Hans Werner Henze zum Gedenken Sonntag 11. November 2012 20:00 12631_KM_11-11-12_e.indd U1 09.11.12 12:10 Bitte beachten Sie: Ihr Husten stört Besucher und Künstler. Wir halten daher für Sie an den Garderoben Ricola-Kräuterbonbons bereit und händigen Ihnen Stofftaschentücher des Hauses Franz Sauer aus. Sollten Sie elektronische Geräte, insbesondere Handys, bei sich haben: Bitte schalten Sie diese zur Vermeidung akustischer Störungen aus. Wir bitten um Ihr Verständnis, dass Bild- und Tonaufnahmen aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet sind. Wenn Sie einmal zu spät zum Konzert kommen sollten, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir Sie nicht sofort einlassen können. Wir bemühen uns, Ihnen so schnell wie möglich Zugang zum Konzertsaal zu gewähren. Ihre Plätze können Sie spätestens in der Pause einnehmen. Sollten Sie einmal das Konzert nicht bis zum Ende hören können, helfen wir Ihnen gern bei der Auswahl geeigneter Plätze, von denen Sie den Saal störungsfrei (auch für andere Konzertbesucher) und ohne Verzögerung verlassen können. Mit dem Kauf der Eintrittskarte erklären Sie sich damit einverstanden, dass ihr Bild möglicherweise im Fernsehen oder in anderen Medien ausgestrahlt wird oder auf Fotos in Medienveröffentlichungen erscheint. 12631_KM_11-11-12_e.indd U2 09.11.12 12:10 Hans Werner Henze zum Gedenken Ueli Wiget Klavier Håkan Hardenberger Trompete Ensemble Modern Markus Stenz Dirigent Sonntag 11. November 2012 20:00 Keine Pause Ende gegen 21:25 Diese Veranstaltung ist das offizielle Gedenkkonzert des Landes Nordrhein-Westfalen und der Kunststiftung NRW. KölnMusik gemeinsam mit der Stadt Köln, dem Westdeutschen Rundfunk, der Hochschule für Musik und Tanz Köln und dem Ensemble Modern Das Konzert im Radio: Montag 12. November 2012 WDR 3, 20:05 12631_KM_11-11-12_e.indd 1 09.11.12 12:10 Hans Werner Henze im Jahr 1996 in der Kölner Philharmonie 2 12631_KM_11-11-12_e.indd 2 09.11.12 12:10 PROGRAMM Hans Werner Henze 1926 – 2012 Requiem (1990 – 92) Neun geistliche Konzerte für Klavier solo, konzertierende Trompete und großes Kammerorchester Introitus Dies irae Ave verum Lux aeterna Rex tremendae Agnus Dei Tuba mirum Lacrimosa Sanctus Die Gesamtfassung des Requiems wurde von den Interpreten des heutigen Abends im Februar 1993 im Rahmen des WDR-Konzerts »Musik der Zeit« in der Kölner Philharmonie uraufgeführt. 3 12631_KM_11-11-12_e.indd 3 09.11.12 12:10 Hans Werner Henze über sein Requiem Anfang 1990 begann ich mit der Komposition dieses Instrumentalwerks, indem ich Introitus: Requiem schrieb, das in London in einem Gedenkkonzert für Michael Vyner am 6. Mai 1990 im Royal Opera House, Covent Garden, durch die London Sinfonietta unter Leitung von Oliver Knussen und mit Paul Crossley am Klavier aufgeführt werden sollte. Michael Vyner war jahrzehntelang künstlerischer Leiter der London Sinfonietta. Seiner Musikalität, seinem Professionalismus, seiner Energie und seinem Organisationstalent ist es zu verdanken, dass die London Sinfonietta in den letzten Jahrzehnten zu einem hervorragenden, aus dem internationalen Musikleben nicht mehr wegzudenkenden Ensemble geworden ist, und zu einem Zentrum, einer Heimstätte für junge Talente und neue Ideen. Ich persönlich hatte seit den frühen sechziger Jahren einen innigen Kontakt mit Michael Vyner. Wenn immer ich nach London kam, sah ich ihn, wir musizierten zusammen, ich schrieb für seine »band«, wir diskutierten, wir stritten uns um Dinge der heutigen Musikästhetik und oft genug auch über Politisches. Michael nahm Anteil an meinen Entdeckungsreisen, meinen Sorgen und Problemen, meinen Niederlagen und Eroberungen, wir litten und freuten uns gemeinsam. So gehöre ich also zu den Leuten, die von Michaels frühem Tod – er starb am 19. Oktober 1989 – besonders schmerzlich getroffen worden sind. Statt eines abendfüllenden Instrumentalwerks mit dem Titel Requiem hätte ich eigentlich eine 8. Sinfonie für die London Sinfonietta schreiben sollen, aber die Dinge haben sich anders entwickelt als von uns vorgesehen. Die neun Instrumentalstücke, die nun statt einer Sinfonie vorliegen, sprechen von den Ängsten und Nöten der Menschen dieser Zeit, von Krankheit und Tod, von der Liebe und von der Einsamkeit, und besonders von dem so überaus lebhaften und leidenschaftlichen Menschen Michael Vyner, seinem Leben und seinem Sterben, und von meiner Trauer über seinen Verlust, der hier auch für den Verlust der vielen anderen steht, die ebenfalls in dieser Zeit tragisch und leidvoll aus unserer Welt gegangen sind. 4 12631_KM_11-11-12_e.indd 4 09.11.12 12:10 Die Gemütsverfassung dieser Musik erklärt sich aus solcher Wirklichkeit, aus unserer Gegenwart, und erscheint mir stark von dieser beeinflusst, von ihren Schrecknissen und Passionen, von ihren Schönheiten und ihrer Dynamik. Vor 40 Jahren schrieb ich einmal für die von Boulez organisierten Konzerte im Pariser Théâtre Marigny ein kleines Concerto für Klavier und eine Gruppe von Instrumenten. Es war nur ein Fragment. Immer wieder einmal hatte ich mich später daranmachen wollen, das Stück wieder vorzunehmen und zu Ende zu schreiben. Im Introitus des vorliegenden Requiems erscheint nun endlich die Marigny-Musik wieder, in verwandter Gestalt, um in den nachfolgenden geistlichen Konzerten in immer neuen Zusammenhängen endgültig aufgefaltet, durchgeführt und entwickelt zu werden. 5 12631_KM_11-11-12_e.indd 5 09.11.12 12:10 Zu Hans Werner Henzes Requiem Es war der 24. Februar 1993, der Aschermittwoch des Jahres, als in der Kölner Philharmonie innerhalb der WDR-Konzertreihe »Musik der Zeit« das Requiem von Hans Werner Henze uraufgeführt wurde. Genauer: die Premiere der Gesamtfassung des Werkes inklusive der Erstaufführung des Tuba mirum, dem siebten Teil der Neun geistlichen Konzerte, wie Henze sein etwas länger als eine Stunde dauerndes Requiem im Untertitel benannt hat. Die anderen acht Sätze wurden als Einzelwerke bereits in denen Jahren 1990 und 1991 in London und in Tokyo uraufgeführt, dirigiert von Oliver Knussen oder von Henze selbst. Die Kölner Gesamturaufführung mit dem Ensemble Modern dirigierte indes Ingo Metzmacher, die beiden Solisten waren die Solisten des heutigen Abends, der Pianist Ueli Wiget und der Trompeter Håkan Hardenberger. Und das Konzert in der Philharmonie bildete ein bedeutsames gesellschaftliches Ereignis, die großen Tageszeitungen schickten ihre Kritiker und selbst der lokale Boulevard berichtete davon, auch – das blieb in der Presse nicht unerwähnt –, dass der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker und seine Gattin zugegen waren, um Henzes Trauermusik beizuwohnen. Die Aufführung selbst war außerdem ein Erfolg, jedenfalls applaudierte ein großer Teil des Publikums überaus begeistert. Das Feuilleton gab sich teils etwas zurückhaltender, mithin ein wenig verschnupft, aber doch rundweg anerkennend. Leicht machte es der damals 66-jährige Hans Werner Henze, der nun selbst dieser Tage im Alter von 86 Jahren in Dresden gestorben ist, seinem Publikum mit dem Anfang 1990 begonnenen Requiem nicht. Einerseits. Das Werk kommt ganz ohne Text aus, es wird weder gesungen noch rezitiert. Alle Botschaften sind ganz und gar dem großbesetzten Ensemble sowie dem Klavier- und dem Trompetenpart anvertraut – eine instrumentale Trauermusik, die auf die rhetorischen Potentiale des Nichtsagbaren vertraut. Andererseits: Seine Musik, die nie nur auf Strukturen baut, sondern Narratives auch in textfreie, bühnenlose Klanggeschehen zu übertragen sucht, ein, so Henze selbst, »imaginäres Theater« evozieren will, ein Theater, das beim Zuhören im Kopf des Publikums entstehen soll, schafft eine unmittelbare Erfahrbarkeit, ein pures Erlebnis, das mehr als sich selbst nicht benötigt. Natürlich, das wusste der erfahrene Musiktheaterkomponist Henze ganz genau, öffnet die reine Instrumentalmusik, 6 