereitet“
bezeichnet wird, haben K. LINDE u.a. (2) nachgewiesen, dass „die Ergebnisse ihrer
Untersuchung nicht mit der Hypothese vereinbar sind, dass die klinischen Effekte von
Homöopathie gänzlich auf den Placeboeffekt zurückzuführen sind“. Mit anderen
Worten: Sie haben wissenschaftlich korrekt nachgewiesen, dass die Homöopathie
eine nachweisbare Wirkung entfaltet. Da aber die homöopathischen
Wirkungsmechanismen mit der klassischen Naturwissenschaft nicht erklärbar sind,
folgt daraus, dass das klassische westliche Naturbild zwar in seinem Bereich sehr
effizient, aber eben nicht wissenschaftlich allerklärend ist. Dasselbe gilt für die
Akupunktur. Schon seit einiger Zeit ist Akupunktur in den USA als eine wirksame
Heilmethode anerkannt, und nunmehr beginnt man auch in Deutschland, diese
medizinische Vorgehensweise als zumindest in Teilbereichen effizient anzuerkennen
(3). Wiederum kann hier der Wirkungsmechanismus nicht mittele der traditionellen
westlichen Wissenschaften erklärt werden.
Es gibt also zumindest noch zwei weitere Erklärungsmodelle, die Wirkungen
vorhersagbar beschreiben, nämlich die Homöopathie und die Akupunktur. Also kann
es durchaus noch weitere Erklärungssysteme wie z.B. die Lehre des „chi“ in der
chinesischen Medizin geben, die ebenfalls wirken. Dieses Ergebnis, dass das
klassisch-westliche Naturbeschreibungsmodell nicht allumfassend ist, entspricht
übrigens den Erkenntnissen der Wissenschaftsphilosophie:: So hielt schon K.LORENZ
in seiner evolutionären Erkenntnistheorie fest, dass die Denkmodelle z.B. der Biologie
letztlich nur Hypothesen, nicht aber letztbegründende, allumfassende Wahrheiten
darstellen. Ähnlich K. POPPER, der die These aufstellte, dass wissenschaftliche
Theorien nicht verifiziert, sondern nur falsifiziert werden können. Auch die neuere
Wissenschaftstheorie ist dieser Ansicht, von Extrempostionen wie der von P.
FEYERABEND, dass jegliche Theorie anderer Kulturen dieselbe Berechtigung hat wie
die naturwissenschaftlich-westlichen Hypothesen, schon ganz abgesehen. Daraus
folgt, dass ein Methodenpluralismus durchaus hilfreich sein kann. Auch die
schamanische Medizin ist im Erfolgsfall sinnvoll: Es kommt nicht darauf an, warum
ein bestimmtes Vorgehen dem Kranken hilft, wenn es denn hilft, sondern dass es
ihm hilft.
Dieses Ergebnis muss allerdings in das Westliche rationale Denken integriert werden;
und es kann auch in dessen Denkmuster integriert werden. Um zu verstehen, wie
inkommensurable Ergebnisse alle wissenschaftlich akzeptiert werden können, muss
man sich näher mit den Ergebnissen der modernen Logikforschung beschäftigen.
