Symbolische Gewalt und die Herstellung legitimer „Identitäten“ Zu Pierre Bourdieus Untersuchung der „männlichen Herrschaft“ Bourdieus Untersuchung über „Die männliche Herrschaft“, die demnächst in deutscher Übersetzung erscheint, bietet für feministische Wissenschaft und Politik einige Anknüpfungspunkte. Geschlechterherrschaft wird als eine Form von „symbolischer Gewalt“ analysiert, was auch für weitere Überlegungen über Macht- und Herrschaftsverhältnisse als „symbolische Gewalt“ interessant ist. Die in den 1990er Jahren geführten Diskussionen über „Identitäten“ können mit Bourdieus Ansatz als Kämpfe um „symbolische Macht“ verstanden werden. Mit der Bürgerrechtsbewegung in den USA, den Frauen-, Lesben- und Schwulenbewegungen in westlichen Industrienationen wurden seit Ende der 1960er Jahre Fragen um Identitätsbildung oder -findung zentral. Politisch wurde die Proklamation von bestimmten Identitäten zur Durchsetzung von Interessen und Rechten ins Feld geführt. Dass Identitätsbildung mit struktureller Macht zusammenhängt, d.h. die Definition von Identitäten strukturelle Macht voraussetzt, bzw. eine Unterwerfung unter strukturelle Machtverhältnisse bedeutet, zeigte sich mit den symbolischen Kämpfen, die innerhalb der Bewegungen um weitere Identitätsdefinitionen ausbrachen. Es wurde deutlich, dass „Identität“ nicht nur Garant von Rechten ist, sondern problematisch, da diese Rechte gegen andere durchgesetzt werden, und da mit der Akzeptanz von Kategorien, die Ausgrenzung und Abwertung zuallererst hervorbringen, auch das Einverständnis in die eigene Stigmatisierung einhergeht. Was sich an diesen bewegungsinternen Kämpfen zeigte: Bezeichnungsprozesse sind als integraler Bestandteil von Macht- und Herrschaftsverhältnissen zu verstehen, die Durchsetzung von Definitionen erfordert Definitionsmacht. Die Beschäftigung mit Kategorien und Definitionen ist also nicht lediglich als erkenntnistheoretische Debatte zu führen, sondern bedarf einer gesellschaftstheoretischen Fundierung. Signifizierung und gesellschaftliche Macht, die Wirkungsweise von Herrschaftsverhältnissen in den Körpern ist in Bourdieus Konzeption von „symbolischer Macht“ und „symbolischer Gewalt“ in einen Zusammenhang gebracht. Eine Fragestellung, die in feministischen Theorien aufgeworfen wird, wird damit aufgegriffen. Indem Signifizierungsprozesse als Klassifizierungsprozesse auf ihre strukturellen Bedingungen zurückgeführt werden, versucht Bourdieu eine Überwindung des Gegensatzes von Erkenntnistheorie, Diskurstheorie oder Zeichentheorie einerseits und Gesellschaftstheorie oder Klassentheorie andererseits: Dies geschieht mit der Zusammenführung des Gegensatzpaares von „ideell/ideologisch“ und „materiell/strukturell“ in dem Entwurf einer „materialistischen Analyse der Ökonomie der symbolischen Güter“. Bourdieus Theorie über die Geschlechterdifferenz hebt sich von anderen Geschlechtertheorien männlicher Autoren ab, indem Bourdieu Theorieproduktion und Position des Autors bezüglich der Geschlechterverhältnisse in Zusammenhang bringt. Allerdings gelingt es ihm nicht, eine paternalistische Haltung gegenüber feministischen Theorien aufzugeben: ein Bezug zu feministischen Theorien wird hergestellt, um sie in die eigene Theorie einzubinden und diese zu belegen. Dabei ist es seiner Position - nicht nur als Mann, der über Geschlechterverhältnisse schreibt - sondern auch als Wissenschaftler zu verdanken, dass er sich eine gewisse Ignoranz gegenüber einem