Gustavo Gimeno dirigiert Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 6 »Pastorale« 2. JUGENDKONZERT DER SAISON 2015/16 am Dienstag, 23. Februar 2015 19 Uhr in der Philharmonie im Gasteig Biographie LUDWIG VAN BEETHOVEN - geboren am 16. oder 17. Dezember 1770 in Bonn Ludwig van Beethoven ist einer der bekanntesten Komponisten - gestorben am 29. März 1827 in Wien der Welt. Er wird am 16. oder 17. Dezember 1770 in Bonn - einer der bedeutendsten Komponisten der Musikgeschichte geboren. Wie schon der Großvater ist auch der Vater als - das berühmte »Freude, schöner Götterfunken« aus dem Musiker in der kurfürstlichen Hofkapelle in Bonn angestellt. Schlusssatz der 9. Symphonie ist heute die Europa-Hymne Auch Ludwig soll Musiker werden und bekommt als Vierjähriger - wichtige Werke: neun Symphonien, fünf Klavierkonzerte, den ersten Klavierunterricht von seinem Vater, der bald das Violinkonzert, 32 Klaviersonaten, 16 Streichquartette, die Oper außergewöhnliche Talent seines Sohnes erkennt. Ein Wunder- »Fidelio« kind, ein zweiter Mozart, das schwebt ihm vor. Doch anders als bei Mozarts ist Ludwigs Vater streng, jähzornig und zuweilen gewalttätig. Ludwig muss mehrere Stunden am Tag üben, manchmal holt ihn der Vater nachts aus dem Bett und setzt ihn ans Klavier. »Beethoven selbst trug einen Morgenrock aus langhaarigem, dunkelgrauem Material und dazu passende Hosen, sodass er Mit sieben Jahren tritt Ludwig zum ersten Mal bei einem mich sofort an das Bild aus Campe's 'Robinson Crusoe' Konzert auf. Doch der erhoffte Erfolg bleibt aus. Neben dem einnerte, den ich zu dieser Zeit gerade las. Sein kohlschwarzes Klavier bekommt er Unterricht auf der Geige, der Orgel und in Haar, im Titusschnitt, stand widerborstig von seinem Kopf ab. Harmonielehre. Großes Glück hat Ludwig, als der Vater den Sein Bart – er hatte sich seit mehreren Tagen nicht rasiert – neuen Hoforganisten Christian Gottlob Neefe als Lehrer für machte den unteren Teil seines bereits braunen Gesichts noch ihn gewinnen kann. Neefe wird zu einem wichtigen Lehrer und dunkler. Mit schneller, kindlicher Auffassungsgabe bemerkte ich Förderer. Er sorgt z.B. dafür, dass die erste größere Komposition auch, dass er in seinen Ohren Baumwolle stecken hatte, die in Ludwigs im Druck erscheint. eine gelbe Flüssigkeit eingetaucht war.« (Carl Czerny, Schüler von Beethoven) Als 13-Jähriger wird Ludwig als zweiter Organist am Hof angestellt und verdient damit halb so viel wie sein Vater. Bei der wohlhabenden Familie von Breuning wird er als Klavierlehrer »Wir fanden ihn in einem öden, fast ärmlichen Zimmer. Grösste eingestellt, dabei ist Ludwig nur wenig älter als die Kinder, die Unordnung, Musik, Geld, Kleidungsstücke auf dem Fussboden, er unterrichten soll. In dem freundlichen Haus fühlt sich auf dem unsauberen Bette Wäsche gehäuft, der offenstehende Ludwig wohl, er verbringt viele Stunden dort und bleibt sein Flügel mit dickem Staube bedeckt, zerbrochenes Kaffeegeschirr Leben lang mit den Breunings freundschaftlich verbunden. auf dem Tische…Beethoven war in einem schäbigen, an Ärmeln zerrissenen Hausrock gekleidet…” Der (Carl Maria von Weber, 1823) musikliebende Kurfürst gewährt dem 16-jährigen Beethoven bezahlten Urlaub, damit dieser nach Wien – dem musikalischen Zentrum Europas – reisen kann. Doch nach nur wenigen Wochen muss er zurück nach Bonn, da seine Mutter im Sterben liegt. Nach ihrem Tod übernimmt Ludwig, nachdem der alkoholkranke Vater entmündigt wurde, die Verantwortung für seine beiden Brüder. Doch sechs Jahre später bricht er wieder, und diesmal endgültig, nach Wien auf, wo er u. a. Schüler von Jospeh Haydn wird. In Wiener Musikkreisen ist Beethoven bald als Pianist und