12631_KM_11-11-12_e.indd 6 09.11.12 12:10 1995 ob absolut, autonom oder angewandt, den Assoziationen Tor und Tür. Da hilft der Titel Requiem zwar etwas, jeder wird nun nach Trauer und Totenklage, nach Grabmal und Stele, nach Erinnerungen und Gedenken akustisch Ausschau halten; er wird auch fündig werden. Denn tatsächlich hat Henze das Werk auch begonnen, um den Tod eines Freundes, des 1989 an Aids verstorbenen Michael Vyner, des langjährigen künstlerischen Leiters der London Sinfonietta und Förderers von Henzes Musik in Großbritannien, musikalisch zu beklagen. Nur die Kommunikation durch Klänge, zudem die Loslösung vom Grundschema der katholischen Totenmesse zugunsten eines freien Umgangs mit der jahrhundertealten Tradition und ihre Ausprägungen durch andere Große der zurückliegenden Musikgeschichte, war ihm das geeignete Mittel, um sein Bedauern, sein Leid, seine Trauer, seine Traurigkeit adäquat, mit dem ihm eigenen Musikmitteln auszudrücken. Und auch seinen Mut, seine Hoffnung, 7 12631_KM_11-11-12_e.indd 7 09.11.12 12:10 seine Zuversicht. Und das nicht als Klangmetaphysik eines religiösen Menschen, sondern als klangvolle, vielfarbige Setzung eines bekennend atheistischen Humanisten und Sozialisten, die auch Schimmer und Lichtfunken sowie Versöhnliches enthält. »Es ist ja nicht ein orthodoxes Requiem«, sagte Henze im Umfeld der Kölner Premiere im Gespräch mit Michael Struck-Schloen, »es ist ein weltliches Requiem und hat auch sehr viel mit unserer heutigen Wirklichkeit zu tun.« Und so hat Henze zu jedem der neun Teile seines umfangreichen Instrumentalwerkes, dessen Formstruktur von der katholischen Liturgie abweicht, selbst eigene Assoziationen in die einzelnen Stücke gelegt, sich von Naturerfahrungen, Selbstreflexionen inspirieren lassen und sie verarbeitet, handwerklich geschickt, mit größtenteils durchaus vertrauten Klangrede-Codes der Musikgeschichte durchwoben, artikuliert. Aber auch zu Beginn der neunziger Jahre virulente weltpolitische Geschehnisse integrierte er in seine musikalische Texturen, die zugleich bitterböse, brutale überzeitliche Geschehnisse sind: So repräsentierte der 5. Teil Rex tremendae seines Requiems (im traditionellen Requiem ist es Teil 4) für ihn »General Schwarzkopf, der seine Panzer über diese armen Irakis rollen lässt«. Und dann taucht in diesem Teil zitathaft vage der »Badenweiler Marsch« auf, der Lieblingsmarsch Adolf Hitlers, und das markiert die Schreckensherrschaft der Nazis in Deutschland und die der Faschisten in anderen Ländern Europas und den nicht nur Anfang der Neunziger grassierenden Neofaschismus in der Bundesrepublik. Mit diesen Äußerungen und musikalischen Anspielungen, den vertonten Klagen und Bedrohungen hat Henze leider noch heute Recht. Henzes Neun geistliche Konzerte – Heinrich Schütz’ Kleinen geistlichen Konzerte wird hier die Reverenz erwiesen und so auch der Eigenständigkeit des Komponierens, der Selbstständigkeit des Denkens, fernab der blindlings übernommenen Formen, so traditionsreich sie auch sein mögen – bilden ein ebenso üppiges wie zartes, lyrisches wie elegisches, scharfes und zupackendes wie entrücktes, dunkles wie lichtes, zeitdiagnostisches wie überzeitliches Dokument einer Ästhetik des Einspruchs wie des Widerspruchs. »Empört euch« lautet die bekannte, aktuelle Forderung von Stéphane Hessel, dem Résistance-Kombattanten und Diplomaten. Und Hans Werner Henze sagte Mitte der neunziger Jahre: »Man resigniert nicht, man arbeitet weiter.« Das ist nun unsere Aufgabe – und sein Vermächtnis. Stefan Fricke 8 12631_KM_11-11-12_e.indd 8 09.11.12 12:10 Vom »Landarzt« bis zur »Nachtigall« – Hans Werner Henze und Köln »… sein Schaffen wurde bestimmt von der Auffassung, dass Musik moralische Aufgaben hat und dass Neue Musik, schöne wahre Neue Musik, erfunden wird durch gesellschaftliche Forderungen an sie, fortschrittliche Forderungen und nicht restaurativ-affirmative«, bekannte Hans Werner Henze in einer Laudatio auf den Komponisten Karl Amadeus Hartmann (1905 – 63). Und das waren keine leeren Worte, denn nicht nur, dass ihn seit den Nachkriegsjahren eine »brüderliche Freundschaft« mit Hartmann verband: dessen »Auffassung« von Musik galt gerade auch für Henze selbst. Dazu kam die Lebensgeschichte Hartmanns, eines, so Henze, »Werdegangs im antifaschistischen Kampf«, die ihn zur Vaterfigur machte, während der eigene, der leibliche Vater – ein begeisterter Nationalsozialist – den jugendlichen Henze wegen seiner sich abzeichnenden Homosexualität und künstlerischen Neigungen verachtete und auf eine Musikschule der Waffen-SS verbannen wollte. Von Beginn an waren gesellschaftspolitische Relevanz und sozialkritisches Engagement herausragende Merkmale in Henzes kompositorischer Arbeit, zumal in den großen Gattungen Oper, Ballett und Orchestermusik. Vehement äußerte er sein Unbehagen an der »Restaurationszeit« der Adenauer-Ära, die ihn 1953 schließlich zur »Flucht« nach Italien, ins Land seiner Träume, motivierte. Seine Abneigung gegen Autoritäten und die Vorherrschaft bestimmter ästhetischer Richtungen ließ ihn auch in Opposition zu den Verfechtern serieller Techniken wie Karlheinz Stockhausen und Pierre Boulez geraten. Ob Henze die »serielle Musik« nach dem Zweiten Weltkrieg als Fortsetzung der Diktatur mit anderen Mitteln empfand, sei dahingestellt; jedenfalls lehnte er sie nach eigenen Versuchen aus tiefer Überzeugung ab. Stattdessen verknüpfte er tonale mit atonalen Elementen und sprühenden Farbenreichtum mit expressiver Kraft. Ohne sich im Mindesten anzubiedern, eroberte er sich ein breites Publikum. Strukturelle Faktoren blendete er keineswegs aus, sie sind jedoch stets eng mit klangsinnlichen Dimensionen verwoben. 9 12631_KM_11-11-12_e.indd 9 09.11.12 12:10 Hans Werner Henze und Markus Stenz im Jahr 1990 Mit diesem Ansatz, der sich trotz stilistischer Wandlungsprozesse durch sein gewaltiges Œuvre zieht, ging der 1926 im westfälischen Gütersloh geborene Henze konsequent seinen eigenen Weg, der ihn auch und immer wieder nach Köln führte. Maßgeblichen Institutionen des hiesigen Musiklebens wie Kölner Philharmonie, Oper, WDR und Hochschule für Musik und Tanz fühlte er sich verbunden. Von 1980 bis 1991 lehrte er in Köln, aus seiner Kompositionsklasse gingen zahlreiche bekannte Schüler, etwa Jan Müller-Wieland und Detlev Glanert, hervor. Henze festigte den internationalen Rang der Musikstadt Köln, und sein Wort hatte hohes Gewicht. An der Hochschule »entdeckte« er 1986 auch den Dirigenten Markus Stenz, dessen internationale Karriere er beflügelte, indem er ihm 1990 die Uraufführung seiner Oper Das verratene Meer in Berlin anvertraute. Bereits 1976 initiierte Henze den Cantiere Internazionale d’Arte in Montepulciano, den Stenz dann für einige Jahre leitete und der später als einzigartige Einrichtung in die Europäische Akademie für Musik und Darstellende Kunst der Kölner Hochschule überging. Auf die Domstadt beschränkt blieben Henzes Aktivitäten in seiner Kölner Zeit indes nicht. Nicht nur, dass die Werke des Kosmopoliten mittlerweile längst weltweit erklangen, auch gründete 10 12631_KM_11-11-12_e.indd 10 09.11.12 12:10 er viel beachtete Festivals, so 1988 die Münchener Biennale für neues Musiktheater. Die künstlerische Leitung dieses bis heute sehr geschätzten Forums für innovative Opernkonzepte gab er 1996 an Peter Ruzicka ab. »… ein heftiges Gefühl der Freiheit …« In der 1986 eröffneten Kölner Philharmonie sind Henzes Werke sehr präsent – und nicht erst seit Markus Stenz 2003 GürzenichKapellmeister und Kölner Generalmusikdirekter geworden ist. Ein Höhepunkt waren 1996, zum 70. Geburtstag Henzes, die Uraufführungen der revidierten Fassungen seiner Rundfunkopern Ein Landarzt nach der gleichnamigen Erzählung von Franz Kafka und Das Ende einer Welt auf einen Text von Wolfgang Hildesheimer in einer Veranstaltung des WDR. Markus Stenz dirigierte das Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester (das heutige WDR-Sinfonieorchester Köln) und den Kölner Rundfunkchor, Hans Werner Henze wirkte selbst als Erzähler mit. Die Urfassungen dieser beiden Werke stammen aus den frühen 1950er-Jahren und zählen zu den gewagtesten Experimenten Henzes, der seine Studien bei Wolfgang Fortner (seit 1946) und René Leibowitz bereits beendet hatte und sich von der Aufbruchsstimmung bei den Darmstädter Ferienkursen anstecken ließ. Zunächst zog ihn das dortige, für ihn völlig neue Klima des Denkens und schöpferischen Arbeitens an, das er in der NS-Zeit so schmerzlich vermisst hatte, wie er 1995 rückblickend erklärte: »Von den ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Ereignissen bei diesen ersten Ferienkursen ist mir das für damals einem jungen Deutschen völlig neue heftige Gefühl der Freiheit in Erinnerung geblieben, der Rede- und Gedankenfreiheit, das Nachlassen der Polizeiangst, eine, wie sich bald herausstellen sollte, kindlich-naive Auslegung dieses Freiheitsbegriffes, zu dem in meinem Falle gehörte, dass ich glaubte, nun sei alles erlaubt.