4 Woche 3./4.5.11 4. Der harmonische Oszillator • Motivation Kleine Schwingungen ( → lineare Anregungen) um stabile Gleichgewichtslagen, z.B. ■ Atom- und Molekülschwingungen → Spektroskopie → Gitterschwingungen im Kristallgitter/Phononen → Wärmekapazität von Festkörpern bei niedrigen Temperaturen c(T → 0) ~ T 3 (P. Debey) ■ Quantisierung des elektromagnetischen Feldes → spektrale Energieverteilung der Hohlraumstrahlung Planck, 1900 KM: Klassisches Teilchen führt harmonische Oszillationen aus (vgl. Skript Mechanik, Kap. 3 (Schwingungen) und Kap. 1.7 (mathematisches Pendel)). Im eindimensionalen Fall ist U( x ) = k 2 mω2 2 x = x , ω := 2 2 k → Kreisfrequenz, Lösung der BWG x ( t ) = a cos(ωt + ϕ) , m m 2 mω2 2 mω2 2 & E= x + x = ... = a ≥ 0 kontinuierlich. 2 2 2 QM: Wir erwarten diskreten Energieniveaus und Eindringen des qmT in den klassisch verbotenen Ortsbereich mit E < U(x). Vorgehensweise klar: Löse die stationäre SG mit U( x ) = mω2 2 x und bestimme die 2 → Wellenfunktionen (WF), die dazugehörigen → Energieniveaus und → die Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichten (AWD). 1 Da das Potenzial nicht explizit von der Zeit abhängt, ist Ψ ( x, t ) = ψ ( x ) e − i Et h , die AWD zeitunabhängig und ψ( x ) eine normierbare Lösung der Gleichung − h 2 d 2ψ mω2 2 + x ψ = E ψ → stationäre SG des HO 2m dx 2 2 (4.1) Die gesuchten normierbaren Lösungen sind entweder gerade oder ungerade Funktionen von x, denn U(x) = U(-x). • Lösung der stationären SG für den eindimensionalen HO: Nach Einführung der dimensionslosen Größen y und α nimmt (4.1) folgende Form an d 2ψ + (α − y 2 ) ψ = 0 , 2 dy 1 x ⎛ h ⎞2 y = , b := ⎜ ⎟ , b ⎝ mω ⎠ α := 2E . hω (4.2) Die Parameter b (→ "Oszillatorlänge") und α bestimmen die charakteristische Längen- bzw. Energieskala des HO. Die lineare Differentialgleichung (4.3) lösen wir mit der → Sommerfeld´schen Polynommethode. Dazu wird zunächst das asymptotische Verhalten der Lösung für y → ±∞ unter Berücksichtigung der Normierungsbedingung bestimmt und dann für den nach Abspaltung der Asymptote verbleibenden „Rest“ ein Reihenansatz verwendet. y → ±∞ : ψ′′ − y 2 ψ = 0 Der Ansatz ψ ~ e − y2 2 ergibt mit ψ′ ~ − y e − y2 2 , ψ′′ ~ − e − y2 2 +y e 2 − y2 2 = ( y − 1) e 2 ψ′′ − y ψ = 0 , d.h. die Asymptote der gesuchten Lösung für y → ∞ ist e 2 − y2 2 − y2 2 2 ~y e − y2 2 . 2 Wir trennen diese Asymptote mit der Substitution y2 ∞ − ~ ~ ψ ( y) = H ( y ) e 2 , H ( y) = ∑ a k y k (4.3) k =0 ~ ab und versuchen, H( y) über einen Potenzreihenansatz zu bestimmen. Mit y2 y2 y2 y2 y2 y2 − ~ − ~ − ~ − ~ − ~ − ~ ψ′ = H′ e 2 − y H e 2 , ψ′′ = H′′ e 2 − 2 y H′ e 2 − H e 2 + H y 2 e 2 ergibt sich aus (4.2) ~ ~ ~ H′′ − 2 y H′ + (α − 1) H = 0 (4.4) Für die Koeffizienten ak erhalten wir aus (4.4) unter Berücksichtigung von ∞ ~ H′( y) = ∑ a k k y k −1 k =0 ∞ ∞ ~ H′′( y) = ∑ a k k (k − 1) y k −2 = ∑ a k k (k − 1) y k −2 k =0 k=2 = ∞ k→k +2 ∑a k =0 k +2 (k + 2)(k + 1) y k die Relation ∑[a ∞ k =0 ] ∞ k k k = ∑ [...] y k = 0 für alle k. k + 2 ( k + 2)( k + 1) y − 2a k k y + (α − 1)a k y k =0 Wegen der linearen Unabhängigkeit der yk folgt daraus die Rekursionsformel a k +2 = 2k + 1 − α ak (k + 1) (k + 2) (4.5) ~ für die Koeffizienten in der Potenzreihenentwicklung von H( y) in (4.3). Bei Vorgabe von a0 und a1 (den beiden freien Konstanten der ODE 2. Ordnung (4.5)) erhalten wir rekursiv aus ~ (4.5) alle weiteren Entwicklungskoeffizienten ak und damit H( y) sowie ψ(y). 3 Für große Werte von k haben wir aus (4.5) a k+2 ~ a k +2 ~ 1 2 a k also a k ~ , denn dann ist k ⎛k⎞ ⎜ ⎟! ⎝ 2⎠ 1 = ⎛ k + 2⎞ ⎜ ⎟! ⎝ 2 ⎠ 1 = ⎛ k + 2 ⎞⎛ k + 2 ⎞ − 1⎟! ⎜ ⎟⎜ ⎝ 2 ⎠⎝ 2 ⎠ 1 2 2 = ak ~ ak . k ⎛ k + 2 ⎞⎛ k ⎞ k + 2 ⎜ ⎟ ⎜ ⎟! ⎝ 2 ⎠⎝ 2 ⎠ Das bedeutet ∞ ey = ∑ 2 n =0 (y ) 2 n n! =k n= 2 ∞ ∑ k =0 2 yk ~ , also H ( y) ~ e y für y → ∞ . ⎛k⎞ ⎜ ⎟! ⎝ 2⎠ y2 y2 − ~ Damit wäre die WF ψ ( y) = H( y) ~ e 2 ~ e 2 für y → ∞ , also nicht normierbar. ∞ ~ Schlussfolgerung: Die Potenzreihe H( y) = ∑ a k y k mit ak entsprechend (4.5) muss nach k =0 einer endlichen Anzahl von Termen abbrechen, um die Normierbarkeit der WF zu sichern. Deshalb fordern wir, dass der Zähler in (4.5) ab einem bestimmten Wert von k, sagen wir ab k = n, Null wird ⎧ a = 0 , wenn n gerade α = 2n + 1, n = 0,1, 2, ... mit ⎨ 1 ⎩ a 0 = 0 , wenn n ungerade Abbruchbedingung (4.6) Mit α = 2n + 1 werden alle Koeffizienten ak für k ≥ n Null. Die Bedingungen a0 = 0 und a1 = 0 sichern, dass die WF entweder ungerade bzw. gerade Funktionen von x sind; andere Lösungen würden der für das Potenzial des HO geltenden Bedingung U(x) = U(-x) widersprechen. 4 • Energiespektrum Für das einer WF ψn(x) entsprechende Energieniveau folgt wegen α := 1 ⎛ ψ n (x) ↔ E n = ⎜ n + 2 ⎝ 2E nun hω ⎞ ⎟ hω , n = 0,1, 2, ... → äquidistante, diskrete Energieniveaus (4.7) ⎠ → Das Energiespektrum des qm HO ist diskret, äquidistant und (im eindimensionalen Fall) nicht entartet. Der Abstand zwischen benachbarten Energieniveaus beträgt ΔE = hω . ■ Molekülschwingungen • Explizite Berechnung der WF ↓ n ψ ( y) → ψ n ( y) = ∑ a k y e ↑ k − y2 2 mit a k +2 = k =0 2k + 1 − α ak (k + 1) (k + 2) = α = 2 n +1 2 (k − n ) ak . (k + 1) (k + 2) n = 0: wähle a1 = 0 , damit sind alle a 2 k +1 = 0 , alle ungeraden Potenzen entfallen, WF gerade → ψ 0 ( y) = a 0 e − y2 2 = c0 e − y2 2 n = 1: wähle a 0 = 0 , damit alle a 2 k = 0 , alle geraden Potenzen entfallen, WF ungerade Rekursionsformel führt auf a 3 = 0 , usw. → ψ1 ( y ) = a 1 y e − y2 2 = c1 2 y e − y2 2 n = 2: wähle a1 = 0 , damit alle a 2 k +1 = 0 , WF gerade Rekursionsformel führt auf a 2 = 2(0 − 2) a 0 = −2a 0 . (0 + 1)(0 + 2) 5 → ψ 2 ( y) = a 0 (1 − 2 y ) e 2 − y2 2 = c 2 ( 4 y − 2) e 