Klavierlehrer gefragt und beeindruckt sein Publikum vor allem mit seinen freien Improvisationen. Auch als Komponist von Streichquartetten und Symphonien macht er sich schnell einen Namen. Beethoven ist noch keine 30 Jahre alt, als er über starkes Ohrensausen klagt – die ersten Anzeichen eines Gehörleidens, das schließlich zu völliger Taubheit führen wird. 1802 schickt ihn sein Arzt zur Erholung nach Heiligenstadt, doch der Kuraufenthalt dort bringt keine Besserung. In einem Brief an seine Brüder, der als »Heiligenstädter Testament« bekannt wer- BEETHOVEN, DER UMZUGSWELTMEISTER den wird, schildert Beethoven seine Verzweiflung. In den 41 Jahren, die Beethoven in Wien lebte, bewohnte er 36 Als wollte er sich gegen das Schicksal aufbäumen, sind die verschiedene Wohnungen. Sein ungestümes Wesen, sein nächsten Jahre die produktivsten in Beethovens Leben. bisweilen rücksichtsloses Verhalten – etwa wenn er mitten in Zwischen 1802 und 1812 schreibt er u. a. die berühmten der Nacht Klavier spielte oder die Waschschüssel umstieß und Symphonien Nr. 3, Nr. 5 und Nr. 6, das Violinkonzert sowie das es in die untere Wohnung durchtropfte – brachten ihm allzu oft 4. und 5. Klavierkonzert. 1808 erhält er das Angebot, als Ärger mit seinen Nachbarn und Vermietern ein. Außerdem Hofkapellmeister nach Kassel zu gehen. Beethovens adelige übernahm der Natur liebende Beethoven die Angewohnheit der Wiener Musikfreunde wollen ihn nicht ziehen lassen und Wiener Bevölkerung, in den heißen Sommermonaten eine vereinbaren die Zahlung eines festen jährlichen Gehalts, das Wohnung in der ländlichen Umgebung Wiens zu beziehen. Beethoven ein Leben als freier Komponist ermöglicht. Wegen der vielen Adresswechsel wies Beethoven seine Briefpartner an, Post an ihn mit »Beethoven, Wien« oder auch 1813 erlebt Beethoven einen triumphalen Erfolg mit der nur »Ludwig van Beethoven,… das genügt!” zu adres- Aufführung von »Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei sieren, was tatsächlich funktionierte! Vittoria«. Im Gegensatz zu vielen seiner heute so berühmten Werke wird »Wellingtons Sieg«, in dem Beethoven die Niederlage Napoleons in einer Schlacht gegen die britische Armee schildert, vom Publikum enthusiastisch gefeiert. BEETHOVEN, DER REVOLUTIONÄR Ein weiterer großer Erfolg ist die Uraufführung der 9. Sym- Beethoven war ein selbstbewusster und freiheitsliebender phonie, für deren letzten Satz sich Beethoven etwas völlig Mensch. Die Ziele der französischen Revolution – Freiheit, Ungewöhnliches ausdenkt: Gesangssolisten und Chor singen Gleichheit, Brüderlichkeit – waren für ihn das höchste Maß Schillers »Ode an die Freude«. Obwohl Beethoven voll- aller kommen taub ist, besteht er darauf, selbst zu dirigieren. Den untertäniges Dinge. Standesunterschiede tosenden Schlussapplaus nimmt er erst wahr, als ihn die Solistin verbeugen) verachtete er. Zu seinem Gönner Fürst Lichnowsky zum Publikum hin dreht. sagte er einmal: »Was Sie sind, sind Sie durch Geburt, was ich Verhalten Adeligen akzeptierte gegenüber er (z.B. nicht, sich bin, bin ich durch mich. Fürsten hat es und wird es noch Am 26. März 1827 stirbt Beethoven in Wien. In einem nicht Tausende geben, Beethoven gibt es nur einen.« Als enden wollenden Leichenzug nehmen 20.000 Wiener Abschied während eines Konzerts, bei dem Beethoven spielte, zwei junge von dem großen Komponisten. Adelige im Publikum nicht aufhörten sich zu unterhalten, brach Beethoven mitten im Stück ab und verließ mit den Worten »Vor solchen Schweinen spiele ich nicht!