Zubin Mehta - Münchner Philharmoniker

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Zubin Mehta
Freitag, 3. Oktober 2014, 19 Uhr
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Franz Schubert
Ouver türe zu „Rosamunde, Fürstin von Zypern“ D 797
(ursprünglich: Ouvertüre zu „Die Zauberharfe“ D 644)
Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759
„Die Unvollendete“
1. Allegro moderato
2. Andante con moto
Symphonie Nr. 8 C-Dur D 94 4
„Die Große“
1. Andante – Allegro ma non troppo
2. Andante con moto
3. Scherzo: Allegro vivace
4. Allegro vivace
Zubin Mehta, Dirigent
Freitag, 3. Oktober 2014, 19 Uhr
1. Abonnementkonzert h5
Spielzeit 2014/2015
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant
22
Franz Schubert:
Schubert: „Rosamunde“
„Rosamunde“
Franz
Das nachgetragene Vorspiel
Susanne Stähr
Franz Schubert
Lebensdaten des Komponisten
(1797–1828)
Geboren am 31. Januar 1797 im Himmelpfortgrund
bei Wien (heute: 9. Wiener Gemeindebezirk / Alsergrund); gestorben am 19. November 1828 in Wien.
Ouvertüre zu „Rosamunde, Fürstin von Zypern“
D 797
(historisch korrekt: Ouvertüre zu „Die Zauberharfe“ D 644)
Entstehung
Schubert komponierte das heute als „Rosamunde“Ouvertüre bekannte und allseits beliebte Werk
wahrscheinlich im April oder Mai 1820 als Ouvertüre zu Georg von Hofmanns Zauberspiel mit Musik in drei Akten „Die Zauberharfe“ D 644; Korrekturen an der Partitur nahm er noch bis zum Sommer
desselben Jahres vor. Schon 1827 in einer frühen
Bearbeitung und erst recht nach Schuberts Tod,
als 1854 im Wiener Musikverlag Carl Anton Spina
das Werk erstmals in Partitur erschien, betitelte
man es als „Ouvertüre zum Drama ‚Rosamunde‘
op. 26“, für das Schubert zwar eine mehrteilige
Bühnenmusik, aber keine eigene Ouvertüre geschrieben hatte.
Uraufführung
Am 19. August 1820 in Wien im Theater an der
Wien im Rahmen der Uraufführung des dreiaktigen
Melodrams „Die Zauberharfe“, das anschließend
noch insgesamt sieben Wiederholungen erlebte.
Als Vorspiel zur Bühnenmusik der „Rosamunde“
wurde die „Zauberharfen“-Ouvertüre vermutlich
zum ersten Mal am 1. Dezember 1867 in Wien aufgeführt (in einem Konzert der „Gesellschaft der
Musikfreunde in Wien“ unter Leitung von Johann
Herbeck).
3
Leopold Kupelwieser: Franz Schubert (1821)
4
Franz Schubert:
Schubert: „Rosamunde“
„Rosamunde“
Franz
Nicht immer kommt es auf den Namen an. Was
am heutigen Abend als Ouvertüre zum Romantischen Schauspiel „Rosamunde“ erklingt, war ursprünglich gar nicht als Vorspiel zu Franz Schuberts berühmter Bühnenmusik von 1823 gedacht.
Es handelt sich dabei vielmehr um ein drei Jahre
älteres Werk, das zunächst als Introduktion zum
dreiaktigen Melodram „Die Zauberharfe“ diente.
Aber selbst dieser Befund ist nicht rundum zutreffend, denn ein Gutteil der musikalischen Substanz ist noch früheren Datums, bediente sich
Schubert doch großzügig bei seiner eigenen „Ouvertüre im italienischen Stil“ D 590, die er bereits
1817 komponiert hatte. Absurdes Theater ? Nein,
Musikgeschichte.
Unstillbare Theaterleidenschaft
Um den Knoten zu lösen, muss man sich in die
Lage des 26-jährigen Komponisten hineinversetzen, die sich ihm Ende 1823 stellte. Drei Opern
hatte er in den vergangenen beiden Jahren geschrieben, aber weder für „Alfonso und Estrella“
noch für „Die Verschworenen“ und auch nicht für
„Fierrabras“ hatte er Abnehmer finden können:
Die Partituren warteten nach wie vor auf ihre
Uraufführung – keine Bühne erklärte sich bereit,
auch nur eines der Werke ins Repertoire zu nehmen. Dabei zog es Schubert unwiderstehlich zum
Theater, und so mochte er es als Zeichen des
Himmels empfunden haben, als ihn der Dramaturg und Autor Joseph Kupelwieser im Oktober
1823 fragte, ob er nicht kurzfristig eine Bühnenmusik zum neuesten Stück der Dichterin Helmina
von Chézy schreiben könne.
Diese Anfrage klang nun wirklich verheißungsvoll, denn die 1783 als Tochter eines preußischen
Offiziers in Berlin geborene Autorin war seinerzeit
eine Zelebrität, wenngleich nicht allein ihrer literarischen Erzeugnisse wegen, sondern auch aufgrund ihres freizügigen Lebenswandels – gleich
zweimal ließ sie sich scheiden und beharrte stets
auf ihrer Unabhängigkeit. Als 18-jährige war Helmina von Chézy nach Paris gekommen, wo sie als
politische Korrespondentin für verschiedene Zeitungen arbeitete und bald eine eigene Zeitschrift
herausgab, die „Französischen Miszellen“. Zu ihrem
Freundeskreis zählten viele Größen des damaligen
Geisteslebens – Friedrich und Dorothea Schlegel
etwa, die mit ihr in einer Wohnung zusammenlebten, aber auch Achim von Arnim oder Adelbert
von Chamisso, mit dem sie gemeinsam die französischen Vorlesungen August Wilhelm Schlegels
ins Deutsche übersetzte. Außerdem veröffentlichte sie Romane, Erzählungen und Novellen, Essays und mehrere Bände mit Lyrik: gewiss zeitgebundene Werke, die jedoch Anklang beim Lesepublikum fanden.
Musik des verlorenen Paradieses
„Rosamunde, Fürstin von Zypern“ lautete der Titel
des Schauspiels, das Kupelwieser bei Helmina
von Chézy für das Theater an der Wien in Auftrag
gegeben hatte. Doch ehe die Autorin den Text lieferte, war der November schon gekommen; der
Uraufführungstermin stand unmittelbar vor der
Tür, und Schubert blieb viel zu wenig Zeit, um eine
adäquate Bühnenmusik zu komponieren. Einige
Quellen sprechen davon, dass es nur fünf Tage
gewesen seien, die ihm letztlich zur Verfügung
standen; trotzdem gelang es ihm, in dieser extrem kurzen Frist zehn Nummern mit einer Spieldauer von fast einer Stunde zu Papier zu bringen.
Und was für eine Musik ! Vor allem der Entr’acte
5
Der Programmzettel der Uraufführung von Schuberts „Zauberharfe“ (1820)
6
Franz
Franz Schubert:
Schubert: „Rosamunde“
„Rosamunde“
nach dem dritten Aufzug avancierte bald zu einem
Emblem seiner Kunst: Er hebt mit einer schlichten,
verträumten und bewegenden Melodie an, die mit
sanfter Macht ein verlorenes Paradies heraufzubeschwören scheint. Schubert selbst muss diese
berührende Weise so sehr geschätzt haben, dass
er sie später noch öfters aufgriff: etwa in seinem
Streichquartett a-Moll D 804, das deshalb den
Beinamen „Rosamunde“ trägt, aber auch als
Variationenthema im Impromptu B-Dur D 935
Nr. 3 und in dem „Wiegenlied“ D 867 nach Versen von Johann Gabriel Seidl.
Nun hätte man erwarten können, dass diese markante „Signatur“ auch in der Ouvertüre zum Einsatz gelangt. Doch dazu konnte es nicht kommen,
weil Schubert die Zeit nicht ausreichte, um ein
eigenes Vorspiel zur „Rosamunde“ zu verfassen.
In der Not entschied er sich dafür, dem Opus die
Einleitung von „Alfonso und Estrella“ voranzustellen: Sie war immerhin eine wirkliche Novität, und wer nicht wusste, dass Schubert hier zu
einem Notbehelf gegriffen hatte, wurde bei der
Uraufführung am 20. Dezember 1823 gewiss auch
nicht stutzig. Ein nachhaltiger Erfolg war dem
Werk allerdings nicht vergönnt. Schon nach der
zweiten Aufführung wurde es wieder abgesetzt,
wobei in erster Linie Helmina von Chézy für das
künstlerische Desaster verantwortlich gemacht
wurde: Trivial und missglückt sei ihr Text, musste
sie sich anhören, ein lächerliches Machwerk der
Schauerromantik.
Spätes Nachleben im Konzertsaal
Mehr als vier Jahrzehnte sollten danach vergehen, ehe Schuberts himmlische Musik wieder
zu Gehör gelangte – doch nun mit einer anderen
Ouvertüre, mit dem Vorspiel zum dreiaktigen
Melodram „Die Zauberharfe“ D 644, das entschieden besser zur Klangwelt der „Rosamunde“
passte. Ob diese Änderung noch auf Schuberts
Anregung zurückging, ist nicht überliefert. Allerdings war schon zu seinen Lebzeiten, im Jahr
1827, die „Zauberharfen“-Introduktion in einer
Bearbeitung für Klavier zu vier Händen als „Ouvertüre zum Drama ‚Rosamunde‘“ publiziert worden. Diese Adaption stammte vermutlich von dem
Schubert-Freund und -Förderer Joseph Hüttenbrenner, und so dürfte es wahrscheinlich sein,
dass Schubert die Veröffentlichung kannte und
sie womöglich auch billigte.
Grundsätzlich nahm man es damals nicht so genau mit den Ouvertüren, die doch vor allem dazu
dienen sollten, die geneigten Hörer aus dem Alltag zu holen und sie auf den Abend einzustimmen.
