3 Milliarden Jahre Klimageschichte der Erde 1 von Peter Neumann-Mahlkau Treibhaus und Tropischer Regenwald 1. Einleitung Das Wort “Klimakatastrophe” macht seit einiger Zeit die Runde. Bürger, Umweltschützer, Meteorologen, Wissenschaftler und Politiker, sie alle sprechen von “Klimakatastrophe” sobald irgendwo auf dem Globus unerwartete und Schäden verursachende Ereignisse wie Regenstürme, Überschwemmungen oder Erdrutsche eintreten. Berichte über derartige 1 Vortrag gehalten am 24. März 2004 am Institut Géologique Michel Lucius, Luxemburg Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 Kühlhaus Inlandgletscher Naturereignisse füllen die Medien, als hätte es Ähnliches noch nie gegeben. So wurde zum Beispiel das letzte Moselhochwasser als noch nie da gewesene Katastrophe bezeichnet. Wenn man jedoch nach Sierck-les-Bains an der Mosel kommt, kann man an den Häusern Hochwassermarken finden, die auf einen weit höheren Wasserstand dieses Flusses im 19. Jahrhundert, im Jahre 1864, hinweisen. Man könnte zahlreiche andere Beispiele dieser Art aufführen, die “Katastrophen” der jüngsten Zeit relativieren. Dennoch werden mittlerweile weltweite Konferenzen zu diesem Thema organisiert. Warum wird so viel und so oft von der “Klimakatastrophe” gesprochen? Es hängt damit zusammen, dass die Menschen durch die globale Vernetzung durch Funk und Fernsehen sofort von verheerenden Naturereignissen unterrichtet werden und von Bild und Ton damit konfrontiert werden. Wenn dann sogleich das Wort “Klimakatastrophe” ins Spiel gebracht wird, will man mit dem Gebrauch dieses Wortes andeuten, dass man solche Ereignisse als vom Menschen gemacht betrachtet. Aber sind sie das wirklich? Sind es nicht vielmehr Naturerscheinungen? So sind z.B. Berg- und Erdrutsche in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Erdkruste in dauernder Bewegung ist. Durch Plattenwanderung oder Abtragung bedingte Massen73 verlagerung verursacht immer wieder Berg- und Erdrutsche. Des Weiteren kommt es durch Absinken oder Aufsteigen der Erdoberfläche zu verheerenden Überschwemmungen wie z. B in Bangladesh. In diese Reihe gehören auch sich immer wieder ereignende gewaltige Regenstürme, die von Geologen sogar für die fernere und die ferne Vergangenheit nachgewiesen werden konnten, also nichts Neues sind. Rutscht aber die Erde in dicht besiedelten Gebieten, oder werden weite besiedelte Landstriche überschwemmt, wird dies als “Katastrophe” wahrgenommen. Und weil die Erdbevölkerung stetig wächst und die Siedlungsdichte ebenso stetig zunimmt, häufen sich auch diese Art von Katastrophenmeldungen. Seit einigen Jahren führt man nun diese “Katastrophen” auf Klimaveränderungen zurück. Sie werden einem ansteigenden CO2-Gehalt der Atmosphäre zugeschrieben. Das hat damit zu tun, dass Wetterbeobachtungen der letzten 150 Jahre zu diesem Erklärungsversuch herangezogen werden. Dieser Zeitraum ist geprägt durch die Abbildung 1: Gesteine als Klimazeugen einsetzende und sich immer weiter ausbreitende Industrialisierung. Zur Energieerzeugung wird Erdöl und Kohle in zunehmendem Masse verbrannt, was dazu führt, dass der CO2Gehalt der Atmosphäre stetig ansteigt. Gleichzeitig wurde mit dem Anstieg des CO2-Gehaltes eine Erwärmung des Erdklimas registriert, was dem steigenden CO2-Gehalt zugeschrieben wird. Momentan sagt man für die nächsten 100 Jahre einen weiteren Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erdoberfläche voraus aufgrund der Tatsache, dass weiterhin fossile Rohstoffe in großen Mengen verbrannt werden. Daraus zieht man eine