inzwischen differenzierten Feld feministischer Wissenschaft und den darin geführten Diskussionen erlauben kann. Dass diese zu kompliziert wären, um darauf Bezug zu nehmen, kann von einem arrivierten Wissenschaftler nicht als Rechtfertigung in Anspruch genommen werden, wie ich finde. Sonst müsste er sich vorhalten lassen, das Feld feministischer Wissenschaft mit dem „dunklen Kontinent Frau“ zu vermengen und zu verwechseln, und der Anspruch auf eine kritische Haltung gegenüber der eigenen sozialen Position bei der Theorieproduktion wäre in Frage gestellt. Symbolische Macht und symbolische Gewalt In Bourdieus Konzeption ist „symbolische Macht“ in doppelter Weise wirksam: sie strukturiert symbolische Systeme, wodurch Geschlechterdifferenz performativ hergestellt wird; und sie bewirkt die praktische Konstruktion der Körper, durch die „differenzierte Definitionen über den legitimen Gebrauch der Körper“ aufgestellt werden ( Bourdieu 1998, S. 29). Symbolische Systeme sind nicht autonom. Symbolische Macht ist die Form von Macht, die notwendig ist, damit bestimmte Macht- und Herrschaftsverhältnisse reproduziert werden. Symbolische Macht strukturiert symbolische Ordnung in Homologie zu physischen, ökonomischen und kulturellen Machtstrukturen (Bourdieu 1977). Als „symbolische Gewalt“ setzt sich die symbolische Ordnung durch, indem gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse in „Natur“ verwandelt werden. Dies geschieht durch die Einverleibung von Herrschaftsverhältnissen im Unbewussten und in dem Körper. Bourdieu beschreibt symbolische Macht als „Magie“, die darin liegt, dass sie „erkannt“ wird, während sie in ihrer Willkürlichkeit „verkannt“ wird. vergeschlechtlichter und vergeschlechtlichender Habitus Die soziale Konstruktion des sexuellen Unterschieds funktioniert dank einer zirkulären Kausalität, wie Bourdieu am Beispiel der kabylischen Gesellschaft herausarbeitet. Eine sexualisierte soziale Ordnung, die sich in einem System homologer Gegensätze (hoch/tief, oben/unten, vorne/hinten, rechts/links etc.) manifestiert und auf der männlichen Herrschaft basiert, begründet die Division der Geschlechter: sie scheint „in der Natur der Dinge“ zu liegen und legitimiert wiederum männliche Herrschaft. Gemäß dieser zirkulären Logik schreiben sich die Differenzen zwischen den Geschlechtern in die Körper ein, indem der anatomische Geschlechtsunterschied, der eine soziale Konstruktion ist, zur Legitimation der sozialen Ordnung wird. So wird die männliche Herrschaft sowohl in die Objektivität, als objektive Divisionen und vergeschlechtlichter Habitus (geschlechtliche Arbeitsteilung, Struktur des Raumes und der Zeit, sexuelle Beziehungen), als auch in die Subjektivität, als kognitive Schemata und vergeschlechtlichender Habitus, eingeschrieben (Bourdieu 1998, S. 16). Die „Somatisierung sozialer Herrschaftsverhältnisse“ wird durch eine kontinuierliche und diffuse kollektive Sozialisation umgesetzt: „sozial differenzierte Körper des oppositionellen Geschlechts“ und ein differenzierter Habitus, der sich gegensätzlich und komplementär in einem männlichen und weiblichen Habitus verwirklicht, werden in einer diakritischen Konstruktionsarbeit hergestellt (ebd., S. 29 ff.). „sex“ und „gender“ Bourdieus Vorhaben einer Historisierung der zur „Natur“ erklärten Zweigeschlechtlichkeit findet sich als Fragestellung feministischer Theorien seit den 1970er Jahren. Die Unterscheidung zwischen „Natur“ und „Kultur“ der Geschlechterdifferenz