Akute Spannungszustände Wie reagieren? Fachbereichsarbeit Psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflegeschule Rankweil Knünz Kerstin Röthis, am 24.02.2011 Quelle: http://members.aon.at/klinische-psychologie.at/Borderline.htm Zugriff am 21.02.2011 um 17:03 A b stra ct Die hier vorliegende Fachbereichsarbeit mit dem Titel „Akute Spannungszustände – Wie reagieren?“ befasst sich mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung und den alternativen, nicht medikamentösen Methoden zum Spannungsabbau, sowie mit dem Umgang Dissoziativer Störungen. Zu Beginn gibt die Autorin einen Überblick über die den persönlichen Bezug zum Thema, die Fragestellung und das Ziel der FBA, die BorderlinePersönlichkeitsstörung an sich und den Definitionen der beiden Klassifizierungssystem ICD 10 und DSM IV. Wie man dem Klassifizierungssystem nach DSM IV entnehmen kann, gibt es viele verschiedene Symptome, von denen mindesten 5 zutreffen müssen, um die Erkrankung zu diagnostizieren. Im speziellen bezieht sich diese Arbeit auf die Instabilität im affektiven Bereich, welche durch eine ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimmung gekennzeichnet ist. Diese Gefühlszustände dauern in der Regel einige Stunden, wobei sie in seltenen Fällen auch Tage andauern können. Da es eine Vielzahl von alternativen Methoden gibt, beschäftig sich diese Fachbereichsarbeit nur mit einigen ausgewählten Methoden. Die Auswahl wurde im Zuge Literaturrecherche stark eingegrenzt und beschränkt sich auf das Entspannungsverfahren Progressive Muskelentspannung, den Notfallkoffer als Teil der Skills und einige Funktionen der Musik. In einem weiteren Abschnitt wird der Begriff dissoziative Störung geklärt und der Umgang mit der dissoziativen Störung abgehandelt. An dieser Stelle wird eine sehr junge Skala, die DSS-akut, vorgestellt und in einem weiteren Punkt die Fertigkeiten des Skilltraining dargestellt. Der Schlussteil fasst die wesentlichen Informationen und Studienergebnisse aus dem Hauptteil zusammen und betrachtet diese kritisch. Er beinhaltet auch einige Anmerkungen und Fragestellungen, welche sich der Autorin während der Erstellung dieser Arbeit aufgedrängt haben. In h a ltsv erzeich n is 1 Einleitung ..................................................................................................................... 1 1.1 Häufigkeit ............................................................................................................. 2 1.2 Mein Bezug zum Thema ....................................................................................... 3 1.3 Fragestellung und Ziel der FBA............................................................................ 4 1.3.1 Forschungsfragen ..................................................................................... 4 2 Hauptteil ....................................................................................................................... 6 2.1 Definitionen .......................................................................................................... 6 2.1.1 Definition nach ICD 10 ............................................................................. 6 2.1.2 Definition nach DSM IV ............................................................................ 6 2.2 Klassifizierung der Borderline-Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV ................ 7 2.3 Ursachen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung............................................... 8 2.3.1 Die Psycho-physische Vulnerabilität bei BorderlinePersönlichkeitsstörung .............................................................................. 9 2.4 Der Verlauf der Erkrankung ............................................................................... 10 2.5 Typische Symptome bei Menschen mit einer BPS ............................................. 11 2.6 Methodischer Ablauf .......................................................................................... 13 2.7 Begrifflichkeitsdefinition: Spannung und Affekt ............................................... 14 2.7.1 Definitionen von Affekt ............................................................................ 14 2.7.2 Bezug auf das Klassifizierungssystem nach dem DSM IV ...................... 15 2.7.3 Die emotionale Dysregulation ................................................................ 15 2.7.4 Spannungszustände ................................................................................. 16 2.8 Bearbeitung der 1. Forschungsfrage ................................................................... 17 2.8.1 Progressive Muskelentspannung nach Jakobs ........................................ 17 2.8.2 Der Notfallkoffer ..................................................................................... 21 2.8.3 Musiktherapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörung ........................... 27 2.9 Was versteht man unter Dissoziation/dissoziativer Symptomatik? .................... 30 2.9.1 Definition „Dissociation“ lt. DSM-IV: ................................................... 30 2.9.2 Dissoziative Reaktionen .......................................................................... 30 2.10 Grenzen zwischen „Spannungen“ und dissoziativer Störung? ........................... 31 2.10.1 Die typischen Angriffsphasen nach Breakwall ....................................... 32 2.11 Bearbeitung der 2. Forschungsfrage ................................................................... 35 2.11.1 Die Dissoziations-Spannungs-Skala akut (DSS-akut) ............................. 35 2.11.2 Die Skills ................................................................................................. 39 3 Schlussteil ................................................................................................................... 46 3.1 Zusammenfassung und Erläuterung der ersten Fragestellung ............................ 46 3.1.1 Progressive Muskelentspannung nach Jakobs ........................................ 47 3.1.2 Notfallkoffer ............................................................................................ 47 3.1.3 Musiktherapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörung ........................... 48 3.1.4 Allgemein................................................................................................. 48 3.2 Zusammenfassung und Erläuterung der zweiten Fragestellung ......................... 49 3.2.1 Die DSS-akut ........................................................................................... 49 3.2.2 Die Skills ................................................................................................. 49 3.3 Fazit..................................................................................................................... 50 4 Anhang........................................................................................................................ 52 4.1 Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................... 52 4.2 Abbildungsverzeichnis ........................................................................................ 53 4.3 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 54 4.3.1 Bücher ..................................................................................................... 54 4.3.2 Dissertationen ......................................................................................... 55 4.3.3 Artikel ...................................................................................................... 55 4.3.4 Internet .................................................................................................... 56 5 Eigenständigkeitserklärung ...................................................................................... 57 1 EINLEITUNG Laut Fellner (2003) gab es in der Geschichte der psychiatrischen Diagnostik immer wieder Fälle, die "an der Grenze" ("on the border") existierender diagnostischer Kriterien lagen. Im Jahre 1884 erschienenen Artikel „Borderland Psychiatrics Records“ prägte der englische Psychiater C.H. Hughes erstmals den Begriff „borderland patients“. Von diesem Zeitpunkt an wurde die abgeleitete Bezeichnung „Borderline“ in den verschiedensten Arbeiten und Publikationen immer wieder verwendet. Dieser Begriff stand damals für Beschwerdebilder im Grenzbereich zwischen Neurose, schwerer Charakterstörung und Psychose, welche nicht eindeutig klassifiziert werden konnten. Heutzutage gehört die Borderline-Störung zu den empirisch am besten erforschten Störungsbildern. Zu verdanken haben wir dies den Bemühungen einiger wichtiger Persönlichkeiten, welche versuchten die Störung besser zu klassifizieren. Im Speziellen sind hier z.B. Kernberg, Rosenthal, Wendner und Gunderson zu erwähnen. (Fellner 2003) Je nach Ausprägung und Dauer der Störung ist zwischen drei Begrifflichkeiten zu unterscheiden: Borderline-Syndrom Dies stellt einen Oberbegriff dar. Es handelt sich dabei um Zustände, bei welchen konkret eine Borderline-Symptomatik beobachtbar ist. Allerdings wird keine Aussage über die Ich-Struktur oder ein episodisches Auftreten getätigt. Borderline-Persönlichkeit Hierbei handelt es sich um Menschen mit schwerer Charakterpathologie. Diese ist weder psychotischer noch neurotischer Herkunft. Kennzeichen hierfür ist eine normalerweise intakte Fähigkeit zur Realitätsprüfung, welche in bedrohlichen Situationen zu Versagen scheint. 1 Borderline-Zustände Diese stehen für eine kurzfristige Dekompensation von an und für sich gut strukturierten Patienten. Solche Zustände treten vor allem in charakteristischen Situationen auf. (Friedrich, Wechselberger 2009) 1.1 Häufigkeit Doch wie präsent ist das Thema in unserer Bevölkerung wirklich? Wenn man verschiedene Angaben vergleicht, so kann man sagen, dass ca. 2% der Bevölkerung an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung erkrankt sind. Früher nahm man an, dass in etwa 70 bis 75% aller betroffenen Personen weiblich sind. „Neuere Untersuchungen zeigten jedoch, dass Männer genauso häufig betroffen sind, sie jedoch seltener professionelle Hilfe aufsuchen.