« Dass auch in den Zirkeln der »Avantgarde« alsbald längst nicht mehr alles erlaubt war, bekam Henze rasch zu spüren. Seine Verschmelzung von Expressivität und schwelgerischem Klangkolorit und sein Hang zum südländischen »Arioso« stießen in Darmstadt 11 12631_KM_11-11-12_e.indd 11 09.11.12 12:10 und Donaueschingen auf unversöhnliche Gegnerschaft, woraufhin er sich enttäuscht und verbittert abwandte. Für die 1951 aus der Taufe gehobene Rundfunkoper Ein Landarzt, die 1953 auch in Köln im Rahmen eines Neue-Musik-Festes dargeboten wurde, unterwarf er sich – mit Einschränkungen – noch den strengen Vorgaben der Zwölftontechnik, die der musikalischen Anverwandlung von Kafkas bedrängendem Albtraum ein festes konstruktives Gerüst verlieh. Obwohl Ein Landarzt und Das Ende einer Welt sich inhaltlich und musikalisch stark unterscheiden, sah Henze »einige innere Verbindungen«, die er für die Uraufführung der Neufassungen in der Kölner Philharmonie 1996 erläuterte: »Es ist da der Zustand des von allen guten Geistern Verlassenen, der des Ausgesetztseins, der furchtbarsten, wie von unsichtbaren, höhernorts wirkenden Mächten angeordneten Einsamkeit. Es ist von Betrug die Rede, vom Selbstbetrug, vom Betrügen und vom Betrogenwerden, von der Bodenlosigkeit und Unzuverlässigkeit der Dinge des Lebens, angefangen bei den einfachsten (oder banalsten) und aufgehört beim Metaphysischen und bei der Groteske.« Das Spektrum der weiteren Werke Henzes, die in der Kölner Philharmonie bislang zu erleben waren, reicht von Sinfonien und Kammermusik bis zu Des Kaisers Nachtigall, aufgeführt 1996 im Philharmonischen Kinderkonzert. Im Jahr 2000 vertiefte sich der Schlagzeuger Christian Dierstein im »Rising Stars«-Konzert in die zart-poetischen, »winterlich« entrückte Landschaften beschwörenden Five scenes from the Snow Country für Marimbaphon, und das City of Birmingham Symphony Orchestra interpretierte unter Sir Simon Rattle, der ein leidenschaftlicher Verfechter von Henzes Musik ist, A Tempest für Orchester bei der MusikTriennale Köln. A Tempest ist zugleich der Kopfsatz von Henzes Sinfonia Nr. 10; ein Sturm, ein Hymnus, ein Tanz und ein Traum lauten die Überschriften der vier Sätze. Hinter dem Gebrauch des unbestimmten Artikels verbarg Henze aber keine Beiläufigkeit, sondern die – altersweise? – Erkenntnis, Gewichtiges schaffen zu können, ohne das Definitive oder einzig Wahre anstreben zu müssen. Dies umso mehr, als dass das Werk Wesenszüge von Simon Rattle widerspiegelt, hatte »Sir Simon« sich doch diese sehr persönliche Note gewünscht. Henze ließ sich davon gerne inspirieren und »hörte sogleich Kristallenes und Klares und Englisches in meinem inneren Ohr, und während ich noch mit meiner 9. Sinfonie beschäftigt 12 12631_KM_11-11-12_e.indd 12 09.11.12 12:10 war, wuchsen bestimmte Klangbilder heran und nahmen allmählich und gemächlich Gestalt an.« An einen »Sturm« gemahnt auch seine Orchesterfantasie Erlkönig aus dem Ballett Le fils de l’air (»Der Sohn der Luft«) von 1995/96, die die Deutsche Radio-Philharmonie unter Christoph Poppen im November 2010 in der Kölner Philharmonie spielte. Aus Goethes berühmter Ballade sprach Henze besonders die erste Zeile ungeheuer an: »Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?« Er legte die Orchesterfantasie denn auch als »wilden Ritt« an, der dem inneren Auge ein wahres Schreckensszenario bietet. Dabei zielte Henze eher auf ein inneres Drama, auf das Unbewusste, das sich in hervorbrechenden Ängsten und Panikattacken zu Wort meldet. Von diesem unheimlichen und unsichtbaren »Gegner« getrieben, hetzt der Gejagte durch komplexe Klanggefilde. Theatralische Dimensionen sind in Erlkönig unverkennbar; schließlich ist Henze ja auch und gerade ein Musiktheaterkomponist, und nicht zuletzt an der Kölner Oper standen zahlreiche Stücke von ihm auf den Spielplänen. »… von Menschen für Menschen gemachte Musik …« Hoch gelobt wurde Hans Neugebauers Inszenierung von Henzes Oper Der junge Lord, die 1966 unter der Leitung des – vom Komponisten empfohlenen – Direktors der New Yorker City Opera Julius Rudel in Köln über die Bühne ging. Das Libretto des 1965 in Berlin uraufgeführten Werks schrieb Ingeborg Bachmann, die, wesenverwandt mit Henze, von 1953 an für einige Jahre mit ihm in Italien zusammenlebte und -arbeitete. Bachmann teilte auch dessen Ressentiments gegen die Darmstädter »Avantgarde«, und sie fasste ihre Vorbehalte 1956 in Worte, die dem Komponisten aus dem Herzen gesprochen haben mögen: »Die neue Musik altert, wenn man sich an sie gewöhnt. Die Musik, an die niemand sich gewöhnen kann, wird vergessen. Denn ein Maß der von Menschen für Menschen gemachten Musik ist die Möglichkeit, erinnert zu werden. Die anderen Maße werden von Zeit zu Zeit verschieden an 13 12631_KM_11-11-12_e.indd 13 09.11.12 12:10 die Musik angelegt … über den Laufsteg der Konzertsäle werden die Kreationen jedes Frühlings oder Herbstes getragen, die neuesten Modelle der Musik mit ihren empörenden oder farblosen Reizen. Ein Defilee von Nummern, mit vom Metronom kontrollierten Schritten. Die Musikspione hören mit, die Urteile lauten: tragbar, untragbar.« Auch für Der Prinz von Homburg (1958/59) trug Ingeborg Bachmann das Libretto bei, erstmals in Köln gespielt wurde das Werk 1992. Andere bemerkenswerte Aufführungen an der Kölner Oper waren 1969 die szenische Premiere von Henzes Ballett Being Beauteous, 1977 führte der langjährige Intendant Michael Hampe Regie in Henzes vieldiskutierter Antikriegsoper Wir erreichen den Fluss, und 2005 leitete Markus Stenz die Kölner Erstaufführung von Die Bassariden in einer frisch revidierten Version anlässlich von Henzes bevorstehendem 80. Geburtstag. Dass sich der Kreis für Henze mit einer Oper schließen sollte, erscheint vor dem Hintergrund seiner Identität als leidenschaftlicher Vertreter des Musiktheaters sinnfällig. Nicht in Köln, sondern in Dresden wohnte er kurz vor seinem Tod einer Neuinszenierung von We come to the River (Wir erreichen den Fluß) bei; und dies mutet fast wie ein Vermächtnis an, auch wenn Henze im fortgeschrittenen Alter kaum mehr als »Stachel im Fleisch« des Establishments hervortrat. Im Geiste verbunden blieb er aber seinem frühen Mentor und Vorbild Karl Amadeus Hartmann, was sich eindrucksvoll in seinen Drei Orchesterstücken auf eine Klaviermusik von Karl Amadeus Hartmann niederschlug. Die erste Fassung von 1945 griff er ein halbes Jahrhundert später wieder auf, 1996 wurde das überarbeitete Werk vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Lorin Maazel in München uraufgeführt. Der Vorlage Hartmanns folgend, stellte auch Henze der Partitur eine Vorrede voran: »Es handelt sich bei dieser Orchestrierung um drei von mir frei bearbeitete Sätze aus einer Klaviersonate Hartmanns mit dem Titel 27. April 1945. Der Komponist hatte sie geschrieben, nachdem er zum tief erschütterten Augenzeugen eines endlosen Elendszugs Dachauer KZ-Häftlinge geworden war. Die Musik enthält Zitate aus jüdischer Volksmusik und aus Kampfliedern der internationalen Arbeiterbewegung. Es ist eine Kundgebung von Mitleid, Empörung und Solidarität mit den Opfern des Nazifaschismus.