Harnblasenkarzinom - Caritas Krankenhaus St. Josef

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Systemische Therapie fortgeschrittener
urogenitaler Krebserkrankungen:
Harnblasenkarzinom
W. Otto, R. Ganzer, G. Lotter, S. Denzinger, A. Borchardt, Onkologische Sprechstunde der Klinik und Poliklinik für Urologie der Universität
Regensburg. Die systemische Behandlung fortgeschrittener urogenitaler Tumoren ist ein wachsendes Betätigungsfeld in der Urologie. Dies beruht zum einen auf der demographischen Entwicklung, zum anderen auf der
Entwicklung neuer Chemotherapeutika, die die adjuvante Therapie nach operativer Tumorentfernung erst
möglich macht. Trotz Vorhandensein anerkannter und in der Praxis angewendeter standardisierter Therapieschemata ist onkologisch tätigen Urologen jedoch klar, dass die Reaktion und das Ansprechen auf diese
Substanzen individuell sehr unterschiedlich sein können. In mehreren Teilen möchten die Autoren einen Kurzüberblick zu üblichen Chemotherapieschemata von fortgeschrittenen urologischen Tumoren geben, beginnend mit dem Harnblasenkarzinom.
Therapie des fortgeschrittenen Harnblasenkarzinoms
Die adjuvante systemische Therapie des zweithäufigsten urologischen Malignoms Harnblasenkarzinom kann nach ausführlicher Diskussion mit dem Patienten über die Blasenwand
wachsendem Tumor (pT3/4), bei positivem Lymphknotenstatus oder Fernmetastasierung durchgeführt werden. Die
5-Jahres-Überlebensraten dieser Patienten fallen gegenüber
nicht lymphogen metastasierten Patienten (60-70%) auf 30%
(eine LK-Metastase) bzw. 10% (mehrere LK-Metastasen) ab
[1]. Aufgrund der Datenlage von 5 Studien geben die Leitlinien der EAU allerdings keine uneingeschränkte Empfehlung zur
adjuvanten Chemotherapie. Anders ist dies bei den etwa 1015% der Patienten mit initialen Organmetastasen: hier empfiehlt die EAU bei sonst gesunden Patienten die Durchführung
Cisplatin-haltiger Chemotherapieschemata (MVAC oder GC),
bei Patienten mit Nierenfunktionsstörung sollten Carboplatin
oder platinfreie Substanzen Verwendung finden [1].
Chemotherapie mit Gemcitabin/Cisplatin beim fortgeschrittenen Harnblasenkarzinom
Lange galt das adjuvante Therapieschema MVAC (Methotrexat, Vinblastin, Adriamycin, Cisplatin) als Therapie der Wahl
beim fortgeschrittenen Harnblasenkarzinom (pT3/4, pN+/-,
M+/-). Eine Phase-III-Studie zum Vergleich von MVAC mit der
Zweierkombinationstherapie Gemcitabin und Cisplatin (GC),
durchgeführt in 19 Staaten, ergab keine signifikanten Unterschiede für das Patientenüberleben (5-Jahres-Überlebensraten 13% GC und 15% MVAC) [2]. Allerdings machte ein
deutlich aggressiveres Nebenwirkungsprofil von MVAC (etwa
der höhere Anteil der neutropenischen Sepsis von 12% gegenüber 1% bei GC) die Durchführung des Zweifachschemas
attraktiv. Die Rate höhergradiger Anämie und Thrombopenie
überwiegt dagegen unter Gemcitabin/Cisplatin (teilweise über
50%) gegenüber MVAC (etwa ein Viertel der Patienten), wobei diese deutlich weniger komplikationsreich sind als schwere
Neutropenien und deren Behandlung – etwa durch Gabe von
Rekrutierungssubstanzen oder Substitution – deutlich weniger
aufwändig ist [3].
Wirkung und Nebenwirkungen von Gemcitabin und
Cisplatin
Während Gemcitabin (z.B. Gemzar®) als Pyrimidinanalogon
das Tumorwachstum über den Einbau falscher Nukleotide in
DNA/RNA hemmt, stören Platinanaloga wie Cisplatin (z.B. Cisplatin medac®) den Zellzyklus vor der Synthesephase durch
Quervernetzungen innerhalb der DNA. Abhängig von Tumorstadium und dem Gesundheitszustand des Patienten werden
initial 4-6 Zyklen empfohlen. Aufgrund niedrigerer Raten an
schweren Komplikationen (Grad III und IV nach CTC-Kriterien) wird zumeist der so genannte „2/3-Takt“ (Gemcitabin in
•
Nephrotoxizität (Cisplatin)
•
Elektrolytentgleisung/ Hyponatriämie (Cisplatin)
•
Emesis (Cisplatin)
•
Grippesymptome wie Myalgie, Glieder- und Kopfschmerzen (Gemcitabin)
•
Myelosuppression
(Gemcitabin/Cisplatin)
•
Neurotoxizität (Cisplatin)
•
Ototoxizität (Cisplatin)
•
Periphere Ödeme (Gemcitabin)
•
ARDS-Syndrom (Gemcitabin)
•
Hyperurikämie (Cisplatin)
•
Alopezie (Cisplatin)
Tab. 1: Typische Nebenwirkungen bei Gemcitabin/
Cisplatin-haltiger Chemotherapie.
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der Dosis 1200 mg/m2 KOF an Zyklustagen 1 und 8, Cisplatin 70 mg/m2 KOF an Tag 2, Beginn des nächsten Zyklus
an Tag 21) gegenüber dem „3/4-Takt“ (drei Gaben Gemcitabin an Tag 1, 8 und 15) bevorzugt. In Gesamt- und rezidivfreiem Überleben zeigen sich keine Unterschiede zwischen
den beiden Schemata. Typischen Komplikationen wie Nephro-, Neuro- und Ototoxizität durch eine Cisplatin-haltige
Chemotherapie müssen vor Beginn und nach 3 Zyklen der
Chemotherapie durch Prüfungen der Kreatininclearance (vor
jedem Zyklus), eine neurologische Grunduntersuchung sowie Durchführung eines Audiogramms vorgebeugt werden.