2 − y2 2 n = 3: wähle a 0 = 0 , also alle a 2 k = 0 , WF ungerade Rekursionsformel führt auf a 3 = 2(1 − 3) 4 2 a1 = − a1 = − a1 . (1 + 1)(1 + 2) 2⋅3 3 y2 y2 − 2 ⎞ − ⎛ → ψ 3 ( y) = a1 ⎜ y − y3 ⎟ e 2 = c3 (8 y3 − 12 y) e 2 3 ⎠ ⎝ Alle WF ψ n ( y) sind proportional zu einer Konstante cn. Diese vor der Normierung freien Konstanten haben wir mit c0 = a 0 , c1 = a1 , c 2 = −2a 0 , c3 = −12 a1 usw. so gewählt, dass die 2 WF in der Form ψ n ( y) = c n H n ( y) e − y2 2 mit H n ( y) := (−1) n e y ( ) d n − y2 e dy n 2 (4.8) darstellbar sind. Die Funktionen Hn(y) heißen Hermite´sche Polynome. 2 Beweis: Für f ( y) = e − y ist 2 → f ′( y) = −2 y e − y also H1 ( y) = 2 y , 2 2 2 → f ′′( y) = −2 e − y + 4 y 2 e − y = (4 y 2 − 2) e − y also H 2 ( y) = 4 y 2 − 2 , 2 2 2 2 → f ′′′( y) = 4 y e − y + 8 y 2 e − y − 8 y 3 e − y = (12 y − 8 y 3 ) e − y also H 3 ( y) = 8 y3 − 12 y , → usw. Bemerkung: Gleichung (4.4) gehört zu den ODE der Form g 2 ( x ) y′′ + g1 ( x ) y′ + g ( x ) y = 0 , die sich durch orthogonale Polynome lösen lassen (vgl. Abramowitz/Stegun, Pocket book of mathematical functions (selected material), Kap. 22.6, S. 340): 22.6.19 22.6.20 g2(x) g1(x) g0(x) y(x) 1 - 2x 2n Hn(x) 1 0 2 2n + 1 - x e − x2 2 H n (x) 6 Die Rücktransformation zu dimensionsbehafteten Größen gemäß (4.2) ergibt x ⎛ mω ⎞ − m2 hω x 2 ⎛ x ⎞ − 2b ψ n (x) = c n H n ⎜ . = c n H n ⎜⎜ x ⎟⎟ e ⎟e h b ⎝ ⎠ ⎝ ⎠ 2 Die Konstanten cn werden aus der Normierungsbedingung ∞ ∫ dx ψ 2 n (x) = 1 −∞ ermittelt (→ vgl. Übungsblatt). Insgesamt erhalten wir folgende WF für den eindimensionalen HO 1 ⎛ mω ⎞ 4 ⎟⎟ ψ n ( x ) = ⎜⎜ ⎝ πh ⎠ • mω ⎛ mω ⎞ − 2 h x 2 H n ⎜⎜ x ⎟⎟ e , n = 0,1, 2 , ... . 2 n n! ⎝ h ⎠ 1 (4.9) Aufenthaltswahrscheinlichkeitsdichten für harmonisch gebundene Quanten QM: Aus (4.9) folgt für die Wahrscheinlichkeit wn(x), ein qmT mit Energie En im Intervall (x, x + dx) anzutreffen, der Ausdruck 1 2 ⎛ mω ⎞ 2 1 ⎡ ⎛ mω ⎞⎤ − mhω x 2 2 ⎟⎟ n w n ( x ) dx = ψ n ( x ) dx = ⎜⎜ x ⎟⎟⎥ e dx , n = 0,1, 2 , ... ⎢H n ⎜⎜ π 2 n ! h h ⎠ ⎝ ⎢⎣ ⎝ ⎠⎦⎥ KM: Die Wahrscheinlichkeit wkl(x), das klassische Teilchen an einem Punkt x aus dem Intervall (x, x + dx) anzutreffen ist proportional zum Zeitintervall dt, in dem das Teilchen die Strecke dx durchläuft. Da jedes dx pro Periodendauer T zweimal durchlaufen wird, folgt für die "AWD des klassischen Teilchens" 7 dx dt ω dx w kl ( x ) dx = 2 = 2 v = . 2 π T π v( x ) ω Die Abhängigkeit der Geschwindigkeit v vom Ort x ergibt sich mit x ( t ) = a cos(ωt ) zu 2 1 ⎛x⎞ v( t ) = − a ω sin(ωt ) also v( x ) = ± a ω 1 − cos (ωt ) = + a ω 1 − ⎜ ⎟ = ω (a 2 − x 2 ) 2 . ⎝a⎠ 2 Also ist 1 ⎧ für x < a 1 ⎪ 2 2 2 ⎪ π (a − x ) ⎪ w kl ( x ) = ⎨ . ⎪ 0 für x ≥ a ⎪ ⎪⎩ Wie erwartet, divergiert wkl an den Umkehrpunkten der klassischen Bewegung. Die ∞ "Normierungsbedingung" ∫ dx w 2 kl ( x ) = 1 ist aber