Nachhaltig Bauen – Lebenszyklus, Systeme, Szenarien

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Holger Wallbaum
Susanne Kytzia
Samuel Kellenberger
NACHHALTIG
BAUEN
Lebenszyklus
Systeme
Szenarien
Verantwortung
Leseprobe
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Inhalt 8
Denkschule
Denkschule
Denkschule
Vorwort 11
Denkschule
Selbstverständnis des Buches 13
Herausforderungen
Wirtschaftsstruktur
Kapitalmarkt
Klimawandel
23
25
31
62
Nachhaltiger Immobilienfonds der Credit Suisse
29
39
78
Der CS REF Green Property ist der erste Schweizer Immobilienfonds,
der ausschliesslich in nachhaltige Immobilienprojekte investiert
Eco-Quartier in Lausanne
36
Technische Entwicklung
62 78 92 102 124 140 160
Mit der Umnutzung der Industriebauten mittels verschiedener
­Wohnungsschnitte werden unterschiedlichste Lebensformen möglich
Demografische Entwicklung
Ressourcen
Leuchttürme
Loki-Areal in Winterthur
19
Infrastrukturentwicklung
17
92
In den kommenden 10 bis 15 Jahren entsteht ein neues Quartier,
welches besonders nachhaltig und umweltfreundlich sein wird
Mehrgenerationenhaus in Winterthur
102
Im Stadtteil «Neuhegi» wird eine Siedlung gebaut, die ein
Zusammen­leben aller Generationen ermöglichen wird
Hörsaalgebäude Weichen­bau­halle vonRoll-Areal
in Bern 124
Die denkmalgeschützte Weichenbauhalle von 1914 wurde als
Haus-im-Haus-Konzept zu einem Hörsaalgebäude umgebaut
Energieregion Goms
140
Im Goms soll die Vision der ersten und möglichst energieautarken
Region in den Schweizer Alpen realisiert werden
Digitalstrom
160
Mittels einer neuen Chip-Technologie lässt sich der StandbyVerbrauch von Geräten um den Faktor Zehn reduzieren
8
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Denkschule
Denkschule
Denkschule
Denkschule
Denkschule
Denkschule
Denkschule
Planung und Management
45
Nachhaltige Entwicklung
Herausforderungen an Planung und Management
47
Warum ist Nachhaltige Entwicklung wichtig für den Bauherrn? 47
Ursprung des Begriffs Nachhaltigkeit 48
Die Entwicklung 48
Die Operationalisierung in der Schweiz 49
Denkschule
Perspektive
auf den Lebenszyklus
53
Denkschule
Perspektivenwechsel 53
… in der ökologischen Betrachtung 54
… in der ökonomischen Betrachtung 59
… in der sozialen Betrachtung 68
Planen mit der Perspektive auf den Lebenszyklus 69
Denken und Planen in Systemen
71
Das Ganze ist grösser als die Summe seiner Teile 71
Nutzen des Systemdenkens am Beispiel Energie 72
Systemdenken und Entwurf 75
Denken und Planen in Szenarien
85
Entscheidung unter Unsicherheit 85
Auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft 87
Folgerungen für die Planung 89
Verantwortung wahrnehmen
113
96
Nachhaltigkeit als Herausforderung für unsere Gesellschaft 96
Such-, Lern- und Gestaltungsprozesse: Beispiele 99
Lessons learned 108
Eine neue Rolle für den Planer
110
Immobilienentwicklung
115
117
Akteure der Immobilienentwicklung 118
Prozesse der Immobilienentwicklung 120
Immobilienbewirtschaftung
128
Akteure der Immobilienbewirtschaftung 128
Aufgabenbereiche der Immobilienbewirtschaftung 132
Instrumente
144
Wozu Instrumente? 144
Klassifikation 147
Instrumente im Fokus 157
Wesentliche Ansätze für Planung und Management
Fazit
164
171
Was heisst Nachhaltig Bauen?
Wie wird nachhaltig gebaut?
173
174
Anhang 179
Literatur 201
Index 208
Abbildungsnachweis 213
Dieses Buch 214
Dank 214
Impressum 215
9
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Selbstverständnis
des Buches
Gesamtanteil von rund 50 Tonnen pro Person und Jahr sind das
erhebliche Massen, die durch das Bauwerk Schweiz und dessen Nutzung in Bewegung gesetzt werden. In den meisten Industrieländern
ist der Betrieb von Gebäuden für ca. 30 bis 40 Prozent des natio-
Die Produktions- und Konsummuster des 20. Jahrhunderts sind als
nalen Energieverbrauchs und der Treibhausgas-Emissionen verant-
nicht zukunftsfähig zu bezeichnen. Führt man sich vor Augen, dass
wortlich (United Nations Environment Programme UNEP 2007). Der
der heutige material- und fossilbasierte Energieeinsatz, die produ-
Gebäudesektor ist aber ein sehr heterogenes Gebilde, das verschie-
zierten Abfallmengen sowie die Schadstoffeinträge in Boden, Wasser
dene Bauwerks- und Gebäudekategorien mit sehr unterschiedlichen
und Luft zu rund 80 Prozent von nur 20 Prozent der Weltbevölkerung
Standards und Stakeholders mit den unterschiedlichsten Interessen
zu verantworten sind, dann ist es offensichtlich, dass die Ökosphäre
(private Bauherren, institutionelle Bauherren, Investoren, Mieter,
dies sowohl in der Quantität als auch Qualität für eine stetig wach-
Facility-Management-Unternehmen etc.) umfasst. Eine Strategie zur
sende Weltbevölkerung in der Zukunft nicht tragen kann.