« den Saal. SYMPHONIE NR. 6 F-DUR OP. 68 Lautmalerei in der Musik lustig gemacht, und dabei auch vor »PASTORALE« seinem Lehrer Joseph Haydn nicht halt gemacht, der z.B. in seinem Oratorium »Die Schöpfung« das Gebrüll eines Löwen Raus aus der Stadt, weg von den vielen Menschen und hinein in musikalisch nachahmt. Daher fügte Beethoven in den Noten die Natur: Beethoven liebte es, auf langen Spaziergängen das noch den Hinweis »mehr Ausdruck der Empfindung als Wiener Umland zu durchstreifen. Hier fühlte er sich wohl und Malerei« hinzu. Es ging ihm also nicht darum, ein bestimmtes die Ruhe brachte seinem Ohrenleiden Linderung. Die Natur äußeres Bild abzubilden, sondern er wollte seine inneren inspirierte Gefühle ausdrücken, die er bei dieser oder jener Szene in der ihn, wie Beethovens Freund Anton Schindler berichtet: »Solche Ausflüge glichen jenen der Bienen um Honig Natur empfand. Dennoch finden sich in der Symphonie zu sammeln.« Abschnitte, in denen mit instrumentalen Mitteln Vogelrufe, das Plätschern eines Baches oder ein Gewitter nachahmte. 1. SATZ: »ERWACHEN HEITERER EMPFINDUNGEN BEI DER ANKUNFT AUF DEM LANDE« Mit einer Melodie, die glücklich, entspannt und heiter wirkt, beschreibt Beethoven die Ankunft auf dem Lande. Es ist vor allem der warme und weiche Klang der Streicher, mit dem Beethoven hier arbeitet. Die Anfangsmelodie begleiten die Bratschen und Celli mit gehaltenen Tönen im Abstand einer Quinte, den sogenannte Bordun-Quinten. Dieser statische Begleitklang ist ganz typisch für volkstümliche Dudelsack- oder Drehleiermusik. Auch der Rest des ersten Satzes strahlt innere Ruhe und Zufriedenheit aus, denn Beethoven verzichtet ganz auf scharfe Kontraste, auf ein Vorwärtsdrängen der Musik. Dieser Satz lädt zum Verweilen ein, zum Verweilen in der Natur vielleicht. 2. SATZ: »SZENE AM BACH« In seiner 6. Symphonie brachte Beethoven seine Naturbegeisterung zum Ausdruck. Sie entstand in der Zeit zwischen Das ruhige Murmeln eines Bachs, dargestellt durch die sich Sommer 1807 und Sommer 1808 zeitgleich mit der 5. immer verändernden Sechzehntelbewegungen in den Violinen, Symphonie. In den Skizzen nannte er seine neue Symphonie Bratschen »Sinfonia caracteristica« und »Sinfonia pastorella«. Erst für den Hintergrund für den zweiten Satz. Höhepunkt sind die Druck legte Beethoven den Titel »Sinfonie Pastorale – Schlusstakte, in denen der charakteristische Gesang dreier Erinnerungen an das Landleben« (pastor bedeutet im Lateini- Vögel solistisch imitiert wird: das rhythmische Schlagen der schen »Hirte«) fest, und spielt damit auf außermusikalische Wachtel, das Trillern der Nachtigall und der berühmte ländliche Motive in seiner Musik an. Jedem der fünf Sätze Kuckucksruf – die Namen der Vögel hat Beethoven sogar (! nicht vier, wie sonst bei Symphonien üblich) gab Beethoven ausdrücklich in der Partitur notiert. und zwei Solo-Celli, bildet den klanglichen einen konkreten Titel in deutscher Sprache: 3. SATZ: »LUSTIGES ZUSAMMENSEIN DER LANDLEUTE« 1. »Erwachen heiterer Empfindungen bei der Ankunft auf dem Lande« Der dritte Satz bildet zusammen mit dem vierten und fünften 2. »Szene am Bach« eine Einheit, alle drei Sätze gehen ohne Pause ineinander über. 3. »Lustiges Zusammensein der Landleute« Im Stil einer Dorfkapelle spielt das Orchester, zu dem nun zum 4. »Gewitter, Sturm« ersten Mal seit Beginn der Symphonie die Trompeten hinzu 5. »Hirtengesang: Frohe und dankbare Gefühle nach dem treten, beschwingt zum Tanz auf. Die Oboe lässt Beethoven Sturm« mit ihrer Melodie »falsch«, nämlich zu früh und damit gegen den Takt, einsetzen. Ein weiterer Tanz, derb stampfend, kommt Mit diesen aussagekräftigen Titeln ist die »Pastorale«, wie sie hinzu. Am Ende bricht das »lustige Zusammensein« unver- meistens genannt wird, ein wichtiger Wegbereiter der späteren mittelt ab, von fern ist grollender Donner (Tremolo der Bässe) Programmmusik, bei