Dies gilt auch für das Vorspiel zur „Zauberharfe“:
Denn sieht man einmal von den ehernen, mottohaften Einleitungsakkorden ab, die im weiteren
Verlauf des Melodrams wiederkehren, ist ein konkreter Bezug zur Handlung und Psychologie dieses Bühnenwerks kaum zu erkennen. Vielleicht
kommt es also gar nicht auf das korrekte Etikett
an, sondern eher auf die Funktion. Wie auch immer die Ouvertüre genannt werden soll, die Zubin
Mehta am heutigen Abend dirigiert: Die melancholischen Kantilenen ihrer langsamen Einleitung,
der schwungvolle, tänzerisch betonte Hauptteil
und die schmissige Coda lassen sie zu einem Musikstück werden, das seine Autonomie im Konzertsaal längst behauptet hat.
Franz Schubert: 7. Symphonie h-Moll
7
Vollendetes Fragment
Peter Andraschke
Franz Schubert
(1797–1828)
Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759
„Die Unvollendete“
1. Allegro moderato
2. Andante con moto
Lebensdaten des Komponisten
Geboren am 31. Januar 1797 im Himmelpfortgrund
bei Wien (heute: 9. Wiener Gemeindebezirk / Alser­
grund); gestorben am 19. November 1828 in Wien.
Entstehung
Im Herbst 1822 in Wien; Beginn der Niederschrift des Partiturautographs am 30. Oktober:
„Sinfonia in H moll von Franz Schubert mpia
[manu propria] Wien, den 30. Octob. 1822“.
Schubert scheint eine Ergänzung der zwei ab-
geschlossenen Symphoniesätze eine Zeit lang
ernstlich erwogen zu haben, da sich Fragmente
eines 3. Satzes (Scherzo) fanden, der in der Skizze
128 Takte umfasst. Er schickte aber, was die End­
gültigkeit einer 2-sätzigen Formanlage zu bestätigen scheint, sein Manuskript 1823 nach Graz
– wohl als Dank für die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im „Steiermärkischen Musik­
verein“, die er im Jahr zuvor erhalten hatte.
Schuberts Freund und Mitschüler bei Antonio
Salieri, Anselm Hüttenbrenner, damaliger Direktor des Steiermärkischen Musikvereins, bewahrte die Dankesgabe allerdings bei sich privat auf, wo sie der Wiener Hofkapellmeister
Johann Herbeck, der über Hüttenbrenners Bruder Joseph Einzelheiten der Schenkung erfahren hatte, am 30. April 1865 auffand. 1867 erfolgte die Drucklegung der Symphonie im Wiener Musikverlag C. A. Spina.
Uraufführung
Am 17. Dezember 1865 in Wien im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg (Orchester der
„Gesellschaft der Musikfreunde in Wien“ unter
Leitung von Johann Herbeck); um das Fragment
zu „vervollständigen“, wurde es mit dem Finale
von Schuberts 3. Symphonie (!) zu einem halbwegs gattungskonformen Ganzen komplettiert.
Der Wiener Kritikerpapst Eduard Hanslick schrieb
in seiner Uraufführungskritik: „Wir zählen das
neu aufgefundene Sinfonie-Fragment von Schubert zu seinen schönsten Instrumentalwerken !“
8
Franz Schubert: 7. Symphonie h-Moll
Schuberts h-Moll-Symphonie ist uns als „Die
Unvollendete“ bekannt. Vielfältige Überlegungen wurden immer wieder darüber angestellt,
warum Schubert diese Komposition abgebrochen hat und ob er sie wirklich weiterführen
wollte. Auch wenn der Beiname nicht von Schubert stammt, so war doch die Norm des viersätzigen Symphoniezyklus, wie sie noch für
Beethoven gegolten hat, zunächst auch für
Schubert so sehr Verpflichtung, dass er als
3. Satz ein Scherzo begann, dem selbstverständlich ein Finale folgen musste. Er hat sein Bemühen allerdings nach 128 Takten abgebrochen.
Uns erscheint die „Unvollendete“ heute nicht
als Torso, sondern als individuelle Tondichtung
in zwei Sätzen von ausgewogenem Gleich­gewicht.
Rätsel des Fragmentarischen
Möglicherweise hat das „Unvollendete“ der
Symphonie mit dem Anspruch eines Komponisten an sich selbst zu tun, der in der unmittelbaren Nachfolge Beethovens wirkte und doch
etwas Eigenes verwirklichen wollte. „Du hast
keinen Begriff davon, wie es unsereinem zumute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter
sich marschieren hört“, hatte sich noch Johannes Brahms während der Komposition seiner
1. Symphonie gegenüber dem Dirigenten Hermann Levi beklagt. Ähnlich schrieb Schubert
nach Fertigstellung der beiden Sätze der 7. Symphonie an seinen Freund, den Maler Leopold
Kupel­w ieser, über seine schöpferische Situation
in dieser Zeit: „In Liedern habe ich wenig Neues gemacht, dagegen versuchte ich mich in
mehreren Instrumental-Sachen, denn ich componirte 2 Quartette für Violinen, Viola und Vi-
oloncelle und ein Octett, und will noch ein Quartetto schreiben, überhaupt will ich mir auf diese Art den Weg zur großen Sinfonie bahnen.
Das Neueste in Wien ist, dass Beethoven ein
Concert gibt, in welchem er seine neue Sinfonie, 3 Stücke aus der neuen Messe, und eine
neue Ouverture produciren läßt. Wenn Gott
will, so bin auch ich gesonnen, künftiges Jahr
ein ähnliches Concert zu geben.“
Der Wunsch, ein umfangreiches symphonisches
Werk von überpersönlicher Bedeutung zu schaffen, ließ Schubert sogleich an Beethoven denken. Die Musik des großen, in Wien lebenden
Zeitgenossen, den er rückhaltlos bewunderte,
war für ihn Herausforderung und Hemmnis zugleich. Die dadurch ausgelöste Krise im symphonischen Schaffen zeigt sich in verschiedener
Weise. Über vier Jahre liegen zwischen der
6. und der Partiturniederschrift dieser 7. Symphonie. Dazwischen gab es nur Entwürfe. Zugleich veränderte sich Schuberts Arbeitsweise.
Während er früher meist rasch und direkt in
Partitur komponierte, wurde er nun in hohem
Maße selbstkritisch und unsicher. Er entwarf
zunächst Klavierskizzen, die er erst in einem
zweiten Arbeitsgang instrumentierte.
Entdeckung mit Hindernissen
Die späte Uraufführung, lange nach Schuberts
Tod, erklärt sich dadurch, dass Anselm Hüttenbrenner, ein unbedeutender Komponist aus dem
Schubert-Kreis, und sein Bruder Joseph das
Autograph rund 40 Jahre so strikt unter Verschluss hielten, dass es als verschollen galt.
Der Annahme, dass Schubert es Hüttenbrenner
zur Weitergabe an den Grazer „Steiermärki-
9
Oben: Letzte Partiturseite des 2. Satzes („Andante con moto“) in Schuberts Handschrift
Unten: Erste Partiturseite des nach 128 Takten abbrechenden 3. Satzes („Allegro“)
10
Franz Schubert: 7. Symphonie h-Moll
schen Musikverein“ übergeben habe, und zwar
als Dank dafür, dass er 1823 zum „auswärtigen
Ehrenmitglied“ erklärt wurde, steht gegenüber,
dass Hüttenbrenner das Manuskript bei sich
privat aufbewahrte.
Erwiesen ist jedoch, dass der Dirigent Johann
Herbeck dem Verbleib der Partitur auf die Spur
gekommen war, nach Graz reiste und die Noten
für eine erste Aufführung erhielt. Allerdings unter einer Bedingung: Er hatte in diesem Konzert
auch Anselm Hüttenbrenners „Ouverture in cMoll“ zu dirigieren. Auf dem Plakat steht ausdrücklich vermerkt: „Herr Anselm Hüttenbrenner
in Graz war so freundlich, das Original Manuscript
des 1. und 2. Satzes der H-Moll Sinfonie, welche Schubert im October 1822 und zwar nur bis
zum Anfang des 3. Satzes componirt hat, freundlichst zu überlassen.“ Joseph indessen glaubte
seinen Bruder übervorteilt: „Anselm hat durchaus gefehlt“, bemerkte er in einem Brief vom
11. Februar 1867, „die Sinfonie herauszugeben;
erst wenn sie 10 Ouvertüren von ihm gegeben
haben und eine Sinfonie, dann hätte er herausrücken sollen !“
„Schubertfreunde“ in der Kritik
Die Umstände der späten Entdeckung waren
selbstverständlich in der Wiener Kulturszene
Gesprächsstoff. Der renommierte Musikkritiker
Eduard Hanslick geht in seiner Besprechung des
Konzerts genüsslich darauf ein: „Unter den sogenannten ‚Schubertfreunden‘ par excellence
stechen zwei charakteristische Gruppen hervor:
die Sorglosen und die Hartnäckigen. Die ersteren lassen ruhig Schubert’s Manuscripte nach
allen Weltgegenden zerflattern; sie wissen oder
wußten genau von irgend einer noch vorhandenen Oper oder Symphonie (sie haben sie ja
entstehen sehen ! ), aber es stört ihre Seelenruhe nicht im mindesten, wenn diese Schätze
um ein paar Gulden einem amerikanischen
Sammler, oder noch billiger, einem Käsehändler
zufallen. Die Hartnäckigen hingegen haben zwei
oder drei Perlen aus Schubert’s Nachlaß in’s
Trockene gebracht, halten sie aber vor lauter
Freundschaft für den Verewigten und lauter
Verachtung für die Lebenden in irgend einem
Koffer verschlossen, mit dessen Schlüssel sie
sich zu Bette legen.
