Essen und Trinken bei Demenz

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Essen und Trinken
bei Demenz
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Gesund essen, besser leben.
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Bedarfsgerechte Verpflegung
bei Demenz
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Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungsbilder, die mit
einem Verlust von geistigen Funktionen wie Erinnern, Orientieren, Denken und Verknüpfen von Gedanken einhergehen
und die dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten gar nicht mehr
oder nicht mehr ausreichend eigenständig durchgeführt werden können.
In Deutschland leiden zurzeit ca. 1 Million Menschen an einer
Demenz. Das Erkrankungsrisiko nimmt mit steigendem Alter zu.
Ca. 50 % der über 89-Jährigen leiden an Demenz. Die häufigste
Form mit rund 70 % ist die Alzheimer Demenz, danach folgen
vaskuläre Demenzen, die von Durchblutungsstörungen im Gehirn
ausgelöst werden. Andere Formen treten in geringerer Zahl auf.
Nach Vorausberechnungen, die die Bevölkerungsentwicklung
berücksichtigen, wird sich die Zahl der Demenzpatienten bis
zum Jahre 2050 auf über 2 Millionen erhöhen.
Nervenzellen im Gehirn
In Folge einer Demenzerkrankung kommt es zum Abbau von
Nervenzellen, der zum Verlust der kognitiven Fähigkeiten führt
und von Veränderungen des emotionalen und sozialen Verhaltens begleitet wird. Die Kommunikation funktioniert immer
weniger über Worte, sondern verstärkt über die emotionale
und sinnliche Wahrnehmung. Die Erkrankung verläuft in Phasen, üblicherweise eingeteilt in ein leichtes, mittelschweres
und schweres Stadium. Der geistige und körperliche Abbau
schreitet progressiv voran und der Hilfebedarf steigt. Das klinische Erscheinungsbild einer Demenz ist anfänglich durch die
Abnahme der Gedächtnisfunktionen gekennzeichnet. Mit der
Zeit lässt das Denkvermögen nach und es kommen im weiteren
Verlauf Veränderungen der Persönlichkeitsmerkmale hinzu. Demenz ist derzeit nicht heilbar.
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Welche Auswirkungen hat
die Demenz auf das Ess- und
Trinkverhalten?
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Eine angenehme Tischgemeinschaft und entspannte Atmosphäre
Die subjektive Lebenswelt der Betroffenen unterscheidet sich
häufig deutlich von der von außen als real wahrgenommenen
Umgebung. Menschen mit Demenz fühlen sich oft jung und
kompetent und haben in ihrer Gedankenwelt möglicherweise
andere Dinge zu erledigen, zum Beispiel Essen für die aus der
Schule kommenden Kinder kochen. Die Demenz führt bei vielen zu starker Mobilität und Unruhe, sie bleiben zum Teil nicht
zum Essen am Tisch und es besteht eine hohe Ablenkbarkeit.
Als Folge kann der Energiebedarf im Einzelfall stark ansteigen.
Hunger- und Sättigungsgefühl verändern sich. Einige Betroffene haben andauernd Hunger, andere fühlen sich immer satt.
Körpersignale wie Magenknurren oder Übelkeit werden nicht
gedeutet und es fehlt die Einsicht der Notwendigkeit von Essen
und Trinken. Längeres Fasten führt sogar zu einer Stimmungsverbesserung. In diesem Fall ist es für die Erkrankten nicht nachvollziehbar, warum man ihnen andauernd etwas zu essen anbietet – möglicherweise reagieren sie dann sogar aggressiv.
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Vertraute Lebensmittel werden besonders gerne gegessen
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Die neurologischen Veränderungen führen im Verlauf der Erkrankung außerdem oftmals zu Schluckstörungen, die das
Essen und Trinken zusätzlich erschweren.
Bei der Geschmackswahrnehmung lässt sich beobachten,
dass Süßes besonders gerne gegessen wird, Saures dagegen
offensichtlich bitter schmeckt und teilweise wieder ausgespuckt
wird.
Auch die Wahrnehmung insgesamt kann sich verändern.
Speisen und Getränke werden nicht als solche erkannt, der
Umgang mit Besteck ist nicht mehr präsent oder Speisen und
Besteck werden sogar als Gefahr gedeutet. So können grüne
Erbsen möglicherweise als giftig erachtet oder Kräuter im Essen
als kleine Tierchen gedeutet werden. Besonders problematisch
in der Gemeinschaftsverpflegung sind auch die „Tischmanieren“, sie gehen im Laufe der Erkrankung verloren. Dadurch
kann es passieren, dass Demenzkranke von ihren Tischnachbarn
wegen ihrer Ess-Manieren beschimpft werden und sich dadurch
abgelehnt oder auch bedroht fühlen. Gefühle von Angst und
Bedrohung können bei Demenzkranken wiederum zu Wahnvorstellungen, Vergiftungsängsten und auch zur Ablehnung
des Essens führen.