begründete neuere feministische Theorien und ihren Anspruch auf Wissenschaftlichkeit, den Feministinnen gegen die gesellschaftlichen Zurichtungen aufgrund einer angeblich geschlechtlichen Natur wendeten (vgl. Oakley 1972, Rubin 1975). Die Fragestellung, die beispielsweise von Rubin aufgeworfen wird, „einen systematischen sozialen Apparat zu begreifen, der Frauen als rohes Material auffasst und domestizierte Frauen als Produkte herstellt“ (1975, S. 158), könnte in Bourdieus Konzeption von der „Somatisierung der Herrschaftsverhältnisse“ (1998, S. 29) eine Antwort finden. Rubins und Bourdieus Ansätze gleichen sich insofern, als beide die gesellschaftliche Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit zu ergründen suchen: während Rubins Fragestellung so verstanden werden könnte, dass die Umwandlung von „Natur“ in „Kultur“ thematisiert wird - wozu eine Differenz von „sex“ und „gender“ eingeführt wird, zielt Bourdieus Ausgangsfrage auf die Naturalisierung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen. Mit anderen Worten, in Bourdieus Konzeption ist „Natur“ bereits eine gesellschaftliche Konstruktion und damit eine Unterscheidung von „sex“ und „gender“ überflüssig. Insofern ist Bourdieus Ansatz an feministische Ansätze anschlussfähig, in denen die Unterscheidung von „sex“ und „gender“ als Ergebnis einer verbindlichen Norm der Heterosexualität verstanden wird, und die Konzeption von „Unschuld“ oder „Natürlichkeit“ von „sex“ abgelehnt wird (vgl. etwa Haraway 1987, Butler 1991). Es ist außerdem eine Analogie zwischen Butlers Begriff der „Intelligibilität“ (1991) sowie Bourdieus Begriff der „Somatisierung“ von Herrschaftsverhältnissen (vgl. Villa 1996) festzustellen. Was bei Bourdieu als die Herstellung geschlechtlich differenzierter Körper und eines geschlechtlich differenzierten Habitus konzipiert ist, beinhaltet Butlers Begriff der „Intelligibilität“: die Notwendigkeit, sich als heterosexualisierte, vergeschlechtlichte Identität zu entwerfen, um als gesellschaftlich anerkannte Identität in Interaktionen wirken zu können. Als gesellschaftstheoretischer Ansatz zeichnet sich Bourdieus Ansatz dadurch aus, dass die Konstruktion von Geschlechtern als Produkt von Herrschaftsverhältnissen konzipiert ist. Bourdieus Theorie der symbolischen Gewalt, in der die Einverleibung struktureller Machtverhältnisse thematisiert ist, ist interessant für feministische Forschungen, da darin der strukturelle Zusammenhang von Makround Mikroebene konzipiert ist (vgl. Krais 1993, Villa 1996). Identität und symbolische Gewalt Definitionen von Geschlechtsidentitäten und Identitäten werden in Bourdieus Ansatz mithilfe von symbolischer Macht etabliert, die in Homologie zu sozialen Feldern und ihren Differenzierungen, bzw. den Kämpfen, die innerhalb und zwischen den Feldern sowie zwischen Klassen und Klassenfraktionen stattfinden, entsteht. Symbolische Macht als Macht, die die Durchsetzung von symbolischer Ordnung, von kognitiven Schemata, legitimen Definitionen von Körpern und deren legitimen Gebrauch bewirkt, stützt sich auf und (re-) produziert gesellschaftliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse. Symbolische Macht ist symbolische Gewalt, insofern sie sich gleichsam unbemerkt in die Körper und das Unbewusste einschreibt, so dass die Machtverhältnisse, aus denen sie hervorgegangen sind, als ihre Natur erscheinen. Dieses Verhältnis von symbolischer Ordnung und Herrschaftsverhältnissen ist