Nachhaltigen Entwicklung des Bauwesens muss diese Heterogeni-
Als Profiteure der anhaltenden positiven wirtschaftlichen und
tät zur Kenntnis nehmen und ihr durch das Erarbeiten spezifischer
gesellschaftlichen Entwicklung kommt den industrialisierten Ländern
­Lösungen gerecht werden. Dabei sind auch allgemeingültige Rah-
eine besondere Verantwortung zu, um diese Entwicklungsvorausset-
menbedingungen zu beachten, auf die die Lösungen aufsetzen soll-
zungen auch den sich entwickelnden Ländern sowie den zukünftigen
Generationen zu ermöglichen. Um dieser Verantwortung für Umwelt
ten. Für die Schweiz spezifische Aspekte sowie allgemeine Rahmenbedingungen werden im Kapitel Herausforderungen, 17 als Prämissen
und Entwicklung gerecht zu werden, wurde das Konzept der «Nach-
für das Nachhaltige Bauen beschrieben, analysiert und diskutiert.
haltigen Entwicklung» von einer Kommission der Vereinten Nationen
Dieses Buch bietet drei Zugänge: 1. grundsätzliche Ansätze als
bereits in den 1980er-Jahren ins Leben gerufen. Seither arbeitet die
Orientierung für den Entwurf, 2. eine Übersicht von Instrumenten
Weltstaatengemeinschaft an einer globalen und lokalen Umsetzung
als Unterstützung des Planens und 3. Beispiele als Anregung, über
dieses Konzeptes, dem sich nach und nach mehr Länder und Wirt-
aktuelle Good Practices hinaus zu denken. Die Wahl dieser Zugänge
schaftssektoren angeschlossen haben.
dient nicht primär der Leserfreundlichkeit, sondern ist Programm.
Dem Bauwesen kommt bei der Zielsetzung einer Nachhaltigen
Das Buch formuliert eine «Denkschule» und befasst sich mit dem
Entwicklung eine grosse Bedeutung zu. Rund sieben Prozent der
übergeordneten Konzept sowie den Rahmenbedingungen und Anfor-
weltweiten Arbeitsplätze und zehn Prozent des Bruttoinlandspro­
derungen, in denen das Nachhaltige Bauen umgesetzt werden muss.
duktes sind der Bauwirtschaft zuzuordnen. Aber auch die ökolo­
Es ist aber kein Leitfaden, dem Planer eins zu eins folgen können, um
gischen Wirkungen der Erstellung von Gebäuden und Infrastrukturen
zu einer nachhaltigen Lösung zu gelangen. Hierzu gibt es Publikatio-
und deren Nutzung sind beachtlich. Rund ein Drittel der Nutzung
nen und Instrumente, auf die in diesem Buch ebenfalls eingegangen
natürlicher Ressourcen sind diesem Sektor zuzuweisen. Bei einem
wird, die aber nicht im Mittelpunkt unseres Programms stehen.
Nachhaltig Bauen | Selbstverständnis des Buches
13
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
«Nachhaltiges Bauen ist ein grundsätzlich neuer Ansatz,
«Ein gutes Management von Bauwerken und Bauwerksbestän-
­Bau­werke zu entwerfen, zu planen und zu realisieren.»
den – Entwurf, Planung, Realisierung und ­Bewirtschaftung – ist
Dies ist der erste Punkt des in diesem Buch skizzierten Programms.
die Voraussetzung für Nachhaltiges Bauen.»
Es wird der bestehenden Baupraxis ein Ansatz gegenübergestellt,
der sich am gesamten Lebenszyklus der Bauwerke orientiert und
Der zweite Punkt unseres Programms beschäftigt sich mit dem
notwendigen Handwerkszeug. Planung und Management, 113 Es ist
vorschlägt, sie als Systeme oder Elemente in grösseren Systemen zu
deshalb notwendig, weil das Management von Bauwerken und Bau-
verstehen. Das Bauwerk selbst ordnet sich damit seinen Funktionen
werksbeständen (Portfolios) nicht von einzelnen Menschen bestimmt
für die Menschen unter. Gleichzeitig wird ein neues Selbstverständnis
wird – die allenfalls mit der Forderung nach einem grundlegenden
des Planenden propagiert. Seine zentrale Aufgabe liegt im Entwurf
Wandel in der Baupraxis überzeugt werden könnten –, sondern von
von Szenarien möglicher alternativer Zukünfte. Damit trägt der
einer Vielzahl unterschiedlicher Personen und Organisationen mit
­Planende dazu bei, dass möglichst gute Lösungen für eine Nachhalti-
unterschiedlichen Aufgaben und Interessen. Deren Zusammenwirken
ge Entwicklung erkannt und – wo sinnvoll und möglich – in Form von
ist bereits heute durch Organisationsstrukturen, Prozessabläufe und
Bauwerken realisiert werden. In diesem Prozess der gesellschaftli-
Planungsinstrumente gestaltet. Es bleibt also nichts anderes übrig,
chen Suche nach neuen Wegen muss der Planende Verantwortung
als die Ansätze des Nachhaltigen Bauens hier systematisch einflie-
übernehmen – und mithelfen, Risiken zugunsten einer Nachhaltigen
Entwicklung tragbar zu machen. Denkschule, 45
ssen zu lassen – zum Beispiel durch eine gezielte Erweiterung der
Denkt man an die Ursprünge von Architektur und Städtebau
bestehenden Planungsinstrumente.