weitere Schlussfolgerung, nämlich dass der zwangsläufige Anstieg des CO 2 Gehalts in der Atmosphäre zusammen mit der steigenden Erwärmung des Erdklimas eine zukünftige “Klimakatastrophe” herbeiführen werden. So einfach liegen die Dinge jedoch nicht. Die Geschichte der genauen Wetterbeobachtung und -aufzeichnung ist 150 Jahre alt. Ein Blick über 150 Jahre in die Vergangenheit des Wetters bedeutet aber nicht, dass damit ein Blick in die Zukunft gewährleistet ist. Klimavorhersagen auf der Basis von 150 Jahren Wetterbeobachtung oder auch mehr, wenn man mittelalterliche Aufzeichnungen auch berücksichtigen würde, sind äußerst problematisch. Man muss bedenken, dass die moderne, Computer gestützte kurzfristige Wettervorhersage nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 68 % eine zutreffend ist. Somit erhebt sich die Frage, ob es überhaupt möglich ist, auf der Basis dieser begrenzten Datenlage eine Prognose über 100 oder auch mehr Jahre im Voraus zu treffen. Das Klima hat sich innerhalb der Erdgeschichte von 3 Milliarden Jahren entwickelt und eine wissenschaftliche Beobachtung eben dieses Klimas von nur 150 Jahren kann keine ausreichende Grundlage für eine aussagekräftige Vorhersage sein. Dem Geologen hingegen stehen für die Beschreibung der Klimageschichte der Erde Daten aus mehr als 3 Milliarden Jahren zur Verfügung. Diese Daten lassen Klimaentwicklungen erkennen, die sich mit den Begriffen Kühlhausund Treibhausperioden beschreiben lassen, und die sich über Hunderttausende und Millionen von Jahren hin erstrecken. Die Faktoren, die diese langfristigen Klimaschwankungen bewirken, können nach dem heutigen Stand der Wissenschaft von geologischen Klimazeugen abgeleitet werden. Es soll gezeigt werden, dass Klimaveränderung ein natürliches Gesteine als Klimazeugen Moräne Braunkohle Riffkalk 74 Steinsalz Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 Geschehen ist so wie Erdrutsche und Überschwemmungen natürliche Ereignisse im Rahmen einer sich dauernd verändernden Erde sind. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, ob die Theorie von der Kopplung des CO2 Gehaltes der Atmosphäre und der Erwärmung des Erdklimas aufrechterhalten werden kann. 2. Klimazeugen Für den Geologen stellen Fossilien und Gesteine einzigartige Klimazeugen dar. Fossilien stehen allerdings nur für die letzten 500 Millionen Jahre, also nur für einen Bruchteil der Erdgeschichte, zur Verfügung. Dagegen sind Gesteine mit einem Alter von bis zu 3 Milliarden Jahren zu finden. Fossilien und Gesteine erlauben, die Klimageschichte der Erde mit ausreichender Sicherheit für diese Zeitspanne zu rekonstruieren. An einigen typischen Gesteinen, die von jedermann leicht erkannt werden können, soll die Geschichte, die diese Steine erzählen, aufgezeigt werden. Moränen, (Abb. 1) die heute als Hügelzüge in der Landschaft erkenn- Abbildung 2: bar sind, sind die Relikte von Gletschern, die einerseits von Nordosten her bis an den Niederrhein vorgedrungen sind und andererseits von den Alpen aus weite Teile des Alpenvorlandes bedeckten. Diese Gletscher haben Gesteine aus Skandinavien bzw. aus den Alpen bis in die genannten Gebiete transportiert. Die Gesteine und die Moränen sind Relikte einer Eiszeit, die ihren Höhepunkt vor etwa zweihunderttausend Jahren hatte. Damals lagerten über Norddeutschland bis zu zweitausend Meter Eis, im Alpenvorland bis zu 500 Meter Eis. Wir befanden uns in einer Kühlhausperiode. Ein anderes Szenario bietet die Braunkohle. Sie wird in weiten Teilen Deutschlands gefunden und vom