“ (Friedrich, Wechselberger 2009, S. 17). Von allen ermittelten Borderline Patienten benötigen ca. 19,5% eine stationäre psychiatrische Behandlung. Das entspricht ca. 0,9% der Gesamtbevölkerung. In den psychiatrischen Anstalten findet sich ein Anteil von bis zu 40% an BorderlinePersönlichkeitsstrukturen. Dies resultiert daraus, dass Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Persönlichkeitsstörungen oft in Kombination auftreten. (Fellner 2003; Friedrich, Wechselberger 2009) 2 1.2 Mein Bezug zum Thema In der Zeit meiner bisherigen Ausbildung lernte ich in verschiedenen Praktika immer wieder Menschen kennen, welche an einer Borderline-Persönlichkeit erkrankt sind. Ich konnte immer wieder beobachten, wie verschiedene Pflegepersonen an ihre persönlichen Grenzen gestoßen sind. Im Umgang mit den Betroffenen gibt es immer wieder Situationen, in denen man die eigene Hilflosigkeit erkennen kann. Ich glaube, dass die eigene Hilflosigkeit nur erahnen lässt, wie sich Betroffene teilweise fühlen. Eine besondere Schwierigkeit ist der Umgang mit den sogenannten „Spannungen“. Durch die affektive Instabilität, die Impulshaftigkeit, sowie die emotionale Dysregulation ist es besonders diffizil Spannungen frühzeitig zu erkennen bzw. entspannende Maßnahmen rechtzeitig anzuwenden. In solchen Spannungssituationen ist die Hilflosigkeit auf beiden Seiten, Pflege und Patient, teilweise deutlich im Raum spürbar. Borderline… Meiner Meinung nach ist Ehrlichkeit gegenüber sich selbst und dem Patienten in … ist wie ein Leben ohne feste Wurzeln. unserem Beruf extrem wichtig. Zuzugeben … ist wie eine Haut, mit den Stacheln dass man hilflos ist, die Spannungen ohne eines Igels. … ist wie eine Reise im Zug, dessen Notbremse defekt ist. … ist wie ein Land, das immer wieder droht mich zu verschlingen. das Mitwirken des Betroffen nicht abwenden zu können, kann eine intensive Beziehung zwischen Patient und Pflege ermöglichen, sowie den Patienten wieder in das gemeinsame Boot zu holen. … ist der Abgrund, an dem ich steh. … ist wie ein Kind, das in einem erwachsenen Körper lebt. … ist die Blume, die nie erblühen durfte. … ist der Alptraum, aus dem es kein Erwachen gibt. (s.a. www.borderline-plattform.de) 3 Menschen, welche nicht an dieser Störung leiden, können wahrscheinlich nur vage nachvollziehen was für ein Gefühlschaos in den Betroffenen herrscht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es hilfreich für die Beziehung und das Verständnis ist, wenn man den Erkrankten die Möglichkeit gibt, ihre Gefühle zu beschreiben, Metaphern dafür zu finden. In meiner Recherche bin ich auf eine Plattform für Borderline gestoßen und habe einige eindrucksvolle Gedichte gelesen, sowie mir verschiedene Bilder angesehen. Einige der Beschreibungen habe ich oben auszugsweise angeführt. 1.3 Fragestellung und Ziel der FBA Während der Arbeit in den Praktika habe ich mir immer wieder Gedanken gemacht, wie man alternativ (ohne Medikamente) die Spannungszustände minimieren kann, oder diese sogar komplett (zumindest für diesen Zeitpunkt) zu bewältigen. Dies führte mich zum Thema meiner Fachbereichsarbeit im Rahmen der Ausbildung an der psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflegeschule in Rankweil. Ich will herausfinden, welche alternativen Möglichkeiten es gibt, um Spannungszustände bei Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zu reduzieren. Weiters möchte ich mir in diesem Zuge die möglichen Maßnahmen theoretisch aneignen, sowie diese in der Praxis je nach Situation möglicherweise anwenden. 1.3.1 Forschungsfragen Welche nicht medikamentösen, alternativen Methoden gibt es, um akute Spannungen bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen abzubauen? Welche Maßnahmen wirken im Speziellen zum Abbau/Durchbruch von dissoziativen Störungen? 4 Ziel meiner FBA ist es, … … verschiedene Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man mit Spannungen umgehen könnte. Des Weiteren möchte ich auf dieses Thema aufmerksam machen, das Pflegepersonal zum Nachdenken motivieren und somit eine Bewusstseinsbildung bzgl. der Präsenz des Themas und der Notwendigkeit im Handlungsbedarf bewirken. Borderline… … bedeutet für mich, rote Tränen weinen zu müssen. … bedeutet, dass ich die, die ich liebe, verletzen muss. … bedeutet, ein Kind zu sein, das verzweifelt nach seiner Mutter sucht. … bedeutet, ein Baum zu sein, der versucht, seine Wurzeln in harten Beton zu schlagen. (s.a. www.borderline-plattform.de) 5 2 HAUPTTEIL 2.1 Definitionen 2.1.1 Definition nach ICD 10 Im ICD, dem Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), findet man die Borderline-Persönlichkeitsstörung als Unterform in der Kategorie „emotional instabile Persönlichkeitsstörung. Bei dieser speziellen Form der Persönlichkeitsstörung sind vor allem das eigene Selbstbild und das Beziehungsverhalten schwer beeinträchtigt. Hierbei wird die Impulsivität als wichtigstes Symptom erachtet. (Herpertz-Dahlmann, Resch, Schulte-Markwort, Warnke 2007; Borderline-Persönlichkeitsstörung in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie) 2.1.2 Definition nach DSM IV Laut DSM IV, dem Klassifikationssystem der American Psychiatric Association, liegt der Beginn der Borderline-Störung oft im frühen Erwachsenenalter bzw. in der Pubertät. Die Störung manifestiert sich in den verschiedensten Lebensbereichen. Bei der Borderline-Störung handelt es sich um ein durchgängiges Muster von Instabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild. Zudem ist eine ausgeprägte Impulsivität zu beobachten, welche sie vor allem im affektiven Bereich bemerkbar macht. Anders als beim ICD 10 ist das Hauptaugenmerk des DSM IV vor allem auf die Instabilität gerichtet. (Herpertz-Dahlmann, Resch, Schulte-Markwort, Warnke 2007; BorderlinePersönlichkeitsstörung in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie) 6 2.2 Klassifizierung der BorderlinePersönlichkeitsstörung nach DSM-IV Während des Unterrichts haben wir die Klassifizierung der BPS nach dem DSM IV erlernt. Diese wird auch weitestgehend in der Fachliteratur beschrieben. Deshalb habe ich mich entschieden, dieses System als Grundlage für meine FBA zu verwenden. Das Hauptaugenmerkt liegt jedoch auf dem Punkt 6: die Instabilität im affektiven Bereich. Für die Diagnose einer Borderline-Störung müssen mindestens fünf der folgenden Kriterien erfüllt werden: (Lüders 2001, Fleischhaker, Schulz 2010) 1) Verzweifeltes Bemühen ein reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern (außer Suizid oder Selbstverstümmelung, siehe dazu 5.); 2) Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen, das sich durch einen Wechsel zwischen Überidealisierung und Abwertung auszeichnet; 3) Identitätsstörung: eine ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls für sich selbst; 4) Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen, z.B. Geldausgeben, Sexualität, Substanzmissbrauch, Ladendiebstahl, rücksichtsloses Fahren und Fressanfälle (außer Suizid und Selbstverstümmelung); 5) Wiederholte Suiziddrohungen, -andeutungen, -versuche oder andere selbstverstümmelnde Verhaltensweisen; 6) Instabilität im affektiven Bereich, welche durch ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimmung gekennzeichnet ist; z.B. Reizbarkeit, Angst, wobei diese Zustände gewöhnlich einige Stunden oder, in wenigen Fällen länger als einige Tage andauern; 7) Chronisches Gefühl von Leere; 8) Übermäßige starke Wut oder Unfähigkeit, die Wut oder den Ärger zu kontrollieren, z.B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut oder Prügeleien; 9) Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste bzw. stressabhängige, paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome; 7 2.3 Ursachen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung Zur Erklärung der Entstehung von Borderline-Persönlichkeitsstörungen beziehe ich mich auf das Modell von Zanarini & Frankenberg. Nach diesem braucht es ein kombiniertes Auftreten bzw. Vorhandensein von mehreren Risikofaktoren. Die Störung ist meist das Produkt einer komplexen Mischung von angeborenem Temperament, schwierigen und kaum zu verarbeitenden Kindheitserfahrungen und relativ subtilen Formen neurologischer und/oder biochemischer Dysfunktionen (Fellner 2003). Diese Dysfunktionen können aus Folgen von Kindheitserfahrungen entstehen oder genetische Dispositionen sein. Nach Zanarini & Frankenberg benötigt es das Zusammenspiel von 3 Faktoren, um eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ausbrechen zu lassen: ein Umweltfaktor (im weitesten Sinne traumatische Kindheitserfahrungen wie Gewalt in der Familie, Missbrauchserfahrungen usw.) ein konstitutioneller/genetischer Faktor (z.B. die familiäre Neigung zu psychischen Störungen, genetische Faktoren, neurologische Dysfunktionen, temperamentsbedingte Vulnerabilität) und ein Triggering-Faktor (Auslöser) wie z.B. starker Stress bzw. Live-Events (oder andere Auslöser, welche zunächst als undramatisch erscheinen) oder ein Zusammenspiel von den ersten beiden genannten Faktoren (Fellner 2003) Ungünstige Umweltfaktoren sind beispielsweise im Kindesalter sexueller Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalterfahrungen. Diese tragen maßgeblich zur Entwicklung der Borderline-Persönlichkeitsstörung bei. Die familiären Hintergründe werden bei den Überlegungen über mögliche Umwelteinflüsse mit einbezogen. Zwei Typen von Familien werden als besonders typisch erachtet, für das Entstehen einer BPS (Cierpka, Reich 2001): „chaotisch-instabile Familien“ Als Kennzeichen einer solchen Familie, ständige Ehekrisen und Streitigkeiten innerhalb der Familie zu nennen. Weitere Merkmale sind Alkohol oder Sucht, sowie die Kinder in der Rolle des Sündenbocks. 8 „vernachlässigende und emotional missbrauchende Familien“ Hierbei ist als Kennzeichen die Gefühlskälte und Vernachlässigung gegenüber dem Kind zu erwähnen. Häufig ist eine frühe Trennung der Eltern zu beobachten. Die Kinder erleben eine lange Phase des Alleinseins und die Eltern leiden beispielsweise an einer depressiven Erkrankung. (Borderline- Persönlichkeitsstörung in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie) Durch Missbrauchserfahrungen, Gewalterfahrungen usw. haben die Betroffenen meist keinen adäquaten Umgang mit ihren Gefühlen erlernt. Häufig sind diese Menschen in der frühen Kindheit Opfer von Gewalt und Missbrauch. Meist erfahren sie dies durch ihnen nahestehende Personen. Beispielsweise der Vater missbraucht seine Tochter. Er äußert ihr gegenüber, dass er ihr nur etwas Gutes tun wolle, die Mutter dürfe davon jedoch nichts erfahren. Das Kind ist im Konflikt! Innerlich weiß es, dass diese Handlung falsch ist. Es fühlt sich dabei schlecht, kann jedoch aus Angst mit niemandem darüber sprechen. Eine Ambivalenz der Gefühle entsteht. Die Handlungen des Vaters sind für das Kind falsch, schrecklich, unangenehm. Doch der Vater als Autoritätsperson gibt dem Kind zu verstehen, dass diese Handlung in Ordnung sei, dass er nur das Beste möchte für sie. Aus diesem Chaos heraus hat das Kind kaum eine Möglichkeit die Gefühle richtig zu verarbeiten. Das eigene Gefühl von „Falsch“ wird unterdrückt. 2.3.1 Die Psycho-physische Vulnerabilität bei BorderlinePersönlichkeitsstörung Durch traumatische Erlebnisse wird die Funktionswelt des Gehirns beeinträchtigt. Die reale Beurteilung von Situationen wird durch ambivalente Gefühle erschwert. Vorhandene Emotionen werden meist sehr stark erlebt und lösen sich rasch wieder auf. Ein Beispiel wäre die Amygdala, welche für die Analyse des Gefährdungspotentials von Außenreizen zuständig ist. Diese reagiert auf Grund der traumatischen Erlebnisse hypersensitiv. Im Gegenteil dazu sind die neuronalen Zentren, welche die Steuerung von Erinnerungsprozessen kontrollieren, vermindert aktiv. Dies kann zu so genannten „Flashbacks“ führen, die von den Betroffenen meist als real empfunden werden. 