Dieser Teil des Buches mag weniger inspirieren als der erste,
oder an die Pioniere des Civil Engineering, so ist dieser Ansatz gar
eher philosophisch anmutende Teil. Er richtet sich an Pragmatiker,
nicht neu, sondern mag geradezu als altmodisch erscheinen.
die möglichst wirksam die Baupraxis mitgestalten wollen. Denn wenn
Der hier skizzierte Ansatz soll als Gedankenanstoss zur Reflexion
die Etablierung des geeigneten Handwerkszeugs gelingt, so wird
vorhandener Erfahrungen und als Ausgangspunkt für neue Entwürfe
das geforderte Umdenken folgen – im Sinne des Learning by Doing.
dienen. Dennoch gilt es, den Anspruch dieses ersten Programm-
In diesem Buch wird deshalb ein eher modernes Verständnis des
punkts nicht aus den Augen zu verlieren: Würde eine zukünftige
Planenden als Manager von Prozessen der Planung und Bewirtschaf-
Baupraxis diese Ansätze konsequent verfolgen, ergäben sich sowohl
tung von Bauwerken skizziert. Im Ergebnis werden – im Idealfall – die
die notwendigen Planungsinstrumente als auch die guten Beispiele
Gestaltungsmöglichkeiten für den entwerfenden Architekten grösser.
von selbst. Das Buch könnte damit an dieser Stelle zur Seite gelegt
Aber: Ein gutes Management wird nie einen guten Entwurf ersetzen;
werden, und jeder und jede könnte seinen bzw. ihren eigenen Weg
besonders nicht im Kontext des Nachhaltigen Bauens. Denn nur
zum Nachhaltigen Bauen suchen.
wenn unsere Gebäude wertgeschätzt werden, werden sie auch nachhaltig genutzt werden.
14
Nachhaltig Bauen | Selbstverständnis des Buches
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
«Gute Beispiele Nachhaltigen Bauens veranschaulichen mögliche Lösungsansätze und sind damit zentrale Bausteine in der
Nachhaltigen Entwicklung als gesellschaftlichen Such-, Lernund Gestaltungsprozess.»
Der dritte Punkt des Programms ist eine Ermutigung zum Bauen.
Selbstverständlich ist das Bauwerk am ökologischsten, welches nicht
gebaut wird, weil es nicht notwendig ist. Selbstverständlich ist kaum
ein realisiertes Bauwerk wirklich nachhaltig, denn es verbraucht
­immer zu viele Ressourcen. Aber: Jedes realisierte Projekt, bei
dessen Gestaltung sich die Planenden ernsthaft mit den Zielen der
1
Figur zum Nachhaltigen Bauen
Zusammenwirken von Herausforderungen, Denkschule, Planung und
Management und Leuchttürmen
Denkschule
Eigene Darstellung
Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben, ermöglicht es uns, Nachhaltige Entwicklung zu lernen. Diese Projekte schaffen Anschauungsobjekte, die zeigen, welche Ideen funktionieren und welche Ideen
aber ganzheitlich durchdachte Projekte, die durch ihr Konzept und
optimiert werden müssen.
ihre Realisierung überzeugen. Die Beschreibung der ausgewählten
In diesem Buch werden einzelne Projekte vorgestellt, die als
Projekte wird nicht in einem eigenen Kapitel gebündelt, sondern über
«Leuchttürme» der Orientierung dienen sollen. Aber ebenso wie in
das gesamte Buch verteilt. Dadurch sollen die Bezüge zwischen den
der Seefahrt bezieht sich diese Orientierung auf einen spezifischen
einzelnen Beispielen und den Herausforderungen bzw. Denkansätzen
räumlichen Kontext. Das «Verschieben» eines Leuchtturms an eine
verstärkt werden. In der gewählten Darstellung wird skizziert, welche
andere Stelle funktioniert hier ebenso wenig wie in der Architektur
dieser Ansätze im konkreten Beispiel zu erkennen sind, und es wird
und im Städtebau. An einem anderen Ort, bei einer anderen Nut-
damit zur Reflexion eingeladen. Auf eine systematische
Denkschule Analyse der
zung, einer anderen Konstellation von Bauherr und Planer mag es
einzelnen Beispiele wird jedoch bewusst verzichtet.
andere, sogar bessere Lösungen geben. Keines der dargestellten
Beispiele erhebt den Anspruch, vollumfänglich die Anforderungen an
Die Lesenden begleitet eine «Figur zum Nachhaltigen Bauen»
das Nachhaltige Bauen zu erfüllen, aber alle vorgestellten Beispiele
durch das Buch, die das Zusammenwirken der einzelnen Bestand­
teile veranschaulicht und die Orientierung vereinfacht. Abb. 1
haben Qualitäten, die über den normalen, hohen Baustandard hin-
Im Zentrum der Figur liegt die Denkschule, das Kernstück dieses
ausgehen. Gemeinsam stellen sie eine Art Kaleidoskop Nachhaltigen
Buches. In ihr werden die vier Ansätze Lebenszyklus, Systeme,
Bauens dar, das in der Zusammenschau eine gute Orientierungs-
Szenarien und Verantwortung vorgestellt, die alle für sich genommen
grundlage gibt. Oft sind diese Leuchttürme auch nicht besonders
nicht neu sind. Diese Ansätze aber als selbstverständliche Einheit
spektakulär, was aber auch nicht das Hauptmotiv für Nachhaltiges
in das Bauwesen zu integrieren, wird als zentral erachtet, um dem
Bauen ist. Vielfach sind es kleinere, manchmal fast unscheinbare,
Nachhaltigen Bauen im 21. Jahrhundert näherzukommen.