Niederrhein bis in die Lausitz heute noch abgebaut. In der Braunkohle finden sich fossile Baumstämme und Relikte der verschiedensten tropischen Pflanzen. Wir können davon ausgehen, dass diese Braunkohle vor 35 Millionen Jahren in einem subtropischen Klima entstanden ist, und dass das Gebiet mit Braunkohlevorkommen zur Zeit seiner Entstehung eine Treibhausperiode durchmachte. Sehr viel weiter zurück in der Zeit führen große Salzlagerstätten, die in Deutschland mit einem Alter von 225 Millionen Jahren zu finden sind. Von Bad Reichenhall bis Halle kommt Sole aus diesen Lagerstätten an die Erdoberfläche. In Thüringen und auch am Niederrhein werden sie im tieferen Untergrund für die Steinsalz- und Kalisalzgewinnung abgebaut. Salzlagerstätten entstehen generell in einem heißen und trockenen Klima. Geologische Voraussetzungen für die Bildung von Salzlagerstätten sind abgetrennte Meeresbecken, in denen das verdunstete Wasser fortlaufend durch frisches Ozeanwasser ersetzt wird. Je nach Dauer des Verdunstungs- und Zulaufzustandes können Salzmächtigkeiten von mehreren 100 m entstehen, wie das z.B. am Niederrhein der Fall ist. Vor 225 Millionen Jahren gab es infolgedessen eine weitere Treibhausperiode. In den deutschen Mittelgebirgen findet sich ein weiterer leicht erkennbarer Klimazeuge in Form von Kalkstein mit einem Alter von 350 Millionen Jahren. Sein Fossilinhalt zeigt, dass das Gestein vorwiegend aus Korallenriffen besteht. Kalkgestein weist auf ein warmes tropisches Meer als Entstehungsort hin, denn Korallen brauchen für optimales Wachstum Meerwassertemperaturen von über 23o Wanderung von Skandinavien Norwegen vor 2600 Mio. Jahren Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 75 Kurve 3 Milliarden Zeit in Mio. Jahren 4000 2000 Präkambrium 545 225 Paläozoikum 65 Mesozoikum heute Neozoikum kalt Mittlere globale Temperatur heute warm trocken feucht Mittlere globale Niederschläge heute Grad C. Damit bestand vor 350 Millionen Jahren, wiederum Treibhausklima in unseren Bereichen. Gesteine und Fossilien eröffnen die Möglichkeit, in groben Linien das Auf und Ab von Temperaturen vergangener Erdzeitalter nachzuzeichnen. Das kann jedoch für eine genaue Erfassung der globalen Klimaentwicklung während der vergangenen 3 Milliarden Jahre nicht ausreichen. Die sich zeigenden Klimaschwankungen müssen durch exaktere Temperaturangaben präzisiert werden. Hochkomplexe Chemie hilft dem Geologen an dieser Stelle weiter. Genauere Daten liefern Geochemische Analysen der Gesteine. Mit Hilfe von Sauerstoffisotopen 16O und 18 O lassen sich sogar Temperaturschwankungen um 1° C exakt bestimmen. Eine Änderung des Delta 18OVerhältnisses ⎡ 18 O ⎤ ⎡ 18O ⎤ − ⎢ 16 ⎥ ⎢ 16 ⎥ ⎣ O ⎦ Probe ⎣ O ⎦ Standard δ 18O = ⋅ 1.000 (‰) ⎡ 18 O ⎤ ⎢ 16 ⎥ ⎣ O ⎦ Standard in Kalkschalen um 0,25‰ zeigt das an. Auf diese Weise kann man die Temperaturen bis in die Zeit vor 3 Milliarden Jahren genau zurückverfolgen, denn Kalkstein bildete sich in allen Erdzeitaltern. Die unterschiedlichen Klimate, belegt durch die in gefundenen Klimazeugen, dürfen allerdings nicht auf das globale Klima übertragen Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 werden. Mitteleuropa hatte nicht immer die geographische Lage inne, die es heute hat. Nach der Plattentheorie haben sich die verschiedenen Kontinente im Laufe der Erdgeschichte an unterschiedlichen Stellen auf dem Globus befunden. Dabei haben die Kontinente verschiedene Klimazonen von polar über feucht - gemäßigt, trockenwarm bis in den Regenwald (feuchtwarm) durchlaufen. In der Abbildung (2) befand sich z.B. Skandinavien vor 2680 Millionen Jahren ungefähr in der heutigen geografischen Breite. Die skandinavische Platte driftete dann in eine Position südlich des Äquators und wanderte wieder nach Norden in die heutige Lage. Mit dieser Plattenwanderung ist kann auch erklärt werden, warum in Mitteleuropa zu verschiedenen Zeiten verschiedene Klimate geherrscht haben. 