9 Flashbacks bezeichnen das plötzliche Wiedererleben von vergangenen Erlebnissen oder früherer Gefühlszustände. Sie werden meist durch bestimmte Schlüsselreize hervorgerufen. Bei Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung treten diese oft unwillkürlich auf. Das Erleben dieser Flashbacks ist so intensiv, dass die Betroffenen häufig das Gefühl haben die Situation erneut zu durchleben. Sie können in diesem Moment nicht mehr erkennen, dass es sich eigentlich um eine Erinnerung handelt. Ein weiteres wichtiges Areal in unserem Gehirn ist das Broca-Zentrum. Dieses ist Zuständig für die „verbale Wiedergabe visueller Eindrücke“. Durch eine verminderte Aktivität in diesem Areal kommt es zu Spannungszuständen, welche mit Entfremdungserlebnissen einhergehen. Ein solcher Spannungszustand stellt zugleich einen Kontrollverlust über sich selbst dar. Beendet werden kann ein solcher Zustand mit SSV, wenn die nötige Hilfe von außen fehlt. Man könnte dieses SSV als eine Art Selbstfürsorge sehen. (Friedrich, Wechselberger 2009) 2.4 Der Verlauf der Erkrankung Nicht selten können Borderline-typische Verhaltensweisen bereits in der Kindheit und Jugend beobachtet werden. Zu diesem Zeitpunkt gilt es, diese Verhaltensweisen genau zu beobachten und wenn nötig auf die vorliegende Störung zu reagieren. Die Persönlichkeit eines Menschen unterliegt bis ins frühe Erwachsenenalter starken Entwicklungen, deshalb sollte eine Diagnose nicht vor dem 21. Lebensjahr gestellt werden. Bei vielen Betroffenen äußert sich übereinstimmend eine chronischen Instabilität im frühen Erwachsenenalter. In vielen verschiedenen Bereichen kommt es durch die anhaltende Instabilität häufig zu Phasen von emotionalem Kontrollverlust und impulsiver Unkontrolliertheit. Aufgrund dieser Symptomatik häufen sich die Inanspruchnahmen des Gesundheitssystems und die Zahl der stationären Aufenthalte. Des Weiteren ist ein mehrfacher Therapeutenwechsel der Betroffenen zu beobachten. Gründe dafür sind meist störungsbedingte Probleme, wie Schwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen und selbstschädigende Verhaltensweisen. 10 Im Alter zwischen 30. und 40. Jahren erleben Menschen mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung die Phase der größten Stabilität. Darunter versteht man das Erreichen einer grundlegenden Stabilität im Bereich des Privatlebens und des Berufes. In dieser Zeit gelingt es beispielsweise vielen Betroffenen eine stabile Beziehung (z.B. zum Lebenspartner) aufrecht zu erhalten. (Fellner 2003; Friedrich, Wechselberger 2009) 2.5 Typische Symptome bei Menschen mit einer BPS Menschen, welche an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden, haben oft eine verzerrte Wahrnehmung. Dies bezieht sich auf die verschiedensten Bereiche. Das eigene Selbstbild erleben die Betroffenen meist sehr wechselhaft. Sie sehen sich selbst als „böse“ bzw. „sündig“ an, Bezugspersonen hingegen werden beispielsweise in „gut“ oder „schlecht“ eingeteilt. Diese Sichtweise bezeichnet man auch als „Schwarz-Weiß-Sehen“. Jede Situation wird von neuem auf die Goldwaage gelegt und die Betroffenen entscheiden sich wiederum für ein Extrem. Ein weiteres Merkmal ist die Angst vor dem Verlassen werden. Ganz gleich ob diese Angst berechtigt oder unberechtigt ist, zeitlich begrenzte Trennungen oder Verspätungen des Anderen werden als sehr bedrohlich empfunden. Dies löst meist eine sehr starke Angst aus. Zudem kann das vermutete Verlassen-Sein einen Zustand hervorrufen, bei dem der Betroffene das Gefühl hat sich aufzulösen oder gar nicht erst zu existieren. Ein möglicher Konflikt zwischen Autonomie und dem Bedürfnis nach Nähe könnte die Abfolge intensiver, aber häufig wechselnder Beziehungen erklären. Hierbei wird das Gegenüber stark idealisiert und bei kleinsten Schwierigkeiten kommt es zu einer Abwertung derselben Person. Es folgt ein abruptes Ende der Beziehung. Zudem leiden viele der Betroffenen unter einer gestörten Affektregulation. Kennzeichnend dafür ist eine dysphorische Verstimmung, die durch starke Euphorie, tiefe Verzweiflung, ein Gefühl der Ausweglosigkeit und starken Wutausbrüchen unterbrochen wird. Häufig berichten diese Menschen auch von einem anhaltenden Gefühl der inneren Leere. Die Stimmungsschwankungen und Wutausbrüche sind für die Betroffenen nur schwer zu kontrollieren. 11 Durch die starke Impulsivität in potentiell selbstschädigenden Bereichen lässt sich die Neigung zu selbstgefährdendem Verhalten beobachten. Mögliche selbstschädigende Bereiche sind z.B. das Glücksspiel, Fressanfälle oder ein Drogenmissbrauch. Selbstschädigende Verhaltensweisen können aber auch indirekter durch Selbstverletzungen, wie sich selbst Schnitte oder Brandwunden zufügen, geschehen. Dadurch haben die Betroffenen eine Möglichkeit sich selbst wieder zu spüren! Gelingt es den Betroffenen nicht, die inneren Spannungen zu reduzieren oder sich selbst zu spüren, so können dissoziative Symptome auftreten. Solche Symptome haben mit der veränderten Wahrnehmung der eigenen Person zu tun. Es kommt beispielsweise zu Depersonalisationsphänomenen, Entfremdungserlebnissen, Flashbacks usw. Die veränderte Wahrnehmung lässt auch auf eine gewisse Schmerzunempfindlichkeit, sowie ein NichtErkennen von Erschöpfungszuständen in dieser Zeit schließen. (Herpertz-Dahlmann, Resch, Schulte-Markwort, Warnke 2007; Friedrich, Wechselberger 2009) 12 2.6 Methodischer Ablauf Ich habe mich für das Thema Borderline-Persönlichkeitsstörung und Spannung entschieden. Anschließend habe ich eine grobe Literaturrecherche in Google, Google Scholar, auf Thieme.de usw. durchgeführt, um mir einen Überblick über das Thema zu verschaffen und prägnante Begriffe zu notieren. Suchbegriffe dabei waren beispielsweise Borderline Persönlichkeitsstörung, Spannung, Umgang mit Spannungen usw. Um spezifischere Literatur zu finden definierte ich vorab wichtige Begriffe wie Spannung, Affekt, affektive Instabilität und die emotionale Dysregulation. Durch das Benennen der Bezeichnungen habe ich mich tiefer in die Thematik eingelesen und meine Suchbegriffe erweitert. Unter anderem verwendete ich Wörter und Wortkombinationen wie kognitive Methoden zum Spannungsabbau, Sport und Spannungsabbau, entspannende Maßnahmen bei Borderline Persönlichkeitsstörung, pflegerische Interventionen Borderline usw. Während meiner Recherche bin ich auf einzelne Methoden, wie die Anwendung von Skills und die progressive Muskelentspannung nach Jakobs gestoßen. Um diese Methoden in meiner Arbeit verwenden zu können benötigte ich Literatur, welche mir deren Wirksamkeit beschreibt. So veränderten sich die Suchbegriffe erneut, indem ich diese spezifischen Begriffe in meiner Suche mit eingebunden habe. Beispiele: Studie Progressive Muskelentspannung, Wirksamkeit Progressive Muskelentspannung, Wirksamkeit Autogenes Training & Borderline usw. Zudem habe ich mich in einige Fachbücher eingelesen. Viele davon habe ich über die Funktion Google-Books gefunden. Hierbei war für mich ein Auswahlkriterium die Vollständigkeit des Kapitels. Einige Bücher haben relativ großzügige Textauszüge im Internet stehen, andere wiederum sind sehr beschränkt. Deshalb habe ich mir einige Exemplare ausgeliehen bzw. bestimmte Seiten kopiert. Ähnlich wie mit den Büchern ist es mir mit den Texten aus den verschiedenen Fachzeitschriften ergangen. Einen Großteil der Artikel konnte ich über die Stadtbibliothek Feldkirch anfordern. Bei Google-Scholar fand ich öfters Artikel/Studien usw. welche ich nicht öffnen konnte, da meist ein Passwort angefordert wurde bzw. nur Abstracts verfügbar waren. Artikel, welche mir wichtig erschienen motivierten mich zur weiteren Literaturrecherche. Andere wiederum kamen gar nicht erst in die engere Auswahl. 13 2.7 Begrifflichkeitsdefinition: Spannung und Affekt Es gibt viele verschiedene Arten von Spannungen, beispielsweise: Die elektrische Spannung Der Tonus = Spannungszustand der Muskulatur Die Ringspannung = Bindungsenergie in Form von chemischer Spannung usw. In meiner Arbeit handelt es sich allerdings um die psychische Spannung, auch Anspannung genannt. Es folgt aus einer psychischen Belastung ein Spannungs- bzw. Anspannungszustand. Im Speziellen möchte ich mich auf die Instabilität im Affektiven Bereich beziehen, welche häufig auch als Auslöser für Spannungszustände gesehen werden kann. Das Wort Instabilität kommt vom lat. instabilis „ohne festen Stand“. Der Begriff des Affektes ist aus dem griechischen páthos πάθος (Leiden, Leidenschaft) entstanden, aus welchem bei der Verschiebung ins Lateinische afficere (einwirken, behandeln) und schließlich affectus (Zustand, vor allem: Leidenschaft, Gemütserregung, Begierde) wurde. 2.7.1 Definitionen von Affekt Schröder (2008) beschreibt den Affekt als eine starke Gemütsbewegung. Es handelt sich hierbei um einen Gefühlszustand von besonderer Intensität. In Bezug auf Personen oder Sachverhalte ist eine stärkere emotionale Erregung kennzeichnend. Affekte haben im Allgemeinen eine negative Wirkung auf die rationale Einsicht und das Kritikvermögen. In der Definition von Bertelsmann (1995) steht geschrieben, dass der Begriff des Affektes nicht ganz einheitlich definiert wird. Großteils versteht man darunter eine besondere Intensität der Gefühlszustände. Der Ausdruck der Erregung ist umgangssprachlich häufig in Gebrauch. Im Affekt ausgeführte Handlungen unterliegen weitestgehend keiner willentlichen Kontrolle mehr. Die sachlichen und moralischen Gesichtspunkte gehen verloren. 14 2.7.2 Bezug auf das Klassifizierungssystem nach dem DSM IV Die affektive Instabilität tritt meist infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung auf. Als Beispiele dafür sind unter anderem die hochgradige episodische Dysphorie (Freudlosigkeit) und die Reizbarkeit oder Angst zu nennen. Für gewöhnlich halten diese Verstimmungen für einige Stunden an. In seltenen Fällen hält dieses Symptom mehr als einige Tage an. (Zadrazil 2007) Erläuterung: Stimmungswechsel bei Menschen sind etwas ganz natürliches. Zu erwähnen gilt es, dass unsere Stimmung immer durch äußere und innere Bedingungen geprägt wird. Die Instabilität der Stimmung ist vor allem dann bemerkbar, wenn sich der Betroffenen durch eine Veränderung im Gefühlsleben verunsichert fühlt. Kennzeichnend für die Instabilität ist, dass die Gründe für die Stimmungswechsel meist nicht erkennbar sind. (Zadrazil 2007) 2.7.3 Die emotionale Dysregulation Laut Bohus und Schmahl (2006) sieht ein Großteil der wissenschaftlich orientierten Arbeitsgruppen eine Störung der Affektregulation im Zentrum der Borderline-Problematik. „Die Reizschwelle für interne oder externe Ereignisse, die Emotionen hervorrufen, ist niedrig, das Erregungsniveau ausgesprochen hoch.“ (Bohus, Schmahl 2006, A 3348) Die Betroffenen erreichen das emotionale Ausgangsniveau nur verzögert. Zudem haben sie Schwierigkeiten die unterschiedlichen Gefühle differenziert wahrzunehmen. Sie erleben diese als quälende, diffuse Spannungszustände. Wenn diese Spannungszustände ein hohes Niveau erreichen, empfinden die Betroffenen ein ausgeprägtes Gefühl der Unwirklichkeit. Wichtige Anteile der sensorischen Reizverarbeitung sind gestört, so beispielsweise auch die Schmerzwahrnehmung. Solche Entfremdungserlebnisse und die differenzierte Wahrnehmung nennt man auch Dissoziation. Sie tritt häufig dann auf, wenn die Spannungen nicht mehr auszuhalten sind. Um die Spannungszustände zu reduzieren tätigen viele Betroffene selbstverletzende Maßnahmen. Dieses Verhalten wird im Sinne der Lerntheorie als negative Verstärkung bezeichnet. 