Daher sollten Sie mit darauf achten, dass dem oder den
Betroffenen eine Umgebung geboten wird, die Sicherheit
und Vertrauen schafft. Eine angenehme Tischgemeinschaft und entspannte Atmosphäre beim Essen tragen
ebenfalls dazu bei.
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Welche Risiken und Probleme
können im Bereich der Ernährung
auftreten?
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Menschen mit Demenz haben ein hohes Risiko für Mangelernährung und Dehydratation (Austrocknung). Sie sollten daher
auf Symptome wie Müdigkeit, Apathie und Schwäche beim
Einzelnen achten, die Anzeichen für eine Mangelernährung
sein können. Senioren mit Normal- oder Übergewicht können
durch einseitige Ernährung ebenso mangelernährt sein wie untergewichtige Menschen.
Welches Ziel sollte in der Verpflegung bei Demenz angestrebt werden?
Das Ziel sollte eine ausgewogene Ernährung sein, die den individuellen Energie- und Nährstoffbedarf deckt, den Senioren
schmeckt und ihre Wünsche und Möglichkeiten berücksichtigt.
Besondere Schwerpunkte der Ernährung bei Demenz sind: ausreichende Energiezufuhr, bei Bedarf die Substitution von
Vitaminen und Mineralstoffen und ausreichende Flüssigkeitsversorgung, um das Gewicht zu halten und Mangelzustände zu vermeiden. Außerdem sollen die Mahlzeiten ein
Stück Orientierung und Sicherheit bieten und zur Lebensqualität beitragen.
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Empfehlungen für die Praxis:
Geeignete Maßnahmen
zur bestmöglichen Versorgung
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Speisenauswahl
In der Regel werden bekannte und regionale Gerichte bevorzugt gegessen. Eine Essbiografie kann hilfreich sein,
um aufgrund der Herkunft und Lebensgeschichte mögliche
gern gegessene Speisen herauszufinden. Dem bevorzugten
Geschmack an süßen Speisen sollten Sie entgegen kommen. Auch pikante Speisen (Möhren-Eintopf, Tomatensoße,
Fischgerichte, usw.) können mit Zucker oder Süßstoff nachgesüßt werden und so den Appetit auf das Menü fördern.
Bei hohem Bewegungsdrang steht im Vordergrund, dass
energiereich gegessen wird und dafür auch entsprechend
energiereiche Zutaten verwendet werden. Dabei ist es wichtig, dass die Lebensmittel leicht zu essen sind. Rohkost kann
dazu fein geraffelt werden, Obst sollte geschnitten oder auch
notfalls püriert werden. Besonders süße, reife Obstsorten werden gerne gegessen. Eingeweichte Frischkornbreie oder Müslis
sowie zarte Haferflocken eignen sich gut zum Frühstück. Bei
Appetitlosigkeit können Sie auch Milch-Mix-Getränke aus Milch
und Fruchtsaft bzw. Nektar, Milchshakes oder Trinkjoghurts reichen. Obst- und Gemüsesäfte können mit hochwertigen Pflanzenölen (z.B. Rapsöl) angereichert werden. Zudem erhöht kräftiges Würzen und appetitliches Anrichten die Lust am Essen.
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„Finger Food“
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Ist ein kompetenter Umgang mit Besteck nicht mehr möglich, kann
„Finger Food“ eine gute Lösung sein, um die Selbstständigkeit
beim Essen zu erhalten. Das Essen mit den Fingern zu greifen
und zum Mund zu führen, regt die Sinne an und kann Senioren,
die unter Appetitmangel leiden, möglicherweise wieder zum
Essen motivieren. Somit kann „Finger Food“ Kompetenzen,
Selbstständigkeit und Selbstbestimmung verbessern und
erhalten. Portionieren Sie die Speisen auf eine Größe von
ein bis zwei Bissen und achten Sie darauf, dass die Portionen
gut greifbar, aber gleichzeitig auch leicht zu kauen und zu
schlucken sind.