m.E. grundlegend zum Verständnis von Identitätsbildungsprozessen. In dieser Perspektive ist die Auffassung von Identitätsentwicklung im Sinne eines emanzipatorischen, befreienden Selbstfindungsprozesses problematisch: vielmehr scheint das, was als innerste Wahrheit, als wahre Natur, als zu entdeckende Identität gilt und die Suche danach ein verdeckter Mechanismus der Macht zu sein, durch den sie reproduziert wird. In Bourdieus Konzeption von symbolischer Gewalt müssen Identitätszuschreibungen als Naturalisierung im Sinne von „Somatisierung“ von Machtverhältnissen aufgefasst werden. Dies trifft nicht nur für die Durchsetzung von Geschlechterdifferenz und Klassendifferenzen (bzw. Differenzen zwischen Klassenlagen und -fraktionen) als Machtverhältnisse zu, sondern auch für andere Macht- und Herrschaftsverhältnisse, indem sie als Differenzen etabliert werden: die Gegensätze von Homosexualität/Heterosexualität, Minderheit/Mehrheit, ImmigrantIn/Einheimische, illegal/legal, traditionell/modern, barbarisch/zivilisiert, Entwicklungsland/Industrieland, dunkle/helle Hautfarbe, behindert/nicht-behindert, deviant (anormal)/normal, alt/jung etc.. Entscheidend ist, dass diese Differenzen auf strukturellen Machtunterschieden basieren, und symbolische Macht jene Macht ist, durch die legitime Definitionen etabliert werden, um diese Machtverhältnisse zu reproduzieren. Wie Bourdieu zeigt, funktioniert symbolische Gewalt in einer zirkulären Logik. Herrschaftsverhältnisse werden (re-) produziert, indem sie eine symbolische Ordnung begründen, in der anatomische, kosmologische, weltanschauliche u.a. Unterschiede als Differenzen markiert werden: sie schreiben sich in die „Dinge“ und schließlich in die Körper ein, deren Übereinstimmung mit der symbolischen Ordnung und den Herrschaftsverhältnissen auf diese Weise als ihre „Natur“ erscheint. Entscheidend ist außerdem, dass symbolische Macht mit der Differenzierung von sozialen Feldern und den Kämpfen, die dadurch zwischen den davon betroffenen und daran beteiligten sozialen Gruppen und Fraktionen stattfinden, einhergeht. Dass diese Kämpfe im Verborgenen wirken, ist ein Effekt der symbolischen Gewalt, die als „Natur“ und „Identität“ erscheinen lässt, was aus gesellschaftlichen Kämpfen um die Durchsetzung von legitimen Definitionen und struktureller Macht hervorgeht. Es wird deutlich, warum es nicht reicht, bestimmte Bezeichnungen für sich in Anspruch zu nehmen, wenn die strukturelle Macht fehlt, diese zu etablieren. Für feministische Wissenschaft und Politik muss es folglich darum gehen, diese gesellschaftlichen Kämpfe zu untersuchen und zu verstehen. Wenn auf Bezeichnungspraktiken Einfluss genommen werden soll, muss in die Bedingungen ihrer Hervorbringung eingegriffen werden. Für Bourdieu sind dies „soziale Räume und Unterräume“ wie Schule, Arbeitswelt, Verwaltung, Feld der Medien etc., in denen neben der Familie - in Bourdieus Wahrnehmung der soziale Raum, der in feministischer Forschung und Wissenschaft vorwiegend zum Untersuchungsobjekt wird, was er kritisiert - legitime Geschlechterdefinitionen bestimmt werden. Diese sind in ihrer Relationalität mit den kognitiven Strukturen, die sie prägen, zu untersuchen (1998, S. 109 ff.). Mit dem Ansatz der „materialistischen Analyse der Ökonomie der symbolischen Güter“ wird ein Instrumentarium zur Untersuchung der symbolischen Ordnung, in der unter anderem die Geschlechterdifferenz repräsentiert und organisiert ist, zur Verfügung gestellt. Bourdieus