3. Klimageschichte über 3 Milliarden Jahre Erdgeschichte Eine große Zahl von geologischen Daten steht zur Verfügung, die es erlaubt, das Klima von über 3 Milliarden Jahren Erdgeschichte zu rekonstruieren. Setzt man die heutige globale Durchschnittstemperatur von ungefähr 17° C als Richtwert an, wie die “Heutelinie” in der Abbildung 3 zur Klimakurve der Erde zeigt, so stellt man fest, dass in den vergangenen 3 Milliarden Jahren die Durchschnittstemperatur auf der Erde die meiste Zeit über Abbildung 3: umgezeichnet nach Holland & Petersen (1995) der heutigen lag. Das dem Leben zuträglichere Klima lag nach heutigem Verständnis im Treibhausbereich. Wiederholte und starke Schwankung des Klimas zwischen Treibhaus und Kühlhaus werden durch die “Heutelinie” besonders deutlich. Augenfällig sind die Episoden, in denen die Durchschnittstemperatur beträchtlich niedriger war als heute. Das sind die Eiszeiten, die vor 2,4 Milliarden, 700 Millionen, 400 Millionen, und 250 Millionen Jahren stattgefunden haben. Heute befinden wir uns am Ende einer fünften Eiszeit. Den Menschen als Homo Sapiens in seiner jetzigen Entwicklungsstufe gibt es überhaupt erst seit der letzten Eiszeit. Er hat seit seinem Erscheinen auf der Erde noch kein Treibhausklima erlebt. Der Mensch kennt also nur die erdgeschichtlich extreme Situation des Kühlhausklimas. Noch vor 18.000 Jahren bestand auf der Erde ein Klima, in dem die globale Temperatur um 4° C niedriger war als heute. Die 10.000 Jahr-Kurve (Abb. 4) zeigt, wie von einer Durchschnittstemperatur, die zu dem Zeitpunkt noch um 3,5° C niedriger war als heute, ein sehr steiler Anstieg zu Temperaturen, die über den heutigen liegen, stattgefunden hat. Das Maximum der Durchschnittstemperatur war dann vor etwa 6.000 Jahren um 2° C höher als heute. 77 Kurve 10.000 Jahre Abbildung 4: Das Klima der letzten 10.000 Jahre; umgezeichnet nach Holland & Petersen (1995) Abbildung 5: Klima seit 2000 Jahren Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 79 Diese Klimaepisode ist ein Beispiel für eine kurzfristige Schwankung, wie sie in großer Zahl vorkommen. Die Klimakurve der letzten 2.000 Jahre (Abb. 5) zeigt weist eine weitere kurzfristige Klimaschwankung aus. Um das Jahr 1000 bestand ein Klimaoptimum, das z.B. in Pommern, Ostpreußen und Dänemark Anbau von Wein möglich machte. Zur gleichen Zeit besiedelten die Wikinger die eisfreien Flächen in Grönland und in Nordamerika. Erstaunlicherweise konnte zu der Zeit auch in Labrador nachweislich Ackerbau betrieben werden. Im 14. Jahrhundert hingegen sank die Temperatur unter die derzeitige Durchschnittstemperatur, so dass Gletscher vorstießen und, wie aus Bildern von Pieter Bruegel bekannt ist, in Holland jedes Jahr das Leben auf die zugefrorenen Grachten verlegt wurde. Im Winter 1322 / 23 war die Ostsee zugefroren. Die Menschen konnten zu Fuß und mit dem Schlitten über die Ostsee nach Schweden gelangen. Zu dieser Zeit wurden auch die Stollen des mittelalterlichen Goldbergbaus in den Hochalpen von GletAbbildung 6: schern zugedeckt, um heute durch den Rückzug der Gletscher wieder sichtbar und zugänglich zu werden. Ebenso wurde der Seeweg nach Grönland und Nordamerika durch Eis behindert, so dass sich die Wikinger wieder aus diesen Regionen zurückzogen. Diese so genannte “Kleine Eiszeit” dauerte bis etwa zum Jahre 1890 an. Zu diesem Zeitpunkt begann die Temperatur wieder anzusteigen und hat heute etwa die Durchschnittstemperatur von vor dem 13. Jahrhundert erreicht. 