Nachhaltig Bauen | Selbstverständnis des Buches
Denkschule
15
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Denkschule
Denkschule
Denkschule
Nachhaltiges Bauen findet in den Köpfen der Planenden statt.
Nachhaltig Bauen heisst, Konzepte zu entwickeln und umzusetzen, um den Heraus­
forderungen gerecht zu werden, die im vorhergehenden Kapitel beschrieben ­wurden.
Diese Konzepte sind vielfältig. Sie reichen von der Rückbesinnung auf bewährte
Grundsätze der Baukunst bis zur Entwicklung von neuen Materialien und Techno­
logien. Dauerhaftigkeit und Wertbeständigkeit passen in ein Konzept Nachhaltigen
Bauens ebenso wie temporäre Bauwerke, die sich an aktuellen Bedürfnissen der
Nutzer ausrichten und geplant «obsolet» werden. Eine solide Rendite wird ebenso als
nachhaltig angesehen wie staatlich subventionierter Wohnungsbau. Im Konkreten ist
Nachhaltigkeit teilweise schwer fassbar und läuft damit Gefahr, sich dem Vorwurf der
Beliebigkeit auszusetzen.
Denkschule
In diesem Buch wehren wir unsDenkschule
gegen diese Beliebigkeit und setzen ihr unser
­ onzept des Nachhaltigen Bauens entgegen. Grundlage ist das Konzept der Nach­
K
haltigen Entwicklung, die als zentrale Herausforderung unserer heutigen Gesell­
schaften verstanden wird. Nachhaltige Entwicklung, 47 Dieses Konzept ist provozierend,
unterstützt aber gleichzeitig Aushandlungsprozesse in wichtigen politischen und ge­
sellschaftlichen Fragen. Dessen Konsequenzen für die Baupraxis sind weitreichend.
Nachhaltige Entwicklung fordert, dass sich die Planenden in ihren Entscheiden am
gesamten Lebenszyklus der Bauwerke orientieren
Perspektive auf den Lebenszyklus, 53
45
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
und Bauwerke als Systeme oder Elemente in grösseren Systemen verstehen
­Denken und Planen in Systemen, 71. Das Bauwerk selbst soll sich in seinen Funktionen
den ­Menschen unterordnen. Nachhaltig Bauen bedeutet also in unserem Verständnis
eine neue Ausrichtung der Aufträge an die Entwerfenden und Planenden.
Von zentraler Bedeutung ist dabei der Entwurf, denn wir verstehen eine Nachhaltige
Entwicklung als Prozess der Suche nach Lösungen für die mittel- und langfristigen
Probleme unserer Gesellschaft. Denken und Planen in Szenarien, 85 In diesem Prozess
entwickeln wir Vorstellungen von der Zukunft, die wir – dort wo sinnvoll und möglich
– in Form von Bauwerken realisieren. Der Wert eines guten Entwurfs liegt aber nicht
im daraus hervorgehenden Bauwerk, sondern in den Erfahrungen und Erkenntnissen,
die der Entwurf uns ermöglicht.
Ebenso wichtig ist die Verantwortung des Planenden. Verantwortung wahrnehmen, 96
In unserer Vorstellung einer Nachhaltigen Entwicklung ist es unabdingbar, dass wir
Neues ausprobieren und damit auch Risiken eingehen. Wir sollten dies unterstüt­
zen und es ermöglichen, dass aus Erfolgen wie auch aus Fehlern gelernt wird. Dazu
­müssen aber erst die geeigneten Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Nachhaltiges Bauen findet also zunächst im Kopf statt und verlangt vom Planenden
ein erhebliches Abstraktions- und Vorstellungsvermögen und ebenso ein grosses
persönliches Engagement. Dieses Kapitel bietet vier Denkanstösse zur Reflexion des
Auftrags an die Planenden: Lebenszyklus, Systeme, Szenarien und Verantwortung.
Für das Autorenteam sind sie in ihrem Zusammenspiel die Antwort auf die Frage
«Was ist eigentlich neu am Nachhaltigen Bauen?»
46
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Denkschule
Nachhaltige Entwicklung
Warum ist Nachhaltige Entwicklung
wichtig für den Bauherrn?
geblich der Reduzierung des Heizwärmebedarfs, des Energiebedarfs
für das Warmwasser und des elektrischen Stroms. Hier kommen die
Erneuer­baren Energien ins Spiel, die klimafreundlich Strom im Sinne
einer 1-­Tonne-CO2-Gesellschaft liefern können. An dieser Stelle
erfolgt dann sehr schnell der Einwand vonseiten der Bauherrschaft,
dass diese Erneuerbaren Energien doch (noch) sehr teuer seien.