Ich werde im Folgenden versuchen, aufzuzeigen, dass aus den Gesetzen der Logik,
wie sie bisher in der westlichen Philosophie behandelt wurden, folgt, dass es eine
einheitliche Ordnung gar nicht geben kann, dass Widersprüche und damit
unvermittelt nebeneinander stehende Teile unvermeidlich sind. Dieses Ergebnis
scheint fundamental der aristotelischen Logik zu widersprechen, die ja postuliert: „Ist
es nun unmöglich, etwas in Wahrheit zugleich zu bejahen und zu verneinen, so ist es
ebenfalls unmöglich, dass das Konträre demselben zugleich zukomme. So viel nun
darüber, dass der Satz“ kontradiktorische Aussagen können nicht zugleich wahr sein“
der sicherste unter allen ist“ (4). Aber das Resultat, dass in der menschlichen
Existenz Widersprüchliches zugleich wahr sein kann, ist außer vielleicht für Logiker
durchaus intuitiv glaubwürdig: In allen Wissenschaften treten Widersprüche auf. Dies
beginnt schon in der Theologie mit dem Gottesbegriff („Drei in Einem“). Die
heutzutage vorhandenen Rechtsysteme kennen Widersprüche, die nicht nur eine
Konsequenz der auf das Recht anwendbaren deontischen Logik darstellen, sondern
die auch dann bestehen bleiben, wenn man das Rechtssystem als soziologische
Struktur betrachtet. Man nehme zum Beispiel das deutsche Grundgesetz: Hier
werden grundsätzliche Rechte des Individuums, wie die Religionsfreiheit und das
Recht, nicht getötet zu werden, festgehalten. Diese beiden angeführten Rechte
gelten beide; und man kann nicht behaupten, dass eines wichtiger sei als das
andere. Nun betrachten wir aber einmal den Fall eines gläubigen Muslims: Er muss –
religiös motiviert – den Befehlen einer Fathwa folgen, sogar wenn diese Fathwa die
Tötung eines Menschen anordnet, wie dies bei SALMAN RUSHDIE der FAll war. Aber
das Lebensrecht des SALMAN RUSHDIE zwingt die deutsche Demokratie, das
religiöse Recht der Muslime zurückzustellen und SALMAN RUSHDIEs Leben zu
schützen. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine logische Konsequenz aus
den deutschen Gesetzen, insbesondere des Grundgesetzes: Die beiden
fundamentalen Rechte stehen sich vielmehr unvereinbar gegenüber. Dass nur eines
der beiden Rechte erfüllt werden kann, stellt eine Konsequenz aus der
widersprüchlichen Natur des Rechts dar. Oder noch deutlicher: Das
Bundesverfassungsgericht, das aus zwei Kammern besteht, hat je nach
entscheidungsberufener Kammer unterschiedlich geurteilt, ob das Konzept des
„wrongful life“ eines Kindes, das hätte abgetrieben werden können, legal ist oder
nicht. Hier liegt ein direkter Widerspruch in den Entscheidungen der beiden Kammern
des Bundesverfassungsgerichts vor; und beide widersprüchlichen Entscheidungen
sind gültig: Hier haben wir ein Paradoxon im Rechtssystem. Es gibt noch viele
weitere solcher Fälle. Dass es sich bei diesem Ergebnis nicht um eine Konsequenz
eines fehlgeleiteten historischen Rechtssystems handelt, sondern um eine logisch
notwendige Konsequenz, wird weiter unten erwiesen werden. Die Psychologie hält
zumindest seit FREUD fest, dass der Mensch von widerstreitenden Impulsen gelenkt
werden kann, dass er zugleich konträre Ansichten haben kann, die für ihn aber beide
wahr sind. Ausdrücke wie „Hassliebe“ o.ä. lassen sich eben nicht als sprachbedingte
Ungereimtheiten ausschalten, sondern sie stellen die Wirklichkeit dar, die eben nicht
nur aristotelisch-eindimensional, sondern vielschichtig ist. Als Beispiele für
Widersprüche in den Naturwissenschaften verweise ich auf das Einstein-PodolskiParadoxon, in der Biologie auf den Lebensbegriff, oder seinerzeit BOHRs Atommodell
(5).