Wir wollen Herrn Anselm Hüttenbrenner, den
Freund Schubert’s, seit gestern nicht mehr zu
der zweiten Klasse zählen, da er schließlich der
Belham’schen Beredthsamkeit und Artigkeit
des Hofcapellmeisters Herbeck nicht widerstand, der eigens nach Graz abgereist war, um
eine Hüttenbrenner’sche Partitur für die Gesellschafts-Concerte zu acquirieren, und bei
dieser Gelegenheit – wie seltsam ! – auch ein
lang gesuchtes Schubert’sches Manuscript mitbrachte. Wir können nicht entscheiden, welche
von den beiden Compositionen die Angel und
welche der Fisch war, genug, dass Schubert und
Hüttenbrenner wie im Leben so auf dem Programm des letzten ‚Gesellschafts-Concertes‘
einträchtig nebeneinander hergingen. Hüttenbrenner, der bekanntlich zur Berühmtheit des
Schubert’schen Erlkönigs viel beigetragen hat,
nämlich eine Partie ‚Erlkönig-Walzer‘, eröffnete das Concert mit einer Ouverture in C-moll,
welcher man eine gewisse Tüchtigkeit der Arbeit nicht absprechen kann.“
Franz Schubert: 7. Symphonie h-Moll
11
Josef Teltscher: Franz Schubert mit seinen Freunden Johann Baptist Jenger (links) und Anselm Hüttenbrenner (Mitte), portraitiert anlässlich von Schuberts Besuch in Graz (1827)
Das unerhört(e) Neue
Die „Unvollendete“ ist seit ihrer späten Uraufführung von der Kritik begeistert aufgenommen
worden. So schätzte sie auch Hugo Wolf in
­einer Rezension aus dem Jahre 1889 wegen
ihrer konzentrierten Formgestaltung und dem
individuell ausgeprägten Schubert’schen Ton
der Musik besonders hoch ein: „Die H-MollSymphonie ist nicht nur knapper, einheitlicher
als die C-Dur; in ihren Themen spricht auch der
pathetische Schubert ebenso überzeugend, als
der elegisch träumerische. Er gibt sich in ihr so
vollständig als in seinen Liedern, in denen er
freilich das höchste geleistet.“
Die Wertschätzung der Symphonie gründet sich
auf eine Musiksprache, die radikal anders ist als
die von Beethoven und der von ihm beeinflussten Tradition. Eine Fülle von sanglichen Themen
wird ausgebreitet: aber sie werden weniger
entwickelt und verarbeitet als wiederholt, und
so prägen sie sich dem Hörer ein. Die Einheitlichkeit der Stimmung wird nicht durch breit
ausgeführte dramatische Verläufe und Konflikte gestört, die Lösungen fordern und erlangen.
Doch gehören zu ihr auch leidenschaftliche Ausbrüche und jähe Ausdruckswechsel. Diese Risse, die psychische Urgründe auftun oder ahnen
lassen, sind bedeutsam und geben Schuberts
Musik jene entscheidende Dimension, die für
12
Franz Schubert: 7. Symphonie h-Moll
Komponisten unseres Jahrhunderts, etwa für
Wolfgang Rihm, der Grund war, sich mit Schubert schöpferisch auseinanderzusetzen.
Innovative Tonartensymbolik
Die in einer Symphonie bis dahin wohl noch nie
verwendete Tonart h-Moll des 1. Satzes enthält
bereits den Keim des Außergewöhnlichen und
Einmaligen dieser Komposition, deren Besonderheit Schuberts kompositorische Entwicklung
zuvor nicht ahnen lässt. Es ist nicht leicht, den
Charakter der Tonart h-Moll zu bestimmen. Bekannte Vertonungen können ihn einkreisen, z. B.
von Johann Sebastian Bach die h-Moll-Messe,
die Arie „Blute nur, du liebes Herz“ aus der
„Matthäus-Passion“ oder die Arie „Es ist vollbracht“ aus der „Johannes-Passion“. Auch die
Texte der wenigen Lieder Schuberts in h-Moll
kennzeichnen sie als Tonart der Trauer, Trost­
losigkeit und Sehnsucht, etwa „Abschied“
(D 578), das „Grablied für die Mutter“ (D 616),
„Nur wer die Sehnsucht kennt“ (D 877/1), „Einsamkeit“ (D 911/12) aus der „Winterreise“ oder
„Der Doppelgänger“ (D 957/13). Beethoven notierte in den Skizzen zur Cellosonate op. 102
Nr. 2: „H-Moll schwarze Tonart“. Und Daniel
Friedrich Schubart deutete sie in seiner 1806
posthum erschienenen „Ästhetik der Tonkunst“
als „Ton der Geduld, der stillen Erwartung seines Schicksals, und der Ergebung in die göttliche
Fügung. Darum ist seine Klage so sanft, ohne
jehmals in beleidigendes Murren, oder Wimmern
auszubrechen.“
Auch der langsame 2. Satz ist durch den Charakter seiner Tonart E-Dur bestimmt, die gerade in langsamen Stücken Erhabenheit und fei-
erlichen Ernst ausdrückt – man denke an das
einzige E-Dur-Stück in Mozarts „Zauberflöte“,
die Arie des Sarastro „In diesen heil’gen Hallen“.
Die Tonart findet sich bei Schubert aber auch
in idyllischen und lieblichen Liedern wie „Des
Baches Wiegenlied“ (D 795/20) oder „Lindenbaum“ (D 911/5), mit denen die Stimmung des
„Andante con moto“ der „Unvollendeten“ verwandt ist.
Musik und Tiefenpsychologie
Das bereits durch die Tonart vorgegebene semantische Umfeld der beiden Sätze könnte die
Überlegung von Arnold Schering stützen, dass
die Musik der „Unvollendeten“ in ihrer Stimmung
mit Schuberts kleiner allegorischer Erzählung
„Mein Traum“ assoziiert werden kann, die er am
3. Juli 1822 schrieb. Mithin stünde die berührende und tief bewegende Musik des 1. Satzes
mit Gedanken an die Vergänglichkeit des Daseins in Verbindung. Schubert träumte nämlich,
dass er von seinem Vater verstoßen wurde:
„Mit einem Herzen voll unendlicher Liebe für
die, welche sie verschmähten, wanderte ich in
ferne Gegend. Jahre lang fühlte ich den größten Schmerz und die größte Liebe mich zertheilen.“ Er hörte vom Tode seiner Mutter, eilte
nach Hause und geleitete sie zu Grab. Bald wurde er wieder vom Vater verstoßen: „Und zum
zweytenmahl wanderte ich abermals in ferne
Gegend. Lieder sang ich nun lange, lange Jahre.
Wollte ich Liebe singen, ward sie mir zum Schmerz.
Und wollte ich wieder Schmerz nur singen, ward
er mir zur Liebe.“
Der zweite Teil der Erzählung könnte auf die
Stimmung des 2. Satzes verweisen. Hier re-
Franz Schubert: 7. Symphonie h-Moll
flektiert Schubert über das Leben nach dem
Tod, „in dem viele Jünglinge und Greise auf
ewig wie in Seligkeiten wandelten. Da sehnte
ich mich sehr, auch da zu wandeln, und ehe ich
es wähnte, war ich in dem Kreis, der einen
wunderlieblichen Ton von sich gab; und ich
fühlte die ewige Seligkeit wie in einen Augenblick zusammengedrängt. Auch meinen Vater
sah ich versöhnt und liebend. Er schloß mich in
seine Arme und weinte. Noch mehr aber ich.“
Uraufführung mit Ereignis­
charakter
Die erste Aufführung von Schuberts „Unvollendeter“ muss einer musikalischen Sensation
gleichgekommen sein. Hanslick, erklärter Gegner der „neudeutschen“ Richtung in der damals
zeitgenössischen Musik, wie sie von Wagner,
Liszt und Bruckner repräsentiert wurde, berichtete in einer liebevoll-begeisterten Kritik über
die unmittelbare Faszination der „Schubert’schen
Novität, die einen außerordentlichen Enthusiasmus erregte“ und beschrieb sie mit erstaunlicher Detailkenntnis der Partitur, die auf eine
gewissenhafte Vorbereitung auf die Uraufführung schließen lässt:
„Wir müssen uns mit den zwei Sätzen zufrieden
geben, die, von Herbeck zu neuem Leben erweckt, auch neues Leben in unsere Concert­s äle
bringen. Wenn nach den paar einleitenden Takten Clarinette und Oboe einstimmig ihren süßen
Gesang über dem ruhigen Gemurmel der Geigen
anstimmen, da kennt auch jedes Kind den Componisten, und der halbunterdrückte Ausruf
‚Schubert !‘ summt flüsternd durch den Saal.
Er ist noch kaum eingetreten, aber es ist, als
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kennte man ihn am Tritt, an seiner Art, die
Thürklinke zu öffnen. Erklingt nun gar auf je­nen sehnsüchtigen Mollgesang das contrastirende G-dur-Thema der Violoncelle, ein reizender Liedsatz von fast ländlerartiger Behaglichkeit, da jauchzt jede Brust, als stände Er nach
langer Entfernung leibhaftig mitten unter uns.
Dieser ganze Satz ist ein süßer Melodienstrom
– bei aller Kraft und Genialität krystallhell. Und
überall dieselbe Wärme, derselbe goldene, blättertreibende Sonnenschein ! Breiter und größer
entfaltet sich das Andante. Töne der Klage oder
des Zornes fallen nur vereinzelt in diesen Gesang voll Innigkeit und ruhigen Glückes; mehr
effectvolle, musikalische Gewitterwolken, als
gefährliche der Leidenschaft. Als könnte er sich
nicht trennen von dem eigenen süßen Gesang,
schiebt der Componist den Abschluß des Adagios weit, ja allzu weit hinaus. Man kennt diese
Eigenthymlichkeit Schubert’s, die den Total­
eindruck mancher seiner Tondichtungen abschwächt. Auch am Schlusse dieses Andantes
scheint sein Flug sich in’s Unabsehbare zu verlieren, aber man hört doch noch immer das Rauschen seiner Flügel.
Bezaubernd ist die Klangschönheit der beiden Sätze. Mit einigen Horngängen, hie und da einem
kurzen Clarinett- oder Oboesolo auf der einfachsten, natürlichsten Orchester-Grundlage gewinnt
Schubert Klangwirkungen, die kein Raffinement
der Wagner’schen Instrumentierung erreicht…!“
14
Franz
Franz Schubert:
Schubert: 8.
8. Symphonie
Symphonie C-Dur
C-Dur
Schatzfinderlohn
Wolfgang Stähr
Franz Schubert
(1797–1828)
Symphonie Nr. 8 C-Dur D 944
„Die Große“
1. Andante – Allegro ma non troppo
2. Andante con moto
3. Scherzo: Allegro vivace
4. Allegro vivace
mutlich im Frühjahr 1825 in Angriff nahm und bis
zum Herbst 1826 vollendet haben dürfte, als er
die C-Dur-Symphonie D 944 der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde zur Widmung antrug.