Auch wenn die meisten Bauherren bis vor wenigen Jahren noch
Wenn der beratende Planer dann von den Kosten und Gewinnen
­keine Berührung mit dem Thema Nachhaltigkeit hatten, so haben
über den gesamten Lebenszyklus, inklusive der Verantwortung für
sich die Zeiten seither doch gewandelt. Vor allem das Thema Energie,
die kommenden Generationen oder der am Markt zu erzielenden
sei es in Form von energieeffizienten Gebäuden, also Gebäuden, die
höheren Renditen bzw. Mietzinsen zu sprechen kommt, dann sind wir
einen geringen Energiebedarf zur Deckung des Heizwärmebedarfs
Denkschuleangemitten in der Diskussion um mehr Nachhaltigkeit im Bauwesen
haben, oder den sogenannten Erneuerbaren Energien, wie z. B.
langt. Zunehmend befassen sich institutionelle und private ­Investoren
Photovoltaik, Wärmepumpen oder Windkraft, sind in aller Munde und
ernsthaft mit diesem Thema, und auch die Öffentliche Hand entwi-
in den ­Medien allgegenwärtig. Trotz eines sehr volatilen Kurses des
ckelt eigene Strategien für ein nachhaltiges Immobilienportfolio. Die
«schwarzen Goldes» setzt sich die Erkenntnis durch, dass fossile
Diskussion ist virulent, und der Bedarf für belastbare Argumente,
Energieträger (Öl, Gas) und Uran mittelfristig sicherlich knapper
praxisnahe Bewertungsansätze und Instrumente sowie nachhaltige
werden, insbesondere bei der zu erwartenden steigenden internatio-
Strategien ist grösser denn je. Bevor aber intensiver auf diese Punkte
nalen Nachfrage in den aufsteigenden Ländern Asiens und Süd- und
eingegangen und aufgezeigt wird, dass Nachhaltigkeit mehr ist als
Mittelamerikas. Sollte sich ein wirklicher Markt um Energiepreise ent-
ökologisches oder gar nur energieoptimiertes Bauen, lohnt es sich,
wickeln, der zurzeit nur sehr eingeschränkt existiert, dann muss bei
einen Blick auf die Entwicklungen bis heute zurückzuwerfen.
einer Verknappung des Angebots und einer steigenden Nachfrage
von einem zunehmend höheren Preis ausgegangen werden. Ob sich
diese Entwicklung kurzfristig abzeichnen wird, ist fraglich. Bei einem
Gebäude handelt es sich aber in den meisten Fällen um ein lang­
fristig ausgerichtetes Objekt, sei es als eigengenutztes Wohn- oder
als fremdgenutztes Renditeobjekt, sodass dieser preisliche Effekt
früher oder später zum Tragen kommen wird.
Zusätzliche Argumente für energiesparende Gebäude gehen
von der Diskussion um die Reduzierung der klimaschädlichen
­Wirkungen im Betrieb von Gebäuden aus und damit auch mass­
Denkschule | Nachhaltige Entwicklung
47
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Eine neue Rolle für den Planer
Nachhaltig Bauen bedeutet aber: den Planern die Verantwortung
zu übertragen und sie zu befähigen, die Komplexität der gestellten
Aufgaben wahrzunehmen und diese zu bewältigen. Um dies zu errei-
«Nachhaltiges Bauen findet in den Köpfen der Planenden statt.»
Diese Aussage steht am Anfang dieses Kapitels. Worauf kommt es
dabei nun wirklich an? Am Ende dieses Kapitels kann auf diese Frage
chen, bieten sich zwei Strategien an:
—— System- und Szenarioanalysen als grundlegende
analytische Ansätze
eine einfache Antwort gegeben werden: Der Prozess der Gestaltung
Damit wird die Komplexität zielorientiert reduziert, und es
der gebauten Umwelt muss der Komplexität dieser Aufgabenstellung
­werden Entwurfsprozesse unterstützt. Diese Ansätze ermögli-
gerecht werden.
chen einerseits eine Fokussierung auf wesentliche Zusammen-
Wie im Kapitel
Herausforderungen, 17 beschrieben, ist die
hänge. Andererseits unterstützen sie die Zusammenarbeit in
Komplexität dieser Aufgabe im letzten Jahrhundert erheblich ge-
einem interdisziplinären Planungsteam und ebenso den Dialog
stiegen. Wir leben in einem sehr dicht besiedelten Land, und die
mit anderen Interessengruppen.
—— Ein Anpassen der Aufgabenteilung im Kontext der Planung
­Umgestaltung der gebauten Umwelt führt zu Umverteilungen von
Werten – materiellen wie immateriellen. Damit haben heutige Baupro-
und im Planungsprozess
zesse immer eine soziale, wirtschaftliche und ökologische ­Relevanz.
Damit wird ein Lernprozess gefördert – im Sinne einer konti-
Gleichzeitig schafft und zerstört die Entwicklung der gebauten
nuierlichen Verbesserung der gebauten Umwelt. Dies betrifft
Umwelt das Kapital unserer Gesellschaft. Es ist daher unabdingbar,
einerseits die Planung und Entwicklung von Bauwerken in ihrem
einen langfristigen Planungshorizont zu wählen.