4. Klima beeinflussende Faktoren In der Abbildung 6 sind ohne Anspruch auf Vollständigkeit einige wesentliche Faktoren, die das Klima auf der Erde beeinflussen, und die heute in der Diskussion stehen, dargestellt. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wenn alle möglichen Einflüsse auf das Klima diskutiert würden. Es soll deshalb an einigen Beispielen gezeigt werden, in welche Richtung sich einige Faktoren auswirken. Klima wird definiert durch Temperatur (T) und Niederschlag (N). Einflussgrößen “Platten”, “Vulkane” und “astronomische Einflüsse”, sind “gerichtete” Faktoren, d. h. Faktoren, die nur in eine Richtung wirken, und die vom Klima selbst nicht beeinflusst werden. Alle anderen Faktoren sind nicht gerichtet, d.h. sie definieren sich entweder durch Wechselwirkungen oder durch Kreisläufe unter Mitwirkung des Klimas. Die Sonne ist die Energiequelle für die Temperaturen auf der Erdoberfläche. Die Einstrahlung der Sonne auf die Erde ist jedoch nicht konstant. Die Umlaufbahn der Erde um die Sone verändert sich. Sie schwankt zwischen einer “fast” Kreisbahn und einer langgestreckten Ellipse (Abb.7). Während der “Kreisbahn” -Phase befindet sich die Erde während des ganzen Jahres in einem gleichmäßigen Abstand zur Sonne. In der “Ellipsen” - Phase ändert sich der Abstand der Erde zur Sonne innerhalb eines Jahres, einmal ist sie ihr näher, einmal ferner. Dies führt zu einer Veränderung der Intensität der Sonneneinstrahlung auf der Erde. Diese Schwankungen verlaufen in einer Periode von ca. 100.000 Jahren. Eine weitere Größe, die die Energieeinstrahlung auf die Erde Das Klima beeinflussende Faktoren Astronomische Einflüsse P l a t t e n V u l k a n e Klima T+N CH4 Verwitterung von Ca/Mg Silikaten CO2 Produktion von Biomasse Verwitterung/ Verbrennung von Org. C Ablagerung von Biomasse Sedimentation von Kalkstein 80 Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 beeinflusst, ist die Neigung der Erdachse gegen die Umlaufebene um die Sonne. Diese Neigung variiert zwischen den extremen Werten von 22,1° und 24,4° in einem Zeitraum von 40.000 Jahren. Diese Neigungsdifferenzen erscheinen auf den ersten Blick gering zu sein. Tatsächlich wirken sie sich aber dahingehend aus, dass bei stärkerer Neigung der Erdachse die Sommer, global gesehen, wärmer werden, während die Winter gleichzeitig kälter werden. Es ergeben sich also größere jahreszeitliche Differenzen. Ein dritter astronomischer Zyklus, der etwa 22.000 Jahre dauert, tritt durch die Drehung der großen Achse der Planetenebene in der Bahnebene um die Sonne auf (in der Abbildung nicht dargestellt). Sie bewirkt, dass sich der Abstand zwischen Erde und Sonne in den Jahreszeiten verschiebt. So befindet sich heute zum Beispiel die Erde am 21. Dezember in größerer Sonnennähe als am 21. Juni dieses Jahres. Vor 11.000 Jahren war dieses Verhältnis genau umgekehrt. Die 3 beschriebenen Zyklen überlagern sich sowohl positiv als auch Abbildung 7: Berner & Streif 2000 negativ, d. h. sie verstärken sich oder sie schwächen sich gegenseitig ab. Da sie mit großer Regelmäßigkeit ablaufen, lassen sich die entsprechenden Überschneidungen in den Zyklen bis in die fernste Vergangenheit mit Computern berechnen. Durch