38 Einführung der Freien Enthalpie G (Gibbssche Enthalpie) Für einen reversiblen Prozess gilt dS Qrev Qirrev , für einen irreversiblen ist dS , da bei T T Irreversibilität die Entropie stärker zunimmt als über die reduzierte Wärme berechnet. Die bei konstantem Druck umgesetzte Wärme ist die Enthalpieänderung dH Qp . Damit erhält man für p = konst. (dp = 0) die Ungleichungen dH dS T → dH T dS dH T dS 0 → bei denen < für Irreversibilität und = für Reversibilität stehen. Die letzte Beziehung läßt es als zweckmäßig erscheinen eine weitere Zustandsfunktion, die Freie Enthalpie G H T S zu definieren. Für die differentielle Änderung der Freien Enthalpie gilt dG dH T dS S dT Für T = konst. (dT = 0) erhält man dG dH T dS und damit: dGT ,p 0 . Bei konstanter Temperatur und konstantem Druck verlaufen Prozesse freiwillig (irreversibel), so lange dG < 0, d. h., so lange die Freie Enthalpie G abnimmt. Für dG = 0 ist das Gleichgewicht erreicht, weil nur dann reversible Veränderungen möglich sind. Die Freie Enthalpie G = f(T, p) ist eine Zustandsfunktion von enormer Bedeutung, weil man mit ihrer Hilfe Aussagen treffen kann, ob Reaktionen freiwillig ablaufen und ob man sich im Gleichgewicht befindet. Wenn wir wissen wollen, ob bei T, p = konst. ein Prozess abläuft, müssen wir die Änderung der Freien Enthalpie G ermitteln. G G Pr od G Ed Wenn G 0 , dann läuft die Reaktion in Richtung auf die Produkte bis zu einem Gleichgewichtszustand in dem die Freie Enthalpie ein Minimum erreicht. Exotherme Reaktionen verlaufen spontan unter einem negativem Wert von Endotherme Reaktionen können aber auch spontan ablaufen wenn dabei H . die 39 Entropiezunahme S sehr groß oder T hoch genug ist, damit T dS H wird. Endotherme Reaktionen verlaufen also nur bei starker Entropiezunahme spontan. Die Kenntnis der Freien Enthalpien von Stoffen ist daher von großem Interesse. Nach G H T S setzt sich die Freie Enthalpie aus Beiträgen der Enthalpie und der Entropie zusammen. Für die bei 298.15 K und 1 bar stabilen Modifikationen der Elemente können die Freien Standardbildungsenthalpien ebenso wie die Standardbildungsenthalpien zu Null gesetzt werden: bG 0 , b H 0 . Die molaren Standardentropien S m aller Stoffe auch der Elemente - sind jedoch größer als Null. Dies liegt an den Wärmemengen, die den Stoffen zur Erwärmung von 0 K bis auf 298.15 K zugeführt werden müssen. Bestimmung der molaren Standardentropien S m Nach Planck sind am absoluten Temperaturnullpunkt für einen reinen und perfekt kristallinen Festkörper die Positionen aller Teilchen besetzt. Es gibt keine Fehlstellen. Der reine perfekt kristalline Festkörper bei 0 K hat nur einen Ordnungszustand und damit die geringste Unordnung und so nach der Molekularstatistik ein Minimum der Entropie. Deshalb kann man für diesen Zustand bei 0 K die Entropie zu Null setzen. Dritter Hauptsatz: Die Entropie einer reinen und perfekt kristallinen Substanz (Element oder Verbindung) beträgt bei 0 Kelvin S = 0. Der Dritte Hauptsatz ist die Basis zur Bestimmung von molaren Standardentropien. Unter der Annahme, dass jeder reine Stoff bei 0 K als idealer Festkörper vorliegt, werden S m -Werte über kalorische Messungen erhalten. H cp T p → dH c p dT mit c p a T 3 im Tieftemperaturbereich. Bei reversibler Wärmezufuhr bei p = konst. und tiefen Temperaturen gilt dS dH T → dS c p dT T T → ST a T 2 dT 0 a T 3 3 → ST c p (T ) 3 Bei Phasenumwandlungen (phase transition: ptr), die immer bei konstanter Temperatur Tptr erfolgen, nimmt S um den Betrag ptr H Tptr zu. 40 Messung/Berechnung der Entropie Solche durch Messungen begleitete Berechnungen wurden