Lebenszyklus. Es betrifft aber auch den Umgang mit Risiken
Für Planer ist der Umgang mit dieser Komplexität eine grosse
Herausforderung. Bisher waren sie gewöhnt, sich an einfachen Ziel-
bzw. der Übernahme von Verantwortung für die Bauwerksentwicklung.
grössen (z.B. der Bruttorendite) zu orientieren. Sie tendierten dazu,
Für die Planer bedeutet dies eine Verschiebung des Schwerpunkts
eher kurzfristig zu denken und übernahmen häufig Vorgaben von
ihrer Aufmerksamkeit und ihres Verantwortungsbereichs von der
­anderen Akteuren (z.B. von Bauherren oder Bewilligungsbe­hörden)
Planung und Realisierung einzelner Bauprojekte hin zur strategischen
und delegierten damit die Verantwortung für die getroffenen Ent-
Entwicklung des Siedlungsraums einerseits und zum Life Cycle
scheide und deren Folgen auf andere.
­Management der Bauwerke andererseits. Bezogen auf das klassische Leistungsmodell der Planer im Hochbau bedeutet das:
—— Verschiebung des Fokus auf die frühen Planungsphasen
—— Erweiterung des Leistungsmodells auf die Bewirtschaftung und
Erneuerung.
110
Denkschule | Eine neue Rolle für den Planer
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Denkschule
Diese Neuorientierung muss sich unbedingt auch in der Verteilung
der Ressourcen niederschlagen. Zukünftig müssen mehr Gelder
Fazit Denkschule
vorhanden sein für:
—— Strategische Planung
Wie wird «nachhaltig» gebaut?
die auch zum Schluss kommen kann, nicht zu bauen
Nachhaltiges Bauen orientiert sich am gesamten Lebensweg
—— Wettbewerbsverfahren
eines Bauwerks und versteht das Bauwerk als System bzw.
als Grundlage zur Diskussion von Visionen alternativer Zukünfte
—— Stakeholder-Management
als Element in grösseren Systemen. Dabei ist wesentlich,
das auch dazu führen kann, Bauherren notwendige Kompro­
misse abzuringen
—— Life Cycle Costing LCC
dass
—— die Planung und Entwicklung von Bauwerken auf deren
gesamten Lebensweg ausgerichtet wird, und es ist zu
Denkschule
gewährleisten, dass Lernprozesse stattfinden
können,
das auch zur Erhöhung der Baukosten führen kann, zugunsten
z. B. baubegleitendes Facility Management, Benchmarking
von Einsparungen im Betrieb
von Bau- und Nutzungskosten, Controlling des Energie-
—— Entwicklung von Organisationsmodellen für einen
nachhaltigen Betrieb und eine nachhaltige Erneuerung
der Bauwerke
die auch zu einer neuen Verteilung von Risiken beitragen können
verbrauchs und der Treibhausgasemissionen im Gebäude­
betrieb, Umzugsmanagement sowie Einbezug der Nutzer in
Erneuerungsprozesse;
—— b
ei der Planung mit der notwendigen Komplexität produktiv umgegangen wird, z.B. durch Arbeiten in interdisziplinären Teams, durch Einsatz von Instrumenten der
qualitativen und quantitativen Systemanalyse sowie durch
Prozesse der Partizipation von Interessengruppen;
—— d
ie Unsicherheit bei Planung und Entwicklung von Bauprojekten transparent gemacht wird und dass Risiken
geteilt werden, z.B. durch gezielten Einsatz von Entwürfen
und der (Weiter-)Entwicklung von Repräsentationsformen für
Entwurfsarbeiten; durch vermehrten Einsatz von Szenario­
analysen in frühen Phasen der Projektentwicklung sowie
durch Beteiligung der Investoren an den Risiken nachhaltiger Bauprojekte (z. B. in nachhaltigen Immobilienfonds).