die Überlagerung der Zyklen kann sich entweder eine Verstärkung oder Abschwächung der Sonneneinstrahlung und damit der Temperaturentwicklung auf der Erde ergeben. Die Überschneidungen können zu extremen Temperaturveränderungen führen, entweder positiv oder negativ, können aber auch Extreme ausgleichen. Ein kurzfristig wirksamer astronomischer Einfluss entsteht durch Sonnenflecken. Bei starker Sonnenfleckentätigkeit strahlt die Sonne mehr Energie auf die Erde ab als bei schwacher Tätigkeit. Der Faktor “Platten” hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für das Klima durch die sich ändernde Lage der Landmassen auf dem Globus. Die Landmassen aber auch die Meeresströmungen beeinflussen dabei die Verteilung der Temperaturen auf der Erde. Dies zeigt sich besonders deutlich in der jüngeren Vergangenheit (Abb. 8) Während des Tertiärs, also vor 60 Millionen Jahren, bestand eine äquatoriale Ozeanverbindung (von Ost nach West der Strömung folgend) vom Pazifik an Afrika vorbei, durch das damals beginnende Mittelmeer und durch den Raum der Karibik bis wieder in den Pazifik hinein. Dadurch entsteht im Tertiär auf dem Globus ein Treibhausklima. Diese Ozeanverbindung wurde durch Plattenbewegung vor wenigen Millionen Jahren unterbrochen. Afrika driftet so weit nach Norden, dass die Verbindung zwischen Indischem Ozean und Mittelmeer geschlossen wird. Auch in der Karibik nähern sich Nord- und Südamerika so weit an, dass eine Unterbrechung der Strömung erfolgt. Dadurch bildet sich im Nordatlantik der Golfstrom. Antarktisches Bodenwasser strömt seitdem im Atlantik und Pazifik über den Äquators hinaus bis weit in den Norden. Damit ist das heutige Erdklima, wie wir es kennen, das aber definitiv kein Treibhausklima ist, erreicht. Vor 430 Millionen Jahren befindet sich am Südpol eine große Landmasse, Gondwana genannt (Abb. 9) Ein Ozean erstreckt sich zwischen dem 40. Breitengrad Nord und dem 40. Einfluss der Erdbahnparameter auf das Klimageschehen Periodische Schwankungen 1. Exzentrizität = 100.000 Jahre 2. Obliquität = 40.000 Jahre 3. Präzession = 22.000 Jahre Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 83 Lage der Kontinente Abbildung 8: Berner & Streif 2000 Breitengrad Süd rund um den Globus und trennt Gondwana im Süden von einer Landmasse im Norden. Diese Anordnung von Wasser und Land führt dazu, dass sich Niederschlagsgebiete (in der Abbildung gepunktet) rund um den Globus im Süden und Norden herausbilden. Der Kontinent im Süden ist vereist. Zur Zeit von Gondwana herrscht Treibhausklima. Der dritte gerichtete Faktor sind Vulkane. Diese können im Gegensatz zu den beiden anderen gerichteten Faktoren das Klima kurzfristig verändern. Als Beispiel sei der Ausbruch des Pinatubo im Jahr 1991 auf den Philippinen genannt. Dieser Ausbruch förderte 7 km 3 Gesteinstaub und Aerosole in die Stratosphäre und filterte damit die Sonneneinstrahlung. Auf der Erde wurde infolgedessen die globale Temperatur über 5 Jahre um 1° C abgesenkt. Obwohl die Temperaturschwankung durch einen einzelnen Vulkanausbruch von geologisch kurzer Dauer ist, muss man die Häufigkeit der Vulkanausbrüche auf der Erde berücksichtigen. Auch gibt es weit intensivere Ausbrüche als den des Pinatubo. Die Belastung der Atmosphäre durch den Vulkanstaub dauert nur wenige Jahre an, abhängig von Masse und Höhe des Ausstoßes. Sobald der Staub aus der Atmosphäre ausgefallen ist, entsprechen die Temperaturen wieder denjenigen, wie sie vor dem Vulkanausbruch herrschten. 