Schön Klinik Roseneck Prien am Chiemsee Wissenschaftliche Kooperationen mit Harvard University Boston Universitätsklinik Freiburg Klinikum der LMU München Zwangsstörungen Ätiologie und Therapie – ein update Prof. Dr. Ulrich Voderholzer Ärztlicher Direktor, Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee Prof. Abt. Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinik Freiburg Bad Arolsen, 5. April 2014 © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 1 Zwangsstörungen Krankheitsbild Ätiologie Therapie © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 2 Einige Zentrale Merkmale der Zwangsstörungen • Innerer Drang • Widerstand • Einsicht des Übertriebenen, Unsinnigen (Ich-Dyston) • Scham, Verheimlichung • Einbezug Angehörige und anderer Personen • Chronizität , Spontanremission selten • Ruf der schweren Behandelbarkeit, Versorgungsproblem © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 3 Die Zwangsstörung • Punktprävalenz 1 - 2 %, • Lebenszeitprävalenz 2,3 % Erste Symptome % der Pat. 100 • Frauen = Männer 80 • Manifestationsgipfel 20 - 25. LJ. 60 • erste Symptome meist vor 18 40 • häufig komorbide Störungen 20. LJ ** 20 0 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29 31 41 ** Nestadt et al. 2000 © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 4 Komorbidität bei Zwangsstörungen in % nach Angaben aus verschiedenen Studien (untere und obere Grenzen) Assoziationen bzw. gehäuftes Auftreten auch bei: •Trennungsangst • Autismus • ADHS • Schizophrenie Übersichten bei Zaudig, Nervenarzt 2011 82, 294-296, Förstner, Külz, Voderholzer: Zwangsstörungen. Kohlhammer-Verlag 2011 © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 5 Zwangsspektrumsstörungen Förstner, Külz, Voderholzer: Zwangsstörungen. Kohlhammer-Verlag 2011 Impulskontrollstörungen, z.B. Neuropsychiatrischen Störungen, z.B. •Trichotillomanie •Skin picking •Kleptomanie •Patholog. Kaufen •TICS •Tourette-Syndrom •Chorea minor Zwangsstörungen Oft sehr früher Beginn Schlechtere Response auf Therapie •Zwangshandlungen •Zwangsgedanken Pathologische Beschäftigung mit dem Körper, z.B. Leichte Formen sehr häufig Zwanghafte Handlung führt Zur Spannungsreduktion – im Gegensatz zu typischen Zwängen teilweise mit Lustgefühl verbunden •Körperdysmorphe Störung •Hypochondrie •Anorexia nervosa © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 6 Zwangsstörungen Krankheitsbild Ätiologie Therapie © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 7 Psychologische Faktoren bei Zwangsstörungen Förstner, Külz, Voderholzer: Kohlhammer-Verlag 2011 oTraumata/Belastende Lebensereignisse : Typ-II-Traumata 10 – 15 % (LaFleur et al. 2011, Real et al.; 2011); belastende life events bei ca. 50 % oPersönlichkeitsfaktoren: ängstlich, selbstunsicher, abhängig, seltener zwanghaft (Thiel et al. 2013) oKognitive Faktoren: o Überschätzung von Risiken und der eigenen Verantwortung o Überschätzung der Bedeutung von Gedanken o Gedanken-Handlungsfusion o Intoleranz von Ungewissheit o Perfektionismus o Gefühl des nicht Richtigen („not just right“-Gefühl) © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Ulrich Voderholzer, Prien, FreiburgSeite 8 Warum sind Zwangssymptome oft so hartnäckig ? © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Prof. Dr. U. Voderholzer, Prien am Chiemsee Seite 9 Entstehung der Symptomatik Angst, Erregung, Anspannung Zwangsverhalten 100% Kurzfristiger negativer Verstärker Angst und Spannungsabfall Hält Symptomatik aufrecht Stimulus Prof. Dr. U. Voderholzer, Prien am Chiemsee/Freiburg © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 10 Zwangshandlungen - archaische Verhaltensmuster Funktionen, Ähnlichkeiten bei Tieren und beim Menschen • Tiere: Waschen der Nahrung, Reinigen des Nestes, Kontrollieren/Scannen