« 14 12631_KM_11-11-12_e.indd 14 09.11.12 12:10 Die »brüderliche und demokratische Freundschaft mit Hartmann, die für mich sehr viel Anregung und Instruktion erhielt«, gehörte, so Henze, »zu den liebsten und angenehmsten Erinnerungen meines Lebens. Damals, gleich nach dem Kriege einen kennenzulernen, der wunderbar komponieren konnte und so ganz anders als die anderen im Lande war, das war eine gute Sache« – und eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Henze als Komponist, Dirigent und Pädagoge zu einer der bedeutendsten deutschen Künstlerpersönlichkeiten heranreifte. Auch in Köln, in der Kölner Philharmonie in der Hochschule und auf der Opernbühne sowie in den Programmen und Konzerten des WDR, wird seine Musik gewiss auch in Zukunft immer wieder erklingen. Das heutige Konzert mit Henzes grandiosem Requiem kann in diesem Sinne als Initialzündung für die posthume Pflege seines Schaffens verstanden werden. Egbert Hiller 15 12631_KM_11-11-12_e.indd 15 09.11.12 12:10 Hans Werner Henze im Gespräch mit Holger Noltze (2008) Was bedeutet Älterwerden für einen Komponisten? Wie ist das? Menschen geht es ja so, dass, wenn sie älter werden, sich ihr Weltbild verändert. Man denkt und fühlt und agiert jeden Tag ein bißchen anders. Je nach Temperatur, Farbe des Himmels, Geräuschen und nachdem, was man vielleicht geträumt hat. – Nicht uninteressant, jedenfalls für den, der es erlebt. Wie ist es mit der Arbeit? Wird das Schreiben von Musik leichter, weil man an Erfahrung gewonnen hat, oder wird es schwerer? Lockert sich die Hand, oder werden die Skrupel mehr? Skrupel. Also ich arbeite jetzt in den letzten Jahren etwa drei Stunden morgens, und dann meistens nachmittags gar nichts mehr. Ich lese, oder geh’ spazieren, je nach Wetterlage. Und der Moment, wo der Bleistift aufs Papier kommt, ist das ein schwierigerer Moment in fortgeschrittenem Alter oder ist es so, dass es auch manchmal einfach fließt? Kinderleicht, doch doch. Aber Sie sagen, die Skrupel nehmen zu! Na, wenn das kinderleichte Tun abgeschlossen ist für den heutigen Tag, dann denke ich darüber nach und finde, dass ich doch noch mal checken muss am nächsten Morgen. Wo kommt die Musik her? Sind Sie diesem Geheimnis irgendwie auf die Spur gekommen? In all den Jahren sucht man eine Erklärung, man schreibt und denkt an nichts anderes als die Wirkung. Es ist wie eine Forschungsarbeit, die Erforschung eines unbekannten Landes. Aber 16 12631_KM_11-11-12_e.indd 16 09.11.12 12:10 inzwischen ist es auch so, dass ich körperlich darunter leide, dass es so schwer ist, denn es ist ja eigentlich sehr schwer, wie ein Schlittschuhläufer auf einem Eis, das zu dünn ist, und erst am Schluss, am nächsten Morgen, kann ich auf Erfreuliches zurück blicken und habe gleichzeitig einen Doppelpunkt für das, was ich heute machen werde oder möchte. Als »L’ Upupa« fertig war, die Oper für Salzburg, 2003, da haben Sie von der großen Anstrengung gesprochen, die Ihnen das bereitet hat, und dann kam 2007 »Phaedra«, zu unser aller großen Verblüffung. Wie war das möglich, was hat Sie getrieben, dann noch mal eine große Oper anzugehen? Naja, die Anfrage war angenehm und schmeichelhaft, nicht alle Tage wird man von der Lindenoper zu einer Uraufführung gebeten, und, was hätte ich sonst den Tag über machen sollen? Lesen, Briefe schreiben, spazieren gehen? In die Bäume schauen, Ihrem Wiedehopf zuhören? Mach ich. Aber das ist nicht alles. Nein, zumal der Wiedehopf nur einen Monat lang singt, oder anderthalb. Da bleiben elf Monate, neue Werke zu schreiben. So ist es. Nach »L’Upupa«, den »Nachtstücken aus dem Morgenland« haben Sie eine gesundheitliche Krise erlebt, die wohl auch eine seelische Krise war, Sie sprechen im Arbeitstagebuch zu »Phaedra« von der Gefahr des Abdriftens, was haben Sie damit gemeint? Dass man keinen Widerstand leistet. Abdriften, damit meine ich, den Löffel abgeben. Schluss machen. 17 12631_KM_11-11-12_e.indd 17 09.11.12 12:10 War es dann die Arbeit am neuen Werk, die ihre Lebenskräfte wieder geweckt hat? War das auch eine Art von Disziplinleistung, diesen Auftrag zu erfüllen? Das weiß ich nicht mehr so genau. Vieles, was man später bespricht mit kalter Nonchalance, das macht man halt wie eine Rekonstruktion vom Gewesenen. Wenn man die Briefe liest, die Sie an Ingeborg Bachmann geschrieben haben, da ist ganz viel von so einer Art Arbeitsethos die Rede. Wenn sie schreiben: »Arbeite! Arbeite! Ich will es!«, und das mit vielen Ausrufezeichen versehen, wirkt da ein irgendwie protestantischen Arbeitsethos? Und: Hat sich daran etwas geändert? Höchstens insofern, als ich heute besser weiß als vor dreißig oder vierzig Jahren, was es braucht um zu leben, und nicht umzufallen, nicht abzudriften, oder kaputt gehen oder was immer man sagen könnte. Ja, es hat auch was Religiöses, glaube ich. Im christlichen Sinne? Im evangelischen Sinne. Als Sie dann »Phaedra« fertig hatten, haben viele, die es gehört haben, gesagt: Das ist ein neuer Henze. Da ist eine neue Präsenz drin, eine neue Bewegung, ein neues Leuchten in der Musik, das ist überhaupt nicht das typische Spät- oder Alterswerk, sondern eher etwas, was nach einem Alterswerk kommt. Haben diese Hörer richtig gehört? Ich war überrascht, dass diese Reaktionen so vollstimmig waren, und habe mich natürlich auch sehr gefreut. Der erste Akt von »Phaedra« ist gut geschrieben, man merkt, der kann was, hat was zu sagen sogar, und dann kam meine Erkrankung, und es waren fast zwei Jahre zwischen dem ersten Akt und dem zweiten Akt, dass ich nichts tun konnte, überhaupt nichts. Und dann kam der zweite Akt, das hatte auch etwas mit Genesung zu tun, mit dem Erfreutsein, noch da zu sein. Und dass es dann so schön klingt, wie es tut, und dass es meinen Freunden und auch den Nachbarn gut gefällt, das hilft, hält jung, macht jung. 18 12631_KM_11-11-12_e.indd 18 09.11.12 12:10 Nervt es Sie, dass, wann immer Sie was Neues machen, dass dann immer in den Medien von einem »finalen« Werk geschrieben wird in den letzten Jahren, diese offenbar unstillbare Sucht nach einem Opus ultimum? Das stachelt mich an. Jetzt kam noch eine große Kantate »Elogium musicum amatissimi amici nunc remoti«. Zu den verschwundenen Geliebten gehört Ihr Lebensgefährte Fausto Moroni, der gestorben ist, Sie haben sich dafür einen lateinischen Text schreiben lassen. Warum dieses Mittel der Distanz? Warum die alte Sprache? Es sollte zum Ausdruck kommen, dass das Thema, das da behandelt wird, ein universelles ist, nicht nur eine persönliche, mich allein betreffende Angelegenheit. Und dieses auch mir fremde Latein erscheint in dieser Komposition wie eine neue Sprache, sehr lebendig, lebendiger als das Italienische, oder das Deutsche. Jetzt arbeite ich weiter, mache wieder Sachen in deutscher Sprache, damit will ich sagen, dass ich jetzt nicht anfange, lateinisch oder griechisch zu komponieren … Es war für diese besondere Gelegenheit. Ja. Braucht die Kunst das Indirekte? Ja, ich denke. Braucht sie auch Diskretion? Gerade in so einem Fall wie dem, von dem das Stück handelt. Es geht ja um mein Leben und meine Umwelt und vielleicht auch mein betroffener und nicht gerade fröhlicher Zustand durch diesen Tod. 19 12631_KM_11-11-12_e.indd 19 09.11.12 12:10 Ein Kritiker meinte: Das ist eine Musik, die klingt, wie wenn ein großer Künstler den Frieden mit sich und der Welt gefunden hat. Hat er Recht? Es ist sehr schön so was zu hören, und Recht hat er auch. Diese Welt ist nun gerade ziemlich kaputt, wir bewegen uns zwischen einer Klimakatastrophe und einer Wirtschaftskrise, weil der Kapitalismus ein Desaster erlebt, unglaublich viel Geld wird verloren, ganze Industriezweige stehen auf dem Spiel. Interessiert Sie das alles? Erreichen Sie diese Nachrichten, die etwas von Weltuntergang haben? Reagieren Sie darauf, womöglich mit Musik? Also, ich denke, als Künstler sollte man sein Bestes tun, um Gegenwerte zu offerieren, zur Verfügung zu stellen, ich stelle mich zur Verfügung als Vertreter des Optimismus, aber manchmal denke ich, ein Glück, dass ich nicht noch zehn oder zwanzig bin. Das Leben ist doch recht schwer. Woher nehmen Sie den Optimismus? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu Ende geht mit der Welt, die so schön ist und so reich an positiven Werten, die Menschen sind doch ein anbetungswürdiges Geschlecht, voller Stimmungen, von Gefühlen, von Erfindungsgabe, schönheitsbedürftig. Und was sollte einer wie ich sonst machen? Mitte der 60er Jahre sind Sie ja sehr nah an die politische Aktualität herangegangen. Sie hatten »Die Bassariden« geschrieben, große Oper, und dann kam etwas ganz anderes, ein Oratorium für Che Guevara, Rudi Dutschke war bei Ihnen zuhause, den haben Sie gepflegt und ich glaube auch ein bisschen versteckt. Wie gucken Sie heute auf diese politisch bewegte Zeit zurück – als etwas Vergangenes, Abgeschlossenes, Romantisches womöglich? Ich wollte immer bei den Menschen sein, im Leben der Menschen, und nicht am Rande mit vornehmen Abwendungen. Es war mir sehr wichtig, mein Denken und mein Schreiben und mein Tun einzubringen in einen größeren Kontext, um sich nicht alleine in 20 12631_KM_11-11-12_e.indd 20 09.11.12 12:10 dieser irrsinnigen Zeit bewegen zu müssen. Außerdem hat das, was ich gemacht habe, mit einem Lernprozess zu tun. Was haben Sie gelernt? Dass man sein Herz offen halten muss für die Menschen, die leiden und es noch schwerer haben als man selbst. Vermissen Sie heute – als Reaktion der Kunst – mehr politisches Handeln der jüngeren Komponisten, der jüngeren Künstler? Eine direktere Stellungnahme zu dem, was passiert? Mir gefallen die am besten, die versuchen, für die Realität unserer Zeit eine klare Antwort zu haben oder zu suchen. Das mit dem Elfenbeinturm, das ist ein Verhalten, das mir missfällt. Und trotzdem sind Sie ja immer ein Schönheitssucher gewesen, auch als die Mehrheit der Kollegen gesagt haben, wir müssen jetzt nach bestimmten Normen komponieren, da haben Sie von der Klanglichkeit, von der Sinnlichkeit der Musik her gedacht, und das konnte das Missverständnis provozieren, dass Sie in einem Elfenbeinturm der Schönheit, des Ästhetizismus tätig sind. Ich würde mich langweilen im Elfenbeinturm. Ist die Arbeit an der Schönheit politisch zu verstehen? Ja. Das ist unsere Aufgabe als Künstler. […] Es wird gerade viel über Education geredet. Wenn man so will, haben Sie es erfunden, bei Ihrem Festival in Montepulciano, oder als Sie einmal eine halbe oberhessische Kleinstadt zur Musik angestiftet haben. Jetzt machen Sie auch ein Projekt für die Kulturhauptstadt, das mit Education zu tun hat. Glauben Sie an Erziehung, Erziehung zur Musik? 21 12631_KM_11-11-12_e.indd 21 09.11.12 12:10 Ich denke, das Fehlen von Musik in den Schulen, das Fehlen von Musik als Thema, als etwas zu Studierendes führt zur Verrohung der Gefühle und damit auch der menschlichen Haltung. Was ist der Weg, um junge Menschen zur Musik zu bringen? Das weiß ich auch nicht. Wichtig ist, dass Kinder und Jugendliche Freude daran haben. An dem schönsten intellektuellen Tun, das es überhaupt gibt. Ist die Voraussetzung dafür Einfachheit? Muss man sich als großer Künstler gewissermaßen herunterbeugen und sagen: »Wir machen jetzt hier einfache Dinge, für Kinder.« Oder kann man Laien und Kindern und Jugendlichen auch Schwieriges zumuten? Ich glaube nicht, dass man da generalisieren kann. Jeder Mensch verdient Hochachtung, Sympathie und Aufmerksamkeit. Der Mensch ist ein Wunderwerk und muss als solches respektiert, unterstützt und gefördert werden. Wie schauen Sie auf Ihr großes, vielschichtiges Werk zurück? Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie, wie zuletzt in München, Ihre »Bassariden« wieder hören? »Die Bassariden« sind etwa vierzig Jahre alt. Bei dieser Aufführung in München, da gab es so einen Moment, wo man sich fragt: Hab ich das wirklich gemacht, bin ich so toll – gewesen? Alles was geschieht, scheint unvermeidlich zu sein, menschlich, künstlerisch, und es gab so eine Einheit zwischen der Musik und ihrer szenischen Dargebung, das kriegt man nicht alle Tage. Ich möchte Sie zum Schluss noch einmal zu einem Detail aus Ihrer letzten Oper »Phaedra« befragen. Als Phaedra sich umbringen will, hört man Aphrodite, die Liebesgöttin singen: »Hab Geduld mit dem Tod.« Und dazu komponieren Sie eine melodische Aufwärtsbewegung, die man als Zitat ganz gut dechiffrieren kann und das ist nicht irgendwas, sondern aus Bachs »O Ewigkeit, du Donnerwort«, eben jenes »Es ist genug!«, das Alban Berg im Violinkonzert auch zitiert. 22 12631_KM_11-11-12_e.indd 22 09.11.12 12:10 Unterläuft Ihnen so etwas, oder ist das ein bewusstes Setzen? Ein Herüberwinken von Hans Werner zu Johann Sebastian und Alban Berg? Ich würde mir nicht erlauben, einfach so zurückzuwinken zu diesen großen Meistern. Aber die Beschäftigung Alban Bergs mit der Klassik, der Vorklassik ist ein gutes Beispiel für die Tätigkeit eines künstlerischen Menschen, der sich nicht nur mit dem Heute, sondern auch mit der Vergangenheit beschäftigt und sie benötigt, um zu bestimmten ausdrucksmäßigen Faktoren zu kommen. Welche Musik benötigen Sie, Herr Henze? Ob Sie’s glauben, oder nicht, wenn ich zuhause bin, spiele ich nie meine Musik. Sondern? Haydn, Bach, Beethoven? Mozart? Kaum. Was bedeutet der Satz »Hab Geduld mit dem Tod«, den Aphrodite da singt? Ich glaube, es ist eine Aufforderung zum Gleichmut vor etwas Unverschiebbarem, Unvermeidlichem. Sind Sie gleichmütig, was den Tod angeht? Ja. 23 12631_KM_11-11-12_e.indd 23 09.11.12 12:10 Aufführungen von Werken Hans Werner Henzes in der Kölner Philharmonie und bei der MusikTriennale Köln 1986 12. Dezember WDR Musik der Zeit II Hommage für Hans Werner Henze 16. September Fandango sopra un basso del Padre Soler (1985, rev. 1992) für Orchester Deutsche Erstaufführung Sieben Liebeslieder (1984/85) für Violoncello und Orchester Uraufführung Sinfonie Nr. 7 (1983 – 84) für großes Orchester Orchestre de Paris Daniel Barenboim Dirigent Heinrich Schiff Violoncello WDR Sinfonieorchester Köln David Shallon Dirigent KölnMusik Westdeutscher Rundfunk 17. September Hans Werner Henze zum 60. Geburtstag 13. Dezember WDR Musik der Zeit II Hommage für Hans Werner Henze Novae de infinito laudes (1962) Kantate für vier Solisten, gemischten Chor und Instrumente Kammermusik 1958. Über die Hymne »In lieblicher Bläue« von Friedrich Hölderlin (1958) für Tenor, Gitarre und acht Soloinstrumente Tristan (1973) Préludes für Klavier, Tonbänder und Orchester Teresa Cahill Sopran Susan Kessler Mezzosopran Neil Jenkins Tenor Alan Opie Bariton Ian Brown Klavier BBC Singers BBC Philharmonic Orchestra Oliver Knussen Dirigent Simon Joly Dirigent Le miracle de la rose (1981) Imaginäres Theater II, Musik für einen Klarinettisten und 13 Spieler Neil Jenkins Tenor David Tanenbaum Gitarre Hans Deinzer Klarinette Ensemble Modern Hans Werner Henze Dirigent KölnMusik Westdeutscher Rundfunk 26. Oktober 27. Oktober 28. Oktober 1989 08. Dezember Telemanniana (1967) für Orchester Für Manfred (1989) für Violine solo Kyung Wha Chung Violine Gürzenich-Orchester Köln Giuseppe Patané Dirigent Gidon Kremer Violine KölnMusik Gürzenich-Orchester Köln 24 12631_KM_11-11-12_e.indd 24 09.11.12 12:10 1990 1992 16. September 28. Juni Jugend musiziert Konzert der Bundespreisträger Drei Lieder über den Schnee (1989) für Sopran, Bariton und acht Instrumente Serenade für Violoncello solo (1949) aus einer verschollenen Bühnenmusik zu Shakespeares »Viel Lärm um Nichts« Maria Husmann Sopran Kurt Widmer Bariton Scharoun Ensemble Berlin Gernot Schulz Dirigent Olaf Katzwinkel Violoncello KölnMusik gemeinsam mit dem Landesmusikrat NRW KölnMusik 1991 1993 31. Januar 24. Februar Heliogabalus Imperator (1971/72, rev. 1986) Allegoria per musica für Orchester WDR Musik der Zeit Requiem (1990 – 92) Neun geistliche Konzerte für Klavier solo, konzertierende Trompete und großes Kammerorchester Uraufführung der Gesamtfassung Bochumer Symphoniker Eberhard Kloke Dirigent KölnMusik Håkan Hardenberger Trompete Ueli Wiget Klavier Ensemble Modern Ingo Metzmacher Dirigent 01. Juni Hans Werner Henze zum 65. Geburtstag Westdeutscher Rundfunk In Memoriam: Die weiße Rose (1965) Doppelfuge für 12 Instrumente 1994 Lieder von einer Insel (1964) Chorphantasien für Kammerchor, Posaune, 2 Violoncelli, Kontrabaß, Orgelpositiv, Schlagzeug und Pauken. 