Seit den Zeiten von Aristoteles hat die logische Wissenschaft große Fortschritte
gemacht und hat inzwischen das Niveau erreicht, das es ihr ermöglicht, festzustellen,
dass eine logisch-konsequente Herleitung ohne Brüche nicht möglich ist. Nach dem
Versuch, Teile der Mathematik nur mittels grundlegender Axiome und logischer
Ableitungen zu konstruieren, erkannte K. GÖDEL in seinem Unvollständigkeitssatz (6,
7), dass in einer allgemeinen Prädikatenlogik nicht alle Sätze, die wahr sind,
beweisbar sind, wenn man die grundlegenden Axiome so wählt, dass bei der
Ableitung der als wahr erkannten Sätze keine Widersprüche auftreten. Dabei muss
das logische System umfangreich genug sein, um die Ableitung der Arithmetik zu
ermöglichen. Dann gilt aber auch umgekehrt, dass man, wenn man genug Axiome
wählt, um alle wahren Sätze ableiten zu können, unvermeidlich Widersprüche im
System haben wird. Das logische System ist also entweder zu kurz gefasst –
wesentliche wahre Sätze können nicht abgeleitete werden – oder es enthält
Widersprüche. In der bekannten Fassung des GÖDELschen Satzes wird offensichtlich,
dass die Logik nicht ausreicht, um die Welt zu beschreiben: Wenn schon wesentliche
Sätze der Arithmetik nicht ableitbar sind, dann gilt dies umso mehr für die Welt. In
dieser ersten Interpretation folgt somit aus dem GÖDELschen Satz, dass eine
widerspruchsfreie aristotelische Logik nicht geeignet ist, die Welt zu erfassen, zu
axiomatisieren. Wenn man aber mehr Axiome wählt, um diesem Manko zu entgehen,
treten unvermeidlich Widersprüche auf. Dann kann man zwar die ganze Arithmetik
beschreiben, und bei geeigneter Wahl der Axiome vielleicht auch die ganze Welt,
aber dafür muss man dann die oben angeführte aristotelische Aussage über die
Unmöglichkeit von je wahren Widersprüchen fallen lassen. Das bedeutet aber, dass
dann die Vorstellung, die gesamte Welt lasse sich widerspruchsfrei in Gesetzen
fassen, fallen gelassen werden muss: Entweder gibt es gesetzesfreie Räume (=
wahre Sätze, die nicht ableitbar sind) oder Widersprüche. Da aber nach
ARISTOTELES gilt, ex falso quodlibet, kann es also kein voneinander ableitbares
historisch geschlossenes System geben: Wenn es unterschiedliche Teilordnungen
nebeneinander gibt, könne diese Teilordnungen keine gemeinsame Basis haben, die
sie erklärt. Andererseits ist die Anerkennung „gesetzesfreier“ Räume für die
materialistisch-deterministischen Theorien ebenso unerträglich.
Es gibt allerdings zumindest das in sich geschlossene System der Prädikatenlogik
erster Stufe, in der jede in dem System wahre Aussage auch abgeleitet werden kann.
Es gilt aber, dass die so hervorgehobene Prädikatenlogik erster Stufe so beschränkt
ist, das sie nicht einmal Selbstreferenz ermöglicht, also Aussagen in der so
formalisierten Sprache über diese Sprache selbst. Es ist aber ein Fundament der
(normalen) Sprache, dass sie Aussagen über sich selbst ermöglicht. Wenn man aber
die Prädikatenlogik erster Stufe um die Möglichkeit erweitert, über sich selbst auch
nur in elementarer Weise zu sprechen, dann wird sie entweder unvollständig: Es gibt
dann wahre Aussagen in ihr, die nicht ableitbar sind – oder sie wird widersprüchlich,
wenn weiterhin alle Aussagen ableitbar bleiben sollen. Das ist eine Folge des
TARSKI-Theorems (8), von dem der GÖDELsche Satz (9) einen Unterfall bildet.
Dasselbe Ergebnis kann auch durch ein anderes Paradoxon bewiesen werden. Es
handelt sich hierbei um das sogenannte CURRY-Paradoxon (10). Alle Modallogiken,
Relevanzlogiken, multivalente Logiken und andere Logiktypen, die auch nur eine
Selbstreferenz mittels ihrer Ausdrucksmöglichkeiten ableiten können, unterliegen
ebenfalls diesem Paradoxon. Dieses Paradoxon führt aber in den Logiken, in denen
es anwendbar ist, dazu, dass die betrachtete Logik trivial wird, was heißt, dass in ihr
jede Behauptung und auch ihr Gegenteil ableitbar sind (11).
Im folgenden wird eine intuitive Form des CURRY-Paradoxon dargestellt (12).
Man betrachte z.B. die folgenden drei Sätze, die als „die Liste“ bezeichnet werden
sollen:
a) 2x2=4
b) „Wenn der zweite Satz der Liste wahr ist, dann ist jeder Satz wahr.“
c) 2x2=5
Kann man nun beweisen, dass die Sätze a) und c) beide wahr sind, obwohl sie sich
widersprechen?