Auf der ersten Seite der autographen Partitur
ist allerdings das Datum „März 1828“ zu lesen
– und bereitet bis heute der Schubert-Forschung
erhebliches Kopfzerbrechen.
Widmung
In einem Brief vom Oktober 1826 an die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien schreibt Franz
Schubert: „Von der edeln Absicht des österreich.
Musik-Vereins, jedes Streben nach Kunst auf die
möglichste Weise zu unterstützen, überzeugt, wage ich es, als ein vaterländischer Künstler, diese
meine Sinfonie demselben zu widmen und sie
seinem Schutz höflichst anzuempfehlen.“
Uraufführung
Lebensdaten des Komponisten
Geboren am 31. Januar 1797 im Himmelpfortgrund
bei Wien (heute: 9. Wiener Gemeindebezirk / Alsergrund); gestorben am 19. November 1828 in Wien.
Entstehung
Die genaue Entstehungszeit liegt im Dunkeln. Bereits 1824 spricht Schubert über das ambitionierte Projekt einer „großen Symphonie“, die er ver-
Doch trotz dieser vertrauensvollen Zueignung
brachte die Gesellschaft der Musikfreunde einstweilen keine öffentliche Aufführung zustande.
Erst nachdem Robert Schumann bei Schuberts
Bruder Ferdinand eine Abschrift der weithin unbekannten Symphonie entdeckt hatte, fand über
zehn Jahre nach dem Tod des Komponisten die
öffentliche Uraufführung statt: Am 21. März
1839 in Leipzig im Großen Saal des Leipziger
Gewandhauses (Gewandhaus-Orchester Leip zig unter Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy).
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Anton Felix Depauly: Franz Schubert (1827)
16
Franz Schubert:
Schubert: 8.
8. Symphonie
Symphonie C-Dur
C-Dur
Franz
15
Nie ein Mozart oder Haydn ?
Mit Pietät bewahrt
„Bei aller Bewunderung, die ich dem Teuren seit
Jahren schenke“, bekannte Schuberts Freund Josef von Spaun, „bin ich doch der Meinung, daß
wir in Instrumental- und Kirchenkompositionen
nie einen Mozart oder Haydn aus ihm machen werden, wogegen er im Liede unübertroffen dasteht.
Ich glaube daher, daß Schubert von seinem Biographen als Liederkompositeur aufgegriffen werden müsse.“ Lange Zeit hat sich die Nachwelt,
aus Unkenntnis, Gleichgültigkeit und Vorurteil,
dieser Auffassung angeschlossen und Franz Schubert als einen begnadeten Miniaturisten gewürdigt, um ihm zugleich die Berufung für die großen und traditionsreichen Formen abzusprechen.
Als Ende 1839 in Wien die ersten beiden Sätze
aus der C-Dur-Symphonie D 944 aufgeführt wurden, schob man zur Auflockerung eine Arie aus
„Lucia di Lammermoor“ dazwischen, und später
wurde in der Presse bemerkt, „es wäre besser
gewesen, dieses Werk ganz ruhen zu lassen“ !
Denn insbesondere die Bewertung der sechs frühen, im Zeitraum von 1813 bis 1818 entstandenen Symphonien Franz Schuberts neigte (im Grunde bis heute) zur Unterschätzung dieser Jugend werke. Johannes Brahms etwa, der in der Alten
Gesamtausgabe bei Breitkopf & Härtel die Symphonien-Bände betreute, erklärte im März 1884:
„Ich meine, derartige Arbeiten oder Vorarbeiten
sollten nicht veröffentlicht werden, sondern nur
mit Pietät bewahrt und vielleicht durch Abschriften Mehreren zugänglich gemacht werden. Eine
eigentliche und schönste Freude daran hat doch
nur der Künstler, der sie in ihrer Verborgenheit sieht
und – mit welcher Lust – studiert !“ Zugunsten
dieser merkwürdig paradoxen, wohlwollenden
Geringschätzung ließe sich immerhin ein berühmter Brief anführen, den Schubert am 31. März
1824 an den Maler Leopold Kupelwieser in Rom
richtete und in dem es heißt: „In Liedern habe
ich wenig Neues gemacht, dagegen versuchte
ich mich in mehreren Instrumental-Sachen, denn
ich componirte 2 Quartetten für Violinen, Viola
u. Violoncelle u. ein Octett, u. will noch ein Quartetto schreiben, überhaupt will ich mir auf diese
Art den Weg zur großen Sinfonie bahnen.“ Schuberts Mitteilung lässt sich nicht anders verstehen, als dass er, nachdem sich seine kompositorischen Ansprüche radikal gewandelt hatten,
den frühen Symphonien offenbar nicht einmal
mehr den Status von „Vorarbeiten“ zuerkannte:
Den Weg zur „großen Symphonie“ ebnen nicht
sie, seine ersten sechs Gattungsbeiträge, sondern die Streichquartette in a-Moll D 804 und
d-Moll D 810 und das Oktett in F-Dur D 803, mit
In jenen Gattungen, die der als „Liederfürst“ gefeierte Komponist selbst als das „Höchste“ betrachtet hatte, sollte ihm noch auf lange Sicht
die Anerkennung versagt bleiben. So dauerte es
Jahre und Jahrzehnte, ehe Schuberts Symphonien zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gespielt
wurden. Seine „Vierte“ in c-Moll beispielsweise
erlebte ihre Uraufführung am 19. November 1849,
an Schuberts 21. Todestag, in Leipzig. Seine 1. und
3. Symphonie fanden sogar erst 1881, im Rahmen
der von August Manns geleiteten ersten zyklischen Gesamtaufführung sämtlicher SchubertSymphonien im Londoner Crystal Palace, den
Weg in den Konzertsaal.
16
Franz
Franz Schubert:
Schubert: 8.
8. Symphonie
Symphonie C-Dur
C-Dur
denen der Instrumental-Komponist Schubert in
der Tat neue Maßstäbe gesetzt hatte.
1813 hieß es in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung, es sei „beynahe unmöglich,
noch etwas durchaus Neues“ auf dem Gebiet
der Symphonik zu schaffen: „Versuche, hierin
eine neue Bahn brechen zu wollen, möchten daher wol für jeden, der nicht an Genie und Kenntnis zugleich grösser ist, als jene Männer, (und
wer ist das jetzt ?), eben so schwierig, als gefährlich seyn. Es ist daher sehr natürlich, dass
neuere Componisten in diesem Fache, die nicht
von Dünkel und Sucht nach erkünstelter Originalität eingenommen sind, hierin der Bahn jener
trefflichen Vorbilder zu folgen suchen.“ Der jun ge Franz Schubert hat diesen Grundsatz ganz
selbstverständlich beachtet, und das Studium
der Kompositionen Haydns und Mozarts ist in
seinen frühen Symphonien nicht zu überhören –
wie sollte es auch anders sein ! Und doch fallen
zugleich die eigenen, charakteristischen, oft
schon unverwechselbaren Wesenszüge seiner
Musik auf, die auch in der „Bahn jener trefflichen Vorbilder“ niemals epigonal und unoriginell geriet.
Die Unvollendeten
Mit der „Sechsten“, die Schubert in einem letzten Akt der Unbefangenheit noch als „Große Sinfonie in C“ bezeichnet, reißt im Februar 1818 die
Serie der frühen Symphonien jäh ab: Schubert
gerät – wie zeitgleich auch bei seiner Auseinandersetzung mit dem Streichquartett und der Klaviersonate – in eine tiefe Schaffenskrise. Acht
Jahre müssen ins Land gehen, ehe es ihm wie-
17
der gelingt, mit seiner nun wahrhaft „Großen
Symphonie“ in C-Dur D 944 ein Werk dieser so
anspruchsvollen wie repräsentativen Gattung
zu einem Ende zu bringen. In der Zwischenzeit
schreibt er vier unvollendete Sympho nien, von
denen eine allerdings gleichwohl (oder vielleicht
gerade wegen ihres Torso-Charakters ?) seine
berühmteste geworden ist.
Schon im Mai 1818, also nur wenige Wochen
nach der „Sechsten“, skizziert Schubert zwei
Sätze einer D-Dur-Symphonie (D 615), ein „Allegro moderato“ mit einer harmonisch außergewöhnlich kühnen „Adagio“-Introduktion und
einen Satz im 2/4-Takt ohne Tempoangabe. Er
bricht dieses kompositorische Vorhaben bald ab,
nimmt aber im Frühsommer 1821 erneut eine
D-Dur-Symphonie (D 708 A) in Angriff, für die er
schon sämtliche Sätze weitgehend entworfen
hat, als er auch dieses Projekt wieder aufgibt,
um noch im August desselben Jahres mit der
Komposition einer Symphonie in E-Dur D 729 zu
beginnen. Schubert hat alle vier Sätze restlos
skizziert und die ersten 110 Takte des Kopfsatzes überdies auch schon instrumentiert (für die
größte Orchesterbesetzung unter allen seinen
Symphonien) – aber dann resigniert er doch wieder angesichts der offenbar noch übermächtigen Herausforderung. Über seine Beweggründe
ließe sich endlos spekulieren. Wahrscheinlich
war es der Entwurf zum Schlusssatz, der seiner
strengen bis destruktiven Selbstkritik nicht genügen konnte, und man darf vermuten, dass auch
seine nächste, die h-Moll-Symphonie D 759, unvollendet blieb, weil Schubert vergeblich nach
einer Idee, einer Konzeption für das Finale suchte: für ein Finale wohlgemerkt, das den ersten
18
Franz
Franz Schubert:
Schubert: 8.
8. Symphonie
Symphonie C-Dur
C-Dur
beiden, in jeder Hinsicht des Wortes vollendeten Sätzen angemessen wäre.
„Man muß Wien kennen…“
Am 31. März 1824, in seinem Brief an Leopold
Kupelwieser, kündigt Schubert nicht nur an, dass
er sich mit seinem Oktett und seinen Streichquartetten in a-Moll und d-Moll den „Weg zur
großen Sinfonie bahnen“ wolle; er spricht zugleich von einem ambitionierten Konzertprojekt:
„Das Neueste in Wien ist, daß Beethoven [am 7.
