Neue Substanzen in der medikamentösen Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms - was ist Standard nach Leitlinie für wen, welche Therapiesequenz, was bringt die Zukunft? Prof. Dr. med. Thomas Seufferlein Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Innere Medizin I Über viele Jahre war die Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms (mPDAC) von einem Chemotherapeutikum dominiert, Gemcitabin. Die Substanz wurde eigentlich wegen einer Verbesserung eines neu entwickelten Lebensqualitätsscores, Clinical Benefit Response genannt, der u.a. den Gewichtsverlauf und den Schmerzmittelbedarf unter der Chemotherapie erfasste, zugelassen. Mit Gemcitabin werden mediane Überlebenszeiten von etwa 6 Monaten erzielt. Auf Grund seiner im Allgemeinen guten Verträglichkeit ist Gemcitabin nach wie vor ein Standard in der Therapie des metastasierten Pankreaskarzinoms. Dies ist auch im Update der S3 Leitlinie so festgehalten. Es dauerte Jahre bis erstmals durch eine Kombination von Gemcitabin mit einer weiteren Substanz, dem Tyrosinkinaseinhibitor Erlotinib, ein Überlebensvorteil im Vergleich zur Monotherapie erzielt werden konnte. In der Gesamtpopulation lag der Vorteil im Überleben nur bei wenigen Tagen. Eine -nicht vorab geplante- Subgruppenanalyse zeigte, dass Patienten, die mit einer Hautreaktion auf die Gabe von Erlotinib reagieren, von der Therapie profitieren, dann sogar mit medianen Überlebenszeiten von über 10 Monaten. Patienten, die keine Hautreaktion innerhalb von 8 Wochen nach Beginn einer Erlotinibtherapie zeigen, sollten daher die Erlotinibtherapie nicht weiter erhalten (Moore et al., 2007). Diese Empfehlung ist im Update der S3 Leitlinie Pankreaskarzinom enthalten. Furore machte vor 2 Jahren die Mitteilung, dass durch eine Gemcitabin-freie Chemotherapie bestehend aus 5-FU, Oxaliplatin und Irinotecan („FOLFIRINOX“), das Überleben der Patienten mit mPDAC im Vergleich zu Gemcitabin signifikant verbessert werden kann (HR 0,57, CI 0,45-0,73). Erstmals wurde ein medianes Überleben von 11,1 Monaten mit einer Chemotherapiekombination beim mPDAC erreicht (Conroy et al., 2011). Damit konnte ein neuer Standard für die Therapie des mPDAC etabliert und das Dogma, dass PDACs grundsätzlich Chemotherapie-refraktär sind, widerlegt werden. 1 Allerdings ist diese Therapie deutlich toxischer als Gemcitabin. Insbesondere Grad III/IV Hämatotoxizität, Diarrhoe und Neurotoxizität dieses Protokolls sind höher, es traten bei 5,4% der mit FOLFIRINOX behandelten Patienten febrile Neutropenien auf. 42% der Patienten in der Studie erhielten G-CSF (Conroy et al., 2011). Eingeschlossen wurden nur Patienten < 75 Jahre mit einem ECOG von 0-1 und einem Bilirubin ≤ 1,5 ULN. Diese „Conroy“-Kriterien (nach dem Erstautor der Studie) gelten dann auch für die Auswahl der Patienten für eine derartige Therapie. Allerdings verbessert trotz der Toxizität FOLFIRINOX im Vergleich zu Gemcitabin die Lebensqualität von Patienten mit mPDAC (Gourgou-Bourgade et al., 2013). Als man auf Grund der FOLFIRINOX-Daten schon zu glauben begann, dass man in den vergangenen Jahren die falschen (Gemcitabin-haltigen) Chemotherapiekombinationen untersucht hatte, wurden die Daten der MPACT Studie vorgestellt. Hier wurde Paclitaxel, das als Lösungsvermittler an Albumin-Nanopartikel einer mittleren Größe von ungefähr 130 Nanometer gebunden ist, mit Gemcitabin kombiniert. Diese Kombination verbesserte in einer multinationalen Phase III Studie das mediane Überleben der Patienten im Vergleich zu Gemcitabin von 6,7 auf 8,5 Monate (HR 0,72; CI 0,617-0,835; Von Hoff et al., 2013). Die Toxizität war höher als bei Gemcitabin, es traten mehr Grad 3/4 Hämatotoxizität (38% vs. 27%), Fatigue (17% vs. 7%) und Neuropathie (17% vs. <1%) auf. Bei 3% der Patienten im Kombinationsarm wurde eine febrile Neutropenie beobachtet und 26% der Patienten im Kombinationsarm erhielten Wachstumsfaktoren. Einschlusskriterium für die Studie war ein Bilirubinwert ≤ ULN, ein Kriterium das sicher nur für einige Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom zutrifft. Bemerkenswert ist, dass etwa 40% der Patienten in beiden Studienarmen einen Karnofsky Performance-Status von nur 70-80% hatten, was prognostisch eher ungünstig ist. Erste Subgruppenanalysen zeigen, dass offenbar gerade diese Patienten von der Kombinationstherapie profitieren. Auf Grund dieser Daten erscheint die Kombination aus nab-Paclitaxel und Gemcitabin als interessante neue Therapieoption für das metastasierte Pankreaskarzinom. Modifikationen von Gemcitabin zeigen bisher keine besseren Ergebnisse. Elaidinsäuremodifiziertes Gemcitabin (CO-101) sollte den ansonsten erforderlichen Transport von Gemcitabin über Nukleosidtransporter überflüssig machen und damit eine bessere Wirkung bei Tumoren erzielen, die einen bestimmten Transporter, hENT1, nur gering 2 exprimieren. In einer randomisierten Phase II Studie war CO-101 aber konventionellem Gemcitabin nicht überlegen. Auch bei Patienten mit niedriger hENT1 Expression im Tumor zeigte die Substanz keine bessere Wirkung (Poplin et al., 2013). Etliche Patienten mit mPDAC sind bei Progress unter einer Erstlinientherapie noch in einem so guten Allgemeinzustand, dass eine Zweitlinientherapie möglich und auch von diesen Patienten oft gewünscht ist. In der Zweitlinientherapie nach Gemcitabin hat sich 5-FU/Oxaliplatin etabliert. Nach FOLFIRINOX-Gabe zeigt Gemcitabin als Zweitlinientherapie gute Ergebnisse mit einem medianen Überleben von 4,4 Monaten ab Beginn der Zweitlinientherapie. In der MPACT Studie erhielten etwa 40% eine Zweitlinientherapie, davon wiederum etwa 40% eine Fluoropyrimidin-basierte Therapie. Zusammenfassend wird die Therapie des mPDACs besser, aber auch intensiver. Die intensiveren Therapien erfordern Therapieanpassungen und neue Strategien, die nicht mehr nur „Therapie bis zum Progress“ lauten. Auf Grund seines günstigeren Toxizitätsprofils ist nab-Pacitaxel/Gemcitabin ein interessanter Partner für weitere Kombinationen, z.B. mit Targeted Therapies, die bislang beim mPDAC die in sie gesetzten hohen Erwartungen nicht erfüllt haben. 3 Literatur: Conroy T, Desseigne F, Ychou M, Bouché O, Guimbaud R, Bécouarn Y, Adenis A, Raoul JL, Gourgou-Bourgade S, de la Fouchardière C, Bennouna J, Bachet JB, Khemissa-Akouz F, Péré-Vergé D, Delbaldo C, Assenat E, Chauffert B, Michel P, Montoto-Grillot C, Ducreux M; Groupe Tumeurs Digestives of Unicancer; PRODIGE Intergroup. FOLFIRINOX versus gemcitabine for metastatic pancreatic cancer.N Engl J Med. 2011;364:1817-25. Gourgou-Bourgade S, Bascoul-Mollevi C, Desseigne F, Ychou M, Bouché O, Guimbaud R, Bécouarn Y, Adenis A, Raoul JL, Boige V, Bérille J, Conroy T. Impact of FOLFIRINOX compared with gemcitabine on quality of life in patients with metastatic pancreatic cancer: results from the PRODIGE 4/ACCORD 11 randomized trial. J Clin Oncol. 2013; 31:23-9 Moore MJ, Goldstein D, Hamm J, Figer A, Hecht JR, Gallinger S, Au HJ, Murawa P, Walde D, Wolff RA, Campos D, Lim R, Ding K, Clark G, Voskoglou-Nomikos T, Ptasynski M, Parulekar W; National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group. Erlotinib plus gemcitabine compared with gemcitabine alone in patients with advanced pancreatic cancer: a phase III trial of the National Cancer Institute of Canada Clinical Trials Group.J Clin Oncol. 2007;25:1960-6. Poplin E. et al. Randomized multicenter, phase II study of CO-101 versus gemcitabine in patients with metastatic pancreatic ductal adenocarcinoma (mPDAC) and a prospective evaluation of the of the association between tumor hENT1 expression and clinical outcome with gemcitabine treatment. J Clin Oncol 2013; 31, (suppl; abstr 4007^) Von Hoff D. et al., Results of a randomized phase III trial (MPACT) of weekly nabpaclitaxel plus gemcitabine versus gemcitabine alone for patients with metastatic adenocarcinoma of the pancreas with PET and CA19-9 correlates J Clin Oncol 2013; 31, (suppl; abstr 4005^) 4