Nehmen wir einmal an, dass der Antezedenz von Satz b) „der Liste“ wahr ist. (Denn
wenn er falsch wäre, folgte aus „ ex falso quodlibet“, dass die Aussage „Jeder Satz ist
wahr“, wahr ist. Dann gälte, dass sowohl Satz a) als auch Satz c) wahr sind.)
Dann gilt:
„Der zweite Satz der Liste ist wahr.“
ist wahr. Wenn man dieses Ergebnis in (2) einsetzt, ergibt sich wegen des Inhalts
des Antezedenz des zweiten Satzes, dass
„Wenn der zweite Satz der Liste wahr ist, dann ist jeder Satz wahr.“
wahr ist. Wenn man nun den Modus Ponens (13) auf die beiden obigen Sätze
anwendet, ergibt sich, dass
„Jeder Satz ist Wahr.“
wahr ist. Also folgern wir durch Konditionalbeweis, dass
„Wenn der zweite Satz der Liste wahr ist, dann ist jeder Satz wahr.“
wahr ist. Denn für die Wenn-Dann-Beziehung ( den Konditional) genügt es, dass die
Konklusion (hier: „Jeder Satz ist wahr.“) wahr ist, um die ganze Wenn-DannBeziehung wahr werden zu lassen. Durch Substitution unter Bezug auf den Inhalt des
zweiten Halbsatzes des Satzes b) folgt, dass
„Der zweite Satz der Liste ist wahr.“
wahr ist. Wenn man nun den Modus Ponens auf die beiden vorhergehenden Sätze
anwendet, folgt, dass
„Jeder Satz ist wahr.“
wahr ist. Demnach sind sowohl Satz a) als auch Satz c) wahr, obwohl beide Sätze
nicht miteinander vereinbar sind.
Nun wurden bestimmte Logiken wie die Modallogiken und die Relevanzlogiken
entwickelt, um gewisse Paradoxa der extensionalen Logik wie das Paradoxon des
Konditionals zu vermeiden. Diese Logiken berücksichtigen stärker die Bedeutung des
Gesagten. Sie sind dennoch nicht widerspruchsfrei. Wenn man die Bedeutung
miteinbezieht, wird deutlich, dass so grundlegende Gebiete wie das rechtliche System
oder die Semantik nicht in der Prädikatenlogik erster Stufe beschreiben werden
können; sie setzen vielmehr höherstufige Prädikatenlogiken voraus. Dies kann man
am System „Recht“ gut darstellen:
Man betrachte z.B. die juristischen Sätze, die Töten oder Diebstahl unter Strafe
stellen. Wenn man die Tat, jemanden zu töten, als F(x), und jemanden zu bestehlen,
als G(y) bezeichnet, sieht man, dass sowohl F(x) als auch G(y) eine unendliche
Vielzahl von Varianten enthalten. Zum einen ist die Anzahl der Töter oder der Diebe
potenziell unendlich groß. Gleichzeitig können auch die Arten des Tötens oder des
Diebstahls ( also die Fälle F1(x), F2(x), F3(x), G1(y), G2(y),) usw.) unendlich
variieren. So gilt allein nach deutschen Recht, dass man einen anderen ermorden
kann, man kann ihn ohne Mordmerkmale töten, man kann ihn auf sein Verlangen hin
töten, usw. Ebenso gibt es für den Diebstahl eine potenziell unendliche
Variationsbreite. Daher benötigt man zur Formalisierung dieser Tatbestände eine
doppelte Quantifizierung der Funktion, die aber nur in einer Prädikatenlogik
zumindest zweiter Ordnung beschreibbar ist. Solche Prädikatenlogiken bilden aber
nicht mehr ein einheitliches, geschlossenes System: In ihnen sind nicht mehr alle
Sätze ohne Widersprüche ableitbar, wenn sie wahr sind. Sie sind nicht mehr autonom
in dem Sinne, wie es die Prädikatenlogik erster Stufe noch ist. So hat als ein Beispiel
FREGE in seinem Versuch, die Sprache zu formalisieren, aus seiner Sicht
„Schiffbruch“ erlitten, als er in einem System der Logik höherer Stufe zu einem
Widerspruch kam (14). Dieses Ergebnis von FREGE stellt aber gerade nicht einen
Fehler seines spezifisch gewählten Systems dar, sondern eine allgemeine Eigenschaft
der Logik: Nur Systeme, die so ausdrucksschwach sind, dass in ihnen das ganze
Gegebene, die Welt, nicht erfaßbar sind, können ohne Widersprüche auskommen.