15 2.7.4 Spannungszustände Spannungszustände wirken sich auch weitestgehend körperlich/somatisch aus. So erleben einige Betroffene beispielsweise einen diffusen „Spannungskopfschmerz“. Zudem ist messbar, wie der Puls bei beginnender Spannung steigt. Mit der Spitze der Spannung erreicht meist auch der Puls seine Spitzen. Durch die Entspannung der Situation entspannt sich auch der Puls. Ähnlich wie der Puls verhält sich der Blutdruck der Betroffenen. Ein weiteres körperliches Symptom kann das Händeschwitzen sein. Verweis: In einem späteren Abschnitt werde ich versuchen den Unterschied zwischen Spannungen und dissoziativem Verhalten zu erläutern. Dabei beziehe ich mich auf „die typischen Angriffsphasen“ nach Breakwell. 16 2.8 Bearbeitung der 1. Forschungsfrage Welche nicht medikamentösen alternativen Methoden gibt es, um akute Spannungen bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen abzubauen? 2.8.1 Die Progressive Muskelentspannung nach Jakobs Progressive Muskelentspannung ist eine Methode zur Förderung des Körperbewusstseins. Der amerikanische Arzt und Physiologe Edmund Jakobs (*1885/+ 1976) begann 1908 an der Harvert University mit seinen Studien zur Progressiven Muskelentspannung. Im Jahre 1929 veröffentliche er sein erstes Buch für Ärzte. Dieses war jedoch in einer nur schwer verständlichen Sprache geschrieben und somit brachte er 1934 „You must relaxe“ in den Handel. Zielgruppe der 2. Veröffentlichung waren sogenannte „Nicht-Fachleute“. Erst im Jahre 1990 erschien die deutschsprachige Übersetzung „Entspannung als Therapie. Progressive Relaxion in Theorie und Praxis“ im Handel. Die Anweisungen in seinen Niederschriften waren teilweise unübersichtlich dargestellt und man musste sich eine Vielzahl von Anweisungen merken. Zudem waren die Übungen sehr zeitaufwendig. Unter anderem waren dies Gründe dafür, die Methoden weiterzuentwickeln und zu vereinfachen. Die progressive Muskelentspannung basiert auf dem Prinzip Entspannung durch Anspannung. In unterschiedlichen Übungen werden immer bestimmte Muskelpartien angespannt und nach einer gewissen Zeit wieder entspannt. Es geht primär darum die jeweiligen Körperzustände bewusst wahrzunehmen und auch dementsprechend während den Übungen zu beeinflussen. Durch die Anwendung dieser Methode werden Anspannungszustände im Körper reduziert, Verspannungen meist frühzeitig erkannt und mit Übungen aktiv gelockert. 17 Ein wichtiger Bestandteil der progressiven Muskelentspannung ist die bewusste Atmung. Während der gesamten Durchführung wird gezielt auf die Ein- und Ausatmung geachtet. Durch das Zentrieren des eigenen Bewusstseins auf den Muskeltonus und die Atmung kann Stress reduziert werden. Die Methoden sind leicht zu erlernen und gestalten sich als relativ einfach. Dadurch ist die progressive Muskelentspannung in vielen Situationen anwendbar und das körperlichseelische-Wohlbefinden kann somit gefördert werden. Wer die progressive Muskelentspannung erlenen will, muss lediglich in der Lage sein: Sich eine bestimmte Zeit auf die Muskeln seines Körpers zu konzentrieren Bestimmte Muskelgruppen systematisch anspannen und lockern zu können. Darüber hinaus ist es notwendig, die progressive Muskelentspannung regelmäßig zu üben, damit der Körper lernt, „automatisch“ auf Anspannung mit Entspannung zu reagieren. (Löhmer 2009) 2.8.1.1 Durchführung Die progressive Muskelentspannung kann sowohl liegend als auch sitzend durchgeführt werden. Die Durchführung besteht aus 5 Phasen: Hinspüren Als erster Schritt konzentriert sich der Durchführende auf eine spezielle Muskelgruppe. Anspannen In einem zweiten Schritt wird die vorher definierte Muskelgruppe angespannt. Wichtig hierbei ist, dass die Spannung im Körper deutlich zu spüren sein soll. Es muss darauf geachten werden, dass sich die Muskulatur nicht verkrampft. 18 Spannung halten Nun wird der Muskeltonus für ca. 7-10 Sekunden aufrecht erhalten – die Konzentration richtet sich immer noch auf dieselbe Muskelgruppe. Spannung lösen Nach der oben genannten Phase wird die Spannung in der Muskulatur bewusst gelöst. Nachspüren Zum Abschluss soll der Durchführende ca. 30 Sekunden intensiv darauf achten, was mit der ausgewählten Muskelpartie passiert. Wichtig dabei ist, die Vorgänge nicht zu werten – man soll lediglich wahrnehmen. 2.8.1.2 Wirksamkeit der Progressiven Muskelentspannung In der Dissertation von Michael Arndt (2007) steht geschrieben, dass bereits Edmund Jacobson festgestelllt hat, „dass nach seinem Entspannungstraining Pulsfrequenz und Blutdruck der Teilnehmer gesunken“ (Arndt 2007, S. 15) sind. Die Erkenntnis bestätigt Arndt, indem er die Ergebnisse von Schmid et al. 2002 in einem veröffentlichten Artikel über nicht medikamentöse Therapie der arteriellen Hypertonie beschreibt. Eine ausgeprägte Blutdrucksenkung wurde durch eine individuell angepasste Therapie und die Kombination verschiedener Entspannungsverfahren (Relaxation, Meditation, Biofeedback) erreicht. Systolisch konnte eine Senkung des Blutdruckes zwischen 13,5 mm Hg und 15,2 mm Hg gemessen werden. Diastolisch lagen die Werte zwischen 3,4 mm Hg und 9,2 mm Hg. Die Progressive Muskelentspannung für sich (ohne Kombination) ergab bei 812 Probanden eine durchschnittliche Senkung des Blutdruckes von 9,0 mm Hg systolisch und 6,1 mmHg diastolisch. Arndt schreibt über eine Studie von Thorgersen (2005) an der Universität von Bergen in Norwegen. Diese Untersuchung beschäftigt sich mit dem Effekt Progressive Muskelentspannung im Bezug auf den chronischen Spannungskopfschmerz. Nach den Kriterien für den chronischen Spannungskopfschmerz wurden 36 Patienten ausgewählt, welche in zwei Gruppen eingeteilt wurden. Es handelte sich dabei um eine Kontrollgruppe und eine Gruppe, welche Progressive Muskelentpannung praktizierte. Die Studie führte zu 19 dem Ergebnis, dass Progressive Muskelentspannung als Coping Strategie profitabler ist, als „die unmittelbare Entspannung der Muskulatur nach der Übung“ (Arndt 2007, S. 19). In einer Studie von Golombek (2001), so schreibt Arndt, haben 267 Patienten teilgenommen. In Bezug auf Schlafstörungen gaben 69% der Befragten einen positiven Effekt durch Progressive Muskelentspannung an. Einen negativen Effekt, d.h. eine Verschlechterung der Symptome, gaben 15% an. Die restlichen 16% gaben keine spezifischen Reaktionen an. Progressive Muskelentspannung hat jedoch nicht nur positive Effekte. Es gilt dabei zu beachten, dass auch entspannungsinduzierte Angstzustände auftreten können. Im Bezug auf depressive Patienten kann man sagen, dass sich die Symptomatik durch eine erhöhte Selbstwahrnehmung verstärken kann. Wichtig erscheint mir auch, die Übenden darüber zu informieren, dass während der Entspannung die Aussenreize verstärkt ausgeblendet werden und sich die Aufmerksamkeit vermehrt auf den Körper richtet. Dadurch können die Schmerzen zunächst zunehmen und Schwindelzustände, sowie Muskelspasmen hervorrufen. 20 2.8.2 Der Notfallkoffer Der Notfallkoffer ist ein Werkzeug des Skilltrainings (auf die Skills gehe ich zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer ein). Er ist eine Art Package verschiedener Dinge, die besonders in Stresssituation bzw. im Umgang mit akuten Spannungen hilfreich sein sollen. Enthalten sind nur einzelne Dinge, welche sich bereits in akuten Situationen bewährt haben. Diese Dinge sollen helfen, im Alltag Spannungen zu bewältigen (während Besuchen, im Job, bei privaten Erledigungen usw.). Durch akute Krisen gelangen Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung immer wieder in Situationen, in denen sie ihre Gefühle nicht mehr ertragen können, keinen Sinn im Leben sehen, sich nicht mehr zu helfen wissen oder sich beispielsweise selbst verletzen möchten. Erreichen Betroffene erst einmal einen solchen Zustand, so können sie sich meist nicht mehr auf die eigene Logik, den Verstand verlassen. Es baut sich ein innerlicher Stress auf, der es einem kaum ermöglicht in Ruhe zu überlegen, welches Verhalten in diesem Moment sinnvoll wäre. Beim Bearbeiten eines Notfallkoffers „geht es also darum, Selbsthilfemöglichkeiten zu finden, die weitesgehend unabhängig von der Unterstützung durch andere Personen und auch in Zeiten von völliger Anspannung oder Verzweiflung noch funktionieren“ (Knuf, Tilly 2007, S. 88). 2.8.2.1 Die Herangehensweise Viele der Betroffenen verfügen bereits über eine Art Notfallkoffer, nur sind sie sich dessen nicht bewusst bzw. bezeichnen es nicht so. Zu Beginn sollten sich die Betroffenen Gedanken darüber machen (eine Liste schreiben), was ihnen bisher durch schwierige Zeiten/Krisen geholfen hat und welche Dinge möglicherweise hilfreich sein könnten. Anschließend gilt es reale Gegenstände zu besorgen, Informationen/Gedichte usw. auf einen Zettel zu schreiben und Vereinbarungen mit sich und/oder anderen in einen sogenannten „Notfallkoffer“ zu packen. Ein Notfallkoffer kann ständig wachsen bzw. sich verändern. So gibt es Dinge, welche einem nicht mehr helfen. Diese können wiederum durch andere ersetzt werden. Es ist 21 durchaus möglich, dass sich auch einfach nur weitere Möglichkeiten finden, mit Krisen umzugehen. Dadurch wird der Notfallkoffer erweitert. Wichtig ist lediglich, dass man sich mit diesen Dingen befasst, sie ausprobiert wenn man sich in einem Normalzustand befindet und nicht in Krisen bzw. krisen-ähnlichen Situationen. 