18. Magnetismus in Materie Wir haben den elektrischen Strom als Quelle für Magnetfelder kennen gelernt. Auch das magnetische Verhalten von Materie wird durch elektrische Ströme bestimmt. Die Bewegung der Elektronen eines Atoms um den Atomkern stellt einen Strom dar, der – je nach Anordnung der Elektronen – zur Ausbildung eines Magnetfeldes führen kann. Auch der Spin der Elektronen trägt dazu bei. B e - + Hinsichtlich ihrer magnetischen Eigenschaften bei Anlegen eines äußeren Feldes unterscheiden wir drei Kategorien von Stoffen: diamagnetische, paramagnetische und ferromagnetische Materialien. Diamagnetische Stoffe Die Atome diamagnetischer Stoffe besitzen kein permanentes magnetisches Moment. Bringt man diamagnetische Stoffe in ein äußeres Magnetfeld, so wird die Bewegung der Elektronen gestört. Dies führt zur Ausbildung eines entgegen gerichteten magnetischen Momentes, das zu einer Abschwächung des äußeren Feldes führt. Paramagnetische Stoffe Die Atome paramagnetischer Stoffe besitzen ein permanentes magnetisches Moment. Durch Anlegen eines äußeren Magnetfeldes kommt es zu einer teilweisen Ausrichtung der Atome, wodurch das äußere Feld leicht verstärkt wird. Zur Beschreibung der magnetischen Eigenschaften führt man eine neue Materialkonstante ein, die Permeabilität μ. Sie beschreibt, um wieviel sich das Magnetfeld in Anwesenheit des Stoffes gegenüber im Vakuum erhöht. B = μ ⋅ B0 Für diamagnetische Stoffe ist μ kleiner eins, für paramagnetische größer eins. Ferromagnetische Stoffe Auch in ferromagnetischen Stoffen besitzen die Atome ein permanentes magnetisches Moment. Sie haben aber die Besonderheit, dass die Momente der einzelnen Atome sich spontan gemeinsam ausrichten können. Daher kommt es auch ohne Anlegen eines äußeren Feldes zur Ausbildung so genannter Weisscher Bezirke, innerhalb derer viele tausend Atome gleich ausgerichtet sind. Durch Anlegen eines Magnetfeldes richten sich die Weisschen Bezirke nach dem äußeren Feld aus, wodurch dieses enorm verstärkt wird. Die Permeabilitäten ferromagnetischer Stoffe können 104-105 betragen. Dadurch kann z.B. das Magnetfeld einer stromdurchflossenen Spule erheblich erhöht werden, wenn die Spule um einen Eisenkern gewickelt ist. Nach Entfernen des äußeren Magnetfeldes können ferromagnetische Stoffe ihre Magnetisierung beibehalten. Man spricht dann von Remanenz. 19. Induktion Wir haben gesehen, dass ein elektrischer Strom ein Magnetfeld erzeugt. In diesem Kapitel werden wir sehen, dass das umgekehrte ebenso möglich ist: ein Magnetfeld kann in einem Leiter einen elektrischen Strom erzeugen. Entscheidend für das Verständnis dieses Phänomens ist das Konzept des magnetischen Flusses. 19.1 Der magnetische Fluss Unter dem magnetischen Fluss Φ verstehen wir das Produkt aus dem mittleren Magnetfeld B, das durch eine Fläche A tritt, wobei nur die Komponente senkrecht zu A relevant ist. Ist B über die gesamte Fläche konstant und senkrecht zu A, so ergibt sich einfach: Φ = B⋅A B Andernfalls gilt allgemein: Φ = ∫ B ⋅ dA A A Einheit des magnetischen Flusses ist das Weber: 1 Wb = 1 Tm2 = 1 Vs 19.2 Faradaysches Gesetz Wird eine Leiterschleife in ein Magnetfeld hinein oder hinaus bewegt, so wird in der Leiterschleife eine Spannung induziert. Entscheidend hierfür ist, dass der magnetische Fluss durch die von der Leiterschleife geformte Fläche verändert wird. Dies wird durch das Faradaysche Induktionsgesetz beschrieben: B dΦ dt Für eine einfache Leiterschleife ist n = 1. Nimmt man stattdessen eine Spule mit n Windungen, so tritt der Fluss n-mal durch die Fläche der Spule. Eine Änderung des Flusses ergibt sich, wenn U ind = −n • • • • die Stärke des Magnetfeldes B verändert wird die Fläche A verändert wird die Orientierung von A zu B verändert wird die Leiterschleife durch Bereiche verschiedener Feldstärke bewegt wird 19.3 Die Lenzsche Regel Wenn eine Spannung in einer Leiterschleife induziert wird, so fließt ein Strom. Dieser Strom erzeugt natürlich seinerseits ein