28. Mai 29. Mai 30. Mai Ode an eine Äolsharfe (1985/86) für Gitarre und 15 Soloinstrumente MusikTriennale Köln Das Floß der Medusa (1964, rev. 1990) Oratorium in zwei Teilen für Sopran, Bariton, Sprechstimme, gemischten Chor und Orchester Cantata della fiaba estrema (1963) für Sopran, Kammerchor und 13 Instrumente Orpheus hinter dem Stacheldraht (1983) für 8 – 12stimmigen Chor a cappella Lucy Shelton Gesang Robert Bork Bass, Bariton Franz Mazura Gesang WDR Rundfunkchor Köln Mädchen und Knaben der Chöre am Kölner Dom Gürzenich-Orchester Köln Ingo Metzmacher Dirigent Le miracle de la rose (1981) Imaginäres Theater II, Musik für einen Klarinettisten und 13 Spieler Sally Harrison Sopran Roland Diry Klarinette Jürgen Ruck Gitarre Mitglieder des WDR Rundfunkchores Köln Scharoun Ensemble Berlin Hans Werner Henze Dirigent MusikTriennale Köln Gürzenich Orchester KölnMusik 25 12631_KM_11-11-12_e.indd 25 09.11.12 12:10 13. November 27. September 28. September Toccata mistica (1994) für Klavier Uraufführung 10 Jahre Kölner Philharmonie Hans Werner Henze zum 70. Homero Francesch Klavier Ein Landarzt (1951) Funkoper nach einer Novelle von Franz Kafka KölnMusik gemeinsam mit Rud. Ibach Sohn Das Ende einer Welt (1953) Funkoper in zwei Akten mit Prolog und Epilog 1995 Uraufführung der Neufassungen mit einer Klanginszenierung Hans Werner Henzes im Studio für Elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks 09. März Sonata per otto ottoni (1983) Blechbläserensemble der Berliner Philharmoniker Hans Werner Henze Sprecher Isolde Siebert Sopran Daphne Evangelatos Alt Frieder Lang Tenor Roderic Keating Tenor Roland Hermann Bariton Robert Bork Bariton Matteo de Monti Bass Kölner Domchor Kölner Rundfunkchor Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester Markus Stenz Dirigent KölnMusik 1996 28. April Moralities (1967/1970) Thee morality plays für Solisten, Sprecher, Chor und kleines Orchester Westdeutscher Rundfunk gemeinsam mit KölnMusik Anja Harteros Sopran Henner Leyhe Tenor Franz Gerihsen Bass Andreas Etienne Sprecher Konzertchor Köln Hans-Günter Lenders Choreinstudierung Kölner Sinfonieorchester Eric Ingwersen Dirigent und Klavier 13. Oktober Philharmonisches Kinderkonzert Des Kaisers Nachtigall (1959) Ballettpantomime von Giulio di Majo frei nach dem gleichnamigen Märchen von Hans Christian Andersen Konzertchor Köln Konrad Beikircher Andrea Lieberknecht Flöte Frank Bähr Schlagzeug Wolfgang Raumann Klarinette Stephan Blaumer Viola Johannes Wohlmacher Violoncello Midori Kitagawa Klavier Michael Graubner Celesta Celso Antunes Dirigent KölnMusik 26 12631_KM_11-11-12_e.indd 26 09.11.12 12:10 03. November 15. Juni MusikTriennale Köln Funkhaus am Wallrafplatz Five Scenes from the Snow Country (1978) für Marimbaphon solo Kammersonate für Klaviertrio (1948/rev. 1963) Peter Sadlo Schlagzeug Siegfried Mauser Klavier und Moderation Ulf Hölscher Violine Gustav Rivinius Violoncello Siegfried Mauser Klavier und Moderation KölnMusik MusikTriennale Köln 10. November Hans Werner Henze zum 70. 1998 Tristan (1973) Préludes für Klavier, Tonbänder und Orchester 16. Januar Zigeunerweisen und Sarabanden für Orchester (1996) aus dem Ballett »Le fils de l’air« für Orchester Seconda Sonate per Archi (1995) Sinfonie Nr. 7 (1983 – 84) für großes Orchester Emanuel Ax Klavier Hartmut Welker Bass Gewandhausorchester Leipzig Kurt Masur Dirigent Pulcinellas Erzählungen (1996) aus dem Ballett »Le disperazioni del Signor Pulcinella« für Kammerorchester Minotaurus Blues (1996) Konzertmusik für sechs Perkussionisten Uraufführung der Konzertsuite KölnMusik 06. Dezember 07. Dezember Rumi Ogawa-Helferich Schlagzeug Heinrich Schiff Violoncello und Leitung Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester Markus Stenz Dirigent Sinfonie Nr. 1 (1991) für Kammerorchester Westdeutscher Rundfunk Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester Heinrich Schiff Dirigent 29. März Westdeutscher Rundfunk Whispers from Heavenly Death (1948 ) Kantate für hohe Singstimme und Klavier 1997 Ulrike Sonntag Sopran Siegfried Mauser Klavier und Moderation 29. Mai MusikTriennale Köln KölnMusik Moralities (1967/1970) Thee morality plays für Solisten, Sprecher, Chor und kleines Orchester Konzertchor Köln Eric Ingwersen Dirigent MusikTriennale Köln 27 12631_KM_11-11-12_e.indd 27 09.11.12 12:10 2000 07. November 16. Januar Kammermusik 1958. Über die Hymne »In lieblicher Bläue« von Friedrich Hölderlin (1958) für Tenor, Gitarre und acht Soloinstrumente Five Scenes from the Snow Country (1978) für Marimbaphon solo Christian Dierstein Schlagzeug Howard Haskin Tenor Jürgen Ruck Gitarre Scharoun Ensemble Berlin Anne Manson Dirigentin KölnMusik 17. Mai KölnMusik MusikTriennale Köln A Tempest (2000) Rounds for the Orchestra 1999 City of Birmingham Symphony Orchestra Sir Simon Rattle Dirigent 26. Februar WDR Musik der Zeit MusikTriennale Köln Sinfonie Nr. 9 (1995 – 97) für gemischten Chor und Orchester 2001 Rundfunkchor Berlin Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester Rolf Gupta Dirigent 21. Januar Hans Werner Henze zum 75. Westdeutscher Rundfunk Sonate für Violine solo (1977, rev. 1992) 11. November Toccata senza Fuga (1979) für Orgel Saschko Gawriloff Violine Viktor Lukas Orgel und Moderation Dies irae Agnus Dei Sanctus aus: Requiem (1990 – 92) Neun geistliche Konzerte für Klavier solo, konzertierende Trompete und großes Kammerorchester KölnMusik 16. Februar 17. Februar Falk Maertens Trompete Vladimir Stoupel Klavier Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin José Serebrier Dirigent Hans Werner Henze zum 75. Richard Wagnersche Klavierlieder (1998/99) für Mezzosopran, Bariton, Chor und Orchester DeutschlandRadio gemeinsam mit KölnMusik Stella Doufexis Mezzosopran Kurt Ollmann Bariton WDR Rundfunkchor Köln WDR Sinfonieorchester Köln Semyon Bychkov Dirigent 23. November Sechs Gesänge aus dem Arabischen (1997/98) für Tenor und Klavier. Texte von Hans Werner Henze Kompositionsauftrag der KölnMusik Uraufführung Westdeutscher Rundfunk Ian Bostridge Tenor Julius Drake Klavier KölnMusik 28 12631_KM_11-11-12_e.indd 28 09.11.12 12:10 2003 02. März 14. September 15. September 16. September Hans Werner Henze zum 75. Adagio adagio (1993) Serenade für Violine, Violoncello und Klavier Sinfonie Nr. 10 (1997 – 2000) für großes Orchester Voie lactée ô soeur lumineuse (1996) Toccata für neunzehn Instrumentalisten Die blaue Stunde. 