Mai 1824] ein Concert gibt, in welchem er seine
neue Sinfonie [Nr. 9 d-Moll op. 125], 3 Stücke
aus der neuen Messe [Kyrie, Credo und Agnus
Dei aus der Missa solemnis op. 123], u. eine
neue Ouverture [„Die Weihe des Hauses“ op.
124] produciren läßt. – Wenn Gott will, so bin
auch ich gesonnen, künftiges Jahr ein ähnliches
Concert zu geben.“ Dieser Plan blieb vorläufig
unrealisiert, und dennoch war, wie sich aus dem
Brief an Kupelwieser herauslesen lässt, die
„große Symphonie“ von Anfang an untrennbar
mit Schuberts Wunsch und Willen verknüpft,
sich als Komponist eines aufsehenerregenden
Werkes der Öffentlichkeit zu stellen. Insofern
wurde das künstlerische Glücks- und Hochgefühl, mit der 1825/26 entstandenen Symphonie in C-Dur im fünften Anlauf das angestrebte Hauptwerk großen Stils vollendet zu
haben, bald wieder von einer schweren Enttäuschung überschattet.
Schubert widmete die Symphonie der Wiener
Gesellschaft der Musikfreunde, die sich 1827
auch tatsächlich an eine Einstudierung wagte,
die Stimmen ausschreiben und die Komposition
bei den Orchesterübungen des Konservatoriums
probieren ließ – um schließlich doch von einer
öffentlichen Wiedergabe der Symphonie „wegen ihrer Länge und Schwierigkeit“ abzusehen.
Die Uraufführung fand dann überhaupt nicht in
Wien statt, sondern – unter der Leitung von Felix
Mendelssohn Bartholdy – am 21. März 1839 im
Leipziger Gewandhaus: über ein Jahrzehnt nach
Schuberts Tod. Bei dessen Bruder Ferdinand
hatte Robert Schumann die von den Wienern
gleichgültig vergessene C-Dur-Symphonie in
einer Abschrift vorgefunden, neben anderen ungehobenen Schätzen: „Der Reichthum, der hier
aufgehäuft lag“, berichtete Schumann, „machte
mich freudeschauernd; wo zuerst hingreifen, wo
aufhören ! Unter andern wies er [Ferdinand Schubert] mir die Partituren mehrer Symphonien, von
denen viele noch gar nicht gehört worden sind, ja
oft vorgenommen, als zu schwierig und schwülstig zurückgelegt wurden. Man muß Wien kennen,
die eigenen Concertverhältnisse, die Schwierigkeiten, die Mittel zu größeren Aufführungen zusammenzufügen, um es zu verzeihen, daß man
da, wo Schubert gelebt und gewirkt, außer seinen Liedern von seinen größeren Instrumentalwerken wenig oder gar nichts zu hören bekommt.
Wer weiß wie lange auch die Symphonie, von der
wir heute sprechen [D 944], verstäubt und im Dunkel liegen geblieben wäre, hätte ich mich nicht
bald mit Ferdinand Sch. verständigt, sie nach
Leipzig zu schicken.“
„Die ist Dir nicht zu beschreiben“
Die „Große C-Dur-Symphonie“: Wie einst für Schubert selbst wurde sie nun auch für Robert Schumann zu einem befreienden Erlebnis, war sie doch
19
Ferdinand Georg Waldmüller: Schubert beim Musizieren seiner Lieder zwischen Josephine Fröhlich und
Johann Michael Vogl (1827)
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Franz Schubert:
Schubert: 8.
8. Symphonie
Symphonie C-Dur
C-Dur
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der tönende Beweis, dass es nach und trotz Beethoven noch eine Symphonik eigenen Rechts geben konnte. „Die völlige Unabhängigkeit, in der
die Symphonie zu denen Beethoven’s steht, ist
ein anderes Zeichen ihres männlichen Ursprungs“,
urteilte Schumann in seiner Neuen Zeitschrift für
Musik. „Hier sehe man, wie richtig und weise
Schubert’s Genius sich offenbart. Die grotesken
Formen, die kühnen Verhältnisse nachzuahmen,
wie wir sie in Beethoven’s spätern Werken antreffen, vermeidet er im Bewußtsein seiner bescheideneren Kräfte; er gibt uns ein Werk in
anmuthvollster Form, und trotz dem in neu verschlungener Weise, nirgends zu weit vom Mittelpunct wegführend, immer wieder zu ihm zurückkehrend.“ Offener, persönlicher noch äußerte sich Schumann am 11. Dezember 1839, als
Mendelssohn das Werk zum zweiten Mal einstudierte, in einem Brief an Clara Wieck: „Heute
war ich selig. In der Probe wurde eine Symphonie von Franz Schubert gespielt. Wärst Du da
gewesen. Die ist Dir nicht zu beschreiben; das
sind Menschenstimmen, alle Instrumente, und
geistreich über die Maßen, und diese Ins trumentation trotz Beethoven – auch diese Länge, diese
himmlische Länge, wie ein Roman in vier Bänden,
länger als die 9te Symphonie. Ich war ganz glücklich, und wünschte nichts, als Du wärest meine
Frau und ich könnte auch solche Symphonien
schreiben.“ Beide Wünsche sollten sich, wie wir
wissen, schon bald erfüllen.
In seinen letzten Lebenswochen war Schubert
noch einmal mit Entwürfen für eine Symphonie in
D-Dur (D 936 A) beschäftigt. Aber sein Tod am
19. November 1828 beendete das kurze, dennoch
ertragreiche, jedenfalls unvergleichliche Kapitel,
das Franz Schubert in der Geschichte der sympho-
19
nischen Musik geschrieben hat. Am 14. Dezember 1828 wurde in einem Abonnementskonzert
der Gesellschaft der Musikfreunde erstmals eine
seiner Symphonien öffentlich gespielt: die „Sechste“, die „kleine“ C-Dur-Symphonie. Diese Aufführung war, wie die meisten im 19. Jahrhundert,
ein isoliertes Ereignis. Der „Liederkompositeur“
Schubert wurde zur Legende, der Symphoniker
aber blieb noch für Generationen eine unbekannte
Größe.
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Die über
Glosse
Richard Strauss
Franz Schubert
21
„Glücklicher Schubert !“
Richard Strauss
Ich sitze ahnungslos beim Frühstück, öffne ein
Telegramm: „Bitten Sie zur Neujahrsnummer
einen Artikel über Franz Schubert zu schreiben.
Neue Freie Presse.“
Ich bekam einen solchen Schreck, dass mir der
Artikel eines deutschen Jusprofessors im roten
„Tag“, der früher schon über die Fabrikation künstlichen Düngers, über deutsche Kunst in Neu-Guinea,
Der Beginn der C-Dur-Symphonie in Schuberts Handschrift
über die schädliche Einwirkung moderner Musik
auf die Sittlichkeit unserer braven Feldgrauen gekohlt hatte, zur Hälfte im Hals stecken blieb. Ein
Musiker soll über Musik schreiben ? Ja, seit wann
ist das üblich ? Erster Eindruck: die ehrenvolle Einladung der „Neuen Freien Presse“ wegen absoluter Unwürdigkeit ablehnen ! Dann mahnte die
Vernunft: der „Neuen Freien Presse“ ein Refus
geben ? Geht nicht. Das hieße eine schlimme
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Dieüber
Glosse
Richard Strauss
Franz Schubert
Kritik des Vaters Korngold1 bei der nächsten Direktion eines Wohltätigkeitskonzertes in Wien
heraufbeschwören.
Also drum einmal nachgedacht ! Bei näherem
Nachdenken kam mir die Erkenntnis, dass ich
über Franz Schubert überhaupt kaum jemals
ernstlich nachgedacht hatte. Wenn ich melodienhungrig war, hatte ich mir wohl so und so
oft ein Dutzend Schubert’scher Lieder durchgespielt, wenn ich mir einen besonderen Feiertag vergönnte, die C-Dur-Symphonie dirigiert.
À propos C-Dur-Symphonie ! Doch, über die hatte
ich einmal wirklich nachgedacht, als ich mir sagen musste, von dieser göttlich unbefangenen,
im ungehindertsten Erfinderleichtsinn geborenen
Suite stammen die ganzen modernen Musiziersymphonien Schumanns, Brahms’, Tschaikowskys,
Goldmarks, Bruckners ab – nicht von den neun Tondichtungen Beethovens, von welchen die direkte
Linie über den von der Zunft heute immer noch
unerkannten Franz Liszt bis zu meiner Wenigkeit
geht. Auch bei der „Wanderer-Phantasie“ machte
ich einmal nachdenklich halt, um die Erfindung
des Leitmotivs einer näheren Untersuchung zu
unterziehen, aber sonst – nachgedacht hatte ich
noch nicht über Schubert, wirklich nicht – nur
ihn angebetet, gespielt und gesungen und bewundert ! Ja beneidet: das ist’s !
Glücklicher Schubert ! Er konnte komponieren,
was er wollte, wozu ihn sein Genius trieb. Da
gab’s noch keine Kunstgelehrten, die bei jedem
Werke prophezeiten, wie die nächsten Werke
aussehen müssten. Oder die jedes neue Werk
mit vor zehn Jahren geschriebenen Werken, die
sie seinerzeit ebenso in Grund und Boden hinein
21
umstritten hatten, tot schlugen. Hat nicht Ihr
Hanslick 2 , der beim Erscheinen den „Lohengrin“
als bar jeglicher Melodie erklärt hatte, bei den
„Meistersingern“ erklärt, die große Erfindungskraft, die im „Lohengrin“ waltete, sei nunmehr
völlig versiegt ? Glücklicher Schubert ! Bei der
ersten Aufführung der C-Dur-Symphonie konnte
kein hochnäsiger Kritiker nach bloßem Durchlesen der Partitur das Werk zerschmettern, weil
die Partitur damals noch gar nicht gedruckt
war !
Anmerkungen:
1
Julius Korngold (1860–1945), Musikkritiker
der „Neuen Freien Presse“, Vater des Komponisten Erich Wolfgang Korngold (1897–1957).
2
Eduard Hanslick (1825–1904), Vorgänger von
Julius Korngold als Musikkritiker der „Neuen
Freien Presse“, erbitterter Gegner Richard
Wagners.