Denkschule | Fazit
111
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Leuchtturm
Hörsaalgebäude Weichen­­bau­
halle vonRoll-Areal in Bern
In seiner «Räumlichen Strategie 3012» hat der Regierungsrat des
Kantons Bern beschlossen, sämtliche Aktivitäten der Universität Bern
im Universitätsquartier (Postleitzahl 3012) anzusiedeln. Einer der
Entwicklungsschwerpunkte ist die Umnutzung des früheren Industrieareals der Firma vonRoll am Rande des Länggass-Quartiers. Hier
soll ein erziehungs- und sozialwissenschaftliches Hochschulzentrum
mit den Kernbereichen der Pädagogischen Hochschule Bern und
einschlägigen Disziplinen der Universität Bern entstehen. Zusätzlich
wird die Universitätsbibliothek Bern integriert. Das vonRoll-Areal liegt
an der Schnittstelle zwischen Stadt und Bremgartenwald und an der
Grenze zum markanten Bahneinschnitt. Der Bebauungs­streifen ist
geprägt durch eine sehr unterschiedliche Bebauungsdichte und verschiedene Massstäblichkeiten mit gross- und kleinflächigen Bauten:
Güterbahnhof, einige Wohnbauten, Bauten des Tier- und Lindenhofspitals, Schulanlage, Sportstadion usw. Das vonRoll-Areal selbst ist
durch das für Industrieareale typische Nebeneinander von Gebäuden
aus verschiedenen Epochen und von unterschiedlichster Massstäblichkeit geprägt: Bürogebäude, Werkstatthalle (1904), Kraftzentrale
(1910), Weichenbauhalle (1914), Modellgebäude (1956). Da die bestehende Weichenbauhalle im Inventar der Denkmalpflege als erhaltenswert eingestuft ist, galt es, ein Konzept zu finden, in dem Alt und Neu
nebeneinander funktionieren. 2004 konnte sich in einem Architekturwettbewerb für das Gesamtareal das Projekt NAAN «neu-alt-alt-neu»
des Architekturbüros giuliani.hönger aus Zürich durchsetzen. Es sah
u. a. vor, die alte, geschützte Weichenbauhalle zu erhalten und umzu-
a
Leuchtturm | Hörsaalgebäude Weichen­bau­halle vonRoll-Areal in Bern
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
a
Ansicht Aussenraum Bild(ausschnitt): Karin Gauch, Fabien Schwartz, Oberägeri
Denkschule
Denkschule
nutzen. Vom Projekt des direkt daneben liegenden Neubaus mit einer
alte Dachkonstruktion und das Hallendach wurden verstärkt. In die
Bibliothek, Seminarräumen und Büros haben sich die Architekten
grosse Halle wurden aus Holz konstruierte und wärmegedämmte
dagegen zurückgezogen, nachdem die Bauherrschaft vom ursprüng-
Hörsäle als separate Baukörper hineingestellt und von der bestehen-
lichen Generalplanermodell zu einem Totalunternehmer gewechselt
den Fassade abgelöst. Der grosse Hörsaal bildet einen eigenen Kör-
hatte. Die Architekten wären dabei von der Ausführungsplanung
per, die anderen sechs Hörsäle mit Infrastrukturräumen den andern.
ausgeschlossen worden. Die zum Hörsaalgebäude umgenutzte
Durch die plastische Verformung der beiden Körper – der grosse
Weichenbauhalle wurde Ende Mai 2010 dem Betrieb übergeben, und
Hörsaalkörper ist unten eingeschnitten, der andere ist oben ausge-
im Juni fanden darin bereits die ersten Veranstaltungen statt. Seit
klinkt und begehbar – verzahnen sich die Aufenthaltsbereiche mit den
dem Wintersemester 2010 werden alle Hörräume im Hörsaal­gebäude
beiden Volumen. Die Hörsaal-Einbauten sind leicht versetzt, sodass
durch die PH Bern und die Universität genutzt.
gemeinschaftliche Raumzonen entstanden sind, die nun als Aufent-
Zielsetzung
Das Projekt setzte sich zum Ziel, ein Gebäude für Vorlesungen zu
schaffen, das auch Begegnungs- und Aufenthaltsräume bietet und
Denkschule genutzt werden können. Das Gebäude Denkschule
halts- und Begegnungsräume
wurde dadurch durchlässig und schafft so eine Verbindung zwischen
den Hochschulkomplexen auf beiden Seiten des Gebäudes.
Durch dieses Konzept bleibt die Weichenbauhalle als Zeugnis
einen Durchgang zum angrenzenden Institutsgebäude ermöglicht. Im
von Industriegeschichte von Aussen und Innen ablesbar. Fenster und
neuen Konzept für den Universitätsstandort vonRoll-Areal steht das
Stahlkonstruktion der alten Weichenbauhalle bleiben auch von Innen
Hörsaalgebäude im Zentrum des Areals. Durch Umbau und Umnut-
gut sichtbar und prägen den Charakter des Gebäudes weiterhin mit.
zung der alten Weichenbauhalle bleibt ein Zeitzeuge der Industrie­
kultur der Stadt Bern auf diesem Areal erhalten.
Gleichzeitig wurde ein ressourcenschonendes Konzept konse-
Energieeffizienz
Das Gebäude wurde nach dem Minergie-Eco-Standard realisiert. Ein
quent umgesetzt. Dies betrifft sowohl die Betriebsenergie als auch
wesentlicher Bestandteil des Energiekonzepts sind die unbeheizten
die Baumaterialen und die Baukosten. Das Gebäude ist einer der
Zonen zwischen den Hörsälen. Sie ermöglichen eine gezielte Bereit-
ersten nach Minergie-Eco zertifizierten Umbauten der Schweiz.
stellung von Raumwärme und puffern die Hörsäle gegen die Aussentemperaturen im Winter wie im Sommer.
Beitrag zum Nachhaltigen Bauen
Das Gebäude wird mehrheitlich mit Tageslicht versorgt. Die alte
Gebäudehülle der Weichenbauhalle schafft mit ihren grossen Fens-
Umgang mit historischer Bausubstanz
tern und Oberlichtern die Voraussetzung dazu. Beim Umbau wurde
In der Weichenbauhalle wurde ein Haus-im-Haus-Konzept realisiert.
das Glasoberlicht in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege ersetzt.
Die alte, denkmalgeschützte Gebäudehülle bleibt damit integral
Die Sprossenverglasungen wurden aus energetischen Gründen durch
erhalten. Die filigrane Stahlkonstruktion wurde sorgfältig saniert, die
aussen liegende Vorfenster mit integriertem Sonnenschutz ergänzt.