84 Bei der Betrachtung der Wechselwirkungen der Klimafaktoren stößt man auf ein höchst komplexes System, in dem das Gas CO2 eine bedeutende Rolle spielt. Schon der Kreislauf: Klima - Produktion von Biomasse-CO2, wie er heute gesehen wird, zeigt, wie komplex die Wechselwirkungen sind. Steigende Temperatur erhöht die Produktion von Biomasse. Die Biomasse wiederum verbraucht CO2 aus der Atmosphäre. Würde man voraussetzen, dass CO2 der wesentlichste Faktor für die Entwicklung des Klimas ist, dann würde durch den Verbrauch von CO2 (durch verstärkte Biomassenproduktion der Pflanzen) der Gehalt an CO2 in der Atmosphäre gesenkt und das Klima müsste somit kälter werden. Dies wiederum würde die Produktion von Biomasse drosseln, und eine Eiszeit nicht unwahrscheinlich. Durch Verwitterung und Verbrennung von Biomasse wird allerdings der CO2Gehalt in der Atmosphäre wieder erhöht und die Temperatur steigt an. Dieser Zyklus findet durchgehend statt. Kalksteinablagerung, die im Ozean stattfindet, bindet große Mengen von CO2. Für die Entstehung von Kalkstein ist Calcium erforderlich, das bei der Verwitterung von calciumhaltigen Silicaten (z.B. enthalten in Basalt) frei wird. Die Bewegung von Kontinentplatten sorgt dafür, dass immer wieder calciumhaltiges Gestein an die Erdoberfläche kommt und verwittert. Welche Mengen an Kalkstein gebildet, und welche Mengen an CO2 gebunden werden, zeigt die Entstehung von Gebirgszügen wie die Kalkalpen oder die Dolomiten. 5. Klima und Atmosphäre Der derzeitige Temperaturanstieg auf der Erde wird gerne mit einem durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen verursachten höheren CO 2 -Gehalt der Atmosphäre in Zusammenhang gebracht. Betrachtet man jedoch den CO2-Haushalt der Erde über erdgeschichtliche Zeiträume hinweg, muss man feststellen, dass CO2 nicht das auslösende Moment in den Klimaschwankungen gewesen sein kann. Vor 1.000 Millionen Jahren z. B. hatte die Atmosphäre einen sehr viel höheren CO2-Gehalt als heute, nämlich 12% gegenüber dem heutigen Gehalt von 0,003%. Das war bei weitem noch nicht das Maximum an CO2 in der Atmosphäre. Der derzeitige Stand der Forschung sagt, dass zu Beginn der Erde vor 4,5 Milliarden Jahren die Atmosphäre zu etwa 30 %, in Worten dreißig, aus CO2 bestand. Sauerstoff war zu der Zeit in der Erdatmosphäre überhaupt nicht vorhanden. Diese Art der Atmosphäre ist vergleichbar mit der Atmosphäre, die derzeit auf der Venus und dem Mars vorhanden ist. Erst durch die Tätigkeit von Organismen, insbesondere Grünalgen, in dem Zeitraum zwischen 3,8 und 2,3 Milliarden Jahren vor heute, ist Sauerstoff in die Atmosphäre gelangt Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 und gleichzeitig CO2 der Atmosphäre entzogen worden. Bei diesem hohen Gehalt an CO2 in der Atmosphäre ist es schwer erklärbar, dass vor 2,3 Milliarden Jahren die erste Eiszeit auf der Erde zu beobachten ist, wenn man denn den CO2-Gehalt für die Erwärmung der Erdatmosphäre verantwortlich macht. Den darauf folgenden Temperaturanstieg weit über die heutige Durschnittstemperatur hinaus kann man ebenso wenig dem CO2Gehalt zuordnen, der sich in dem Zeitraum nicht erhöhte. Selbst zur Eiszeit vor 225 Millionen Jahren betrug der CO2 -Gehalt in der Atmosphäre 1,5%, war also deutlich höher als der heutige Gehalt von 0,003%. Der vom Menschen verursachte Anteil des atmosphärischen CO2 ist im Vergleich mit dem in der Natur vorhandenen CO2 äußerst gering. Bei dem Gesamttreibhauseffekt unserer Erde machen die anthropogenen Anteile von Kohlendioxid nur 1,2 % und bei den NichtKohlendioxidgasen nur 0,9% aus, also zusammen 2,1 %. Somit sind fast 98 % des irdischen Treibhauseffektes natürlichen Ursprungs. 