Forderung an feministische WissenschaftlerInnen besteht darin, ein kritisches Bewusstsein gegenüber den eigenen Wahrnehmungs- und Denkschemata zu entwickeln, d.h. die Erkenntnisinstrumente als Erkenntnisobjekte zu behandeln (ebd., S. 123). Besonders für Männer ist dies eine zentrale Aufgabe, sind sie doch Profiteure der Geschlechterherrschaft. Aber auch für Frauen ist kritische Distanz zu den Geschlechterdefinitionen angesagt und muss der Beitrag, den sie selbst zu ihrer Perpetuierung leisten, Objekt der Analyse sein. In Bezug zu Geschlechterverhältnissen zwischen Frauen und Männern sind dies grundsätzlich notwendige Überlegungen. Darüber hinaus können Bourdieus Ansatz und Vorschläge auf die Felder feministischer Wissenschaft und sozialer Bewegungen und den Machstrukturen, nach denen sie selbst organisiert sind, angewendet werden. Demnach muss feministische Wissenschaft und Politik Geschlechterdefinitionen wie „Frau“, „Lesbe“, „Feministin“ - zählt man Schwulenforschung zu feministischer Wissenschaft, würde folglich die Definition „Schwuler“ dazu gehören - als Identitätsdefinitionen auch als symbolisch mächtige Instrumente auffassen, die mit symbolischer Gewalt durchgesetzt werden. In jedem Fall wäre es eine zu untersuchende Frage, inwiefern sich Definitionen in den subkulturellen Räumen als Identitäten aufgrund von struktureller Macht durchsetzen, und auf welche Art und Weise auch in diesem sozialen Raum Identitäten aufgrund von Kämpfen zwischen sozialen Feldern und den darin involvierten AkteurInnen zu legitimen Definitionen werden, mitsamt dem dazugehörigen Verhaltenskodex. Konflikte zwischen Schwulen und Lesben, zwischen Lesben und Heteras, zwischen Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten wie MigrantInnen, Schwarzen Deutschen, Transsexuellen, Behinderten, zwischen sozialer Mittelschicht und unteren Schichten können auf diese Weise als gesellschaftliche Kämpfe um symbolische Macht verstanden werden. Ob bestimmte Definitionen von einem legitimen Gebrauch der Körper als symbolische Gewalt in den Körpern wirken, hängt davon ab, ob sie auf strukturellen Machtund Herrschaftsverhältnissen basieren. Es ist anzunehmen, dass sich solche Identitätsdefinitionen als legitime durchsetzen, die auch außerhalb der Räume der Subkultur als legitim gelten. Zwar werden in subkulturellen Räumen heteronormative Geschlechter- und Identitätsdefinitionen in Frage gestellt und alternative Formen von Identitäten entworfen, die beispielsweise die Verkörperung eines „männlichen“ oder „weiblichen“ Habitus entsprechend der anatomischen Geschlechtsdefinition ablehnen. Die Umkehrung des Verhältnisses von geschlechtlichem Habitus und geschlechtlichem Körper in der „Parodie“ des drag oder camp führt aus folgenden Gründen jedoch nicht zu einer Umkehrung der Geschlechterherrschaft, selbst wenn sie diese in ihrem Totalitätsanspruch untergraben. Es werden sich solche Definitionen von Geschlecht, Körper und Identität etablieren, die in einem „phallogozentrischen“ und „zwangsheterosexuellen“ bzw. „heteronormativen“ System als „intelligibel“ gelten. Gleichzeitig werden es Identitätsdefinitionen sein, die in westlichen Industrienationen als privilegiert verstanden werden: sie sind in der Lage, Körper zu prägen, mithilfe von Differenzen wie „zivilisiert“ vs. „barbarisch“, „gesund“ vs. „verletzt“, „selbstbestimmt“ vs. „ausgebeutet“ etc., die auf der Unterscheidung des „bürgerlichen“ Habitus etwa von einem „proletarischen“ oder „kolonisierten“ basieren. Auf diese Weise wirkt die symbolische Ordnung auch in Subkulturen, da sie mit symbolischer Macht ausgestattet ist, die Herrschaftsstrukturen entspricht. Schließlich ist in dem Versuch selbst, „alternative“ Identitäten zu definieren, noch die Wirkungsweise der gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnisse auszumachen: die Suche nach einer Identität ist das zweifelhafte Privileg jener, deren Körper nicht mit der symbolischen Ordnung und ihren Normen in Einklang sind. Dass diese Suche nicht „außerhalb“ der symbolischen Ordnung stattfindet, ist ein Grund dafür, weshalb „Befriedigung“ entsteht, wenn eine „Natur“ oder „Identität“ gefunden wird. Insofern ist dieser Ansatz kritisch einzuwenden gegen idealistische Identitätspolitik: erstens da Entwürfe außerhalb der symbolischen Ordnung nicht zur Verfügung stehen, und gerade diese in Frage gestellt werden muss, wenn sie nicht einfach reproduziert werden soll. Zweitens, da die Etablierung von Identitäten symbolische Macht voraussetzt, die analog zu gesellschaftlichen Machtstrukturen existiert. Das bedeutet, dass sich solche Identitätsdefinitionen durchsetzen, die, wie andere Definitionen auch, aus Kämpfen zwischen sozialen Feldern, Klassen (-fraktionen) und deren AkteurInnen hervorgehen und mit der notwendigen symbolischen Macht ausgestattet werden. Sie ausschließlich als Ergebnis einer glücklichen Selbstfindung, als Mittel zur Etablierung von Rechten zu verstehen, hat die Ignoranz von gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen zur Konsequenz, und übersieht, dass Identitätsdefinitionen gegen andere durchgesetzt werden. Im besten Fall heißt das gegen hegemonialen Identitätsdefinitionen, wie dies zeitweise in subkulturellen Räumen durch drag geschieht. Im schlechteren Fall heißt das gegen andere Identitätsdefinitionen, die im Kampf um symbolische Macht unterliegen, worauf beispielsweise Schwarze Feministinnen in der US-Frauenbewegung aufmerksam gemacht haben. Ingrid Jungwirth Literatur: Bourdieu, Pierre: La domination masculine. Paris: Seuil 1998. Erscheint demnächst in deutscher Übersetzung bei Suhrkamp. Bourdieu, Pierre: Sur le puvoir symbolique. In: Annales, 32. Jg. - Nr. 3, Mai-Juni 1977, S. 405-411. Bourdieu, Pierre: Die männliche Herrschaft. In: Dölling, Irene/Krais, Beate (Hg.): Ein alltägliches Spiel. Geschlechterkonstruktionen in der sozialen Praxis. Frankfurt/M 1997 (a), S. 153-217. Bourdieu, Pierre: Männliche Herrschaft revisited. In: Feministische Studien 2/1997 (b), S. 88-99. Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Frankfurt/M 1991. Haraway, Donna: Geschlecht, Gender, Genre. Sexualpolitik eines Wortes. In: Hauser, Kornelia: Viele Orte. Überall? Feminismus in Bewegung. Festschrift für Frigga Haug. Hamburg 1987. Krais, Beate: Geschlechterverhätltnis und symbolische Gewalt. In: Gebauer, Gunter/Wulf, Christoph (Hg.): Praxis und Ästhetik. Neue Perspektiven im Denken Pierre Bourdieus. Frankfurt/M 1993, S. 208-250. Oakley, Ann: Sex, Gender and Society. London: Temple Smith 1972. Rubin, Gayle: The Traffic in Women: Notes on the „Political Economy“ of Sex. In: Rayna R. Reiter (Hg.): Toward an anthropology of women. New York 1975. Villa, Paula, Irene: Spürbare Zugehörigkeiten. Klasse und Geschlecht als zweifache Positionierung des Leibes. In: Fischer, Ute L./Kampshoff, Marita u.a. (Hg.): Kategorie: Geschlecht? Empirische Analysen und feministische Theorien. Opladen 1996, S. 140-162.