Leuchtturm | Hörsaalgebäude Weichen­bau­halle vonRoll-Areal in Bern
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Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
Materialeffizienz
Durch das Haus-im-Haus-Konzept konnte ein Teil des alten Gebäudes und der darin enthaltenen Baumaterialien weiter genutzt
werden. Der Materialbedarf wurde so gegenüber einem Ersatzneubau
deutlich reduziert. Sämtliche Einbauten wurden mit dem Werkstoff
Holz ausgeführt, sodass die Masse des Gebäudes optimiert ­werden
konnte. Bei der Auswahl der Baumaterialien waren die Kriterien
von Minergie-Eco massgeblich, vor allem auch die Recyclierbarkeit
der verwendeten Baustoffe. Bei der Planung wurde angestrebt, die
Summe der verwendeten Materialien auf ein Minimum zu reduzieren.
Technische Installationen und Verteilnetze für Strom, Luft und Wasser
sind überall zugänglich. Durch eine konsequente Systemtrennung
wurde versucht, die Lebensdauer der Bauteile zu maximieren.
Lebenszykluskosten
Im Baukostenmanagement wurde konsequent ein Design to CostAnsatz verfolgt, was dazu führte, dass die geplanten Baukosten
spürbar unterschritten werden konnten. Die Betriebs- und Unterhaltskosten werden durch das realisierte Energiekonzept und die gute
Zugänglichkeit der technischen Installationen reduziert. Die konsequente Systemtrennung wird ebenfalls dazu beitragen, die Kosten
der Instandhaltung /-setzung zu senken.
Herausforderungen
Das Projekt wurde mit den Auszeichnungen «SIA Umsicht 11»
und «Best Architects 11» prämiert. In der Würdigung der SIA-Jury
heisst es: «Die Arbeit beeindruckt zunächst durch einen überlegten,
respektvollen Umgang mit der bestehenden historischen, indus­
triellen Substanz in Verbindung mit anspruchsvollen Konzepten eines
ressourcenschonenden Bauens.»
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Leuchtturm | Hörsaalgebäude Weichen­bau­halle vonRoll-Areal in Bern
Leseprobe aus: Holger Wallbaum, Susanne Kytzia, Samuel Kellenberger «Nachhaltig Bauen», vdf Hochschulverlag 2011
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Aufenthalts- und Begegnungsraum
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Grosshörsaal
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Querschnitt
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Längsschnitt
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Grundriss 1. Obergeschoss Bilder: Walter Mair, Zürich
Pläne: giuliani.hönger ag, Zürich
Denkschule
Denkschule
Wie sich das «Herzstück» des neuen Campus unter Vollbetrieb
haben aber gezeigt, dass das Gebäude im Betrieb gut funktioniert.
bewähren wird, wird sich letztlich nach Fertigstellung der Gesamt-
Dies auch dank dem weitsichtigen Mitentscheid der Nutzer, dass
überbauung des Areals zeigen. 2013 soll das benachbarte Instituts-
es in diesen Räumen des Zwischenklimas auch mal etwas weniger
gebäude in Betrieb genommen werden. Erst dann wird auch die
warm sein darf.
Weichenbauhalle so genutzt werden, wie es das Konzept vorsieht.
Im Gebäudekonzept selbst stellten die unbeheizten Zwischenräume
http://www.bve.be.ch/bve/de/index/grundstuecke_gebaeude/grundstu-
eine Herausforderung dar, da sie gleichzeitig als Aufenthalts- und
ecke_gebaeude/bauprojekte/neubau_umbau/bern_vonroll-areal1etappeum-
Begegnungsräume genutzt werden. Die ersten kalten Wintermonate
bauweichenbauhalleneubauinstitutsgebae.html
Denkschule
Denkschule
Neon A
Neon D
Neon C
Neon B
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Dem Bauwesen kommt bei der Zielsetzung einer Nachhaltigen Entwicklung eine
grosse Bedeutung zu. «Nachhaltig Bauen» bedeutet vereinfacht ausgedrückt,
Bauwerke zu errichten und zu erhalten, die ein Kapital für zukünftige Generationen
darstellen und keine Altlast.
Das Buch bietet einen Einstieg in diese Thematik über drei Zugänge: Denkschule,
Handwerkszeug und Beispiele. Es wird der bestehenden Baupraxis ein Ansatz
gegenübergestellt, der sich am gesamten Lebenszyklus der Bauwerke orientiert
und ein Denken und Planen in Systemen und Szenarien voraussetzt. Dies erfordert
ein modernes Selbstverständnis des Planenden, der bei sämtlichen Prozessen der
Planung und Bewirtschaftung die Verantwortung übernimmt und sich nicht nur auf
den Entwurf beschränkt. Beispiele Nachhaltigen Bauens veranschaulichen mögliche
Lösungsansätze und zeigen auf, welche Ideen funktionieren oder wo noch optimiert
werden kann. Ein Anhang mit einer umfassenden Übersicht zu Instrumenten für
Nachhaltiges Bauen ergänzt die Publikation.
– Umfasst den ganzen Lebenszyklus von Bauten, von der Herstellung über die
Nutzung bis zur Entsorgung.
– Thematisiert viele Teilbereiche: u. a. Projektmanagement, Life Cycle Management,
Facility Management, Immobilieninvestition.
– Enthält einen umfassenden Anhang zu Instrumenten und Hilfsmitteln.
ISBN 978-3-7281-3415-8 (Buchausgabe)
ISBN 978-3-7281-3425-7
DOI-Nr. 10.3218 / 3425-7
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