2.8.2.1.1 Einteilung der Dinge/Gegenstände im Koffer Im Koffer befinden sich 6 Kategorien, welchen die jeweiligen Dinge zugeteilt werden können. Dinge zum Festhalten Eine Betroffene schreibt, dass sich in Krisensituationen ihr Kopf häufig ausschalte – sie sei dann nur noch Gefühl. In solchen Situationen sind Dinge, welche den Verstand anregen sollten nicht geeignet. Es braucht reale Dinge, die man festhalten kann, die einem helfen, einen Schritt in Richtung Realität zu machen. Einige Beispiele dafür wären ein Kissen, ein Kuscheltier, ein Stein (der eine persönliche Bedeutung hat), eine Kette usw. Viele Menschen haben bereits eine Kleinigkeit zum Festhalten. Es handelt sich dabei häufig um Glücksbringer und Erinnerungsstücke. Dinge zur Beruhigung und Ablenkung Um der inneren Leere etwas entgegenzusetzten kann es hilfreich sein, Dinge anzuwenden die den Verstand anregen und Aktivität erfordern. Beispielsweise ein Mandala ausmalen, ins Tagebuch schreiben, einen Lieblingsfilm ansehen, Fotos von Freunden anschauen, ein Buch lesen usw. Diese Dinge helfen, sich nicht so alleine zu fühlen und lenken vom momentanen Gefühlszustand ab. Zudem gibt es so genannte „Hirn-Flick-Flacks“. Das sind kleine Denkaufgaben, die den Verstand ankurbeln und helfen, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. So kann man beispielsweise von einer hohen Zahl (567) immer wieder die Zahl „13“ abziehen. Eine 22 andere Möglichkeit wäre, sich zu jedem Buchstaben des Alphabets einen schönen Ort/ein schönes Land auszudenken. Hierbei sollte der Kreativität keine Grenze gesetzt werden. Dinge, um sich zu spüren Um selbstverletzendes Verhalten zu vermeiden, kann es hilfreich sein, das Körpergefühl wieder herzustellen. Der Druck nach selbstverletzendem Verhalten ist meist enorm. Deshalb benötigt man auch starke Reize, welche verschiedene Sinne ansprechen können, um dem Verlangen nach selstverletzendem Verhalten entgegenzuwirken. Häufig kann das Ziel, „Unterbrechung einer Krise“, durch diese Dinge nicht erreicht werden, sie schaffen aber zumindest eine Abminderung der Gefühle. Nun einige Beispiele, die für eine Veränderung der Wahrnehmung oder zur Unterbrechung starker, unangehmer Gefühle sorgen können. Gerüche Intensive Geruchsstoffe wie Pfefferminzöl, Ammoniak usw. werden bevorzugt. Temperatur Eiswürfel in den Mund nehmen, kalt duschen, Coolpacks auf die Haut legen usw. Der Umgang mit Wärme wird in solchen Situationen nicht empfohlen, da durch die gestörte Wahrnehmung ein hohes Verbrühungsrisiko besteht. Allerdings ist auch bei Kälteanwendungen auf Hautzeichen als Hinweis für Erfrierungen zu achten. Geschmack in ein Stück Kren beißen, eine Chillischote essen, scharfe Saucen verwenden usw. Töne laute Töne, rhytmische Musik, eine Trommel spielen usw. Berührungen mit einem Igelball über die Haut fahren und dabei kräftig drücken, Haargummis oder Gummibänder auf die Haut spicken lassen usw. 23 Selbstverpflichtungen An dieser Stelle könnte beispielsweise eine schriftliche Absprache stehen, die man mit einem Therapeuten oder Arzt abgeschlossen hat. Eine solche Vereinbarung könnte sich mit dem suizidalen Verhalten befassen. Beispielsweise: Ich hole mir Hilfe, bevor ich eine suizidale Handlung tätige und erkläre mich damit einverstanden, dass ich mich notfalls gegen meinen Willen in eine Klinik einweisen lasse. Weiters kann eine Selbstverpflichtung ein Brief sein, den man in einer guten Zeit an sich selbst geschrieben hat. Dieser beinhaltet beispielsweise Zukunftspläne, bisher erreichte und noch offene Ziele, Wünsche die man sich erfüllen möchte usw. Diesem Brief könnte man ein Bild von sich beilegen (bei dem es einem gut ging), Fotos von Freunden/wichtigen Personen im Leben usw. Sinn eines solchen Briefes ist es, sich selbst zu ermutigen/motivieren. Fremdhilfe Wenn ganz schwierige Zeiten anstehen, bzw. man zu wenig auf die Frühwarnzeichen geachtet hat, kommen Betroffene in Situationen bei denen nur noch „professionelle Hilfe einen Weg aus Gedanken- und Gefühlschaos schaffen“ (Knuf, Tilly 2007, S. 94) kann. Unter dem Punkt Fremdhilfe fallen z.B. Telefonlisten, welche in Kontaktnummern und Notfallnummer unterteilt werden könnten. Bei den Kontaktnummern könnte man gute Freunde, Personen die einem wichtig sind, mit denen man Kontakt halten möchte anführen. Es geht dabei nicht darum Menschen als „Seelenmülleimer“ zu kontaktieren, sondern um Ablenkung. Dabei handelt es sich um Personen die einem wichtig sind im Leben, mit denen man Kontakt halten möchte. Hingegen sollte die Liste der Notfallnummern Therapeuten, Sprechstundenzeiten in Notfallpraxen (+Nummer) enthalten. Hier handelt es sich um professionelle Hilfe. Es gestaltet sich als durchaus sinnvoll, bei den jeweiligen Nummern hinzuzufügen, wer wann erreichbar ist. So stehen bei Notfallpraxen beispielsweise die Öffnungszeiten dabei. Mit Freunden kann abgesprochen werden, wer zu welcher Zeit erreichbar ist und um welche Uhrzeit er nicht gestört werden möchte. 24 Im äußersten Notfall An diesem Punkt denken viele Betroffenen an ein „Notfallmedikament“. Dies ist allerdings sehr kritisch zu betrachten. Medikamente können durchaus eine Hilfe sein, wenn man mit den eigenen inneren Spannungen nicht mehr umgehen kann. Es stellt sich allerdings die Frage, in wie weit die Betroffenen während einer Krise in der Lage sind, die richtige Dosis zu wählen. Medikamente mit Maß und Ziel verwenden: Ein Notfallmedikament sollte individuell ausgewählt und zudem nur in Absprache mit dem Arzt verwendet werden. Dieser verschreibt beispielsweise ein Medikament zur Beruhigung/Sedierung und die Dosis, welche einzunehmen ist. Packt man dieses Medikament in den Notfallkoffer, so erscheint es als sinnvoll, nur die vereinbarte Dosis des besprochenen Präparats einzupacken. Dieses könnte beispielsweise in einer kleinen Dose aufbewahrt werden, welche im Koffer leicht auffindbar ist. Betroffene, welche an einer Medikamentenabhängigkeit leiden oder ein erhöhtes Suchtpotential haben, sollten von einer Notfallmedikation Abstand nehmen und erst gar keine Tabletten einpacken. Für diese Gruppe wäre eine Möglichkeit die Notfallmedikation bei einem Arzt/Therapeuten oder einer Vertrauensperson zu deponieren. Im Notfall kann die Medikation dort abgeholt werden. Was gehört nicht hinein? In einen Notfallkoffer gehören definitiv keine Dinge, welche Borderline-Verhaltensweisen möglicherweise unterstützen. Ziel ist es, genau diesem Verhalten vorzubeugen. Deshalb gehören beispielsweise Rasierklingen, spitze Gegenstände usw. nicht hinein. Zudem wird davon abgeraten, Verbandsmaterialien einzupacken. Diese geben den Betroffenen mögliche „Hinweisreize“, welche zu selbstschädigendem Verhalten verführen. 25 Vergleich Stellen sie sich einen Raucher vor, der versucht diese Angewohnheit zu unterlassen. Beim Anblick einer Zigarette verspürt der vorübergehende Nichtraucher sofort ein Lustgefühl, welches ihn dazu verleitet eine Zigarette anzuzünden. Ebenso könnte man die Reaktion der Menschen mit Borderline-Persönlichkeitsstörung auf Rasierklingen und Verbandsmaterialen umlegen. Der Anblick dieser Gegenstände erinnert die Betroffenen an eine Möglichkeit der Spannungsreduktion. Allerdings ist z.B. das „Schneiden“ eine der Verhaltensweisen, welcher man versucht entgegenzuwirken. (Knuf, Tilly 2007) 26 2.8.3 Musiktherapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörung Die Musiktherapie ist wie der Name schon sagt eine therapeutische Intervention und keine pflegerische. Aus persönlichem Interesse und in Bezug auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit möchte ich diese Möglichkeit kurz Abhandeln. Musiktherapie hat viele verschiedene Funktionen. In meiner Arbeit möchte ich einige anführen, welche mir im Bezug auf die Borderline-Persönlichkeitsstörung als wirkungsvoll erscheinen. Doch bevor ich auf die einzelnen Punkte genauer eingehe, möchte ich diese kurz auflisten: Musik als Haltefunktion Musik als basales Sinnesstimuli Musik als Vehikel Musik als Katalysator Musik als Haltefunktion Die Musik stellt in dieser Funktion eine Art Rahmen dar, welcher für Sicherheit und Stütze in bewegt ablaufenden seelischen Prozessen sorgt. Das konstante, gleichbleibende Tempo bzw. der verlässliche Rhythmus bietet dem Betroffenen eine klare Sturktur. Diese hilft durch die Wiederholungen die vermeintlich schwierige Zeit übersichtlich zu gestalten. Um Musik zu machen, muss man sich auf die zeitliche Struktur der Musik, die musikalischen Formen sowie deren klaren Aufbau einlassen. Das Einlassen hilft den Betroffenen die Grenzen und damit auch gleichzeitig Kontakt erfahrbar zu machen. Der verlässliche Rhythmus, die Haltefunktion der Musik dient dazu, ein Gefühl von Sicherheit, Struktur, Orientierung, Geborgenheit und halt erfahrbar zu machen. Sie gilt als Grundlage „für alle anderen therapeutischen Funktionen der Musik“ (Remmel 2006, S. 291). 27 Musik als basale Sinnesstimuli Die basalen Sinnesstimuli beziehen sich auf die Erfahrung von Klang, Rhythmus, Intensität der Musik und Formenerfahrung. Verschiedene Erfahrungen in Bezug auf diese Stimuli können zur Entwickung der sinnlichen Wahrnehmung dienen. Weiters tragen diese basalen Sinnesstimuli zur Entwicklung von Achtsamkeit bei. Musik als Vehikel Remmel vergleicht das Vehikel der Musik mit einem Fahrrad. Es steht symbolisch für das Weitertragen der Gefühle, welches dem Betroffenen möglich macht die belastenden Gefühle auszudrücken und schlussendlich zu verarbeiten. Das Gefühlspedal wird quasi vom Betroffenen durch sein Erleben und Handeln in gewisser Weise selbst betätigt. Die Vehikelfunktion basiert auf der Haltefunktion der Musik. Der Therapeut und der Betroffene gehen während des Musizierens aufeinander ein. Durch die Unterstützung des Therapeuten kann die Dynamik des Betroffenen gefördert werden. Er hat aber auch die Möglichkeit den Betroffenen durch die eigene Improvisation mitzureißen. Die Musik wird spielerisch erlebt und der Betroffene kommt quasi in Fluss. Die beiden musizierenden Personen teilen die Vitalitäsaffekte und eine mangelnde Impulskontrolle kann durch den Therapeuten aufgefangen werden. Musiken mit Vehikelfunktion können beispielsweise Phantasiereisen unterstützen. Dabei wird der Betroffene ermutigt sich nicht selbst zu verlieren, sondern sich mit seinen Emotionen auf die Dynamik der Musik einzulassen. Musik als Katalysator Die Katalysatorfunktion ermöglicht das Ausdrücken von Gefühlen und das Durchleben von basalen Affekten. Handelt es sich um Affekte so könnte man sagen, es handelt sich um eine Verstärkung der Vehikelfunktion. Der Unterschied zwischen Vehikelfunktion und Katalysatorfunktion liegt im Umgang mit den Gefühlen. Bei der Vehikelfunktion geht es primär darum, sich auf ein Geschehen einzulassen, während die Katalysatorfunktion darauf abzielt, sich mit den eigenen Gefühlen differenziert auseinanderzusetzen. So können biespielsweise die Gefühle von Wut und Hass durch die Musik ausgedrückt werden. Durch das Ausleben dieser Gefühle in der Musik kann die Regualtion dieser beeinflusst werden. 28 Ein Schlagzeug kann z.B. helfen Aggressionen nach außen auszuleben, ohne sich selbst oder jemandem Anderen Schaden zuzufügen. Drückt man Aggressionen über Musik aus, so können die Betroffenen ihre eigene Kraft spüren. Die Katalysatorfunktion dient allerdings nicht nur dem Ausdruck der Aggression. Ebenso sollen die Betroffenen Wünsche und unbewusste Strebungen durch die Musik ausdrücken. Musik hat die Fähigkeit durch das Verzerren und Verrücken von Ordnung, Gewohnheit und Erwartung Gefühle, welche unter Umständen angstbesetzt, unheimlich oder bedrohlich sind hörbar zu machen. Diese Ausdrucksweise beruht jedoch nicht auf Projektionen. In der Funktion als Katalysator ist es auch möglich traumatische Erlebnisse zum Vorschein zu bringen. Ursache dafür ist das Verknüpfen von traumatischen Erlebnissen mit musikalischen Lauten wie zitternden Tönen, tiefe Klangfarben usw. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Betroffene mit Abwehr auf die Katalysatorfunktion reagiert. Jenes Verhalten kann auf eine Hemmung hinweisen die Gefühle auszudrücken oder sich gegen Verbote aufzulehnen. Möglich wäre auch ein vorsichtiges Verhalten basierend auf der Angst von Überflutung mit traumatischen Erlebnissen. (Remmel 2006) 29 2.9 Was versteht man unter Dissoziation/dissoziativer Symptomatik? 2.9.1 Definition „Dissociation“ lt. DSM-IV: “Wesensmerkmal dissoziativer Störungen ist die Unterbrechung normalerweise integrierter Funktionen des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität oder der Wahrnehmung der Umwelt. Die Störung kann plötzlich, in Stufen, vorübergehend oder chronisch verlaufen.