Die oben dargestellte Analyse der Logik würde wahrscheinlich von den so genannten
Dialetheisten akzeptiert (15). Diese Wissenschaftler nehmen allerdings an, dass es
empirisch nur einige wenige Paradoxa gibt und dass die meisten Phänomene logisch
korrekt ableitbar sind. Außerdem gehen sie davon aus, dass die Phänomene auf einer
höheren Ebene erkennbar bzw. ohne Widersprüche ableitbar sind. Dieses Ergebnis
der Dialetheisten wurde aber von BEALL als falsch erwiesen (16). Später widerlegten
auch BROMAND (17) und SHAPIRO (18) diese Behauptung der Dialetheisten. Der
Dialetheismus ermöglicht nämlich die logische Herleitung von jedem Ergebnis, somit
auch von jeder Behauptung und ihrer Negation.
Die Logik stellt also nur ein unterstützendes Mittel bei der Lösung konkreter Fragen
dar, auch wenn sie dabei sehr effektiv ist. Sie kann nicht die Totalität, das Ganze,
ableiten. Vielmehr wird eine Logik., die versucht , alles zu erklären, trivial, was
bedeutet, dass in ihr jedes beliebige Ergebnis abgeleitete werden kann.
Die westliche Logik stellt also nicht das wichtigste Denkgesetz dar, sondern eher eine
westliche Entwicklung, die zu einer höheren Manipulationsfähigkeit ihres Anwenders
in der Welt führt, hierin allerdings auch nicht einfach ignoriert werden kann.
Die moderne Logik führt zu der Erkenntnis, dass wahre Gegensätze (ko-)existieren.
Wie kann dann aber noch Rationalität definiert werden, wenn sie nicht mehr durch
eine logische Kohärenz beschrieben werden kann?
Der große Vorzug der westlichen wissenschaftlichen Medizin zeigt sich denn auch
nicht dann, wenn Alternativmethoden oder auch die klassische Medizin wirken. Er
zeigt sich dann, wenn ein erster heilerischer Impuls scheitert. Denn dann ist die
wissenschaftliche Medizin durch ihre Methode, angebliches Wissen kritisch zu
hinterfragen und durch Aufstellen von neuen Kausalzusammenhängen neuartige
Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, den anderen Therapierichtungen weit
überlegen. Es ist nicht der weltanschauliche Ansatz – hier materiell, womöglich
zellpathologisch orientierte klassische Medizin, dort „mystische“ Heilpraktiken der
Alternativmedizin -, der den Unterschied zwischen den verschiedenen Heilkünsten
ausmacht, sondern das Umgehen mit neu auftretenden Schwierigkeiten. Die
einerseits systematisch-experimentelle Erprobung neuer Behandlungsmethoden
(auch zunächst nur innerhalb eines gegebenen Weltbildes) und andererseits die
Existenz von nur tradierten Vorgehensweisen führen letztlich zum größeren Erfolg
der wissenschaftlichen Medizin, die sich schneller auf neue Situationen einstellen
kann als althergebrachte Heilweisen. Dabei folgt allerdings aus dem o.a. Nachweis
der Effektivität der Homöopathie, dass ein stures Beharren auf nur einem
weltanschaulichen Weltmodell zum Scheitern verurteilt ist. Denn wenn man Patienten
nachweislich mit homöopathischen u.a. Methoden helfen kann, tut man ihnen
Unrecht, wenn man diese Methoden nicht anwendet. Andererseits erweisen die
neuen Akupunkturstudien in Deutschland (19), dass es bei bestimmten Indikationen
nicht entscheidend ist, ob man genau den traditionellen chinesischen Vorgaben folgt:
Denn auch die sog. Sham-Akupunktur, die Akupunktur an nicht von der chinesischen
Überlieferung vorgegebenen Punkten, die also der chinesischen Tradition nach nicht
wirksam sein sollte, kann teilweise ebenfalls heilen. Dieses Ergebnis konnte aber nur
in der westlichen rationalen Tradition erzielt werden, da diese in der Lage ist, auch
ihre eigenen Voraussetzungen zu hinterfragen. Dieses Vorgehen ist sogar
wissenschaftlich im wahren Sinn des Begriffs „wissenschaftlich“, das auf eine
vorurteilslose Untersuchung und systematisch-empirische Erforschung – in der
medizinischen Wissenschaft: der Heilungsmöglichkeiten des Kranken – ausgelegt ist.