Dosislimitierende Faktoren für die GC-Chemotherapie sind
bei nahezu ausschließlich renaler Elimination zum einen eine
verminderte Nierenfunktion (in erster Linie durch Cisplatin)
sowie die Myelosuppression (Gemcitabin), die vor allem Leukozyten und Thrombozyten betrifft (zu den häufigsten Komplikationen der GC-Chemotherapie siehe auch Tabelle 1) [3].
Vor jeder Applikation einer Substanz ist daher eine Kontrolle
von Differentialblutbild und Retentionsparametern sowie der
Kreatininclearance (selbstverständlich auch regelmäßige Kontrollen zwischen den Zyklen) erforderlich. Kommt es zu Veränderungen von Nierenfunktion, Blutbild oder Leberfunktion
Serumlaborparameter
GemcitabinDosis
Thrombozyten < 100000/µl
75%
Thrombozyten < 50000/µl
0%
CisplatinDosis
0%
Leukozyten < 2000/3000/µl
75%
0%
Neutrophile < 1000/µl
75%
0%
Leukozyten < 1500/µl
50%
Neutrophile < 500/µl
0%
Krea-Clearance < 60 ml/min
100%
50%
Krea-Clearance < 45 ml/min
100%
0%
Krea-Clearance < 30 ml/min
0%
Bilirubin >1,5fach über
Normwert
0%
GOT, GPT >2,5fach über
Normwert
AP, GOT, GPT >3fach über
Normwert
100%
individuell
individuell
Tab. 2: Dosisanpassungen bei Gemcitabin/Cisplatin-haltiger Chemotherapie.
können Dosisanpassungen erforderlich werden, die in Tabelle
2 zusammengefasst sind [3,4]. Ist aufgrund einer stark eingeschränkten Nierenfunktion die Gabe von Cisplatin nicht zu
rechtfertigen, ist eine Gemcitabin-Monotherapie Mittel der
Wahl [1].
Second-line-Chemotherapie des metastasierten
Harnblasenkarzinoms
Kommt es bei Cisplatin-vorbehandelten Patienten zur Progression des Harnblasenkarzinoms wurden insbesondere
in der Kombination von Gemcitabin (1000 mg/m2 KOF an
Tag 1 und 8) und Paclitaxel (z.B. Taxol®, ein Mitosehemmer,
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175 mg/m2 an Tag 1) über 6 Zyklen gute Ansprechraten von
etwa einem Drittel beobachtet [6]. Es fehlen jedoch randomisierte Studien, die zu einer offiziellen Empfehlung in den
Leitlinien der EAU führen könnten [1].
Fazit
Die Behandlung fortgeschrittener urogenitaler Tumore gehört seit der Etablierung wirksamer und in der Regel gut
verträglicher Chemotherapieschemata zu den Kernaufgaben
in Kliniken mit uroonkologischer Ausrichtung. Die Diagnose
eines lymphogen oder hämatogen metastasierten Harnblasenkarzinoms führt heute zur Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie mit Gemcitabin (2x 1200mg/m2 KOF)
und Cisplatin (70mg/m2 KOF) in 4-6 Zyklen. Auswirkungen
auf Blutbild, Nieren- und Leberfunktion bilden auch hier den
limitierenden Faktor der Behandlung. In Fällen einer Metastasierung nach ini-tialer Cisplatin-haltiger Chemotherapie
zeigte ein sekundäres Therapieschema mit Gemcitabine und
Paclitaxel in Einzelstudien gute Ansprechraten.
Abstract
W. Otto, R. Ganzer, G. Lotter, S. Denzinger, A. Borchardt., Klinik und
Poliklinik für Urologie der Universität Regensburg
Treatment of advanced cancers of the urogenitally tract
is one of the most challenging duties of urooncology.
Beginning advanced bladder carcinoma the authors
report about important aspects of actual chemotherapeutic schemes.
Keywords: chemotherapeutic treatment, urooncology,
bladder carcinoma
Dr. med. Wolfgang Otto
Klinik und Poliklinik für Urologie
der Universität Regensburg
Landshuterstraße 65
93053 Regensburg
Tel.: 0941-782-3522
Fax. 0941-782-3545
e-mail: [email protected]
Literatur
1. Stenzl A., Cowan N.C., De Santis M., Jakse G., Kuczyk M.A., Merseburger A.S., Ribal
M.J., Sherif A., Witjes J.A.: The Updated EAU Guidelines on Muscle-Invasive and
Metastatic Bladder Cancer. Eur Urol. 2009 Jan 13. [Epub ahead of print]
2. von der Maase H., Sengelov L., Roberts J.T., Ricci S., Dogliotti L., Oliver T., Moore M.J.,
Zimmermann A., Arning M.: Long-term survival results of a randomized trial comparing gemcitabine plus cisplatin, with methotrexate, vinblastine, doxorubicin, plus
cisplatin in patients with bladder cancer. J Clin Oncol. 2005 Jul 20;23(21):4602-8.
3. Retz M., Gschwend J.: Medikamentöse Tumortherapie in der Uroonkologie. Springer Medizin Verlag, Heidelberg; 2008.
4. Heidenreich A., Hallek M.: Systemische Therapie urologischer Tumoren
– Ein Ratgeber für den klinischen Alltag. Uni-Med Verlag, Bremen; 2008.
Teil 2 Prostatakarzinom finden Sie in der
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