Essen und Trinken bei Demenz 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd1 1 Gesund essen, besser leben. 27.09.2007 12:22:35 Uhr Bedarfsgerechte Verpflegung bei Demenz 2 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd2 2 27.09.2007 12:22:49 Uhr Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit einem Verlust von geistigen Funktionen wie Erinnern, Orientieren, Denken und Verknüpfen von Gedanken einhergehen und die dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten gar nicht mehr oder nicht mehr ausreichend eigenständig durchgeführt werden können. In Deutschland leiden zurzeit ca. 1 Million Menschen an einer Demenz. Das Erkrankungsrisiko nimmt mit steigendem Alter zu. Ca. 50 % der über 89-Jährigen leiden an Demenz. Die häufigste Form mit rund 70 % ist die Alzheimer Demenz, danach folgen vaskuläre Demenzen, die von Durchblutungsstörungen im Gehirn ausgelöst werden. Andere Formen treten in geringerer Zahl auf. Nach Vorausberechnungen, die die Bevölkerungsentwicklung berücksichtigen, wird sich die Zahl der Demenzpatienten bis zum Jahre 2050 auf über 2 Millionen erhöhen. Nervenzellen im Gehirn In Folge einer Demenzerkrankung kommt es zum Abbau von Nervenzellen, der zum Verlust der kognitiven Fähigkeiten führt und von Veränderungen des emotionalen und sozialen Verhaltens begleitet wird. Die Kommunikation funktioniert immer weniger über Worte, sondern verstärkt über die emotionale und sinnliche Wahrnehmung. Die Erkrankung verläuft in Phasen, üblicherweise eingeteilt in ein leichtes, mittelschweres und schweres Stadium. Der geistige und körperliche Abbau schreitet progressiv voran und der Hilfebedarf steigt. Das klinische Erscheinungsbild einer Demenz ist anfänglich durch die Abnahme der Gedächtnisfunktionen gekennzeichnet. Mit der Zeit lässt das Denkvermögen nach und es kommen im weiteren Verlauf Veränderungen der Persönlichkeitsmerkmale hinzu. Demenz ist derzeit nicht heilbar. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd3 3 3 27.09.2007 12:22:59 Uhr Welche Auswirkungen hat die Demenz auf das Ess- und Trinkverhalten? 4 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd4 4 27.09.2007 12:23:10 Uhr Eine angenehme Tischgemeinschaft und entspannte Atmosphäre Die subjektive Lebenswelt der Betroffenen unterscheidet sich häufig deutlich von der von außen als real wahrgenommenen Umgebung. Menschen mit Demenz fühlen sich oft jung und kompetent und haben in ihrer Gedankenwelt möglicherweise andere Dinge zu erledigen, zum Beispiel Essen für die aus der Schule kommenden Kinder kochen. Die Demenz führt bei vielen zu starker Mobilität und Unruhe, sie bleiben zum Teil nicht zum Essen am Tisch und es besteht eine hohe Ablenkbarkeit. Als Folge kann der Energiebedarf im Einzelfall stark ansteigen. Hunger- und Sättigungsgefühl verändern sich. Einige Betroffene haben andauernd Hunger, andere fühlen sich immer satt. Körpersignale wie Magenknurren oder Übelkeit werden nicht gedeutet und es fehlt die Einsicht der Notwendigkeit von Essen und Trinken. Längeres Fasten führt sogar zu einer Stimmungsverbesserung. In diesem Fall ist es für die Erkrankten nicht nachvollziehbar, warum man ihnen andauernd etwas zu essen anbietet – möglicherweise reagieren sie dann sogar aggressiv. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd5 5 5 27.09.2007 12:23:20 Uhr Vertraute Lebensmittel werden besonders gerne gegessen 6 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd6 6 27.09.2007 12:23:31 Uhr Die neurologischen Veränderungen führen im Verlauf der Erkrankung außerdem oftmals zu Schluckstörungen, die das Essen und Trinken zusätzlich erschweren. Bei der Geschmackswahrnehmung lässt sich beobachten, dass Süßes besonders gerne gegessen wird, Saures dagegen offensichtlich bitter schmeckt und teilweise wieder ausgespuckt wird. Auch die Wahrnehmung insgesamt kann sich verändern. Speisen und Getränke werden nicht als solche erkannt, der Umgang mit Besteck ist nicht mehr präsent oder Speisen und Besteck werden sogar als Gefahr gedeutet. So können grüne Erbsen möglicherweise als giftig erachtet oder Kräuter im Essen als kleine Tierchen gedeutet werden. Besonders problematisch in der Gemeinschaftsverpflegung sind auch die „Tischmanieren“, sie gehen im Laufe der Erkrankung verloren. Dadurch kann es passieren, dass Demenzkranke von ihren Tischnachbarn wegen ihrer Ess-Manieren beschimpft werden und sich dadurch abgelehnt oder auch bedroht fühlen. Gefühle von Angst und Bedrohung können bei Demenzkranken wiederum zu Wahnvorstellungen, Vergiftungsängsten und auch zur Ablehnung des Essens führen. Daher sollten Sie mit darauf achten, dass dem oder den Betroffenen eine Umgebung geboten wird, die Sicherheit und Vertrauen schafft. Eine angenehme Tischgemeinschaft und entspannte Atmosphäre beim Essen tragen ebenfalls dazu bei. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd7 7 7 27.09.2007 12:23:45 Uhr Welche Risiken und Probleme können im Bereich der Ernährung auftreten? 8 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd8 8 27.09.2007 12:23:55 Uhr Menschen mit Demenz haben ein hohes Risiko für Mangelernährung und Dehydratation (Austrocknung). Sie sollten daher auf Symptome wie Müdigkeit, Apathie und Schwäche beim Einzelnen achten, die Anzeichen für eine Mangelernährung sein können. Senioren mit Normal- oder Übergewicht können durch einseitige Ernährung ebenso mangelernährt sein wie untergewichtige Menschen. Welches Ziel sollte in der Verpflegung bei Demenz angestrebt werden? Das Ziel sollte eine ausgewogene Ernährung sein, die den individuellen Energie- und Nährstoffbedarf deckt, den Senioren schmeckt und ihre Wünsche und Möglichkeiten berücksichtigt. Besondere Schwerpunkte der Ernährung bei Demenz sind: ausreichende Energiezufuhr, bei Bedarf die Substitution von Vitaminen und Mineralstoffen und ausreichende Flüssigkeitsversorgung, um das Gewicht zu halten und Mangelzustände zu vermeiden. Außerdem sollen die Mahlzeiten ein Stück Orientierung und Sicherheit bieten und zur Lebensqualität beitragen. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd9 9 9 27.09.2007 12:24:07 Uhr Empfehlungen für die Praxis: Geeignete Maßnahmen zur bestmöglichen Versorgung 10 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd10 10 27.09.2007 12:24:19 Uhr Speisenauswahl In der Regel werden bekannte und regionale Gerichte bevorzugt gegessen. Eine Essbiografie kann hilfreich sein, um aufgrund der Herkunft und Lebensgeschichte mögliche gern gegessene Speisen herauszufinden. Dem bevorzugten Geschmack an süßen Speisen sollten Sie entgegen kommen. Auch pikante Speisen (Möhren-Eintopf, Tomatensoße, Fischgerichte, usw.) können mit Zucker oder Süßstoff nachgesüßt werden und so den Appetit auf das Menü fördern. Bei hohem Bewegungsdrang steht im Vordergrund, dass energiereich gegessen wird und dafür auch entsprechend energiereiche Zutaten verwendet werden. Dabei ist es wichtig, dass die Lebensmittel leicht zu essen sind. Rohkost kann dazu fein geraffelt werden, Obst sollte geschnitten oder auch notfalls püriert werden. Besonders süße, reife Obstsorten werden gerne gegessen. Eingeweichte Frischkornbreie oder Müslis sowie zarte Haferflocken eignen sich gut zum Frühstück. Bei Appetitlosigkeit können Sie auch Milch-Mix-Getränke aus Milch und Fruchtsaft bzw. Nektar, Milchshakes oder Trinkjoghurts reichen. Obst- und Gemüsesäfte können mit hochwertigen Pflanzenölen (z.B. Rapsöl) angereichert werden. Zudem erhöht kräftiges Würzen und appetitliches Anrichten die Lust am Essen. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd11 11 11 27.09.2007 12:24:30 Uhr „Finger Food“ 12 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd12 12 27.09.2007 12:24:43 Uhr Ist ein kompetenter Umgang mit Besteck nicht mehr möglich, kann „Finger Food“ eine gute Lösung sein, um die Selbstständigkeit beim Essen zu erhalten. Das Essen mit den Fingern zu greifen und zum Mund zu führen, regt die Sinne an und kann Senioren, die unter Appetitmangel leiden, möglicherweise wieder zum Essen motivieren. Somit kann „Finger Food“ Kompetenzen, Selbstständigkeit und Selbstbestimmung verbessern und erhalten. Portionieren Sie die Speisen auf eine Größe von ein bis zwei Bissen und achten Sie darauf, dass die Portionen gut greifbar, aber gleichzeitig auch leicht zu kauen und zu schlucken sind. Umsetzung • das Brot zum Frühstück als Klappstulle anbieten, • stichfesten Milch-Pudding oder Grießbrei so portionieren, dass er mit den Fingern gegessen werden kann; Quarkspeisen durch Gelatinieren stichfest und portionierbar machen, • Fleisch: Kleine, zarte Fleischstückchen oder Buletten, die mit den Fingern gegriffen werden können, • Gemüse: Fingermöhren, Brokkoli- oder Blumenkohlröschen, Kohlrabi-Stifte, Rote Bete-Scheiben, Tomaten- und Gurkenstücke, • Kartoffeln: Kartoffelstücke oder -ecken, -kroketten, • stichfeste Gemüseaufläufe oder Nudelaufläufe, • Kuchen in Würfel schneiden. Fast alle Speisen können, bei entsprechender Anpassung der Portionsgröße und Konsistenz, auch als „Finger Food“ gegessen werden. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd13 13 13 27.09.2007 12:24:53 Uhr „Eat by walking“ 14 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd14 14 27.09.2007 12:25:05 Uhr Senioren mit Demenz sind teilweise sehr unruhig. Einerseits hält es sie nicht lange am Esstisch, andererseits ist durch ihre gesteigerte körperliche Aktivität der Energiebedarf erhöht. Sie profitieren von zusätzlichen Essgelegenheiten außerhalb der festen Mahlzeiten, quasi im Vorübergehen. Es bietet sich an, „ImbissStationen“ einzurichten und hier Speisen als „Finger Food“ anzubieten, z. B. belegte Brote, Käsewürfel, Bockwürstchen, Obststücke etc. Als Bezugsperson oder Pflegende/r sollten Sie die Essgelegenheiten einsehen können, um eingreifen zu können, wenn Schwierigkeiten beim Essen auftreten oder der Imbiss unansehnlich wird. Die hygienischen Rahmenbedingungen dafür müssen geregelt werden, z. B. müssen die Mengen klein sein und sollten öfter ausgetauscht werden. Am besten Sie erarbeiten diese Idee gemeinsam mit der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde. Für das „Eat by walking“ eignet sich am besten leicht zu verzehrendes „Finger Food“. Die Imbissstation sollte einsehbar sein und regelmäßig kontrolliert werden. Speisen als „Finger Food“ anbieten 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd15 15 15 27.09.2007 12:25:15 Uhr Getränkeangebot 16 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd16 16 27.09.2007 12:25:28 Uhr Menschen mit Demenz bevorzugen häufig süße und farbige Getränke, zum Beispiel bunte Säfte, die nicht zu kalt sind. Saure Säfte werden von vielen abgelehnt. Als Milchmix-Getränk oder durch Mischen mit Bananen- oder Pfirsichsaft kann der saure Geschmack gemildert werden. Ebenso kann es hilfreich sein, Zucker oder Süßstoff zum nachträglichen Süßen zu verwenden. Bei Schluckstörungen kann das Andicken der Getränke mit einem Andickungsmittel das Trinken erleichtern. Durch die Auswahl der richtigen Trinkgefäße (z. B. bunte Becher, Tassen mit großen Henkeln), Trinkrituale zu bestimmten Zeiten und das Getränkeangebot in Gesellschaft kann die Flüssigkeitszufuhr zusätzlich verbessert werden. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd17 17 17 27.09.2007 12:25:38 Uhr Anregung aller Sinne 18 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd18 18 27.09.2007 12:26:00 Uhr Die Anregung der fünf Sinne kann helfen Orientierung zu geben, die Freude auf das Essen zu steigern und die Situation des Essens insgesamt zu erleichtern. Durch eine aufrechte Sitzhaltung kann die Wahrnehmung der eigenen Position im Raum unterstützt werden. Dadurch ist der Senior wacher und aufmerksamer, was die Nahrungsaufnahme positiv unterstützt. Hören: Das Klappern von Geschirr und Besteck sind altbekannte Geräusche, die selbstverständlich mit Essen in Verbindung gebracht werden. Essgeräusche, wie sie beim Abbeißen von Gebäck, beim Verzehr von Salat oder Brötchen entstehen, können zum weiteren Verzehr motivieren. Negative Aussagen über das Essen hindern den Appetit und können den Senioren die Mahlzeit verderben. Sehen: Das Auge isst mit! Eine appetitliche Darreichung, farblich deutlich zu erkennende Komponenten und klare Konturen erleichtern das Erkennen der Speisen und Getränke und regen zum Essen an. Ein Glas mit Wasser ist weniger gut zu erkennen als ein farbiger Becher oder ein Glas mit einem farbigen Getränk. Wichtig ist auch, dass sich der Teller vom Tischbelag oder der Tischdecke abhebt. Teller mit farbigen Rändern auf einer weißen Tischdecke helfen die Konturen zu erkennen. Bei nachlassender Sehkraft im Alter ist eine ausreichende Beleuchtung wichtig, um die Speisen erkennen zu können. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd19 19 19 27.09.2007 12:26:10 Uhr Durch Anfassen „begreifen“ 20 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd20 20 27.09.2007 12:26:21 Uhr Riechen: Schon am Morgen gibt der Duft nach frischem Kaffee eine erste Orientierung für den Tag und regt zum Essen an. Ebenso regt der Duft nach Gebratenem am Mittag oder der Geruch von frisch gebackenem Kuchen oder Waffeln am Nachmittag die Sinne an und steigert die Vorfreude auf das Essen. Andererseits können einem schlechte Gerüche auch schlagartig den Appetit verderben und eine ablehnende Reaktion hervorrufen. Sollten Sie etwas Derartiges beobachten, ist es hilfreich dies gleich zu dokumentieren. Fühlen: Können Senioren aufgrund nachlassender Sehleistung oder durch demenzielle Veränderungen die Speisen nicht mehr identifizieren, kann das Anfassen helfen zu begreifen und zum Essen ermuntern. Die selbstständige Bewegung und das Führen der Speisen vom Teller zum Mund, ganz gleich ob mit Besteck oder Fingern, fördert das Essen. Es sollte beim Anreichen versucht werden nur möglichst minimal und wenn möglich nur unterstützend in den Essvorgang einzugreifen, so dass dieser nur wenig gestört wird und der Senior seinen eignen Rhythmus finden kann. Schmecken: Der Geschmackssinn nimmt im Alter ab. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, die Speisen eher kräftig zu würzen. Dabei sollte nicht unbedingt verstärkt gesalzen werden, da Salz bei einzelnen Menschen Bluthochdruck fördern kann. Vielmehr können Kräuter und Gewürze verwendet werden, die den Senioren aus der früheren Zeit bekannt und vertraut sind, wie z. B. Bohnenkraut, Liebstöckel, Majoran oder Rosmarin. Sie riechen gut, geben dem Essen eine frische Farbe und liefern wertvolle Vitamine. Wird das Essen geliefert, können mit dem Lieferanten diesbezüglich Absprachen getroffen werden. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd21 21 21 27.09.2007 12:26:33 Uhr Die Beteiligung an der Planung und Zubereitung kann die Freude am Essen steigern – aber beachten Sie die Hygienevorschriften 22 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd22 22 27.09.2007 12:26:44 Uhr Beteiligung bei der Vor- und Zubereitung der Mahlzeiten Die meisten Menschen sind es gewohnt, zu planen, was sie essen möchten, einzukaufen, die Lebensmittel zuzubereiten, den Tisch zu decken, die Speisen zu genießen und anschließend auch aufzuräumen. Da in der ambulanten Pflege und in Senioreneinrichtungen das Essen häufig jedoch zentral zubereitet oder geliefert wird, bleibt den Senioren von diesem Prozess nur noch die Nahrungsaufnahme selbst. Orientierungshilfen, wie gemeinsames Planen, Einkaufen und Zubereiten der Speisen, so wie das gemeinsame Eindecken der Tische, können die Freude auf das Essen wesentlich steigern. Dazu kommt das gute Gefühl, sich heimisch zu fühlen, sich beteiligen zu können und eine sinnvolle Aufgabe zu haben. Gestaltung der Ess-Situation und Atmosphäre Das Gefühl von Selbstständigkeit ist auch bei einem Menschen mit Demenz wesentlich. Diese Kompetenz sollte so lange wie möglich erhalten und gefördert werden auch wenn es mehr Zeit in Anspruch nimmt. Auch beim Essen sollte man versuchen den dementen Menschen, wenn möglich mitbestimmen zu lassen, was er essen möchte. Wenn das Essen in Schüsseln auf den Tisch kommt, kann sich jeder selber nehmen oder wenigstens mitbestimmen, was und wie viel er essen möchte. In Gesellschaft mit anderen wird oft mehr gegessen als alleine. Wenn jemand nicht weiß, was er am Tisch tun soll, kann es helfen, dass er sich von den anderen Tischgästen Abläufe abguckt und sie nachahmt. Reicht das nicht aus, oder wird jemand in der eigenen Wohnung betreut, können Sie als Betreuende oder Pflegekraft demjenigen auch einen Impuls geben, indem Sie ihm Löffel oder Gabel in die Hand geben und den Bewegungsablauf vom Teller zum Mund begleiten. Der Bewegungsablauf kann dann eigenständig weitergeführt werden. Im Einzelfall kann es natürlich auch sinnvoll und gewollt sein, dass jemand für sich alleine isst. Der Tisch sollte für alle gedeckt sein, so dass sich niemand ausgeschlossen fühlt. Fehlt ein Gedeck kann der Eindruck entstehen, dass man noch auf andere warten muss oder der Tischnachbar schon fertig ist. All das kann zu Verstimmungen und damit zur Verweigerung des Essens führen. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd23 23 23 27.09.2007 12:26:56 Uhr Essen und Trinken sollten Freude und Genuss bereiten 24 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd24 24 27.09.2007 12:27:07 Uhr Auch beim Anreichen der Speisen kann es den Senior verwirren, wenn der Teller von dem er essen soll nicht vor ihm, sondern vor dem Betreuenden steht. Demenzkranke lassen sich sehr leicht ablenken, jedoch mit aufmunternden Worten auch gut motivieren. Sie sollten die Speisen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander servieren oder servieren lassen, dann fällt die Entscheidung für einen Handlungsschritt leichter. Eine anregende Atmosphäre und angenehme Gesellschaft sind förderlich für die optimale Versorgung. Zeit, Gelassenheit und die Akzeptanz von veränderten Tischmanieren tragen dazu bei, dass Essen und Trinken Freude und Genuss bereiten. Wichtiger als das „Wie“ des Essens ist, dass überhaupt gegessen wird. Die Ess-Situation soll als stressfrei erlebt werden, damit die Lust am Essen aufrecht erhalten bleibt. Jede Hilfestellung sollte dezent und unauffällig gegeben werden. Achten Sie darauf, dass zusätzliche Reize, wie Fernseher und Radio, zu den Mahlzeiten ausgeschaltet werden. Zu viele Reize überfordern und lenken vom Essen ab. Während der Mahlzeiten sollte die Stimmung angenehm und ruhig sein. Demente Menschen