Externalitäten, öffentliche Güter Vorlesung Mikroökonomik 30.1.2006 Annahmen bei vollkommenem Wettbewerb Unternehmen nehmen Marktpreis als vorgegeben. Viele Anbieter. Markteintritt möglich. Keine Externalitäten. Alle Kosten bei Produktion und Konsum sind berücksichtigt. Privates Gut Gut kann nur von Käufer konsumiert werden. Rationalität. Anbieter und Nachfrager sind in der Lage zu verstehen, was die beste Entscheidung für sie wäre - und sie treffen diese Entscheidung. Perfekte Information Die Nachfrager kennen Marktpreis und Qualität der Güter, die sie kaufen. 1 Externalitäten O O O O Im Marktmodell beeinflussen sich die Wirtschaftssubjekte über die Preise. · Wenn die Chinesen mehr Benzin nachfragen, steigen die Benzinpreise für alle Benzinkäufer. Externalitäten sind Auswirkungen von ökonomischen Handlungen, die nicht im Marktmodell erscheinen. positive Externalität · wenn jemand etwas erhält, ohne dafür zahlen zu müssen negative Externalität · wenn jemand geschädigt wird, ohne dafür kompensiert zu werden · soziale Kosten ≠ bezahlte Kosten Beispiel: Alkoholkonsum (negative Konsumexternalität) Grenzkosten der Alkoholproduktion PAlkohol Grenznutzen des Alkoholkonsums 14 Nachfrage 12 Angebot 10 Marktoptimum 8 6 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Alkohol 2 Beispiel: Alkoholkonsum Aber: die sozialen Kosten des Alkoholkonsums (Unfälle, PAlkohol Gesundheit ...) werden nicht 14 dargestellt. Die soziale Nachfragekurve liegt tiefer: · Weil die negativen Nutzen von den positiven abgezogen werden. · Weil die Alkoholtrinker weniger konsumieren würden, wenn sie Geschädigten kompensieren müssten. 12 Nachfrage Angebot 10 Marktoptimum 8 6 soziale Kosten 5 4 soziale Nachfrage 2 0 2 3 4 0 6 soziales Optimum Beispiel: Lastwagentransport (negative Produktionsexternalität) 8 10 12 14 Alkohol PL-Transport 14 Angebot 12 10 8 Nachfrage 6 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km Soziale Kosten Negative Externalitäten: Abgase, Lärm, Verkehrsstau, Unfälle ... 4 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km 3 PL-Transport Beispiel: Angebot bei Steuer 14 Lastwagentransport (negative Produktionsexternalität) Angebot 12 3 10 8 Nachfrage 6 4 2 Entschädigung durch Transfer Steuereinnahmen 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km Soziale Kosten 4 3 2 0 0 2 4 PL-Transport Beispiel: 6 8 10 14 Angebot bei Steuer 14 Lastwagentransport (negative Produktionsexternalität) 12 Lastwagentransport Mrd.t/km Angebot 12 3 10 8 Nachfrage 6 Gesellschaftliche Grenznutzen = Private Grenzkosten 4 Internalisierungsgewinn 2 Marktoptimum 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km Soziale Kosten Die Lastwagen produzieren weniger Abgase und die Transportunternehmer zahlen einen Preis dafür. 4 3 2 0 0 2 4 6 8 10 12 14 Lastwagentransport Mrd.t/km 4 Begrenzung und Internalisierung von Externalitäten O O O Regulierung: der Staat legt fest wie viel Schadstoffe ausgestossen werden dürfen · oft der einfachste Weg negative Externalitäten zu beschränken Pigou-Steuer = Steuer, die auf die Internalisierung einer negativen Externalität zielt · Beispiele: Benzin, Alkohol, Tabak, Abwasser · Vorteil: ökonomischer Anreiz Verschmutzung zu verringern Fusion der Verursacher mit den Geschädigten (oder Begünstigten · z.B. wasserverschmutzende Papierfabrik und Fischereibetrieb Ökonomische Handlungsanweisung: Internalisierung von Externalitäten O O O O Regulierung: der Staat legt fest wieviel Schadstoff ausgestossen werden darf · oft einfachster Weg, negative Externalität zu beschränken Pigou-Steuer = Steuer, die auf die Internalisierung einer negativen Externalität zielt · Beispiele: Benzin, Alkohol, Tabak, Abwasser · Vorteil: ökonomischer Anreiz Verschmutzung zu verringern Patente: Beispiel für die Internalisierung positiver Effekte von Forschung und Entwicklung Fusion der Verursacher mit den Geschädigten (oder Begünstigten · z.B. Papierfabrik und Fischereibetrieb · z.B. Imker mit Fruchtbaumplantage 5 Öffentliche Güter O Güter von deren Konsum