“ Bei Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung können dissoziative Symptome in all den genannten Bereichen auftreten. Besonders häufig ist die Störung der Identität. 2.9.2 Dissoziative Reaktionen Dulz und Schneider schreiben, dass es sich bei dissoziativen Reaktionen „um hysterische Dämmerzustände bis hin zu gravierenden Bewusstseinsstörungen handelt, wobei eine schwere dissoziative Phase hinterher zumeist nicht mehr erinnerlich ist“ (Dulz, Schneider 2001, S. 15). Betroffene fallen häufig in exzessiv betriebene Tagträumerei und schaffen sich dadurch eine gewisse Zeit vermeitlichen Wohlbefindens. Sie fantasieren sich beispielsweise ein Leben in einer heilen Familie. Zudem werden dissoziative Reaktionen häufig verwendet um Situationen zu entgehen, welche einem Angst machen. Durch hervorgerufene Trancezustände wird „die Außenwelt aus dem momentanen und bewussten Erleben eliminiert“ (Dulz, Schneider 2001, S. 15). 30 2.10 Grenzen zwischen „Spannungen“ und dissoziativer Störung? Wo liegt die Grenze zwischen akuten Spanungen und sogenanntem dissoziativen Verhalten? Wenn wir uns „Die typischen Angriffsphasen“ nach Breakwell (1998) betrachten, so sieht man wie sich die Kurve langsam erhebt, dann rasch ansteigt, ihren Gipfel erreicht und schlussendlich wieder abflacht. Diese Kurve beschreibt den Ablauf von Auslösephase, Eskalationshase, Krise, Erholungsphase (und evt. allfällige weitere Angriffe) und die Depression nach der Krise. 31 2.10.1 Die typischen Angriffsphasen nach Breakwall Auslösephase Die Auslösephase ist jener Zeitpunkt, an dem die Pflege mögliche Frühwarnzeichen erkennen sollte. Durch verschiedene Auslöser, wie z.B. bestimmte Geräusche, falsche Äußerungen, mangelde Privatsphäre, Alkohol bzw. Drogen usw. bewegt sich die betroffene Person vom normalen Verhalten/Handeln weg. Das Wegbewegen vom „Normalen“ ist jene Phase, in der Frühwarnzeichen auftreten. Diese sind beispielsweise die Vermeidung des Augenkontaktes, Verweigerung gegenüber Personen/Aufforderungen, ungeduldiges Verhalten, Anspannung des Körpers usw. Je besser man eine Person erkennt, umso schneller und „einfacher“ lassen sich die Frühwarnzeichen erkennen und benennen. Eskalationsphase Wenn bis hier noch keine Deeskalationsaßnahmen gesetzt wurden, so gilt es in dieser Phase möglichst früh zu Intervenieren. Ansonsten führt diese Phase direkt zu gewalttätigem Verhalten. Mögliche Interventionsmöglichkeiten sind unter anderem den Betroffenen aus der aktuellen/unmittelbaren Umgebung zu entfernen oder versuchen den Betroffenen abzulenken. Die Betreuenden Personen sollten jedoch mit größter Aufmerksamkeit und Achtsamkeit bzgl. der eigenen Person vorgehen. Denn in dieser Phase werden oft Handlungen, Körperhaltung, Mimik sowie Gestik von den Betroffenen falsch gedeutet. Krise In dieser Situation gilt höchste Vorsicht, da die Betroffenen a.G. körperlicher, gefühlsmäßiger und psychischer Erregung nur über eine verringerte Kontrolle über die aggressiven Impulse verfügen. Erkennbar ist dieser Kontrollverlust z.B. am Umwerfen von Stühlen, schlagen in die Wände usw. Da sie als Aggressoren nicht mehr rational reagieren, ist eine Intervention in dieser Phase nur wenig wirksam. Nun steht die eigene Sicherheit und die Sicherheit anderer Personen im Zentrum. Durch verbales Argumentieren fühlen 32 sich Betroffene oft noch mehr provoziert. Es bestehen nur noch wenige Möglichkeiten, wie z.B. Flucht, körperliche Gegenwehr/Zwang zum Druck ausüben, Hilfe suchen oder klare Grenzen zu setzten. In ihnen herrscht eine starke Erregung, was für sie jeden Angriff rechtfertigt. Für viele ist Gewalt die einzige Möglichkeit ihren innerlichen Druck abzubauen. Beobachtbar ist zudem, wie nach den ersten Gewalthandlungen meist das Bewusstsein aussetzt und die Kontrolle über das eigene Ich verloren geht. Mit dem Setzen von Gewalthandlungen tritt fast gleichzeitig eine Entlastung ein, da der innere Druck, das unangenehme Gefühl von Ohnmacht/Hilflosigkeit abgebaut werden kann. Erholungsphase Auf jede Krise folgt die Phase der Erholung. Dadurch, dass der Druck abgelassen werden konnte, kehren die meisten Betroffenen wieder zu ihrem „normalen Grundverhalten“ zurück. Es ist jedoch möglich, dass ein gewisser psychischer und physischer Erregungszustand über einen längeren Zeitraum nach der Gewalthandlung aufrecht erhalten bleibt. Hier gilt es besonders sensibel zu sein, denn gut gemeinte Interventionen können zu einer Wiederholung des Prozesses führen. Depression nach der Krise Am Ende nach der Krise plagen oft Schuldgefühle die Betroffenen. Das Ausmaß der Gewalthandlung wird langsam bewusst und meist haben sie das Bedürfniss sich zu entschuldigen. Es sollte nun ein spezielles Augenmerk darauf gelegt werden, wie es zu diesem Zwischenfall kam und wie man dessen Wiederholung eventuell vermeiden könnte. (Salvatore 2000) Zusammenfassung und Bezug zur Borderline-Persönlichkeitsstörung Diese Phasen werden von den Betroffenen in irgendeiner Form immer dann durchlaufen, wenn es sich um Spannungen handelt. Man sollte jedoch beachten, dass sich bei Menschen mit einer Boderline-Persönlichkeitsstörung die Gewalt nicht unbedingt nach außen richten muss. Häufig tätigen die Betroffenen autoaggressive Handlungen. Diese dienen vor allem 33 dem Spannungsabbau. Durch beispielsweise Schneiden, sich Kratzen, mit Zigaretten Brandwunden setzen usw. versuchen sie sich selbst zu spüren. Grenzwertig wird es dahingehend, wenn es sich um ein dissoziatives Symptom handelt – wie Verlust über die Funktion der Körperwahrnehmung. Für mich ist dissoziatives Verhalten die Spitze der Spannung. Wenn Spannungen nicht mehr aushaltbar sind, kippen viele Betroffene in dissoziatives Verhalten. Zum Schutz vor den Spannungen werden wichtige Funktionen unterbrochen. 34 2.11 Bearbeitung der 2. Forschungsfrage Welche Maßnahmen wirken im Speziellen zum Abbau/Durchbruch von dissoziativen Störungen? 2.11.1 Die Dissoziations-Spannungs-Skala akut (DSS-akut) In einem Artikel, Entwicklung und psychometrische Charakteristika der DissoziationsSpannungs-Skala akut (DSS-akut), erschienen in der Fachzeitschrift Psychother Psych Med (2003), beschreibt Dr. Dipl.-Psych. Christian E. Stiglmayr et al. die Dissoziation ebenfalls als ein „psychophysiologischer Prozess, dessen wesentlichstes Charakteristikum in einer Auflösung der normalerweise integrativen Funktionen des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität oder der Wahrnehmung der Umwelt besteht“ (Stiglmayr et al. 2003, S. 287). Weiters wird auf den Unterschied zwischen dem nordamerikanischen und dem europäischen Verständnis hingewiesen. Im nordamerikanischen Verständnis beziehen sich diese Phänomene nur auf die Manifestation auf psychisch-kognitiver Ebene. Hingegen weitet der europäische Raum das Phänomen auf die neurophysiologischen Funktionen der Sensorik, Sensibilität und Motorik aus. Laut Artikel gibt es zahlreiche Fremd- und Selbstbeurteilungsinstrumente zur Erfassung dissoziativer Symptomatik. Hier führt der Autor Fremdbeurteilungsverfahren wie das klinische Interview für DSM-IV, dissoziative Störung (SKID-D) an. Die Dissoziative Experience Scale (DES) wäre ein Beispiel für ein Selbstbeurteilungsverfahren. Seit 1998 existiert ein Instrument zur Erfassung akuter dissoziativer Symptome – die Clinican-Administered Dissociative States Scale (CADSS). Diese Skala ist jedoch ein Instrument zur Erfassung der akuten dissoziatven Symptome basierend auf der Fremdbeurteilung. Laut Stiglmayr et al. gibt es bislang im deutschsprachigen Raum kein Instrument zur Erfassung der aktuen dissoziativen Symptomatik. Weiters schreibt er, dass ihm kein Instrument zu diesem Thema bekannt ist, welches auf der Selbstbeurteilung basiert. 35 2.11.1.1 Die DSS-akut Diese Skala ist ein Instrument, welches im Rahmen einer Studie, speziell zur Überprüfung der Wirksamkeit der DBT entwickelt wurde. Eines der Studienziele war die Erhebung von Veränderungen und Verlauf dissoziativer Symptome. „Zusätzlich zu dissoziativen Symptomen sollten subjektiv als aversiv erlebte Spannungszustände erhoben werden“. Die DSS-akut ist eine Selbstbeurteilungsskala und besteht aus 22 Items, welche die akuten dissoziativen Symptome nach dem europäischen Verständnis erheben soll. Bei der Ausarbeitung der Items waren klinisch tätige Ärzte und Psychologen, welche bereits Erfahrung in der Behandlung von Pat. mit dissoziativen Störungen bzw. dissoziativen Symptomen hatten, beteiligt. Bei den 22 Items gibt es 3 Ausnahmen, den Spannungsitem, sowie die Items zur Erfassung des Symptomkomplexes der psychologischen bzw. körperlichen dissoziatver Phänomene. Spannungsitem: wichtig zur Erfassung von Schwankungen innerhalb eines Tages Psychologischer Item: zur Erfassung der Syndrome Depersonalisation, Derealisation, Amnesie, Absorption und pseudohalluzinatorisches Erlebnis Körperlicher Item: zur Erfassung der Immobilität, optischen und akustischen Veränderungen, sowie Veränderungen der Sprachgenerierung Auf der nächsten Seite finden Sie einen Auszug aus der DSS-akut. Die Abbildung aus dem Originaltext enthält den Eingangstext, sowie jeweils ein Item aus den Symptomkomplexen der psychologischen und körperlichen dissoziativen Phänomenen der DSS-akut. Primär soll die Grafik in meiner Arbeit der Veranschaulichung des Instruments (DSS-akut) dienen. 36 Abb. 2: Eingangstext, „Spannungsitem“ sowie jeweils ein Item aus den Symptomkomplexen der psychologischen und körperlichen dissoziativen Phänomenen der DSS-akut 2.11.1.2 Studienergebnisse Die Anwender der DSS-akut verwenden zur Beantwortung der Fragen eine Skala von 0 bis 9. Der Wert „0“ steht für „keine Empfindung“ und der Wert „9“ für „sehr starke Empfindung“. Teilnehmer der Studie waren Frauen im Alter zwischen 18 und 50 Jahren. „Rekrutiert wurden Patientinnen mit BPS, posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Major Depression, Schizophrenie oder Angststörung sowie psychisch gesunde Kontrollprobandinnen.“ 37 Die Realibität (als Maß der Zuverlässigkeit) der Studie wurde die Split-Hals-Methode nach Gutmann verwendet. Als zweites Instrument bediente man sich Cronbachs α als Maß für die innere Konsistenz. Die Auswertung nach Gutmann ergibt ein r von 0,93, Cronbachs α beträgt 0,94 (Stiglmayr et al. 2003, S. 291). Die Änderungssensivität wurde zu vier Messzeitpunkten mit der DSS-akut überprüft. Sieht man sich die entsprechenden Werte in der originalen Tab. 4 des Artikels an (hier Abb. 3), so ist deskriptiv teilweise zwischen den einzelnen Messzeitpunkten ein deutlicher Unterschied feststellbar. Inferenzstatistisch kann dies a.G. der geringen Stichprobengröße nicht bestätigt werden. Abb. 3: Änderungssensivität Erstmals wird mit der DSS-akut ein Selbstbeurteilsungsverfahren vorgestellt, welches der Efassung von akuten dissoziativen Symptomen dient. Als Grundlage für die Skala dienten Patientinnen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die Ergebnisse von Stiglmayr et al. bestätigen den „hohen Zusammehang zw. dissoziativen Phänomenen und der als aversiv erlebten Spannung“ (Stiglmayr et al. 2003, S. 292). Betrachtet man die verschiedenen Reliabilitätsparameter miteinander und vergleicht sie mit Werten von Fragebögen, welche die Dissoziation berücksichtigt haben, so könnte man diese als gut einschätzen. Die DSS-akut zeigt eine gute Diskriminationsfähigkeit, obwohl die Stichprobengröße zum Teil sehr gering war. Wirft man einen Blick auf die Tabelle der Änderungssensitivität, erkennt man eine Halbierung des Dissoziationsscores zwischen dem „Tag der Aufnahmen“ und dem „Tag der Entlassung“. Die Belege der Änderungssensitivität sind ausschließlich deskriptiv, da hier ebenfalls eine geringe Stichprobengröße vorherrscht. 