für den Temperaturbereich von 0 bis 298.15 K durchgeführt, um S m -Werte zu erhalten, die nun tabelliert vorliegen. Für die Standardreaktionsenthalpie war bereits r H J bHJ hergeleitet, wobei J J der stöchiometrische Faktor des Reaktanden J ist. Für die Standardreaktionsentropie gilt analog r S J Sm,J . J Die Freie Standardreaktionsenthalpie, die uns sagt, ob eine Reaktion bei T = 298.15 K und 1 bar abläuft, erhält man so als r G r H T r S 41 Eine weitere wichtige Eigenschaft der Freie Standardreaktionsenthalpie ist, dass sie den Wert für die maximale nicht-expansive Arbeit angibt, die ein System bei konstanter Temperatur und konstantem Druck leisten kann. Hierzu gehört z.B. die Arbeit in biologischen Zellen in denen die Energie im ATP gespeichert ist und zur Muskelkontraktion, Proteinbildung oder zum Betrieb der neuronalen Netzwerke (Sinnesorgane, Gehirn) verwendet werden kann. Arbeit in elektrochemischen Zellen ist ebenso nicht-expansive Arbeit. Ein Beispiel hierfür ist die Brennstoffzelle. Hier findet folgende Reaktion statt: H2 (g) + ½ O2 (g) H2O (l) Üblicherweise wird Verbrennungswärme dazu benutzt um eine Turbine anzutreiben, die wiederum elektrische Energie erzeugt. Bei der Brennstoffzelle geschieht die Umwandlung von chemischer in elektrische Energie jedoch direkt mit einem Wirkungsgrad von bis zu 83%! Die maximal nutzbare elektrische Arbeit beträgt dabei unter Standard-bedingungen r G = -237 kJ Anode: 2H2 4H+ + 4e- Kathode: O2+4H++4e- 2H2O 42 Fundamentalgleichungen der Thermodynamik Die Freie Enthalpie ist definiert als eine Funktion von Temperatur und Druck: G f (T , p) . Das Totale Differential der Freien Enthalpie íst also: G G dG dp . dT T p p T G Was bedeuten die parteillen Differentiale und T p Der Erste Hauptsatz lautet: G ? p T dU Q W . Wenn nur Volumenarbeit anfällt ist W p dV . Im reversiblen Fall gilt Qrev T dS und damit die Erste Fundamentalgleichung: dU T dS p dV Da die Innere Energie U eine Zustandsfunktion ist und auf der rechten Seite der Gleichung nur Zustandsfunktionen und Zustandsvariable stehen, gilt diese Fundamentalgleichung generell, also auch für irreversible Prozesse. Setzt man die erste Fundamentalgleichung in dH dU p dV V dp ein, dann erhält man dH T dS p dV p dV V dp und damit die Zweite Fundamentalgleichung: dH T dS V dp Die differentielle Änderung der Freien Enthalpie ist dG dH T dS S dT . Mit der zweiten Fundamentalgleichung wird daraus dG T dS V dp T dS S dT und damit die Dritte Fundamentalgleichung: dG S dT V dp Mit G S T p und G V . p T Diese dritte Fundamentalgleichung beschreibt die Druck- und Temperaturabhängigkeit der Freien Enthalpie und wird uns bei der Berechnung von Gleichgewichten wichtige Dienste leisten. 43 Druckabhängigkeit der Freien Enthalpie bei T = const.: dG Vm dp Für Festkörper und Flüssigkeiten ist das Molvolumen wenig kompressibel. Daher ist G in diesem Fall praktisch konstant bei Druckänderung. Gase haben dagegen größere Molvolumina und sind kompressibel, d.h. hier muss vom Anfangsdruck p (dieser soll hier 1 bar also Standarddruck p betragen) bis zum Enddruck p integriert werden. p V G ( p) G m p dp Mit pVm = RT gilt für ein mol ideales Gas p G ( p) G RT 1 p p dp RT ln ( p p ) p ) p und damit G( p) G RT ln( mit der molaren Freien Enthalpie Gm ( p) Gm RT ln( p ) p Eine Druckerhöhung auf das 10-fache führt bei 298 K zu einer Erhöhung der molaren Freien Enthalpie eines Gases um ca. 6 kJ/mol. Die molare Freie Enthalpie Gm(p) eines perfekten (idealen) Gases wird auch dessen chemisches Potenzial genannt. Gm Als chemisches Potenzial für reine Substanzen gilt dann RT ln( p ). p