Magnetfeld. Dabei ist die Richtung des Stroms so, dass der dadurch entstehende magnetische Fluss entgegen der Flussänderung, die die Spannung induziert hat, gerichtet ist. Dies ist der Inhalt der Lenzschen Regel: Die Induktionsspannung und der Strom, den sie hervorruft, sind stets so gerichtet, dass sie ihrer Ursache entgegenwirken. Dies wird durch das Minuszeichen im Faradayschen Induktionsgesetz zum Ausdruck gebracht: U ind = −n dΦ dt 19.4 Induktivität Wie wir gesehen haben, erzeugt eine stromdurchflossene Spule ein Magnetfeld der Stärke B = μ0 n I l Wir wollen nun den magnetischen Fluss durch die Spule berechnen. Dafür nehmen wir an, dass das Magnetfeld homogen ist und senkrecht zur Querschnittsfläche A der Spule steht. Für eine lange, eng gewickelte Spule ist das eine gute Näherung. Für den magnetischen Fluss gilt n2 Φ = nBA = μ0 A ⋅I = L ⋅I l Die Größe L heißt Selbstinduktivität oder einfach Induktivität der Spule: n2 L = μ0 A l Die Einheit der Induktivität ist das Henry (H): 1 H = 1 Wb / A Für den magnetischen Fluss durch die Spule gilt also: Φ = L ⋅I Falls sich der Strom ändert, ändert sich demnach auch der magnetische Fluss durch die Spule. Da L eine Konstante ist, erhalten wir: dΦ dI = L⋅ dt dt Nach dem Faradayschen Induktionsgesetz induziert die Flussänderung eine Spannung Uind in der Spule: U ind = − dΦ dI = −L dt dt Die induzierte Spannung ist also umso größer, je schneller sich die Stromstärke ändert, und nach der Lenzschen Regel ist sie Ihrer Ursache, also der Stromänderung, entgegen gerichtet. Die Selbstinduktivität einer Spule (eines Stromkreises) verhindert also, dass sich die Stromstärke sprunghaft ändert. 19.5 Die Erzeugung von Wechselstrom Zur Erzeugung von Wechselströmen verwendet man elektrische Generatoren. Diese funktionieren U nach folgendem Prinzip: Eine Leiterschleife der Fläche A rotiert mit der Winkelgeschwindigkeit ω in einem Magnetfeld B. Dies bewirkt eine periodische Änderung des Flusses Φ durch die Schleife: α Φ (t ) = A ⋅ B = AB cos α = AB cos ωt Nach dem Induktionsgesetz wird eine sinusförmige Spannung U in der Schleife induziert: U (t ) = − dΦ = ABω sin ωt = U0 sin ωt dt Für die Wechselspannung aus dem Netz gilt ν = ω/2π = 50 Hz. Fällt eine Wechselspannung an einem ohmschen Widerstand ab, so fließt ein Wechselstrom. Der durch einen ohmschen Widerstand fließende Strom ist mit der Wechselspannung in Phase, d.h. beide nehmen zu gleichen Zeitpunkten ihre Extremwerte an. I + U − R Für den Wechselstrom gilt: I (t ) = U0 sin ωt = I0 sin ωt R Die Leistung, die im Widerstand in Wärme umgesetzt wird, ist ebenfalls eine Funktion der Zeit: P (t ) = I 2 R = I02 R sin2 ωt Beachten Sie, dass die Leistung stets positiv (oder null) ist. Für die mittlere Leistung gilt: 1 P = I02 R 2 Effektivwerte Wie wir gesehen haben, ändern sich Stromstärke und Spannung periodisch mit der Zeit. Technisch interessant sind aber zeitliche Mittelwerte. Man definiert den Effektivwert des Wechselstroms als diejenige Stromstärke, die ein Gleichstrom haben müsste, um die gleiche mittlere Leistung zu erbringen. 2 P = Ieff R= I 1 2 I0 R ⇒ Ieff = 0 2 2 Analog ergibt sich der Effektivwert der Wechselspannung: Ueff = U0 2 Die Angabe der Netzspannung von 230 V bezieht sich auf den Effektivwert. Der Maximalwert beträgt demnach U0,Netz = 2 ⋅ 230 V = 325 V 19.6 Transformator Ein Transformator dient dazu, einen Wechselstrom der Spannung U1 in einen Wechselstrom der Spannung U2 umzuwandeln. U1 U2 n1 n2 Dazu wickelt man eine Primärspule mit n1 Windungen, an der U1 anliegt, um einen Eisenkern. Um den gleichen Eisenkern wickelt man die Sekundärspule mit n2 Windungen, an der die transformierte Spannung U2 abgegriffen wird. Die Wechselspannung U1 bewirkt eine periodische Flussänderung durch die Primärspule. Über den Eisenkern wird die Flussänderung auf die Sekundärspule übertragen, in der dann wiederum eine Wechselspannung U2 induziert wird. Nach dem Induktionsgesetz gilt: U1 = n1 dΦ dΦ n bzw. U2 = n2 ⇒ U2 = 2 U1 dt dt n1