Nur muss man im jeweiligen Bezugsrahmen wissenschaftlich weiterdenken und –
forschen, um die Vorzüge der modernen wissenschaftlichen Weltsicht zu bewahren.
Literatur
1. Schuck, P., H. Müller, K.L. Resch: „Doppelblindstudien“ und komplexe Therapien, Deutsches
Ärzteblatt, 98 (2001) C 1555 ff.
2. Linde, K., N. Clausius, G. Ramirez, D. Melchart, F. Eitel, L.V. Hedges, W.B. Jonas: Are the clinical
effects of homeopathy placebo effects? A meta-analysis of placebo-controlled trials. Lancet 350 (1997)
834 ff.
3. Melchart D., Streng A., Hoppe S., Jürgens W., Weidenhammer W., Linde K.: Akupunktur bei
chronischen Schmerzen, Deutsches Ärzteblatt v. 27.01.2006, S. C 159 ff.. C.M. Witt, B. Brinkhaus, S.
Jena, D. Selim, C. Straub, S.N. Willich: Wirksamkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit der Akupunktur,
Deutsches Ärzteblatt vom 27.01.2006, S. C 167ff.
4. Aristoteles: Metaphysik, ed. Bonitz/Wellmann, 1994 IV 6.
5. Beispiele von Priest, zitiert bei Bremer M., Wahre Widersprüche. Eine Einführung in die
parakonsistente Logik, 1998.
6. Gödel K.: Über formal unentscheidbare Sätze der Principia Mathematica und verwandter Systeme I.
Monatshefte für Mathematik und Physik 38 (1931) 173-198.
7. Zu weiteren Beweisen des Gödelschen Unvollständigkeitssatzes, vgl. z.B. R.M. Smullyan, Gödel´s
incompleteness Theorems, 1992.
8. Zum Tarski-Theorem, vgl. z.B. Stegmüller, W., Varga von Kibed, M.: Strukturtypen der Logik, 1984.
9. Gödel, K., vgl. FN 6.
10. Curry, H.B.: The inconsistency of certain formal logics, Journal of Symbolic Logic 7 (1942), p. 115
ff.
11. Vgl, Stanford Encyclopedia of Philosophy, “Curry´s paradox”,
http://www.plato.stanford.edu/entries/curry-paradox: Beall J.C.: A priestly recipe for explosive Curry,
Journal of logical studies, 2001, No. 7.
12. Vgl. Curry´s Paradox, in Stanford Encyclopedia of Philosophy, FN 11.
13 Ableitungsregel, die folgenden Inhalt hat: 1. Wenn A, dann B. 2. Nun A. Konsequenz 3. Also B.
14. Frege G.: Grundgesetze der Arithmetik, 1893-1903.
15. Vgl. z.B. die Werke von Graham Priest.
16. Beall, J.,C., vgl. FN 11.
17 Bromand, J.: Why paraconsistent logic can only tell half the truth. Mind 2002 (111). Vol. 444, p.
741 ff.
18. Shapiro, S.: Incompleteness and inconsistency. Mind 2002 (111), Vol. 444, p. 817 ff.
19. Vgl. FN 3.
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