38 2.11.2 Die Skills 2.11.2.1 Was sind Skills und wie werden sie vermittelt? Marsha Linehan (1993) definiert Skills als kognitive, emotionale und handlungsbezogene Reaktionen, die sowohl kurz- als auch langfristig zu einem Maximum an positiven und einem Minimum an negativen Ergebnissen führen. Diese Reaktionen können automatisiert sein oder bewusst eingesetzt werden. Laut dieser Definition verwendet jeder Mensch täglich eine Vielzahl von Skills, ohne dass sie sich dessen bewusst sind. Problematisch bei Menschen mit einer BorderlinePersönlichkeitsstörung ist, dass sie unter emotionaler Belastung häufig dysfunktionale Reaktionsmuster und Bewältigungsstrategien aktivieren. Dabei werden Skills nur selten angewendet. Durch das Skillstraining wird versucht, bereits vorhandene Fertigkeiten bewusst zu machen und neue Fertigkeiten zu erlernen und trainieren. Im Endeffekt geht es darum, dass die Fertigkeiten so verinnerlicht werden, dass sie auch in Kriesensituationen angewendet werden können. Wichtig ist dabei, sich selbst und den Betroffenen immer wieder bewusst zu machen, dass das theoretische Wissen allein nicht zu Veränderung von dysfunktionalem Erleben/Verhalten führt. Lediglich das Trainieren und Anwenden der Skills kann zu einer Veränderung führen. „Die Wirkung der Skills baut sich daher in vier Schritten auf“: Schritt I: Vermittlung von theoretischem Wissen Schritt II: Individuelle Anpassung der Skills Schritt III: Übung mit den Skills unter Non-Stress-Bedingungen Schritt IV: Einsatz der Skills als zielförderndes Alternativverhalten 39 2.11.2.2 Die fünf Module des Skillstrainings Achtsamkeit Stresstoleranz Umgang mit Gefühlen Zwischenmenschliche Fertigkeiten Selbstwert Achtsamkeit Ziel dieses Moduls sowie gleichzeitig eine wichtige Voraussetzung für die Anwendung von Fertigkeiten ist es, eine „metakognitive Ebene“ zu erreichen, welche eine selbstreflexive Beobachtung der aktuellen emotionalen Reaktionen ermöglicht. Die Fertigkeiten dieses Moduls basieren auf der Praxis der Zen-Meditation. Sie soll den Pat. die Relativierung von aktivierten Emotionen und Kognitionen ermöglichen. Da dieses Modul eine wichtige Basis des Skillstrainings ist, gilt es darauf zu achten dieses immer wieder zu wiederholen (z.B. nicht bewertende Beschreibung von Gedanken und Gefühlen). Stresstoleranz Hier geht es darum, mit verschiedenen Fertigkeiten die Hochstressphasen zu minimieren und zugleich die Wahrscheinlichkeit von auftretenden Hochstressphasen zu reduzieren. Besondere Aufmerksamkeit verlangt dieses Modul vor allem dann, wenn die Hochspannungen zu ausgeprägten selbstverletzenden Verhaltensweisen führt (z.B. Eisbad, Sport/Bewegung, starke Sinnesreize). Umgang mit Gefühlen Die Fertigkeiten, welche in Zusammenhang mit diesem zentralen Modul erlernt werden, ermöglichen eine tiefgreifende Veränderung. Thema dieses Moduls sind die theoretischen Aspekte der Emotionsregulation, sowie Fertigkeiten zum Identifizieren und Regulieren wichtiger Emotionen (z.B. Gefühlsprotokolle). 40 Zwischenmenschliche Fertigkeiten Im Mittelpunkt dieses Moduls steht die Verbesserung der sozialen Kompetenz. Berücksichtigt werden die Aspekte der Planbarkeit und Bewertung sozialer Situationen. Viele Betroffenen leiden unter ausgeprägter sozialer Phobie. Deshalb erhält dieses Modul einen hohen Stellenwert in der Alltagsbewältigung (z.B. in Rollenspielen Bedürfnisse angemessen äußern, Konflikte lösen, sich abgrenzen üben). Selbstwert Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden oft an einem schwerwiegend dysfunktionalen Selbstwert. Aus diesem Grunde werden in diesem Abschnitt vor allem primär kognitive Fertigkeiten vermittelt. Um das Selbstwertgefühl zu verändern, benötigt es ein gewisses Maß an Selbstreflexion und metakognitiver Fertigkeiten. Zusätzlich, zu den oben genannten Modulen gibt es noch zwei weitere Module, die vor allem zu Beginn des Skillstrainings von Bedeutung sind: Modul Hintergründe und Fakten Modul Einführung in das Skillstraining Modul Hintergründe und Fakten Durch dieses Modul sollen die Betroffenen einen kurzen Einblick in das Bio-Soziale Modell der Borderline-Störung erhalten und die Grundlagen der DBT erfahren. Sie sollten anschließend beispielsweise ihren Angehörigen vermitteln können, was man unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung versteht, und welches die Grundannahmen der DBT sind. 41 Modul Einführung in das Skillstraining Nach diesem Modul sollten die Betroffenen den Begriff „Skill“ definieren können. Weiters ist die Unterscheidung zw. funktionalem Verhalten und dysfunktionalem Verhalten ein wichtiger Abschnitt. Es wird zudem vermittelt, dass Anspannungszustände subjektiv sind und mittels Skala visualisiert werden können. Jeder Betroffene sollte seine Frühwarnzeichen kennen und verstehen, dass verschiedene Skills in verschiedenen Situationen hilfreich sind. Zudem gilt es sich bewusst zu machen, dass Skills je nach Person und Situation unterschiedlich wirksam sind. 42 2.11.2.3 Beispiele von Spannungsskalen Diese beiden Grafiken zeigen zwei unterschiedliche Möglichkeiten, wie man Spannungszustände messen könnte. In der Abb. 2 wurde eine Skallierung von 0 bis 100% gewählt. 0% bedeutet keine Anspannung, bei 70% befindet man sich bereits in einem solchen Spannungszustand, dass man unter Hochstress leidet. Bei 30% ist in etwa der Punkt, wo die Spannungen schon stark im Vordergrund sind, jedoch noch bewältigbar. Umso höher man in dieser Spannungskurve steigt, umso schwieriger wird es, mit den Gefühlszuständen umzugehen. Abb. 4: Darstellung einer Spannungskurve 43 Abb. 3 zeigt eine ähnliche Spannungseinteilung. Hier wird die Spannung ebenfalls in einem Bereich von 0 bis 100% gemessen. Der Unterschied zur oberen Spannungskurve ist der, dass hier nicht primär eingezeichnet wird wo man sich auf der Skala befindet. In dieser Skala liegt das Hauptaugenmerk auf den Gedanken, Gefühlen, körperlichen Merkmalen und dem Verhalten in einer bestimmten Anspannungsphase. Durch das ausfüllen dieser Skala sollten die Betroffenen ein größeres Bewusstsein für ihre Anspannung und dessen Begleiterscheinungen/Frühwarnzeichen entwickeln. (Bohus, Wolf 2009) Abb. 5: Möglichkeit einer Spannungskurve zur Erfassung der Gefühle 2.11.2.4 Wirksamkeit der Anwendung von Skills In dem Artikel „Das Skilltraining und die poststationäre Effektivität der stationären Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) nach sechs Monaten“ wird eine Studie beschrieben, die unter anderem den „Zusammenhang zwischen der poststationären Anwendung der erlernten Skills und der Symptomreduktion 1 bzw. 6 Monate nach Entlassung“ (Dams et al. 2007, S. 19) darlegen soll. 44 64 Patienten/innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wurden gebeten einen Fragebogen auszufüllen und diesen anschließend zurückzusenden. Im Endeffekt gelangten 38 Fragebögen wieder retour, 16 Patienten/innen konnten auf Grund von Adressabweichungen nicht erreicht werden. Die Studie berichtet von einem allgemeinen Rückgang der psychopathologischen Belastung nach der DBT. In einer Grafik zum poststationären Einsatz von Skills lässt sich entnehmen, dass die Skills zur Bewältigung der Stresstoleranz nach 6 Monaten deutlich weniger verwendet wurden (nach 1 Monat 68% - nach 6 Monaten 41%). Die Skills zum Umgang mit Emotionen verwenden zu Beginn die Hälfte (51%) der Befragten mehrmals pro Woche. Allerdings gibt es hier kaum einen Unterschied zwischen der Anwendung nach einem Monat und der Anwendung nach 6 Monaten. Die Fertigkeiten der anderen Module verhalten sich ähnlich. Skills im Bereich der Dissoziationen (41%), Achtsamkeitsübungen (38%) und soziale Kompetenz (35%) werden von den Patienten/innen (den Prozentzahlen entsprechend) mehrmals wöchentlich angewandt. Nach einem halben Jahr sind die Werte der Fertigkeiten im Bezug auf die Dissoziation und Achtsamkeitsübungen annähernd gleich. Auffallend ist die Zunahme der Verwendung von Skills im Bereich der sozialen Kompetenz (52%). (Dams et al. 2007) 45 3 SCHLUSSTEIL Wenn man sich den theoretischen Teil (Geschichte, Ursache, Verlauf, Symptome usw.) über die Borderline-Persönlichkeitsstörung genauer betrachtet, so wird einem schnell bewusst, wie komplex dieses Krankheitsbild ist. Menschen mit dieser Erkrankung kommen meist nur zur Krisenintervention in das LKH-R. Die Aufenthalte sind je nach Schweregrad der Erkrankung unterschiedlich lang und die Spannungszustände von Person zu Person unterschiedlich intensiv. In den Praktikaeinsätzen habe ich teilweise miterlebt, wie eine gewisse Anspannung im Team vorhanden ist, wenn Menschen mit dieser Erkrankung stationär sind. Man könnte fast sagen, dass alle Teammitglieder ihre Fühler ausstrecken und vermehrt auf Frühwarnzeichen achten, welche einen solchen Spannungszustand ankündigen. Ein Teil der pflegerischen Aufgaben im Bezug auf diese Menschen liegt darin, solche Spannungszustände mit den Betroffenen auszuhalten. Wir sind diejenigen, die darauf achten müssen, dass sich die Betroffenen nicht selbst Schaden zufügen und auch keine anderen Personen schädigen. Zudem sind wir häufig diejenigen, die gemeinsam mit den Betroffenen die Ursachen der Erkrankung erarbeiten (über das Störungsbild aufklären), gezielt an ihren Coping-Strategien arbeiten und ihnen neue Möglichkeiten aufzeigen. 3.1 Zusammenfassung und Erläuterung der ersten Fragestellung Welche nicht medikamentösen alternativen Methoden gibt es, um akute Spannungen bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen abzubauen? Während meiner Literaturrecherche bin ich auf viele Möglichkeiten gestoßen. Häufig wurden diese jedoch in Erfahrungsberichten und Studien nur am Rande erwähnt. Aus diesem Grunde habe ich mich entschieden, nur einige wenige Methoden an- und auszuführen. 46 3.1.1 Die Progressive Muskelentspannung nach Jakobs progressive Muskelentspannung nach Jacobs ist eine von vielen Entspannungsverfahren. Im gleichen Zusammenhang finden sich oft auch die Begriffe Autogenen Trainings und Yoga. Der Vorteil der progressiven Muskelentspannung liegt darin, dass sie in fast allen Situationen angewendet werden kann. Die Durchführung der Maßnahmen gestalten sich als einfach und können sowohl im Liegen, wie auch im Sitzen angewendet werden. Betrachtet man die Wirkung der progressiven Muskelentspannung, so kann man sowohl positive als auch negative Aspekte herausfiltern. Durch das Anwenden dieser Methode kann der Blutdruck gesenkt werden und es ist ein positiver Effekt in Bezug auf die Schlafstörungen der Befragten erkennbar. Bei Spannungskopfschmerzen berichtet die Fachliteratur von einem größeren Effekt, wenn Progressive Muskelentspannung als Coping-Strategie angewendet wird und nicht nur als Übung zum Entspannen der Muskeln. Ich möchte jedoch nicht nur die positiven Effekte herausheben. Es liegt an uns, die Betroffenen auch über die negativen Effekte zu informieren. Hierzu zählen z.B. entspannungsinduzierte Angstzustände, Schwindelzustände, Muskelspasmen, sowie die Möglichkeit einer Verschlechterung der Symptomatik durch die intensive Selbstwahrnehmung. 