6. Fazit Wie die Klima beeinflussenden Faktoren und deren Wechselwirkungen zeigen sind die Zusammenhänge und die gegenseitigen Beeinflussungen jedoch komplexer und chaotischer Natur. In den 3 Milliarden Jahren Klimageschichte war es meist wärmer als heute, es bestand also nach heutigen Begriffen während des größten Teils der Erdgeschichte “Treibhausklima”. Eiskappen an den Polen waren die Ausnahme. Nur während fünf “kurzer” Eiszeiten innerhalb der Zeit von 3 Milliarden Jahren herrschte “Kühlhausklima”. Klimaschwankungen sind in den 3 Milliarden Jahren Klimageschichte die Regel ohne Zutun, bzw. ohne Anwesenheit des Menschen auf der Erde. Vielfach wird behauptet, dass auch der Mensch ein klimabestimmender und klimaverändernder Faktor sei, weil man davon ausgeht, dass der Mensch über die Produktion von in den Klimaprozess eingreift. Diese Theorie lässt sich aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse nicht aufrechterhalten. Mindesten 66 % der Temperaturschwankungen auf der Erde werden durch Änderungen der Strahlungsintensität der Sonne verursacht. CO2 hat, wenn überhaupt, nur einen geringen Anteil an Klimaänderungen. Damit wird verständlich, dass der Mensch für den langfristigen globalen Klimawandel weder verantwortlich ist, noch ihn beeinflussen kann. Würde der Mensch versuchen wollen, das Klima durch Bewegung der Kontinente oder durch Steuerung von Meeresströmungen zu beeinflussen, dann stünden ihm auf der Erde die dafür benötigten Energiemengen nicht zur Verfügung. Ohne menschliches Zutun Abbildung 9: Montage nach Hay (1996) & Krenmayr (2000) hat es jedoch nachhaltige Klimaänderungen und Klimaschwankungen gegeben und wird es auch weiterhin geben. Wenn der Mensch mit seiner CO2Produktion das Klima nicht beeinflusst, dann muss trotzdem vor einem großzügigen Verbrauch der fossilen Energierohstoffe gewarnt werden. Die Lagerstätten von Kohle und Öl sind endlich und könnten nur in Millionen Jahren nachwachsen, wenn es wieder ein “Treibhausklima” gibt. Zu bedenken ist außerdem, dass Kohle und Erdöl nicht nur als Energierohstoff verbraucht werden, sondern auch als Chemierohstoff für eine wachsende Weltbevölkerung gebraucht werden. Biographie Prof. Dr.-Ing. Peter NeumannMahlkau, wurde 1934 in Graudenz (Polen) geboren. Studium in Aachen: Dipl. Ingenieur im Fach Bergbau, Promotion und Habilitation im Fach Geologie. Während des Studiums war Herr Neumann mehrmals an geologische Exkursionen nach Luxemburg beteiligt die unter der Führung von Michel Lucius stattfanden. Später waren Herr Neumann und Herr Ad. Muller Assistenten am geologischen Institut bei Prof. Rode. Von 1972 bis 1989 war Herr Neumann Universitätsprofessor an der Universität Essen, und von 1979 bis 1984 Rektor und Gründungsrektor dieser Universität. Von 1989 bis 1999 war er Präsident des Geologischen Landes- Lage der Kontinente • Pollage vor 430 Mio.. Jahren Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004 85 amtes Nordrhein-Westfalen. Neben beruflichen Positionen war er Vizepräsident und Präsident der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Vorsitzender des Deutschen Nationalen Komitees für Geologie und der International Union of Geological Sciences, sowie Vertreter der Geologischen Landesämter Deutschlands bei WEGS und FOREGS. Aus seiner Feder stammen 80 Publikationen mit den Schwerpunkten, Umweltgeologie, sowie klastische Sedimente des rheinischen Devons. 86 Revue Technique Luxembourgeoise 2/2004