11. Tableau aus: L’Upupa und der Triumph der Sohnesliebe (2003) Katharina Blum (1975) Konzertsuite für kleines Orchester Gürzenich-Orchester Köln Markus Stenz Dirigent Le miracle de la rose (1981) Imaginäres Theater II, Musik für einen Klarinettisten und 13 Spieler Gürzenich-Orchester Köln Michael Collins Klarinette London Sinfonietta Oliver Knussen Dirigent 2004 KölnMusik 04. Mai MusikTriennale Köln Hochschule für Musik und Tanz Köln 11. März 12. März 13. März Kammersonate für Klaviertrio (1948/rev. 1963) Hans Werner Henze zum 75. Pi-hsien Chen Klavier Gorjan Kosuta Violine Claus Kanngiesser Violoncello Sinfonie Nr. 7 (1983 – 84) für großes Orchester Gürzenich-Orchester Kölner Philharmoniker Vladimir Jurowski Dirigent Hochschule für Musik Köln 2006 Gürzenich-Orchester Kölner Philharmoniker 05. März 06. März 07. März 2002 Nachtstücke und Arien (1957) für Sopran und großes Orchester nach Gedichten von Ingeborg Bachmann 17. Februar Sonata per archi (1957/58) für Streichorchester Claudia Barainsky Sopran Gürzenich-Orchester Köln Markus Stenz Dirigent Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen Daniel Harding Dirigent Gürzenich-Orchester Köln KölnMusik 10. September 26. September Sebastian im Traum (2004) für Orchester. Salzburger Nachtmusik auf ein Gedicht von Georg Trakl Deutsche Erstaufführung Notturno (1995) für Blasinstrumente, Kontrabass und Klavier Königliches Concertgebouworchester Amsterdam Mariss Jansons Dirigent Florian Uhlig Klavier Matthias Beltinger Kontrabass Bläsersolisten der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen KölnMusik KölnMusik 29 12631_KM_11-11-12_e.indd 29 09.11.12 12:10 13. November 11. November Sinfonie Nr. 8 (1992/93) Il ritorno d’Ulisse in patria (1981) Dramma per musica. Freie Rekonstruktion von Hans Werner Henze nach musikalischen Motiven von Claudio Monteverdi, Venedig 1641. Text von Giacomo Badoaro. (Auszüge) Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Marek Janowski Dirigent Deutschlandfunk gemeinsam mit KölnMusik WDR Sinfonieorchester Köln Brad Lubman Dirigent 2009 KölnMusik gemeinsam mit dem WDR Sinfonieorchester Köln 14. Januar Phaedra (2007) Konzertoper in zwei Akten für Soli und Orchester. Libretto von Christian Lehnert Konzertante Aufführung in deutscher Sprache 14. November Erlkönig (1996) Orchesterfantasie über Goethes Gedicht und Schuberts Opus 1 aus dem Ballett »Le fils de l’air« Natascha Petrinsky Mezzosopran (Phaedra) Marlis Petersen Sopran (Aphrodite) John Mark Ainsley Tenor (Hippolyt) Axel Köhler Altus (Artemis) Lauri Vasar Bariton (Minotaurus) Ensemble Modern Michael Boder Dirigent Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern Christoph Poppen Dirigent KölnMusik 2011 KölnMusik 30. Januar 31. Januar 01. Februar 2010 Elogium Musicum amatissimi amici nunc remoti (2008) für Chor und Orchester 03. Oktober Introduktion, Thema und Variationen (1992) für Violoncello, Harfe und Streichorchester MDR Chor Gürzenich-Orchester Köln Markus Stenz Dirigent Ensemble Resonanz Jean-Guihen Queyras Violoncello und Leitung Gürzenich-Orchester Köln 04. Dezember 05. Dezember 06. Dezember KölnMusik Sanctus aus: Requiem (1990 – 92) Neun geistliche Konzerte für Klavier solo, konzertierende Trompete und großes Kammerorchester Bruno Feldkircher Trompete Gürzenich-Orchester Köln Markus Stenz Dirigent Gürzenich-Orchester Köln 30 12631_KM_11-11-12_e.indd 30 09.11.12 12:10 BIOGRAPHIEN Ueli Wiget 1957 in Winterthur geboren, erhielt Ueli Wiget mit zehn Jahren den ersten Klavierunterricht bei Klaus Wolters. Von 1978 bis 1983 studierte er Klavier und Harfe in den Klassen von Hans Leygraf und Ruth Konhäuser in Hannover und schloss beide Fächer mit dem Konzertexamen ab. Von 1983 bis 1986 setzte er seine Studien bei György Kurtág und Zoltán Kocsis an der Budapester LisztAkademie fort. Ueli Wiget gewann den 1. Schweizer Jugendmusikwettbewerb sowie den Wettbewerb der deutschen Musikhochschulen, ebenso ist er Träger internationaler Preise (Sydney, Monza, Leipzig). Seit 1986 ist Ueli Wiget Pianist des Ensemble Modern und dort mit vielfältigen Aufgaben und Stilrichtungen betraut; solistisch ist er bei den großen Festivals aufgetreten, ebenso als Solopartner namhafter Orchester. Auch als Kammermusiker ist er häufig präsent, regelmäßig mit dem Vermeer- und dem Carmina-Quartett. Seine 2009 bei Ensemble Modern Medien erschienene Porträt-CD enthält ausschließlich Kammermusik des griechischen Komponisten Nikos Skalkottas. Mit dem Ensemble Modern ist er regelmäßig in der Kölner Philharmonie zu Gast. 31 12631_KM_11-11-12_e.indd 31 09.11.12 12:10 Håkan Hardenberger Geboren in Malmö, Schweden, begann Håkan Hardenberger im Alter von acht Jahren mit dem Spiel der Trompete, zunächst unterrichtet von Bo Nilsson. Später studierte er in Paris bei Pierre Thibaud sowie in Los Angeles bei Thomas Stevens. Heute zählt er zu den besten Trompetern unserer Zeit. Håkan Hardenberger gibt Konzerte mit den führenden Orchestern der Welt, darunter das New York Philharmonic, das Chicago Symphony Orchestra, die Wiener Philharmoniker, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Swedish Radio Symphony, das London Symphony Orchestra sowie das NHK Symphony Orchestra Tokyo. Er arbeitet mit Dirigenten wie Pierre Boulez, Alan Gilbert, Daniel Harding, Paavo Järvi, Ingo Metzmacher, Andris Nelsons und David Zinman. Viele der Werke, die für Håkan Hardenberger geschrieben und von ihm uraufgeführt wurden, haben Eingang in das Standardrepertoire für Trompete gefunden. Komponisten wie Harrison Birtwistle, Hans Werner Henze, Rolf Martinsson, Olga Neuwirth, Arvo Pärt und Mark-Anthony Turnage gehören zu den Urhebern. HK Grubers Konzert Aerial hat seit seiner Uraufführung mehr als 60 Aufführungen weltweit erlebt. Im Sommer 2012 spielte Hardenberger erneut bei den Salzburger Festspielen, den BBC Proms und beim Rheingau Musik Festival. Zu weiteren Höhepunkten der laufenden Saison gehören Konzerte mit dem Königlichen Concertgebouworchester und Andris Nelsons, der Sächsischen Staatskapelle Dresden und Vladimir Jurowski, dem London Symphony Orchestra, dem Schwedischen Radio Sinfonieorchester, beide mit Daniel Harding, sowie eine Tour mit dem Mahler Chamber Orchestra. Darüber hinaus ist Hardenberger mit den Sinfonieorchestern von Bamberg, Göteborg und Helsingborg, dem Orquestra Sinfónica do Porto und dem Orchestre de la Suisse Romande zu hören. 32 12631_KM_11-11-12_e.indd 32 09.11.12 12:11 In der Saison 2012/13 greift Hardenberger vermehrt zum Dirigierstab. Erst kürzlich leitete er das WDR Sinfonieorchester Köln, die Dresdner Philharmoniker und das Schwedische Kammerorchester. Zusammen mit Schlagzeuger Colin Currie genießt Hardenberger großen internationalen Erfolg. Eine weitere wichtige Partnerschaft besteht mit dem schwedischen Pianisten Roland Pöntinen. Hardenbergers umfangreiche Diskographie wurde 2012 mit einer Einspielung seiner Lieblingsfilmmusiken mit der Academy of St. Martin in the Fields erweitert, gefolgt von einer Aufnahme von Grubers zweitem Trompetenkonzert Busking (mit dem Schwedischen Kammerorchester). Ein weiteres Highlight ist eine CD mit Konzerten von Turnage, Gruber und Eötvös mit den Göteborger Symfonikern. Håkan Hardenberger ist Professor an der Musikhochschule in Malmö und am Royal Northern College of Music in Manchester. Bei uns war er zuletzt im Juni dieses Jahres mit dem WDR Sinfonieorchester Köln zu Gast. 33 12631_KM_11-11-12_e.indd 33 09.11.12 12:11 Ensemble Modern Die Gründung des basisdemokratisch organisierten Ensemble Modern war eine Initiative von StudentInnen der Jungen Deutschen Philharmonie im Jahr 1980 mit dem Ziel, Neue Musik zu fördern und angemessen aufzuführen. Seit 1985 ist das Ensemble Modern in Frankfurt am Main beheimatet. Es zählt zu den weltweit führenden Ensembles für Neue Musik. Seit 1987 ist das Ensemble Modern eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit den MusikerInnen als Gesellschaftern. Zurzeit vereint das Ensemble 19 Solisten verschiedener Nationalitäten: Argentinien, Bulgarien, Deutschland, Großbritannien, Indien, Japan, Polen und die Schweiz bilden den kulturellen Hintergrund dieser Formation. Das Ensemble Modern ist bekannt für seine weltweit einzigartige Arbeits- und Organisationsweise: Es gibt keinen künstlerischen