V A R I A Unternehmen Gemcitabin und Pemetrexed Studien zu Mesotheliom und Bronchialkarzinom Etwa 75 Prozent aller Bronchialkarzinome zählen nicht zum nichtkleinzelligen Typ (Non Small Cell Lung Cancer = NSCLC). Bei lokal begrenzter Erkrankung steht die Chirurgie im Vordergrund. Hierdurch werden Heilungsraten von 30 bis 70 Prozent erreicht. Die lokal fortgeschrittenen Stadien (Stadium II und IIIa) sind Domäne von Bestrahlung und Chemotherapie. In fünf bis 20 Prozent dieser Fälle lassen sich Langzeitremissionen erreichen. Die größte Patientengruppe jedoch ist die mit disseminierter Erkrankung (Stadium IIIb und IV), die heute nicht geheilt werden kann. In diesen Fällen betrage die mittlere Überlebenszeit sechs bis neun Monate, sagte Prof. Martin Wolf (Marburg) in Berlin. Aktuelle klinische Studien belegen Überlebensvorteile durch das Zytostatikum Gemcitabin (Gemzar®) in kombinierter Anwendung mit Cisplatin. Diese Kombination hat sich als Standard zur Behandlung des fortgeschrittenen NSCLC europaweit durchgesetzt. So konnte die mittlere Überlebenszeit im Vergleich zum herkömmlichen MIC-Schema (Mitomycin, Ifosfamid, Cisplatin) von 6,9 auf 10,2 Monate verlängert und die Einjahresüberlebensrate von 28 auf 38 Prozent angehoben werden. Anstelle von Cisplatin wird immer häufiger das besser verträgliche, aber ebenso wirksame Carboplatin als Kombinationspartner für Gemcitabin eingesetzt. Die Kombination erfüllt die Anforderungen an eine moderne Chemotherapie des NSCLC am besten: effektive Palliation, niedrige Patientenbelastung, Erhaltung einer möglichst hohen Lebensqualität, Verlän- A 2640 gerung der Überlebenszeit. Man ist bestrebt, die Platinverbindungen in den Therapieschemata durch andere weniger toxische Substanzen zu ersetzen. Zurzeit wird das neue Multitarget-Antifolat Pemetrexed in Kombination mit Gemcitabin geprüft. Phase-II- und -III-Studien haben gezeigt, dass Pemetrexed neben NSCLC gegen verschiedene Tumoren einsetzbar sein wird, unter anderem bei Mesotheliom („Asbesttumor“), Mamma- und Kolonkarzinom. In Deutschland wird pro Jahr bei etwa 600 Personen ein Pleuramesotheliom als Berufskrankheit nach Asbestexposition anerkannt. Zurzeit ist mit jährlich rund 1 000 Neuerkrankungen zu rechnen. In naher Zukunft wird sich diese Zahl deutlich erhöhen, der Gipfel wird um das Jahr 2017 erwartet. Das Pleuramesotheliom kann die Lunge regelrecht „einmauern“, was zu Atembeschwerden führt. Der Tumor infiltriert die Thoraxorgane und kann auch Fernmetastasen absiedeln. Die Prognose ist schlecht. Die mittlere Überlebenszeit für die Patienten liege zwischen vier und 18 Monate, erklärte Dr. Michael Krismann (Bochum). Lebensverlängernde Wirkung der Kombinationstherapie Das therapeutische Vorgehen beim Mesotheliom hängt vom Tumorstadium ab. Im Frühstadium werden Pleura und Lunge der befallenen Seite operativ komplett entfernt; darauf folgt eine adjuvante Bestrahlung. Durch dieses Vorgehen kann eine Heilung erreicht werden. In fortgeschrittenen Stadien kann nur noch palliativ behandelt werden. Hier ist die Operation nur Bestandteil eines multimodalen Konzeptes, zu dem auch Bestrahlung und Chemotherapie zählen. In Phase-I-Studien mit Pleuramesotheliom-Patienten zeig- Erfahrungen mit Botulinumtoxin bei hyperaktiver Blase Botulinumtoxin A kann bei therapierefraktären Fällen von Sphinkter-Spastizität und hyperaktiver Blase in einem relativ hohen Prozentsatz (60 Prozent) hilfreich sein. Ursächlich ist dabei neben der muskelrelaxierenden Wirkung – über die Hemmung der Acetylcholin-Ausschüttung an den Synapsen – wohl der antinozizeptive Effekt auf das exzitierte afferente Nervensystem, wie beim diesjährigen Kongress der amerikanischen Urologen deutlich wurde. Prof. Michael Chancellor (Pittsburgh) hat Erfahrungen bei 75 Patienten gesammelt. In 22 Fällen war die hyperaktive Blase auch mit drei Medika- menten nicht zufriedenstellend zu therapieren. Um die Inkontinenz zu beheben, hat der Neuro-Urologe – entsprechend der Ausprägung der Symptome – 100 bis 300 Einheiten Botulinumtoxin unter Sedierung über ein Zystoskop an 20 bis 40 Punkten in die Blasenwand (Detrusor) eingebracht. Bei 53 Fällen mit Sphinkter-Spastizität (Dyssynergie von externem Sphinkter und Detrusor) infolge von Rückenmarkstraumen oder einer multiplen Sklerose genügte die Injektion von 100 Einheiten an drei bis vier Punkten des externen Sphinkters. Der Effekt ist nach etwa fünf bis sieben Tagen voll ausgeprägt – bei Sphinkter-In- te die Kombination aus Pemetrexed und Cisplatin eine viel versprechende Aktivität. In einer weiteren klinischen Studie konnte die lebensverlängernde Wirkung der Kombination bestätigt werden, berichtete Prof. Christian Manegold (Heidelberg). Das Antifolat blockiert mehrere Schlüsselenzyme der Folatsynthese, darunter die Thymidylat-Synthese. Dadurch verknappt sich das für die DNA-Synthese notwendige Thymidin, wodurch die Zellproliferation abnimmt. Ferner hemmt Pemetrexed die Dihydrofolat-Reduktase sowie die Glycinamid-Ribonukleotid-Formyltransferase, die eine wichtige Rolle in der De-novo-PurinBiosynthese spielt. Die Substanz greift sowohl in die Purin- als auch in die PyrimidinSynthese ein und inhibiert dadurch effektiv das Wachstum von Tumorzellen. In Kombination mit Gemcitabin oder Platin-Derivaten zeigt Pemetrexed additive und synergistische Effekte. Siegfried Hoc Pressekonferenz der Lilly Deutschland GmbH „Bronchialkarzinom und Asbesttumor Mesotheliom“ in Berlin jektionen schneller – und hält über sechs Monate an. In den drei Jahren, in denen Chancellor die Methode anwendet, hat er keine Nebenwirkungen beobachtet. Die Krankenkassen übernehmen die relativ teure Behandlung allerdings nicht. Als weiteres mögliches Einsatzgebiet für das Toxin in der Urologie sieht der Referent auch eine BPH bei Patienten, die keine Operation wünschen und mit Medikamenten nicht „zurechtkommen“. Hier könne ebenfalls der muskelrelaxierende Effekt ausgenutzt werden, wobei Botulinumtoxin bei glatter Muskulatur besser wirkt als bei Skelettmuskeln. Denkbar sei aufgrund der antinozizeptiven Wirkung auch ein Therapieversuch bei interstitieller Lei Zystitis oder Prostatitis. Jg. 99 Heft 40 4. Oktober 2002 Deutsches Ärzteblatt