niemand ausgeschlossen werden kann und bei denen keine Rivalität im Konsum besteht. O Problem: Solche Güter werden bei vollkommener Konkurrenz möglicherweise nicht produziert. Ausschliessbarkeit NEIN JA JA Rivalität NEIN Private Güter O Kleidung O Auto Beispiele für Güter natürlicher Monopole O O Kabelfernsehen Autobahn (?) Öffentliche Ressourcen O Fisch im Ozean Öffentliche Güter O Armee (?) O Wissen O Raumplanung 6 Wieso führen öffentliche Güter zu Marktversagen? Einzelne Konsumenten können das öffentliche Gut konsumieren, ohne etwas dafür zu bezahlen. O O Es ist technisch nicht möglich (oder zu teuer), potentielle Nutzer vom Konsum auszuschliessen. Sie sind “Trittbrettfahrer”. Beispiel: Bau einer Strasse zu 2 Häusern 1 2 PStrasse 600 Hausbesitzer 1 und 2 verfügen je über 500 Fr. Hausbesitzer 1 und 2 sind jeweils für sich bereit, 300 für die Strasse zu zahlen. 400 Kosten einer Strasse ist 400 Fr. Reservationspreis 1 Reservationspreis 2 200 0 7 zur Verfügung: 500 Fr. Preis der Strasse: 400 Fr. “Reservationspreis” (=Nutzen) 300 Fr. Wenn Hausbesitzer 1 die Strasse baut, kann er den anderen nicht daran hindern, sie ebenfalls zu gebrauchen. Hausbesitzer 1 hat dann einen Gesamtnutzen von 300 (Nutzen der Strasse) + 100 (Einkommen 500 - Kosten 400) lohnt sich nicht ! = 400 Hausbesitzer 2 hat dann einen Gesamtnutzen von 300 (Nutzen der Strasse) + 500 (Einkommen 500) = 800 Gefangenendilemma: Die Tat gestehen oder nicht oder nicht? Soll ich gestehen? meine Strafe NEIN Strafe für meinen Komplizen nach 2 Tagen frei NEIN Wird mein Komplize gestehen? JA nach 2 Tagen frei 3 Monate Gefängnis sofort frei JA sofort frei 3 Monate Gefängnis 2 Monate Gefängnis 2 Monate Gefängnis 8 1 2 Hausbesitzer 1 Nutzen Hausbesitzer 1 Nutzen Hausbesitzer 2 zahlen Hausbesitzer 2 nicht zahlen zahlen nicht zahlen 600 600 800 400 400 800 500 500 Beispiel: 8 Häuser und ein unbebautes Grundstück 9 Grundstücke 8 Einfamilienhäuser Marktpreis der Einfamilienhäuser 1000 mit Aussicht 800 ohne Aussicht 400 Keine der acht Hausbesitzer wird das Grundstück kaufen. 9 Beispiel: ein unbebautes Grundstück Mögliche Lösungen 1. Nur wenn alle zustimmen, wird das Grundstück gekauft. 2. Eine einzige Besitzerin für alle neun Grundstücke. 3. Die Gemeinde erhebt eine Steuer und kauft das Grundstück. Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer Mitglieder Auto Partei 0 Mitglieder TCS UmweltschützerInnen 10 Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer sozialer Grenznutzen = vertikale Summe der Nachfragekurven Mitglieder Auto Partei Mitglieder TCS 0 UmweltschützerInnen Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer sozialer Grenznutzen Grenzkosten Autobahn Mitglieder Auto Partei 0 Mitglieder TCS UmweltschützerInnen 11 Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer Soziale Grenznutzen = Grenzkosten sozialer Grenznutzen Grenzkosten Autobahn Mitglieder Auto Partei Mitglieder TCS 0 Einstimmigkeit ohne Entschädigung UmweltschützerInnen Beispiel: Wie viele Kilometer Autobahn braucht die Schweiz? Grenznutzen Autobahnkilometer sozialer Grenznutzen Grenzkosten Autobahn Mitglieder Auto Partei 0 Mitglieder TCS UmweltschützerInnen 12 Marktversagen durch Informationsasymmetrie O O Beispiel Gebrauchtwagenmarkt („lemons“ market) · Fahrzeuge gleichen Alters und Kilometerstands befinden sich in unterschiedlichem Zustand · Nur der Verkäufer kennt den wahren Zustand seines Wagens · Bei einem am Durchschnitt ausgerichteten Preis werden keine überdurchschnittlich erhaltenen Wagen angeboten, sondern vor allem solche mit versteckten Mängeln. · Da die potentiellen Käufer dies wissen, gibt es keinen funktionierenden Markt für gute Gebrauchtwagen Andere Beispiele: · Kreditmarkt · Versicherungsmarkt · Arbeitsmarkt Negative Auslese und Moral Hazard Beispiel Versicherungsmarkt: Würde eine Versicherung gegen Lawinenschäden in unterschiedlichen Regionen mit eine gleich hoher Prämie angeboten, fände sie in engen Tälern reissenden Absatz, würde aber in flachen Regionen überhaupt nicht nachgefragt → negative Auslese (adverse Selektion) Wer eine Diebstahlversicherung hat, wird weniger in Alarmanlagen oder einen Wachdienst investieren, als jemand ohne eine solche Versicherung. Folge dieses Verhaltens ist, dass es wegen der Versicherung zu mehr Schadensfällen kommt → Moral Hazard Beispiele für Gegenmassnahmen: Signale (Zertifikate), Zwangsmitgliedschaften, Vertrauensbildung 13 Rationales Verhalten ? O O Unsere Erfahrung und empirische Studien zeigen, dass sich Haushalte und Unternehmen oft nicht in dem Sinne rational verhalten, wie wir es in den ökonomischen Modelle annehmen (Nutzen und Gewinn maximieren). Wirkliche Menschen sind Gemeinschaftswesen und keine Optimierungsrechner. · individualpsychologische Faktoren · soziale Komponente der menschlichen Natur · unsichere Informationen · beschränkte Informationsverarbeitungskapazität Begrenzte Rationalität O Die Welt ist zu komplex und die Menge der Informationen zu gross. Wir können keine optimalen, sondern nur befriedigende Entscheidungen treffen. (Herbert Simon) 14 Typische systematische Fehler O O O Zu viel Selbstvertrauen in eigene Fähigkeiten (z. B. an den Aktienbörsen) Zu grosses Gewicht für direkte und lebendige Erfahrungen Bestehende Meinungen sind schwer zu ändern Typische systematische Fehler: „sunk costs“ beeinflussen Entscheidungen O O Wetter ist schön, und ich möchte eigentlich an den See. Trotzdem gehe ins Kino, weil ich die Karten schon gekauft habe. Wohne in Zürich und habe Tickets für ein Konzert in Basel. Es herrscht aber ein Schneesturm. · Was mache ich, wenn ich die Tickets gekauft habe? · Wenn ich sie geschenkt bekommen habe? 15 Typische systematische Fehler: Berechnung von Wahrscheinlichkeiten O O Wir wissen: David ist · entweder Bibliothekar oder Handelsvertreter · schüchtern · 80% der Bibliothekare, aber nur 20% der Handelsvertreter sind schüchtern Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Bibliothekar ist? 8 schüchterne Bibliothekare 18 schüchterne Handelvertreter 72 nicht schüchterne Handelsvertreter 2 nicht schüchterne Bibliothekare Hier: rund 30% Gerechtigkeit ist wichtig O O Experiment „Ultimatum Spiel“: · Zwei Teilnehmer können bei einem Spiel gemeinsam 100 Fr. gewinnen. · Einer der beiden wird zufällig als Diktator ausgewählt: Er darf die Aufteilung zwischen sich und dem anderen Spieler wählen. · Der andere Spieler kann nur annehmen oder ablehnen. Wenn er ablehnt, ist das Spiel zu Ende und niemand gewinnt. Wenn der Diktator nur 1 Fr. anbietet und 99 Fr. für sich behält, wäre es trotzdem rational anzunehmen (besser als gar nichts). · Aber viele nehmen 1 Fr. nicht an. 16 Marktversagen im Immobilienhandel O Sie geben einem Immobiliemakler den Auftrag ihr Haus zu verkaufen. · Sie wollen das Haus zu einem möglichst hohen Preis verkaufen. · Der Makler bekommt eine Kommission von 5% auf dem Verkaufspreis. · Wird er tatsächlich versuchen, ihr Haus zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen? Marktversagen im Immobilienhandel O O Informationsprobleme: · Der Händler kennt den Immobilienmarkt besser als Sie. · Sie wissen nicht, wie sehr sich der Makler bemüht, ihr Haus zu einem möglichst hohen Preis zu verkaufen. Anreiz-Problem: · Wenn Sie dem Makler den Auftrag gegeben haben, wird er versuchen das Haus möglichst schnell zu verkaufen. · Sein Grenzertrag (zusätzliche Kommission durch höheren Verkaufspreis) ist oft kleiner als seine Grenzkosten (zusätzlicher Zeitaufwand um einen Käufer zu finden, der den höheren Verkaufspreis zahlt). 17 Marktversagen im Immobilienhandel O O Beispiel: · Es ist relativ einfach das Haus für 400‘000 zu verkaufen (Kommission = 20‘000). · Es ist aufwendiger (Inserate, Zeit) eine Käufer zu finden, der 420‘000 zahlt (Kommission = 21‘000). · Der Grenzaufwand ist oft grösser als die Grenzkommission von 1‘000. Empirischer Test: Chicago (Syverson and Levitt, 2005) · Immobilienmakler verkaufen eigene Häuser im Durchschnitt um 3% teurer als die Häuser ihrer Kunden. · Eigene Häuser sind 10 Tage länger auf dem Markt. 18