Umsetzung
• das Brot zum Frühstück als Klappstulle anbieten,
• stichfesten Milch-Pudding oder Grießbrei so portionieren,
dass er mit den Fingern gegessen werden kann; Quarkspeisen durch Gelatinieren stichfest und portionierbar machen,
• Fleisch: Kleine, zarte Fleischstückchen oder Buletten, die mit
den Fingern gegriffen werden können,
• Gemüse: Fingermöhren, Brokkoli- oder Blumenkohlröschen,
Kohlrabi-Stifte, Rote Bete-Scheiben, Tomaten- und Gurkenstücke,
• Kartoffeln: Kartoffelstücke oder -ecken, -kroketten,
• stichfeste Gemüseaufläufe oder Nudelaufläufe,
• Kuchen in Würfel schneiden.
Fast alle Speisen können, bei entsprechender Anpassung
der Portionsgröße und Konsistenz, auch als „Finger Food“
gegessen werden.
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„Eat by walking“
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Senioren mit Demenz sind teilweise sehr unruhig. Einerseits hält
es sie nicht lange am Esstisch, andererseits ist durch ihre gesteigerte körperliche Aktivität der Energiebedarf erhöht. Sie profitieren von zusätzlichen Essgelegenheiten außerhalb der festen
Mahlzeiten, quasi im Vorübergehen. Es bietet sich an, „ImbissStationen“ einzurichten und hier Speisen als „Finger Food“
anzubieten, z. B. belegte Brote, Käsewürfel, Bockwürstchen,
Obststücke etc. Als Bezugsperson oder Pflegende/r sollten Sie
die Essgelegenheiten einsehen können, um eingreifen zu können, wenn Schwierigkeiten beim Essen auftreten oder der Imbiss unansehnlich wird. Die hygienischen Rahmenbedingungen
dafür müssen geregelt werden, z. B. müssen die Mengen klein
sein und sollten öfter ausgetauscht werden. Am besten Sie erarbeiten diese Idee gemeinsam mit der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde.
Für das „Eat by walking“ eignet sich am besten leicht zu
verzehrendes „Finger Food“. Die Imbissstation sollte einsehbar sein und regelmäßig kontrolliert werden.
Speisen als „Finger Food“ anbieten
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Getränkeangebot
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Menschen mit Demenz bevorzugen häufig süße und farbige
Getränke, zum Beispiel bunte Säfte, die nicht zu kalt sind. Saure
Säfte werden von vielen abgelehnt. Als Milchmix-Getränk oder
durch Mischen mit Bananen- oder Pfirsichsaft kann der saure
Geschmack gemildert werden. Ebenso kann es hilfreich sein,
Zucker oder Süßstoff zum nachträglichen Süßen zu verwenden.
Bei Schluckstörungen kann das Andicken der Getränke mit
einem Andickungsmittel das Trinken erleichtern.
Durch die Auswahl der richtigen Trinkgefäße (z. B. bunte Becher, Tassen mit großen Henkeln), Trinkrituale zu bestimmten
Zeiten und das Getränkeangebot in Gesellschaft kann die Flüssigkeitszufuhr zusätzlich verbessert werden.
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Anregung aller Sinne
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Die Anregung der fünf Sinne kann helfen Orientierung zu geben, die Freude auf das Essen zu steigern und die Situation des
Essens insgesamt zu erleichtern.
Durch eine aufrechte Sitzhaltung kann die Wahrnehmung der
eigenen Position im Raum unterstützt werden. Dadurch ist der
Senior wacher und aufmerksamer, was die Nahrungsaufnahme
positiv unterstützt.
Hören:
Das Klappern von Geschirr und Besteck sind altbekannte Geräusche, die selbstverständlich mit Essen in Verbindung gebracht werden. Essgeräusche, wie sie beim Abbeißen von Gebäck, beim Verzehr von Salat oder Brötchen entstehen, können
zum weiteren Verzehr motivieren. Negative Aussagen über das
Essen hindern den Appetit und können den Senioren die Mahlzeit verderben.
Sehen:
Das Auge isst mit! Eine appetitliche Darreichung, farblich deutlich zu erkennende Komponenten und klare Konturen erleichtern das Erkennen der Speisen und Getränke und regen zum
Essen an. Ein Glas mit Wasser ist weniger gut zu erkennen als
ein farbiger Becher oder ein Glas mit einem farbigen Getränk.
Wichtig ist auch, dass sich der Teller vom Tischbelag oder der
Tischdecke abhebt. Teller mit farbigen Rändern auf einer weißen Tischdecke helfen die Konturen zu erkennen. Bei nachlassender Sehkraft im Alter ist eine ausreichende Beleuchtung
wichtig, um die Speisen erkennen zu können.