Leiter; Projekte, Gastmusiker, Koproduktionen und finanzielle Belange werden gemeinsam entschieden und getragen. Der derzeitige Hauptgeschäftsführer aus dem Kreis der Musiker ist die Schnittstelle für alle Vorhaben und Fragen zwischen der künstlerischen Ebene der Musiker und der organisatorischen Ebene 34 12631_KM_11-11-12_e.indd 34 09.11.12 12:11 der Mitarbeiter. Jeder Gesellschafter bringt seine persönlichen Erfahrungen und Vorlieben in die Planung ein, woraus eine einzigartige und unverwechselbare programmatische Bandbreite resultiert. Diese umfasst Musiktheater, Tanz- und Videoprojekte, Kammermusik, Ensemble- und Orchesterkonzerte. So entstanden außergewöhnliche und oftmals langjährige Zusammenarbeiten wie u. a. mit John Adams, George Benjamin, Peter Eötvös, Heiner Goebbels, Hans Werner Henze, Mauricio Kagel, Helmut Lachenmann, György Kurtág, György Ligeti, Benedict Mason, Karlheinz Stockhausen, Steve Reich oder Frank Zappa. Tourneen führten das Ensemble Modern nach Afrika, Australien, China, Indien, Japan, Korea, Südamerika, Taiwan, Russland und die USA. Regelmäßig tritt es bei renommierten Festivals auf wie den Salzburger Festspielen, den Klangspuren Schwaz, den Festwochen Wien, dem Musikfest Berlin, der MusikTriennale Köln, ACHT BRÜCKEN | Musik für Köln, dem Lincoln Center Festival in New York, settembre musica in Turin, dem Festival d’Automne à Paris, dem Festival Ars Musica in Brüssel, dem Holland Festival in Amsterdam und dem Lucerne Festival. Das Ensemble Modern gastiert auch in Deutschland an herausragenden Spielstätten. An der Alten Oper Frankfurt gibt es seit 1985 eine Abonnementreihe und in Kooperation mit der Oper Frankfurt finden regelmäßig Opernproduktionen sowie unter dem Titel ›Happy New Ears‹ Werkstattkonzerte statt, innerhalb derer zentrale Werke der zeitgenössischen Musik vorgestellt und erläutert werden. Eine enge Zusammenarbeit verbindet das Ensemble Modern mit zahlreichen deutschen Veranstaltern, darunter die Kölner Philharmonie, das Konzerthaus Berlin und die Philharmonie Essen und das Festspielhaus Baden-Baden. Jährlich gibt das Ensemble Modern etwa 100 Konzerte. In enger Zusammenarbeit mit den Komponisten, verbunden mit dem Anspruch nach größtmöglicher Authentizität, erarbeiten die Musiker jedes Jahr durchschnittlich 70 Werke neu, darunter etwa 20 Uraufführungen. Das Ensemble Modern verband mit Hans Werner Henze eine langjährige Freundschaft. 1985 war es erstmals bei seinem Festival »Cantiere Internazionale d’Arte« in Montepulciano zu Gast. Die dort herrschende Offenheit, der freie kreative Geist und der 35 12631_KM_11-11-12_e.indd 35 09.11.12 12:11 rücksichtsvolle Umgang miteinander, der sich in den zahlreichen Begegnungen mit Hans Werner Henze fortsetzte, haben das Ensemble Modern mitgeprägt. Der gemeinsame große Erfolg bei der ersten von Henze ins Leben gerufenen Opernbiennale in München (u. a. mit Mark-Anthony Turnages Greek), die zahlreichen fürs Ensemble geschriebenen Werke – Säulen und Leuchttürme auf dem Weg des Ensembles –, die gemeinsamen Projekte bis zur letzten großen Uraufführung, der Konzertoper Phaedra in der Staatsoper Berlin im Jahr 2007, zeigen die nahe Verbindung. Dem Ensemble Modern ist es ein Anliegen, Hans Werner Henzes Andenken dieses Konzert zu widmen. Das Ensemble Modern wird gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes, die Stadt Frankfurt sowie über die Deutsche Ensemble Akademie e.V. durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, die Deutsche Bank Stiftung, die GEMA-Stiftung und die GVL. Die Musikerinnen und Musiker des Ensemble Modern danken der Aventis Foundation für die Finanzierung eines Sitzes in ihrem Ensemble. hr2-kultur – Kulturpartner des Ensemble Modern 36 12631_KM_11-11-12_e.indd 36 09.11.12 12:11 Die Besetzung des Ensemble Modern Dietmar Wiesner Flöte Sonja Horlacher Flöte, Piccolo, Altflöte Christian Hommel Oboe Benjamin Fischer Englischhorn Nina Janßen-Deinzer Klarinetten Heinz-Peter Linshalm Bassklarinette, Kontrabassklarinette Matthias Stich Saxofone Johannes Schwarz Fagott, Kontraforte Saar Berger Horn Christoph Walder Horn Valentín Garvie Trompete, Basstrompete Sava Stoianov Trompete Uwe Dierksen Tenorposaune Carlo Eisenmann Bassposaune, Kontrabassposaune Uwe Schrodi Basstrompete Yumi Kimachi Celesta Rumi Ogawa Schlagzeug Boris Müller Schlagzeug Slavik Stakhov Schlagzeug Dennis Kuhn Pauke Eva Debonne Harfe Jagdish Mistry Violine Sabine Ahrendt Violine Kirsten Harms Violine Yutaka Shimoda Violine Megumi Kasakawa Viola Chihiro Ono Viola Nathalie Vandebeulque Viola Eva Böcker Violoncello Michael M. Kasper Violoncello Scott Roller Violoncello Axel Bouchaux Kontrabass 37 12631_KM_11-11-12_e.indd 37 09.11.12 12:11 Markus Stenz Markus Stenz ist Generalmusikdirektor der Stadt Köln und Gürzenich-Kapellmeister sowie Chefdirigent des Radio Filharmonisch Orkest und Erster Gastdirigent des Hallé Orchestra mit Sitz in Manchester. Ausgebildet an der Hochschule für Musik in Köln bei Volker Wangenheim und bei Leonard Bernstein und Seiji Ozawa in Tanglewood, profilierte er sich früh mit ungewöhnlichen Projekten und zahlreichen Ur- und Erstaufführungen. 1989 übernahm Markus Stenz die musikalische Leitung des Cantiere Internazionale d’Arte in Montepulciano (bis 1995) und leitete als Chefdirigent von 1994 bis 1998 die London Sinfonietta, das renommierteste britische Ensemble für zeitgenössische Musik. Parallel zu seiner Position als Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Melbourne Symphony Orchestra von 1998 bis 2004 hat Markus Stenz sein Repertoire ständig in Richtung Klassik und Romantik erweitert und sich als Konzert- wie auch als Operndirigent international etabliert. Er leitete so namhafte Klangkörper wie das Königliche Concertgebouworchester Amsterdam, die Münchner Philharmoniker, das Gewandhausorchester Leipzig, die Berliner Philharmoniker, das Tonhalle-Orchester Zürich, die Staatskapelle Berlin, die Wiener Symphoniker sowie das Chicago Symphony Orchestra, und das Los Angeles Philharmonic. Darüber hinaus gastierte er seit seinem Debüt als Operndirigent mit Hans Werner Henzes Elegie für junge Liebende am Gran Teatro La Fenice in Venedig u. a. an den Opernhäusern in Mailand, San Francisco, Los Angeles, Chicago, London, Brüssel, Berlin, Stuttgart, München und Hamburg sowie bei den Festivals in Glyndebourne, Edinburgh, Bregenz und Salzburg. Im Juli 2012 hat er die Oper »Solaris« von Detlev Glanert im Rahmen der Bregenzer Festspiele uraufgeführt. 38 12631_KM_11-11-12_e.indd 38 09.11.12 12:11 In der Saison 2012/2013 ist Markus Stenz an der Oper Köln u. a. musikalisch verantwortlich für die Neuproduktionen von Richard Wagners Parsifal sowie Franz Schrekers Die Gezeichneten. Seine zahlreichen CD-Aufnahmen erweitert er derzeit um eine Gesamteinspielung aller Mahler-Sinfonien mit dem GürzenichOrchester Köln. Als Gürzenich-Kapellmeister ist er mit dem Gürzenich-Orchester Köln in der Kölner Philharmonie regelmäßig zu Gast. 39 12631_KM_11-11-12_e.indd 39 09.11.12 12:11 Philharmonie-Hotline 0221 280 280 koelner-philharmonie.de Informationen & Tickets zu allen Konzerten in der Kölner Philharmonie! Kulturpartner der Kölner Philharmonie Herausgeber: KölnMusik GmbH Louwrens Langevoort Intendant der Kölner Philharmonie und Geschäftsführer der KölnMusik GmbH Postfach 102163, 50461 Köln koelner-philharmonie.de 12631_KM_11-11-12_e.indd 40 Redaktion: Sebastian Loelgen Corporate Design: hauser lacour kommunikationsgestaltung GmbH Textnachweis: Die Texte von Stefan Fricke und Egbert Hiller sind Originalbeiträge für dieses Heft. Fotonachweise: Der Rechteinhaber des Fotos auf S. 10 konnte nicht ermittelt werden; Marco Borggreve S. 32; Brigitte Friedrich S. 7; Catrin Moritz S. 38; Klaus Rudolph S. 2; Manu Theobald S. 31 und 34 Gesamtherstellung: adHOC Printproduktion GmbH 09.11.12 12:11 12631_KM_11-11-12_e.indd U3 09.11.12 12:11