erfüllt, denn −∞ ∞ a a 1 1 1 ⎡ π ⎛ π ⎞⎤ ⎛x⎞ ∫− ∞dx w kl (x ) = −∫a dx π a 2 − x 2 a 2=>x 2 π arcsin⎜⎝ a ⎟⎠ −a = π [ arcsin(1) − arcsin(−1)] = π ⎢⎣ 2 − ⎜⎝ − 2 ⎟⎠⎥⎦ = 1 1 Für die Schwingungsamplitude a gilt wegen E = a= m 2 mω2 2 m 2 2 v + x = a ω die Relation 2 2 2 2E . mω2 Stellt man klassische und quantenmechanische AWD für hohe Werte der Quantenzahl n (hoch angeregte Zustände) gegenüber, nähern sich beide Kurven immer mehr an (vgl. Skizze) 2 lim ψ n ( x ) = w kl ( x ) . n →∞ Die Abbildung auf der folgenden Seite fasst die Ergebnisse grafisch zusammen (Quelle: Rae). 8 Die WF sind entweder gerade oder ungerade, wobei der Knotensatz erfüllt ist. Im klassisch erlaubten Bereich oszilliert die WF, während sie im klassisch verbotenen Bereich exponentiell abklingt. Mit steigender Quantanzahl n beobachtet man zunehmend stärker ausgeprägte lokale Maxima von wn(x) in der Nähe der Umkehrpunkte der klassischen Bewegung. 9 Bemerkungen: (i) Wir werden das Eigenwertproblem für den Hamilton-Operator des HO (die stationäre SG) Ĥ ψ = E ψ mit Ĥ = p̂ 2x mω2 2 + x̂ 2m 2 später nur unter Verwendung der Vertauschungsrelation [ x̂ , p̂ x ] = ih lösen und zu den gleichen Ergebnissen gelangen. Diese auf Dirac zurückgehende "algebraische" Lösungsmethode führt uns auf die Begriffe der Erzeugungs- und Vernichtungsoperatoren und der "2. Quantisierung" die im Kurs Quantenmechanik II (Vertiefungskurs der Theoretischen Physik im Masterstudiengang) ausgebaut werden. (ii) Während das klassische Teilchen im Potenzialminimum ruhen kann E = 0, x = 0, px = 0, wkl(x) = δ(x), liegt der Grundzustand des qmT bei E0 = − hω 2 mit w 0 ( x ) = ψ 0 ( x ) ~ e 2 Wir werden sehen, dass E 0 = mω 2 x h . hω ≠ 0 eine Konsequenz aus der Unschärferelation (UR) ist, die 2 im vorliegenden Fall die gleichzeitige scharfe Messung von Ort und Impuls einschränkt. E0 wird sich als kleinster mit der UR zu vereinbarende Wert der Energie des HO erweisen. (iii) Isotroper dreidimensionaler HO → U (r ) = mω2 2 r : 2 Zu lösen ist die stationäre SG Ĥ ψ (r ) = E ψ (r ) mit Ĥ = − h 2 2 mω2 2 h2 ⎛ ∂2 ∂2 ∂ 2 ⎞ mω2 2 ⎜⎜ 2 + 2 + 2 ⎟⎟ + r =− (x + y2 + z 2 ) . ∇ + 2m 2 2m ⎝ ∂x 2 ∂y ∂z ⎠ Da Ĥ = Ĥ x + Ĥ y + Ĥ z , Ĥ i := − h 2 ∂ 2 mω2 2 + x i , i = x, y, z 2m ∂x i2 2 10 lässt sich die stationäre SG durch den Separationsansatz ψ ( r ) = ψ n x n y n z ( x , y, z ) = ψ n x ( x ) ⋅ ψ n y ( y ) ⋅ ψ n z ( z ) lösen, wobei die ψ ni ( x i ) die WF des eindimensionalen HO sind (nachprüfen). Die Energieniveaus 3⎞ ⎛ E n = E n x + E n y + E n z = ⎜ n x + n y + n z + ⎟ hω 2⎠ ⎝ sind (bis auf den Grundzustand E 0 = E1 = 3 hω ) entartet: Dem ersten angeregten Zustand 2 5 hω entsprechen die drei WF ψ100 , ψ 010 und ψ 001 , dem zweiten angeregten Zustand 2 die WF ψ 200 , ψ 020 , ... ψ110 , .. usw. Ursache der Entartung ist die Symmetrie des Potenzials. 11