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Durch Anfassen „begreifen“
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Riechen:
Schon am Morgen gibt der Duft nach frischem Kaffee eine erste
Orientierung für den Tag und regt zum Essen an. Ebenso regt
der Duft nach Gebratenem am Mittag oder der Geruch von
frisch gebackenem Kuchen oder Waffeln am Nachmittag die
Sinne an und steigert die Vorfreude auf das Essen.
Andererseits können einem schlechte Gerüche auch schlagartig
den Appetit verderben und eine ablehnende Reaktion hervorrufen. Sollten Sie etwas Derartiges beobachten, ist es hilfreich
dies gleich zu dokumentieren.
Fühlen:
Können Senioren aufgrund nachlassender Sehleistung oder
durch demenzielle Veränderungen die Speisen nicht mehr identifizieren, kann das Anfassen helfen zu begreifen und zum Essen ermuntern. Die selbstständige Bewegung und das Führen
der Speisen vom Teller zum Mund, ganz gleich ob mit Besteck
oder Fingern, fördert das Essen. Es sollte beim Anreichen versucht werden nur möglichst minimal und wenn möglich nur
unterstützend in den Essvorgang einzugreifen, so dass dieser
nur wenig gestört wird und der Senior seinen eignen Rhythmus
finden kann.
Schmecken:
Der Geschmackssinn nimmt im Alter ab. Aus diesem Grund ist
es empfehlenswert, die Speisen eher kräftig zu würzen. Dabei
sollte nicht unbedingt verstärkt gesalzen werden, da Salz bei
einzelnen Menschen Bluthochdruck fördern kann. Vielmehr
können Kräuter und Gewürze verwendet werden, die den Senioren aus der früheren Zeit bekannt und vertraut sind, wie z. B.
Bohnenkraut, Liebstöckel, Majoran oder Rosmarin. Sie riechen
gut, geben dem Essen eine frische Farbe und liefern wertvolle
Vitamine. Wird das Essen geliefert, können mit dem Lieferanten
diesbezüglich Absprachen getroffen werden.
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Die Beteiligung an der Planung und Zubereitung kann die Freude am Essen steigern –
aber beachten Sie die Hygienevorschriften
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Beteiligung bei der Vor- und Zubereitung der Mahlzeiten
Die meisten Menschen sind es gewohnt, zu planen, was sie essen möchten, einzukaufen, die Lebensmittel zuzubereiten, den
Tisch zu decken, die Speisen zu genießen und anschließend
auch aufzuräumen. Da in der ambulanten Pflege und in Senioreneinrichtungen das Essen häufig jedoch zentral zubereitet
oder geliefert wird, bleibt den Senioren von diesem Prozess nur
noch die Nahrungsaufnahme selbst. Orientierungshilfen, wie
gemeinsames Planen, Einkaufen und Zubereiten der Speisen,
so wie das gemeinsame Eindecken der Tische, können die Freude auf das Essen wesentlich steigern. Dazu kommt das gute
Gefühl, sich heimisch zu fühlen, sich beteiligen zu können
und eine sinnvolle Aufgabe zu haben.
Gestaltung der Ess-Situation und Atmosphäre
Das Gefühl von Selbstständigkeit ist auch bei einem Menschen
mit Demenz wesentlich. Diese Kompetenz sollte so lange wie
möglich erhalten und gefördert werden auch wenn es mehr
Zeit in Anspruch nimmt. Auch beim Essen sollte man versuchen
den dementen Menschen, wenn möglich mitbestimmen zu lassen, was er essen möchte. Wenn das Essen in Schüsseln auf den
Tisch kommt, kann sich jeder selber nehmen oder wenigstens
mitbestimmen, was und wie viel er essen möchte.
In Gesellschaft mit anderen wird oft mehr gegessen als alleine.
Wenn jemand nicht weiß, was er am Tisch tun soll, kann es helfen, dass er sich von den anderen Tischgästen Abläufe abguckt
und sie nachahmt. Reicht das nicht aus, oder wird jemand in
der eigenen Wohnung betreut, können Sie als Betreuende oder
Pflegekraft demjenigen auch einen Impuls geben, indem Sie
ihm Löffel oder Gabel in die Hand geben und den Bewegungsablauf vom Teller zum Mund begleiten. Der Bewegungsablauf
kann dann eigenständig weitergeführt werden. Im Einzelfall
kann es natürlich auch sinnvoll und gewollt sein, dass jemand
für sich alleine isst.
Der Tisch sollte für alle gedeckt sein, so dass sich niemand ausgeschlossen fühlt. Fehlt ein Gedeck kann der Eindruck entstehen, dass man noch auf andere warten muss oder der Tischnachbar schon fertig ist. All das kann zu Verstimmungen und
damit zur Verweigerung des Essens führen.