Aus dem Nachlass des Komponisten mitgeteilt
von Stephan Kohler
20
Die Künstler
Der
23
Zubin Mehta
Dirigent
Angeles Philharmonic Orchestra (1962–1978). 1977
wurde Zubin Mehta Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra, das ihn 1981 zum Music Director auf Lebenszeit ernannte, 1978 des New
York Philharmonic Orchestra, dem er insgesamt
13 Jahre als Music Director vorstand, und 1985
des Musikfestivals „Maggio Musicale Fiorentino“, wo er regelmäßig Opernproduktionen und
Konzerte dirigiert.
Sein Debüt als Operndirigent hatte Zubin Mehta
bereits 1964 in Montreal gegeben; seitdem dirigierte er u. a. an der Metropolitan Opera New
York, an der Wiener Staatsoper, am Londoner
Royal Opera House Covent Garden, am Mailänder
Teatro alla Scala und bei den Salzburger Festspielen. 1998 bis 2006 war Zubin Mehta Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, deren Ehrenmitglied er heute ist.
Zubin Mehta wurde 1936 in Bombay / Indien geboren und wuchs in einer musikalischen Familie
auf. Nach zwei Semestern Medizinstudium konzentrierte er sich ganz auf die Musik und nahm
bei Hans Swarowsky an der Wiener Musikhochschule Dirigierunterricht; in der Folge gewann er
den Dirigierwettbewerb von Liverpool und den
Sergej Koussewitzky-Wettbewerb in Tanglewood.
Im Alter von 25 Jahren hatte Zubin Mehta bereits
die Wiener und Berliner Philharmoniker dirigiert;
außerdem war er Music Director des Montreal
Symphony Orchestra (1961–1967) und des Los
Zubin Mehta trägt den „Arthur Nikisch-Ring“
und den Ehrenring der Wiener Philharmoniker;
in Würdigung seiner außerordentlichen Verdienste um die Münchner Philharmoniker ernannte ihn das Orchester 2004 zum ersten
Ehrendirigenten seiner Geschichte.
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Auftakt
Dirigenten
Die Kolumne von Elke Heidenreich
Meine erste Kolumne für diese Programmhefte schrieb ich vor genau zwei
Jahren über den Antritt von Lorin Maazel als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, und ich hörte sein grandioses Antrittskonzert mit Mahlers Symphonie Nr. 9. Was für ein Meister stand
da am Pult, und wie leuchtete das Orchester!
Nun ist Lorin Maazel im Juli gestorben und hinterlässt eine Lücke, die andere Dirigenten natürlich
füllen können, aber seinen ganz speziellen Stil,
seine immense Erfahrung kann so schnell keiner
ersetzen, denn jeder Dirigent ist einzigartig – darum haben wir ja alle unsere Vorlieben und Abneigungen bei diesem Thema. Das zeigt letztlich nur,
wie lebendig die Musikszene ist, was alles möglich
ist. „Um einem Missverständnis vorzubeugen: aus
der Spitze des Taktstockes ist noch nie ein Ton herausgekommen.“
Mit diesem Satz leitet der Musikkritiker Wolfgang
Schreiber sein Buch über Große Dirigenten ein.
Wenn aber aus dem Taktstock nichts herauskommt
– wie machen die das dann, fragt er. Hypnotisieren
sie das Orchester? Haben sie alles im Kopf und in
den Händen? Wozu das magische Stöckchen? Und
was genau ist das Geheimnis eines großen Dirigenten?
Dasselbe, was auch das Geheimnis aller großer
Komponisten, Maler, Schriftsteller ist: die Mischung aus Talent und Kraft, Charisma, Zielstrebigkeit, Fleiß, Disziplin. Zuallererst aber: Talent.
Und dann gibt es die Klangmagier, die Perfektionisten, die Genießer, es gibt die Exzentriker, die
Schweigsamen, die Kommunikationsgenies, die kleinen Diktatoren.
Der italienische Filmregisseur Federico Fellini, der Musik so liebte,
setzte dem Maestro in seinem Film
„Orchesterprobe“ von 1979 ein Denkmal und sagte augenzwinkernd:
„Hochgewachsen soll er sein, der
ideale Dirigent, bleich, schön, gebieterisch, geheimnisvoll, magnetisch, das Antlitz geprägt von
edlem Leid.“
Ein Dirigent wie Lorin Maazel, der dirigierte, seit
er 11 Jahre alt war, kannte alle Musik, und er kannte sie in allen denkbaren Variationen. Dazwischen
noch den eigenen Stil, das eigene Tempo, die eigene Handschrift zu finden, ist etwas, das ich
immer wieder zutiefst bewundere und auch an
ihm bewundert habe. Auch Toscanini, Sanderling,
Karajan standen oder saßen noch mit über 80
Jahren am Pult und leisteten Grandioses. Und
man kann den Stil einzelner Dirigenten noch so
sehr analysieren, ein Orchester noch so sehr unter die Lupe nehmen – letztlich ist das Zusammenwirken von Dirigent und Orchester ein Mysterium,
ein Rest unbegreiflicher Rätselhaftigkeit, die das
Glück der Zuhörer ausmacht.
Wir werden dieses großartige Orchester in dieser Saison unter fast dreißig verschiedenen Dirigenten erleben, von denen der älteste 1935 und der jüngste 1984
geboren wurde – und wir werden hören, wie bekannte Klänge sich verändern und verwandeln.
Auch Maazel hätte es so gewollt: dass wir der
Musik treu bleiben und auch offen gegenüber allen möglichen Interpretationen.
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Eine Broschüre mit den neuen Konzertprogrammen für die Spielzeit 2014/15 ist ab sofort in den
Auslagen im Foyer des Gasteigs erhältlich. Allen
Abonnenten wurde im Vorfeld der Saison eine
Broschüre mit den Programmen nach Abo-Reihen
zugeschickt. Sollten Sie kein Exemplar erhalten
haben, bedienen Sie sich bitte an den Auslagen
oder wenden Sie sich bitte an unser Abo-Büro.
Abschied (I)
Unsere Hornistin Maria Teiwes wechselt zu den
Bamberger Symphonikern und tritt dort die
Stelle als Solo-Hornistin an.
Abschied (II)
Barbara Kehrig hat die Stelle als Kontrafagottistin beim Konzerthausorchester Berlin gewonnen,
die sie zum Start der Saison 2014/15 antreten wird.
Herzlich willkommen (I)
Wir begrüßen bei den Philharmonikern Floris
Mijnders (Solo-Cello), Fora Baltacigil (Solo-Kontrabass), Teresa Zimmermann (Solo-Harfe) und
Mia Aselmeyer (Horn). Sie treten zum Beginn
der neuen Spielzeit ihre Stellen und das damit
verbundene Probejahr an. Ein Kurzportrait finden Sie auf den folgenden Seiten.
Herzlich willkommen (II)
Ebenso herzlich heißen wir Sigrid Berwanger,
Jiweon Moon und Laura Mead (2. Violinen),
Christa Jardine und Julie Risbet (Bratschen),
25
Johannes Hofbauer (Fagott) sowie Thiemo Besch
(Horn) willkommen. Sie haben einen Zeitvertrag
für die Saison 2014/15 erhalten.
Kampala, Uganda
Zu Gast in der Kampala Music School in Uganda.
Im August reisten zum ersten Mal Mitglieder des
Orchesters in die ugandische Hauptstadt Kampala, um dort mit Kindern und Musikern der Musikschule in Workshops gemeinsam zu musizieren und Konzerte zu geben. Die Eindrücke in
diesem tollen ostafrikanischen Land mit unglaublichen Menschen, die Shengni Guo, Traudl
Reich und Maria Teiwes dort erlebten, können
Sie in unserem Blog nachlesen bei facebook.
com/spielfeldklassik.
Fußball
Eine höchst unglückliche Niederlage beim Fußballspiel gegen das Team des Bayerischen Staatsorchesters musste der FC Philharmoniker verzeichnen. Stark ersatzgeschwächt – sechs
Stammkräfte mussten verletzungsbedingt kurzfristig absagen – und trotz drückender spielerischer Überlegenheit mit ansehnlichen Ballstaffetten nutzten selbst klarste Elfmeterchancen
nichts: das Spiel ging mit 0:1 verloren. Wir gratulieren dem Staatsorchester und freuen uns
auf das nächste Match. Wie es noch besser
geht, erlebten dann beide Mannschaften beim
WM-Viertelfinale Deutschland gegen Frankreich – das Spiel schauten sich alle in kollegialer Eintracht beim gemeinsamen Grillen an.
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Konzertübersicht 2014/15
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Philharmonische Notizen
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Wir begrüßen...
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Mia Aselmeyer
Teresa Zimmermann
Instrument: Horn
Instrument: Harfe
Mia Aselmeyer wuchs
in ihrem Geburtsort
Bonn auf und war
Jungstudentin an der
Kölner Musikhochschule bei Paul van Zelm.
Während des Studiums
an der Hochschule für
Musik und Theater in Hamburg bei Ab Koster
war sie Mitglied der Jungen Deutschen Philharmonie und Stipendiatin der Orchesterakademien des Schleswig-Holstein Musikfestivals und
der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Für die
vergangene Saison erhielt sie bereits einen Zeitvertrag bei den Münchner Philharmonikern, nach
ihrem erfolgreichem Probespiel tritt sie nun ihr
Probejahr zur festen Stelle an.
„Mit der Stelle bei den Münchner Philharmonikern erfüllt sich mir ein Lebenstraum. Ich bin gespannt darauf mit dem Orchester an die unterschiedlichsten Orte zu reisen und der Welt somit
die Stadt München ein Stück näher zu bringen“,
bekennt Mia Aselmeyer, die in ihrer Freizeit gerne München und das Umland entdeckt und ihre
Häkel- und Backtechniken verfeinert.
Teresa Zimmermann
erhielt ihren ersten
Harfenunterricht in
ihrer Heimatstadt Hannover mit sechs Jahren. 2008 schloss sie
ihr Studium bei Maria
Graf an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin mit Auszeichnung in der Solistenklasse ab. Sie erhielt
zahlreiche Preise und Auszeichnungen bei allen
bedeutenden internationalen Wettbewerben
für Harfe.