der eine außermusikalische Handlung zu hören, und die Violinen kündigen die ersten Regentropfen vertont wird. Doch nur »Lautmalerei« zu bieten, wäre des nahenden Gewitters an. Beethoven zu wenig gewesen. Oft genug hatte er sich über 4. SATZ: »GEWITTER, STURM« HÖREN UND VERSTEHEN Das Pianissimo am Anfang des Satzes steht für die berüchtigte Aufgabe 1 Ruhe vor dem Sturm, der bald furios, pfeifend und krachend Höre dir den 2. Satz bis zum Ende an. In den Schlusstakten losbricht. Zum ersten Mal erklingt nun das volle Orchester mit imitieren Klarinette, Oboe und Flöte den Gesang des Kuckucks, Posaunen, Pauken und Piccoloflöte, wobei Beethoven die beiden der Wachtel und der Nachtigall. Welches Instrument übernimmt letzteren Instrumente für den Höhepunkt aufspart. Um Donner, dabei welche Vogelstimme? Blitz, Regen und Sturm bzw. die Gefühle, die dieses Gewitter bei den Menschen auslöst (Erschrecken, Angst), darzustellen, Aufgabe 2 verzichtet Beethoven auf Melodien und behilft sich mit kleinen Im 4. Satz stellt Beethoven musikalisch Regen, Donner, Blitz, Motiven und musikalischem Grundmaterial wie Tonleitern und das Pfeifen des Sturms und Blitzeinschlag dar. Mit welchen Dreiklängen. So schnell wie das Gewitter aufgezogen ist, musikalischen Mitteln und mit welchen Instrumentrn wird das verschwindet es wieder. Mit einer versöhnlichen Melodie macht jeweils umgesetzt? die Oboe Hoffnung auf ruhigere Zeiten, und mit den Staccato- 1) Regen 2) Donner 3) Blitz 4) Pfeifen des Sturmes Tönen der Flöte hebt sich der Vorhang zu einem neuen Kapitel. 5) Blitzeinschlag 5. SATZ: »HIRTENGESANG: FROHE UND DANKBARE GEFÜHLE NACH DEM STURM« Aufgabe 3 Walt Disney hat im Film »Fantasia« eine Zeichentrickversion zur 6. Symphonie erstellt, die du dir unter folgendem Link ansehen Mit dem Verstummen des Sturms kehrt Ruhe und Entspannung kannst. zurück. Schnell sind die Schrecken des Gewitters vergessen. Ein https://vimeo.com/60129972 idyllischer Hirtengesang, von Klarinette und Horn eingeleitet, Wie gelungen findest du diese Version? Wie gut passt die fiktive schwingt sich zu einer breiten feierlichen Melodie auf – eine der Handlung und die Musik zusammen? eindringlichsten und schönsten Stellen in der Partitur. Der finale MUSIZIEREN UND VERSTEHEN Höhepunkt der Symphonie ist kein strahlender Triumphgesang sondern eine in sich gekehrte Dankeshymne. Das Thema des 5. Satzes findet ihr hier bearbeitet als Mitspielsatz. Die Instrumentenangaben sind nur Vorschläge. Viel URAUFFÜHRUNG Spaß beim Musizieren! Beethoven brachte seine 6. Symphonie bei einem wahrhaften Mammut-Konzert zur Uraufführung. Das über vierstündige Programm umfasste neben der »Pastorale« noch die 5. Symphonie, das 4. Klavierkonzert mit Beethoven als Solist, Teile aus der C-Dur-Messe, eine Konzertarie sowie die hastig fertiggestellte Chorphantasie. Das Ganze fand kurz vor Weihnachten des Jahres 1808 statt, in einem schlecht beheizten Konzertsaal. Obwohl die Qualität der Aufführung zu Wünschen übrig ließ, denn für ausreichende Proben der neuen und anspruchsvollen Kompositionen war nicht genügend Zeit geblieben, zeigten sich Kritiker und Publikum angetan. Autorin: Christine Möller Literatur: Martin Geck: Ludwig van Beethoven, Reinbek bei Hamburg 2001 Renate Ulm (Hrsg.): Die 9 Symphonien Beethovens – Entstehung, Deutung, Wirkung, München 1994 Rudolf Bockholdt: Ludwig van Beethoven – VI. Symphonie F-Dur op. 68 Pastorale, München 1981 Abbildungen: 1 Beethovens (1805), von Joseph Willibrord Mähler commons.wikimedia.org 2 Beethovens (1820), von Joesph Karl Stielers commons.wikimedia.org 3 Beethoven bei der Komposition der Pastorale, aus dem Zürcher Almanach der Musikgesellschaft (1834) commons.wikimedia.org