können häufig keine oder nur noch selten Entscheidungen treffen. Dies ist abhängig von der Tagesform. Bei Ablehnung eines Essens kann es hilfreich sein, wenn das möglich ist, eine zweite Mahlzeitenvariante anzubieten. Dokumentieren Sie beobachtete Vorlieben und Abneigungen zum Wohl des Seniors. Menschen mit Demenz können sich nicht „anpassen“, es ist notwendig, dass sich die Umwelt im Sinne der Betroffenen anpasst. Gleichbleibende Essenszeiten, feste Sitzplätze und ein regelmäßiger Tagesablauf helfen zur Orientierung, ebenso wie die Stimulierung aller Sinne etwa durch Küchengeräusche und Essensgeruch. 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd25 25 25 27.09.2007 12:27:20 Uhr Welche organisatorischen Rahmenbedingungen gibt es? 26 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd26 26 27.09.2007 12:27:31 Uhr Für die optimale Versorgung von Menschen mit Demenz sollte ein spezielles Verpflegungskonzept entwickelt werden. Alle beteiligten Mitarbeiter müssen über die Erkrankung, die Probleme und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung geschult werden, damit alle nach einheitlichen Grundsätzen arbeiten und die Betroffenen dadurch Sicherheit und Orientierung erleben. Systematische Kommunikation zwischen den beteiligten Bereichen ist ebenfalls eine wichtige Basis für die bestmögliche Verpflegung. Als Mitarbeiter/in eines ambulanten Pflegedienstes sollten Sie eng mit dem zuständigen Mahlzeitendienst zusammen arbeiten. Der Ernährungszustand des älteren Menschen sollte dem Mahlzeitendienst bekannt sein, damit das Verpflegungsangebot entsprechend angepasst werden kann. Wird das Essen in tiefgekühlten Wochenrationen geliefert, sollten Sie beobachten, ob der ältere Mensch noch geistig und körperlich in der Lage ist, die sieben Mahlzeiten in der Woche gleichmäßig auf die Tage aufzuteilen und sie selbstständig zu erhitzen. Mahlzeitendienste sollten ein Qualitätsmanagement bieten, welches die individuellen Anforderungen berücksichtigt und die erstellten Leistungen überprüft. Quellen: aid Infodienst, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (Hrsg): Senioren in der Gemeinschaftsverpflegung, Bonn 2007. Arens-Azevêdo, U.: Fit im Alter. Welches Verpflegungskonzept für wen? Abstract des Journalistenseminars der DGE, „50plus, 70plus - na und? Länger jung und fit durch Ernährung“, Bonn, November 2006. Impressum: Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) Entwicklung, Text und Redaktion: Projekt „fit im Alter“ der DGE Fotos: CMA-Bestes vom Bauern Thomashilfen www.pixelio.de Gestaltung: U-53 Kommunikationsdesign, Köln, www.u-53.de Nachdruck – auch auszugsweise – sowie jede Form der Vervielfältigung oder die Weitergabe mit Zusätzen, Aufdrucken oder Aufklebern ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den Herausgeber gestattet. Die Ratschläge in diesem Heft sind von der DGE sorgfältig erwogen und geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Herausgebers für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen. Copyright 2007 Stand: DGE 08/2007 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd27 27 27 27.09.2007 12:27:41 Uhr Weitere Medien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. finden Sie unter: www.dge-medienservice.de Bei Fragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an die: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. „fit im Alter – Gesund essen, besser leben.“ Godesberger Allee 18 53175 Bonn Telefon: 0228 3776-860 E-Mail: [email protected] Weitere Informationen erhalten Sie auch auf der Internetseite: www.fitimalter-dge.de 070924_Essen_Trinken_Demenz.indd28 28 Gesund essen, besser leben. 27.09.2007 12:27:52 Uhr