der Umgebung bez. Gefahren, Reinigen des Nestes, Sammeln Vorräte → Überlebensvorteil • Angst, Bedrohung, Stress: Auslösung/ Verstärkung (Übersprungshandlungen) • Basalganglien → Speicher automatischer Verhaltensprogramme © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 11 Funktion von Zwangshandlungen beim Menschen Külz, Voderholzer et al.; Verhaltenstherapie 2010, 20, 101-108 • Kurzfristig: Angst-, und Spannungsreduktion (negative Verstärkung, wie bei Suchterkrankungen) • Regulation von Gefühlen (depressive Gefühle, Einsamkeit, Innere Leere, Unsicherheit, Wut, Traumatische Erlebnisse) • Nähe/Distanz-Regulation © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 12 Neurobiologie der Zwangsstörungen: State of the Art Karch und Pogarell, Nervenarzt 2011, 82, 299-307. Förstner, Külz, Voderholzer: Zwangsstörungen. Kohlhammer-Verlag 2011 Schädigung der Basalganglien prädisponieren zu Zwängen (Laplane et al. 1988) Beidseitige Pallidumnekrosen „Zwänge“ bei Tieren mit frontostriatalen Schädigungen: Hautschädigung durch exzessives Putzen (Welch et al.2008) Putzzeit Hypermetabolismus in Ruhe im Nucleus caudatus und Basalganglien vielfach repliziert (Baxter et al. 1988 Whiteside et al. 2004) © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Wildtyp Seite 13 Knockout Cognitive dysfuntion in OCD patients (N = 42) and healthy controls (N = 39), matched for age, sex, eduaction and intelligence controls OCD Z-values 0 * -0,4 * ** ** ** ** -0,8 -1,2 -1,6 General information Processing verbal fluency nonverbal fluency nonverbal memory set shifting planning problem solving Voderholzer et al. 2014, JOCD in press © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 14 Cognitive dysfuntion in OCD patients (N = 42) and healthy controls (N = 39), matched for age, sex, eduaction and intelligence: Baseline und Follow-up 0,2 OCD follow-up OCD baseline controls 0 -0,2 Z-Werte -0,4 * * -0,6 -0,8 -1 -1,2 * ** ** ** ** -1,4 -1,6 General verbal information fluency Processing nonverbal fluency nonverbal memory set shifting planning problem solving Voderholzer et al. 2014, JOCD in press © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 15 Nach KVT stärkere Aktivierung frontostriataler Netzwerke bei einer set shifting Aufgabe Freyer, Voderholzer Psychol Med 2011, 41: 207-216 © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 16 Zwangsstörungen Krankheitsbild Ätiologie Therapie © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 17 State of the Art Zwangsstörungen: Therapie Voderholzer & Hohagen (Hrsg.): Therapie psychischer Erkrankungen: State of the Art; 9. Auflage 2013/2014, pp 252-262 ; Olantunji et al.; 2013, J Psychiatric Research 47: 13-41., S-3-Leitlinie Zwangsstörungen) • Therapie der 1. Wahl: Kognitive Verhaltenstherapie mit Exposition, Effektstärken im Mittel ca. 1,0 – 1,2 ambulant, 1,5 – 2,0 stationär • Medikamentöse Therapie der 1. Wahl: SSRI • Indikation SSRI: komorbide schwere Depression, fehlendes Ansprechen oder Ablehnung KVT, Zwangsgedanken im Vordergrund • Therapieresistenz: Hochdosis SSRI, add-on atypische Neuroleptika, Umstellung/Kombination Clomipramin © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 18 Durchschnittliche Abnahme der Symptome in großen Therapiestudien (RCTs) bei Zwangsstörung, Y-BOCS-Verbesserung (Reduktion) in % Voderholzer & Hohagen (Hrsg.): Therapie psychischer Erkrankungen: State of the Art; 8. Auflage 2012/2013, pp 253-265. SSRI SSRI hohe Dosis Clomipramin KVT/Expo KVT/Expo + + SSRI KVT + Exposition hat den größten Effekt ! Zwänge heilen meist nicht vollständig aus Remission ist selten © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 19 Symptom- und Ursachenebene von Zwangsstörungen – Implikationen für die Therapie U R S A C H E N SYMPTOME T H E R A