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Essen und Trinken sollten Freude und Genuss bereiten
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Auch beim Anreichen der Speisen kann es den Senior verwirren, wenn der Teller von dem er essen soll nicht vor ihm, sondern vor dem Betreuenden steht. Demenzkranke lassen sich
sehr leicht ablenken, jedoch mit aufmunternden Worten auch
gut motivieren.
Sie sollten die Speisen nicht gleichzeitig, sondern nacheinander
servieren oder servieren lassen, dann fällt die Entscheidung für
einen Handlungsschritt leichter.
Eine anregende Atmosphäre und angenehme Gesellschaft sind
förderlich für die optimale Versorgung. Zeit, Gelassenheit und
die Akzeptanz von veränderten Tischmanieren tragen dazu bei,
dass Essen und Trinken Freude und Genuss bereiten. Wichtiger
als das „Wie“ des Essens ist, dass überhaupt gegessen wird.
Die Ess-Situation soll als stressfrei erlebt werden, damit die Lust
am Essen aufrecht erhalten bleibt. Jede Hilfestellung sollte dezent und unauffällig gegeben werden. Achten Sie darauf, dass
zusätzliche Reize, wie Fernseher und Radio, zu den Mahlzeiten
ausgeschaltet werden. Zu viele Reize überfordern und lenken
vom Essen ab. Während der Mahlzeiten sollte die Stimmung
angenehm und ruhig sein. Demente Menschen können häufig keine oder nur noch selten Entscheidungen treffen. Dies ist
abhängig von der Tagesform. Bei Ablehnung eines Essens kann
es hilfreich sein, wenn das möglich ist, eine zweite Mahlzeitenvariante anzubieten. Dokumentieren Sie beobachtete Vorlieben
und Abneigungen zum Wohl des Seniors.
Menschen mit Demenz können sich nicht „anpassen“, es
ist notwendig, dass sich die Umwelt im Sinne der Betroffenen
anpasst.
Gleichbleibende Essenszeiten, feste Sitzplätze und ein regelmäßiger Tagesablauf helfen zur Orientierung, ebenso
wie die Stimulierung aller Sinne etwa durch Küchengeräusche und Essensgeruch.
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Welche organisatorischen
Rahmenbedingungen gibt es?
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Für die optimale Versorgung von Menschen mit Demenz sollte
ein spezielles Verpflegungskonzept entwickelt werden. Alle
beteiligten Mitarbeiter müssen über die Erkrankung, die Probleme und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung geschult
werden, damit alle nach einheitlichen Grundsätzen arbeiten
und die Betroffenen dadurch Sicherheit und Orientierung erleben. Systematische Kommunikation zwischen den beteiligten
Bereichen ist ebenfalls eine wichtige Basis für die bestmögliche
Verpflegung.
Als Mitarbeiter/in eines ambulanten Pflegedienstes sollten Sie
eng mit dem zuständigen Mahlzeitendienst zusammen arbeiten. Der Ernährungszustand des älteren Menschen sollte dem
Mahlzeitendienst bekannt sein, damit das Verpflegungsangebot entsprechend angepasst werden kann. Wird das Essen in
tiefgekühlten Wochenrationen geliefert, sollten Sie beobachten, ob der ältere Mensch noch geistig und körperlich in der
Lage ist, die sieben Mahlzeiten in der Woche gleichmäßig auf
die Tage aufzuteilen und sie selbstständig zu erhitzen. Mahlzeitendienste sollten ein Qualitätsmanagement bieten, welches
die individuellen Anforderungen berücksichtigt und die erstellten Leistungen überprüft.
Quellen:
aid Infodienst, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) (Hrsg): Senioren in der Gemeinschaftsverpflegung, Bonn 2007.
Arens-Azevêdo, U.: Fit im Alter. Welches Verpflegungskonzept für wen? Abstract des Journalistenseminars der DGE, „50plus, 70plus - na und? Länger jung und fit durch Ernährung“,
Bonn, November 2006.
Impressum:
Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE)
Entwicklung, Text und Redaktion: Projekt „fit im Alter“ der DGE
Fotos: CMA-Bestes vom Bauern
Thomashilfen
www.pixelio.de
Gestaltung: U-53 Kommunikationsdesign, Köln, www.u-53.de
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mit Zusätzen, Aufdrucken oder Aufklebern ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung durch den
Herausgeber gestattet. Die Ratschläge in diesem Heft sind von der DGE sorgfältig erwogen und
geprüft, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Herausgebers für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Copyright 2007
Stand: DGE 08/2007
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Gesund essen, besser leben.
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