Seit Jahren konzertiert sie als Gast bei renommierten europäischen Orchestern und war seit
2013 Solo-Harfenistin des Philharmonia Orchestra London. Solokonzerte gab sie unter anderem
mit den Duisburger Philharmonikern, dem Warschauer Sinfonieorchester und dem Konzerthausorchester Berlin. 2011 wurde sie von ARTE
unter der Moderation von Rolando Villàzon für
die Sendung „Stars von morgen“ aufgenommen.
Seit Dezember 2011 unterrichtet sie als Dozentin
für Harfe eine Hauptfachklasse an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover.
„Ich habe noch nie in Süddeutschland gelebt
und bin gespannt, was mich erwartet“, erzählt
sie. „Als begeisterte Sportlerin freue ich mich
sehr auf die viele Natur und die gute Luft!“
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Fora Baltacigil
Floris Mijnders
Instrument: Bass
Instrument: Cello
Fora Baltacigil, geboren in Istanbul, erhielt
ab dem Alter von neun
Jahren Bass-Unterricht
von seinem Vater, dem
Solo-Kontrabassisten
des Istanbul State
Symphony Orchestra.
Später studierte er bis zum Jahr 2002 am Istanbul University Conservatory und erhielt 2006
sein künstlerisches Diplom am Curtis Institute
of Music in Philadelphia, wo er Schüler Hal Robinsons und Edgar Meyers war.
Fora Baltacigil war Mitglied der Berliner Philharmoniker und Solo-Bassist des Minnesota
Orchestra und des New York Philharmonic Orchestras. Als Solist spielte er mit dem Minnesota Orchestra John Harbisons „Concerto for Bass
Viol“ und trat zusammen mit seinem Bruder Efe,
dem Solo-Cellisten des Seattle Symphony Orchestras, mit den Berliner Philharmonikern unter
der Leitung von Sir Simon Rattle auf (Programm:
Giovanni Bottesinis „Grand Duo Concertante“).
Seine Freizeit verbringt Fora Baltacigil – wenn
er nicht gerade als Hobby-Koch am Herd steht
und neue Rezepte ausprobiert – gerne als begeisterter Segler und Taucher in bzw. auf dem
Wasser.
Floris Mijnders, geboren in Den Haag,
bekam als Achtjähriger den ersten Cellounterricht von seinem
Vater. Ab 1984 studierte er bei Jean Decroos am Royal Conservatory Den Haag. Während seines Studiums
spielte er im European Youth Orchestra und besuchte Meisterklassen bei Heinrich Schiff und
Mstislav Rostropovich.
Mijnders wurde 1990, kurz nach Studienende,
1. Solo-Cellist im Gelders Orkest in Arnhem.
Nicht viel später wechselte er in gleicher Position zum Radio Filharmonisch Orkest. Seit 2001
war er 1. Solo-Cellist des Rotterdam Philharmonic Orchestra und wurde als Solo-Cellist von
zahlreichen renommierten europäischen Orchestern eingeladen.
Als Solist trat er mit vielen europäischen Orchestern auf, unter anderem mehrmals mit dem Concertgebouw Orchestra Amsterdam und dem Radio Filharmonisch Orkest. Floris Mijnders ist
Professor für Violoncello am Sweelinck Concervatorium Amsterdam.
Neben der Musik ist Kochen Floris Mijnders Leidenschaft. Er freut sich auf die Zeit in München und
darauf, die schöne Natur Bayerns genießen und im
Winter Schlittschuhlaufen gehen zu können.
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Wir begrüßen...
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Über die Schulter geschaut
Im Dienste der Musik – die Notenarchivare
der Münchner Philharmoniker
Christian Beuke
Gefragt nach einem typigerne arbeiten die beiden
schen Arbeitstag, fällt ihre
Archivare für den EhrenAntwort kurz, prägnant und
dirigenten, Zubin Mehta.
mit einem Schmunzeln aus:
Denn pünktlicher als er ist
„Den gibt es nicht.“ Thomas
niemand. „Von ihm kommt
Lang und Georg Haider ardie Quinte mindestens drei
beiten seit zehn bzw. fünf
Monate vor der ersten ProJahren als Notenarchivare
be. Mehr als ausreichend
Zeit, damit wir die fertigen
bei den Münchner Philharmonikern. Vor allem sind sie
Stimmen pünktlich an die
dafür verantwortlich, dass Thomas Lang und Georg Haider (von links auf dem Foto) Orchestermusiker überdie Striche – die Auf- und arbeiten seit zehn bzw. fünf Jahren als Notenarchivare geben und sie die ProAbstriche der Streicher –
gramme vorbereiten könkorrekt in jede Stimme und nach den Wünschen des
nen. Unser Anspruch ist es, immer zwei bis drei
Dirigenten eingetragen sind. „Manche Maestri
Projekte voraus zu sein“, erläutert Georg Haider.
schicken uns eine sogenannte „Quinte“ – die ein„Treten Programmänderungen auf, hat die Aktualigerichteten Striche von je einer 1. und 2. Geige,
tät natürlich immer Vorrang.“
Bratsche, Cello und Bass“, erklärt Georg Haider.
Was sich auf den ersten Blick simpel anhört, ist
Durch ihre Hände wandern mitunter wahre Schätbei genauerem Hinsehen wesentlich komplexer.
ze. Gustavo Dudamel war sofort Feuer und Flamme
Jeder Maestro hat unterschiedliche Erwartungen:
als er hörte, dass es bei den Münchner Philharmoder eine bevorzugt das Notenmaterial eines benikern noch alte Noten gebe, die von Celibidache
stimmten Verlags, weil er mit diesen Noten schon
eingerichtet wurden und aus denen er dirigiert hat.
seit Jahren arbeitet. „Lorin Maazel hat dank seines
„Er fragte, ob er nach einer Probe kurz bei uns vorfotografischen Gedächtnisses sofort erkannt, ob es
bei kommen dürfe, um sich Partituren genauer an„sein“ Material war“, erinnert sich Thomas Lang.
zusehen“, berichtet Thomas Lang. „Fast eine Stun„Diese Stelle war doch bisher immer oben links auf
de war er da“ – eine Ausnahme, wie er gerne offen zugibt. „Mit offenem Mund hat er zugehört als
dieser Seite. Es ist ein wenig ungewohnt, wenn sie
auf einmal woanders auftaucht“, so der Kommentar
ich ihm sagte, dass die Münchner Philharmoniker
des Maestros. Andere Dirigenten sind dagegen
fast alle Orchesterwerke Richard Strauss’ vom
sehr an den neuesten Ausgaben interessiert, die
Komponisten selbst geschenkt bekommen haben.“
erst ganz frisch herausgekommen sind. Besonders
In der Tat eine absolute Besonderheit.
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Auch ein guter Draht zu den Musikern des Orchesters ist für Thomas Lang und Georg Haider selbstverständlich. Wünsche einzelner Kollegen werden
sofort erfüllt, sei es die Vergrößerung von Stimmen, das Übertragen kurzer Passagen in einen
anderen Notenschlüssel oder die Bereitstellung
von Stimmen auch mal früher als normalerweise
üblich. Wolfgang Berg, Bratscher und Erfinder des
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Odeonjugendorchesters, fragt regelmäßig für das
Patenorchester nach einer Quinte, damit die jungen Musiker die Striche in ihr gekauftes Material
übertragen können. Gleiches gilt für das Abonnentenorchester. Und unlesbare Stimmen, im letzten
Falle waren das zwei Soloviolinen, die in einem
Notensystem – „für das menschliche Auge kaum
mehr wahrnehmbar“ – zusammengefasst waren,
werden fein säuberlich getrennt neu notiert. Für
das beste künstlerische Ergebnis.
Georg Haider hat u.a. Komposition studiert. Bevor
er bei den Münchner Philharmonikern anfing, war
er als freischaffender Komponist tätig. Erst kürzlich
hat er mit einem außergewöhnlichen
Projekt von sich Reden gemacht: dem
Klangbuch „Der Dritte Mann“, nach
dem Roman von Orson Welles. Die
Musik für vier Zithern, Posaune und
Schlagzeug hat er ursprünglich für
ein Zitherfestival komponiert. Gemeinsam mit dem Sprecher Norbert
Gastell, mit verstellter Stimme als
Synchronstimme von Homer Simpson bekannt, ist ein Melodram entstanden, das der Mandelbaumverlag
herausgebracht hat. Deutschlandradio Kultur rezensiert: „Dieser „Dritte Mann“ ist kein
Futter für das Autoradio, kein Unterhaltungskrimi,
kein Auffrischen einer bereits bekannten Erzählung.
Georg Haiders „Der Dritte Mann – Orson Welles’
Schatten“ ist uneasy listening, faszinierend-verstörende Hörkunst, die bewusstes Hören erfordert.
Und nachdem man diesen Stoff mit anderen Ohren
gehört hat, wird man vermutlich auch den Film mit
anderen Augen sehen.“
Stets im Dienste der Musik eben.
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In der Regel aber wird das Notenmaterial eingekauft. Bedingung für den Erwerb ist, dass die Rechte der Komponisten an den Werken freigeworden
sind. In Deutschland ist das 70 Jahre nach dem Tod
des Komponisten der Fall. Richard Strauss zum
Beispiel ist also noch bis zum 1.1.2020 geschützt.
In Asien oder auch in Amerika gelten hingegen andere Regeln. So war in den USA bis vor kurzem
jedes Werk 50 Jahre nach dem Erscheinen des
jeweiligen Erstdrucks geschützt. Wann werden
welche Werke frei? Welche neuen Urtexte gibt es?
Fragen, die die beiden Archivare aus dem Stand beantworten können. Ein guter Draht zu den Musikverlagen ist dabei mehr als hilfreich, ja geradezu
Voraussetzung. Thomas Lang hat viele
Jahre in einem großen Notenverlag
gearbeitet, er kennt auch die andere
Seite bestens und hat schon die eine
oder andere kritische Situation still und
einvernehmlich gelöst. Vorher war er
als Dramaturg an verschiedenen Theatern in Deutschland tätig. Kein Wunder, dass seine große Liebe der Oper
gilt, genauer gesagt der unentdeckten
Oper. Mehr als 600 verschiedene Opern
hat er bereits gesehen, dafür reist er
durch ganz Deutschland, wann immer
es die Zeit zulässt. Besonders angetan ist er von
den zahlreichen Raritäten, die das Stadttheater Gießen schon seit Jahren ausgräbt.