P I E Schwere Traumatisierungen Depression Einsamkeit Leere, Langeweile Zwangshandlungen Angst, Anspannung Ekel, etc…… Belastende Lebenserfahrungen Neurologische/Neurobiologische Faktoren; Genetische Faktoren Unsicherheit Soziale Defizite Primäre psychische Störungen Depression, Psychosen ADHS, Zwangsgedanken Zwangsimpulse Angehörige sind in Zwänge eingebunden Falsche Überzeugungen Gedanken-Handlungsfusion Überschätzung Risiken Perfektionismus Magisches Denken Sek. Psychische Störungen, sek. Depression, „Burnout“, Schlafmangel, Sek. Sucht (Meta)Kognitive Therapie ExpositionsTechniken Training sozialer Kompetenz Einbezug Angehöriger in Therapie Behand. komorb. Psych. Störungen Medikamente Traumatherapie © 2012 Schön Klinik Achtsamkeit RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 20 Stabilität des Therapieeffektes nach 2 Jahren 35 N=74 30 Medikamente: 25 Y-BOCS keine 20 in Kat abgesetzt durchgehend 15 10 In anderen Studien: Rückfallraten nach Absetzen von SSRI bis zu 80 – 90 % 5 0 Aufnahme © 2012 Schön Klinik Entlassung 2-Jahres-Kat Seite 21 RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Kordon, Voderholzer et al. Eur Arch, 2005; Voderholzer et al. , 2004, 2005 KVT bei Zwang: Einige Aspekte • Sollten intensiv sein, 50 min kaum ausreichend, Expositionssitzungen mind. 2 Stunden • Sollten in „in vivo“ sein, d.h. außerhalb des Therapiezimmers • Wenn möglich auch häusliche Sitzungen • Abhängig von der Erfahrung des Therapeuten mit Zwängen • Sie werden selten angewendet (Böhm, Voderholzer et al. 2008, Voderholzer et al. 2011, Schwartz 2014, JOCD) © 2012 Schön Klinik Ulrich Voderholzer, Prien, Freiburg RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 22 Weiterentwicklung der Psychotherapie bei Zwangsstörungen – Neue Studien 2013/2014 • Achtsamkeitsübungen bei Zwangsgedanken (Wahl et al. , Cog Ther Res 2014, in press) • Achtsamkeitsbasierte Kognitive Gedanken nicht bewerten Gefühle akzeptieren Handeln nach Werten Therapie nach Exposition (Külz et al.; Verhaltenstherapie und Psychosoziale Praxis 2013; 45: 327-344) • ACT bei Zwangsgedanken (Dehlin et al., Behav Modif 2013, online) © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Fördert Exposition u. Abbau von Vermeidung Seite 23 Tiefe Hirnstimulation bei Zwangsstörungen bei Multi-Therapieresistenz: Aussagen S-3 Leitlinie Zielort: vordere innere Kapsel beidseits Die beidseitige tiefe Hirnstimulation kann unter kritischer Nutzen/Risikoabwägung bei schwerstbetroffenen Patienten mit therapierefraktärer Zwangsstörung erwogen werden (Empfehlungsgrad 0), ..aber nur im Rahmen von Studien (KKP) Kontrollierte Studien fehlen bisher ! © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 24 Anwendung von KVT mit Exposition nach Angaben von 367 Patienten mit Zwangsstörung Voderholzer et al. Z-aktuell 2011, 3: 3-5., Voderholzer et al., 2013, Verhaltenstherapie 2014 submitted © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 25 Kohlhammerverlag Preis: EUR 42,90 Prof. Dr. U. Voderholzer, Prien am Chiemsee/Freib © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm Seite 26 Einige Kernbotschaften • Zwänge häufiger als sie denken, Scham, fehlende Explo-ration, Angst vor Therapie verhindern Diagnosestellung • KVT mit Exposition ist die wirksamste Therapie, wirksamer als Medikamente, sie hat nachhaltigen Effekt • Es geht in der Verhaltenstherapie natürlich nicht nur um Zwänge ! (Funktionalität !) • Exposition ist nicht alles, aber ohne Exposition ist oft alles nichts • 80 – 90 % der Patienten, die in ambulanter Psychotherapie waren haben diese Therapie nicht erhalten • Bei Stationärer Therapie Störungsspezifisches Setting sinnvoll (trainiertes Team + Lernen u. Solidarität Mitpatienten) © 2012 Schön Klinik RibbonSample-V3-inarbeit.pptm 27 Seite 27