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Über die Schulter geschaut
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Orchestergeschichte
Ein außergewöhnliches Konzert mit
Gustav Mahlers nachgelassenem Adagiosatz
Gabriele E. Meyer
Am 17. Dezember 1931 stellte der Konzertverein
in Verbindung mit der 1927 von Fritz Büchtger gegründeten „Vereinigung für zeitgenössische Musik“ vier für München ganz neue und „gegensätzliche“ Werke vor. Am Pult der Münchner Philharmoniker stand Hermann Scherchen, zeit seines
Lebens unbeirrbarer Förderer der neuen Musik und
Freund vieler Komponisten. Mit Feuereifer erarbeiteten die Musiker Gustav Mahlers Adagio aus dessen unvollendet gebliebener zehnten Symphonie
sowie Paul Hindemiths 1930 für das Bostoner Symphonieorchester komponierte „Konzertmusik für
Streichorchester und Bläser“ op. 50, Arthur Honeggers Symphonie Nr. 1 (1930) und Wladimir
Vogels „Zwei Orchester-Etüden“, ebenfalls aus
dem Jahre 1930.
Schon in der Ankündigung zu dem Konzert machten die „Münchner Neuesten Nachrichten“ auf die
schwierige musikgeschichtliche Stellung des damals noch kontrovers diskutierten österreichischen
Komponisten aufmerksam. „Mahler ist oft als einer
der Väter der sogenannten neuen Musik bezeichnet worden, wenn auch diese Beziehung sehr problematisch ist und man eher ihn als den Ausklang
der Romantik bezeichnen kann.“ Das Echo auf diesen Konzertabend aber war enorm, wobei gerade
Mahlers Adagiosatz den größten Eindruck hinterließ. So wurden die „innere Konzentration“ und
die „ergreifende Ausdruckskraft des breit in
schmerzlicher Schönheit hinströmenden Gesanges“ ebenso vermerkt wie die „Spannung weiter
Intervalle“. Ein anderer Rezensent sah den Satz
als „erschütternden Ausklang einer um die letzten Dinge wissenden Seele“. Interessant, notabene, ist hier auch der Hinweis auf Brucknersche
Gedankengänge. Es scheint, als ob die Logik des
Zerfalls, das musikalische Bild des Todes, das
Mahler hier komponiert hat, geradezu hervorragend getroffen wurde.
Wie nun Hermann Scherchen die Werke des ganzen Abends „musikalisch und geistig, aber auch
dirigiertechnisch vermittelt hat, war“, nach übereinstimmender Meinung, „wieder im höchsten
Grade bewunderungswürdig. Aber auch die Münchner Philharmoniker zeigten sich an diesem Abend
auf der vollen Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. Sie
spielten glänzend.“ Ein besonderes Lob erhielten
die Blechbläser, die wahrlich keinen leichten
Abend hatten. Der schönste Dank aber kam von
Scherchen selbst. In einem offenen Brief an die
Philharmoniker würdigte er deren großartigen
Einsatz. „Nicht nur, daß Sie ein exzeptionell
schwieriges Programm virtuos bewältigten, haben Sie auch vermocht, vier ganz gegensätzliche
Stile scharf profiliert darzustellen und dies auf
Grund von relativ knappster Probenarbeit. Ich habe bewundert, mit welch persönlichem Interesse
Sie sich schnell zu den Ihnen ganz fremden Werken in Beziehung zu bringen vermocht haben und
ich war glücklich und Ihnen restlos dankbar, daß
Ihr künstlerisches Verantwortungsgefühl es mir
ermöglicht hat, noch am Abend unmittelbar vorm
Konzert zu probieren und so in hohem Maße der
Kunst dienen zu können.“
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Ehrenamt in Kampala
Jutta Sistemich, über 10 Jahre tätig im „Spielfeld Klassik“-Team
und Gründerin des Mädchenheims SUNRISE HOME OF KAMPALA in Uganda
Uganda zählt zu den kinderreichsten,
ärmsten Ländern Afrikas. 2 Millionen
Waisen sind dort registriert, ca. die
Hälfte der Bevölkerung ist jünger als
16 Jahre. Für viele Kinder dort bedeutet dies keine vielversprechenden Zukunftsaussichten, wenig Hoffnung auf
eine gute Schulausbildung und ausreichende medizinische Versorgung.
Gleich bei meinem ersten Aufenthalt in Kampala im
April 2011 entstand die Idee, ein Heim für Mädchen
einzurichten, die dort ein neues zu Hause bekommen
und die Chance auf eine gute Ausbildung erhalten.
Im September 2012 gründete ich gemeinsam mit
meiner Tochter Viola und meiner Freundin Leilah
Nassozi (siehe Foto), das SUNRISE HOME OF KAMPALA, das heute 20 Kinder beherbergt. Unsere Projekte sollen vielen Kindern helfen – z.B. durch unsere Tanzgruppe, in der auch viele Kinder der Nachbarschaft mittanzen und einige Schulgelder von uns
erhalten. Oder die geplante Nähschule, um Bewohnern der Dorfgemeinschaft eine Ausbildungsmöglichkeit zu geben.
Da auch die klassische musikalische Förderung einen
Schwerpunkt bildet, lag es nahe, den Kontakt zur
Kampala Music School (KMS), dem Zentrum für klassische Musik und Jazz in Uganda, zu suchen und die
Idee der Kooperation anzuregen. Fred Kiggundu Musoke, Leiter der KMS, war direkt begeistert und so
entwickelten wir verschiedene Szenarien, von denen
wir den ersten Schritt im Juli diesen
Jahres realisierten.
Die Musikerinnen Traudel Reich, Maria
Teiwes und Shengni Guo reisten zusammen mit Simone Siwek, der Leiterin von
„Spielfeld Klassik“, nach Kampala.
Workshops mit Lehrern und Schülern
standen auf dem Programm, gemeinsames Musizieren und ein Konzert. Der gegenseitige
Austausch stand im Vordergrund, wobei Schüler und
Lehrer der Musikschule mit großer Begeisterung dabei waren. Natürlich sind die Gegebenheiten vor Ort
nicht mit denen in Deutschland zu vergleichen. Kurzfristige Änderungen von Plänen sind üblich und lange Wartezeiten keine Seltenheit. Dennoch: Dank
gutem Willen, Improvisationstalent und viel Enthusiasmus aller Beteiligten wurde der erste Besuch der
MPhil-Delegation ein voller Erfolg.
Wenn auch Sie unsere Arbeit unterstützen möchten
– Ihre Hilfe erreicht unsere Kinder direkt.
Alle wichtigen Informationen erhalten Sie unter
www.empologoma.org.
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Das letzte Wort hat...
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Sa. 01.11.2014, 19:00 2. Abo d
So. 02.11.2014, 11:00 1. Abo m
Mo. 03.11.2014, 20:00 1. Abo e5
Joseph Haydn
Symphonie Nr. 88 G-Dur Hob. I:88
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und
­O rchester Nr. 3 c-Moll op. 37
Konzert für Klavier und
Orchester Nr. 5 Es-Dur op. 73
Vorschau
Mo. 10.11.2014, 20:00 2. Abo f
Mi. 12.11.2014, 20:00 2. Abo a
Ottorino Respighi
„Fontane di Roma“
Ludwig van Beethoven
Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21
Do. 13.11.2014, 19:00 1. JuKo
Ludwig van Beethoven
Symphonie Nr. 1 C-Dur op. 21
Claude Debussy
„Images“
Alan Gilbert, Dirigent
Claude Debussy
„Images“
Alan Gilbert, Dirigent
Thomas Dausgaard, Dirigent
Leif Ove Andsnes, Klavier
Impressum
Herausgeber
Direktion der Münchner
­P hilharmoniker
Paul Müller, Intendant
Kellerstraße 4,
81667 München
Lektorat: Stephan Kohler
Corporate Design:
Graphik: dm druckmedien
gmbh, München
Druck: Color Offset GmbH,
Geretsrieder Str. 10,
81379 München
Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix
zertifiziertem Papier der Sorte
LuxoArt Samt.
Textnachweise
Susanne Stähr, Peter Andraschke,
Wolfgang Stähr, Elke Heidenreich, Christian Beuke, Gabriele
E. Meyer und Jutta Sistemich
schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte
der Münchner Philharmoniker.
Stephan Kohler verfasste die
lexikalischen Angaben und Kurzkommentare zu den aufgeführten Werken und redigierte die
Schubert-Glosse aus dem Nachlass von Richard Strauss. Künstlerbiographie Mehta: Agenturtext.
Alle Rechte bei den Autorinnen
und Autoren; jeder Nachdruck
ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig.
Bildnachweise
Abbildungen zu Franz Schubert:
Joseph Wechsberg, Schubert
– Sein Leben, sein Werk, seine
Zeit, München 1978; Cedric
Dumont, Franz Schubert –
Wan­derer zwischen den Zeiten,
Braunschweig 1978; Ernst Hilmar,
Schubert, Akademische Druckund Verlagsanstalt, Graz 1989.
Künstlerphotographien: Wilfried
Hösl (Mehta); Leonie von Kleist
(Heidenreich); Privat (Aselmeyer,
Zimmermann, Baltacigil, Mijnders); Simone Siwek (Sistemich).
Thomas Dausgaard
Dirigent
Leif Ove Andsnes
Klavier
Joseph Haydn
Symphonie Nr. 88 G-Dur
Hob. I:88
Samstag, 01.11.2014, 19 Uhr
Sonntag, 02.11.2014, 11 Uhr
Montag, 03.11.2014, 20 Uhr
Ludwig van Beethoven
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll
op. 37
Philharmonie im Gasteig
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur
op. 73
Karten € 61 / 51,50 / 45 / 36,90 / 31,20 / 18,10 / 12,30
Informationen und Karten über München Ticket
KlassikLine 089 / 54 81 81 400 und unter mphil.de
117. Spielzeit seit der Gründung 1893
Valery Gergiev, Chefdirigent (ab 2015/2016)
Paul Müller, Intendant
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