3.1.2 Notfallkoffer Als zweite Methode habe ich den Notfallkoffer angeführt. Wie dem Haupttext zu entnehmen ist, handelt es sich hierbei um einen spezifischen Teil der Skills, welche aus der DBT stammen. Speziell zum Notfallkoffer habe ich keine brauchbaren Studien gefunden. Allerdings bin ich auf einige Aussagen, Statements von Betroffenen gestoßen, die ich gerne anführen möchte. Karen schreibt beispielsweise: „Ich habe meinen Notfallkoffer in der Skilssgruppe gepackt. Ich hatte ihn immer dabei, aber habe ihn fast nie benutzt, es war eine bestimmte Sicherheit, die er mir gegeben hat“ (Karen, zitiert nach Knuf und Tilly 2007, S. 87) Pascal hingegen erwähnt, dass für ihn Krisen immer mit einem hohen Druck verbunden sind. Für ihn heißt das, er muss vor der Krisenbewältigung zuert seinen Druck regulieren. Aus diesem Grunde verwendet er den Notfallkoffer. 47 Ein weiterer Betroffener berichtet über eine schriftliche Form des Notfallkoffers. Er hat ein Dokument an sich selbst geschrieben, welches ihn daran erinnert, bei einem Gefühl von innerer Leere oder Einsamkeit ins Fitness-Studio zu gehen, oder sich in ein Café zu setzten. Wenn er eine der beiden Möglichkeiten gewählt und auch angewendet hat, so gehe es ihm besser. (Knuf, Tilly 2007) Wie sich aus diesen drei Beispielen erkennen lässt, kann der Notfallkoffer aus verschiedenen Gründen angelegt werden. Zudem enthält er auch ganz individuelle Dinge, welche genau auf eine Person abgestimmt sind. Es handelt sich hierbei also um eine individuelle Methode. Der Notfallkoffer sollte meiner Meinung nach von den Betroffenen möglichst kreativ und individuell gestaltet werden, denn Dinge die nicht auf einen zugeschnitten sind, können nicht den gleichen Effekt erzielen, wie Dinge mit einer persönlichen Note. 3.1.3 Musiktherapie bei Borderline-Persönlichkeitsstörung Ergänzend und aus persönlichem Interesse habe ich die Musiktherapie als weitere Methode angeführt. Wenn ich mir diese Methode aus dem interdisziplinären Blickwinkel betrachte, so erachte ich es als wichtig, dass auch die Pflege über die Funktionen der Musik bescheid weiß. Häufig sind wir diejenigen, die den Betroffenen die Musiktherapie etwas näher bringen und ihnen die Gründe für eine solche Therapie vermitteln. Nimmt ein Betroffener bereits an der Musiktherapie teil und lernt beispielsweise den Umgang mit einer Trommel als Katalysator für seine Gefühle, so liegt es an uns die erlente Coping-Strategie auch auf der Station zu fördern. Es macht meiner Meinung nach keinen Sinn, wenn das Trommelspiel als Methode zum Spannungsabbau in der Therapie verwendet wird, auf der Station und im Alltag aber keine Anwendung findet. Die Pflege hat in dieser Konstellation eine wichtige Rolle. Sie erinnert und motiviert den Betroffenen zur Anwendung des Erlenten. 3.1.4 Allgemein Meine Fragestellung zu alternativen Methoden im Spannungsabbau kann ich mit Ja beantwortet. Es gibt viele verschiedene Methoden und ich habe nur einige wenige in meine 48 Arbeit miteinbezogen. Wichtig erscheint mir noch zu erwähnen, dass die Methoden sehr unterschiedlich sind und individuell an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasst werden müssen. Hier kann vor allem die Anamnese wichtige Hinweise liefern. 3.2 Zusammenfassung und Erläuterung der zweiten Fragestellung Welche Maßnahmen wirken im Speziellen zum Abbau/Durchbruch von dissoziativen Störungen? Die Beantwortung dieser Frage gestaltete sich für mich schwieriger, wenn ich mir vor Augen führe was der Begriff dissoziative Störung/Reaktion bedeutet. Nimmt man beispielsweise noch einmal Bezug auf die Erklärung nach Dulz und Schneider (2001), so handelt es sich um Dämmerzustände, bis hin zu gravierenden Bewusstseinsbeeinträchtigungen. Je nach Intensität dieser Phase ist das Erlebnis noch erinnerlich oder nicht. Es stellt sich also die Frage, wie schwerwiegend bzw. tiefgreifend die gerade vorhandene dissoziative Störung ist. Handelt es sich um eine gravierende Bewusstseinsbeeinträchtigung bin ich mir nicht sicher, ob ich den Betroffenen durch meine Interventionen erreichen kann. 3.2.1 Die DSS-akut In der Anwendung der DSS-akut haben Betroffene die Möglichkeit ihre aktuellen Gefühle, Gedanken, Wahrnehmungen usw. in einem Selbstbeurteilungsinstrument zu erfassen. Aufgrund der geringen Stichprobengröße ist die Wirksamkeit der DSS-akut für mich noch nicht gesichert. Dieses Instrument steht sozusagen noch in der Entwicklungsphase und kann meiner Meinung nach erst dann richtigt bewertet werden, wenn ausreichend Datenmaterial vorhanden ist. 3.2.2 Die Skills Die einzige, nicht medikamentöse Methode, welche speziell bei dissoziativen Störungen angewendet werden kann, stellt nach meiner Literaturrecherche die Anwendung von Skills 49 dar. Das Skilltraining vermittelt den Betroffenen Hintergrundwissen bzgl. ihrer Erkrankung und soll zur Festigung von Fertigkeiten in bestimmten Bereichen dienen. Das Modul der Stresstoleranz behinhaltet Maßnahmen, welche beispielsweise auf die Körperwahrnehmung Einfluss nehmen. Wie im Hauptteil erwähnt beinhalten dissoziative Symptome auch eine Störung der Körperwahrnehmung. Durch ein Eisbad könnte die Wahrnehmung aktiv gefördert werden. Wichtig ist allerdings, diese Extremsituation in einem normalen Zustand auszuprobieren. Bei Schwierigkeiten im Umgang mit Gefühlen können wir von der Pflege die Betroffenen motivieren, ein Gefühlsprotkoll zu erstellen und dieses gemeinsam mit ihr/m zu einem späteren Zeitpunkt reflektieren. Hilfreich zur Erfassung der Spannungsintensität, empfinde ich sogenannte Spannungsskalen. Diese können in verschiedenen Formen und ganz individuell angewendet werden. Sie bieten dem Betroffenen Struktur und können eventuell dazu beitragen, dass sie sich bei Veränderung der Spannungsintensität bei der Pflege melden. In meinen Praktikaeinsätzen habe ich den Umgang mit Spannungsskalen trainiert und empfand diese als hilfreich für die Betroffenen und die Pflege. Ich bin aber auch der Meinung, dass ganz schwere dissoziative Störungen vorübergehend nicht ohne Medikamente behandelt bzw. bewältigt werden können. 3.3 Fazit Es gibt verschiedene nicht medikamentöse Methoden, die im Umgang mit akuten Spannungszuständen hilreich sein können. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Methoden individuell auf die Betroffenen angepasst werden und eventuell an früher Bewältigungsstrategien bzw. Interessen anknüpfen. Aus diesem Grunde möchte ich alle Pflegenden dazu motivieren ressourcenorientiert zu arbeiten und nach individuellen Coping-Strategien zu suchen. Betrachtet man sich die Grenze zwischen akuten Spannungszuständen und Dissoziativen Störungen, so könnte man sagen, dass die Intervention bei Spannungszuständen bereits das Risiko für Dissoziative Störungen verringert. Ist eine solche Störung erst einmal in den 50 Fordergrund gerückt, gestaltet es sich als sehr schwierig, diese ohne die Unterstützung von Medikamenten zu bewältigen. Es liegt also an unsPflegenden, die Frühwarnzeichen für Spannungen mit den Betroffenen zu erarbeiten, diese zu erkennen und gemeinsam mit den Betroffenen zu reflektieren. Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung benötigen relativ oft die Unterstützung durch die Pflege, da sie selbst meist nicht in der Lage sind adäquat auf ihre Frühwarnzeichen zu reagieren und erlente Coping-Strategien anzuwenden. 51 4 ANHANG 4.1 Abkürzungsverzeichnis a.G. auf Grund Abb. Abbildung BPS Borderline-Persönlichkeitsstörung bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa CADSS Clinician-Administered Dissociative States Scale d.h. das heißt DBT Dialektisch-Behaviorale Therapie DES Dissoziative Experience Scale DSM IV Diagnostic and Statistical Manual IV DSS-akut Dissoziations-Spannungs-Skala akut et al. et alii (m), et aliae (w), et alia (n) – und andere evt. eventuell FBA Fachbereichsarbeit ICD 10 International Classification of Diseases 10 LKH-R Landeskrankenhaus Rankweil Pat. Patienten PTBS Posttraumatische Belastungsstörung S. Seite SKID-D Strukturiertes Klinisches Interview für DSM IV – Dissoziative Störungen SSV selbstschädigendes Verhalten usw. und so weiter z.B. zum Beispiel zw. zwischen 52 4.2 Abbildungsverzeichnis Abb.1: Die typischen Angriffsphasen Quelle: Breakwell G. M. (1998): Aggression Bewältigen. Bern: Huber Abb.2: Eingangstext, „Spannungsitem“ sowie jeweils ein Item aus den Symptomkomplexen der psychologischen und körperlichen dissoziativen Phänomenen der DSS-akut Quelle: Stiglmayr Chrsistian E., Braakmann Diana, Haaf Brigitte, Stieglitz RolfDieter, Bohus Martin (2003): Entwicklung und psychometrische Charakteristika der Dissoziations-Spannungs-Skala akut (DSS-aktu). Psychother Psych Med, 53/2007, S. 287-294 Abb. 3: Änderungssensivitä Quelle: Stiglmayr Chrsistian E., Braakmann Diana, Haaf Brigitte, Stieglitz RolfDieter, Bohus Martin (2003): Entwicklung und psychometrische Charakteristika der Dissoziations-Spannungs-Skala akut (DSS-aktu). Psychother Psych Med, 53/2007, S. 287-294 Abb. 4: Darstellung einer Spannungskurve Quelle: Bohus Martin, Wolf Martina (2009): Interaktives Skillstraining für Borderline-Patienten. Manual zur CD-Rom für die therapeutische Arbeit. Stuttgart: Schattauer Verlag Abb. 5: Möglichkeit einer Spannungskurve zur Erfassung der Gefühle Quelle: Bohus Martin, Wolf Martina (2009): Interaktives Skillstraining für Borderline-Patienten. Manual zur CD-Rom für die therapeutische Arbeit. Stuttgart: Schattauer Verlag 53 4.3 Literaturverzeichnis 4.3.1 Bücher Bertelsmann (1995): Lexikon der Psychologie: Gütersloh: Bertelsmann-LexikonVerlag Bohus Martin, Wolf Martina (2009): Interaktives Skillstraining für BorderlinePatienten. Manual zur CD-Rom für die therapeutische Arbeit. Stuttgart: Schattauer Verlag Breakwell G. M. (1998): Aggression Bewältigen. Bern: Huber Dulz, Schneider (2001): Borderline-Störungen: Theorie und Therapie. Stuttgart: Schattauer Verlag Eckhardt-Henn Annegret (2004): Dissoziative Bewusstseinsstörungen. Theorie, Symptomatik, Therapie. Stuttgart: Schattauer Verlag Fleischhaker Christian, Schulz Eberhard (2010): Borderline-Störungen. Manuale psychischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Heidelberg: Springer-Verlag Herpertz-Dahlmann Beate, Resch Franz, Schulte-Markwort Michael, Warnke Andreas (2007): Entwicklungspsychiatrie. Biopsychologische Grundlagen und die Entwicklung psychischer Störungen. Stuttgart: Schattauer Verlag Knuf Andreas, Tilly Christian (2007): Borderline: Das Selbsthilfebuch. Bonn: Balance Buch und Medien Verlag Remmel (2006): Handbuch Körper und Persönlichkeit: Entwicklungspsychologische und neuropsychologische Grundlagen der BorderlineStörung. Stuttgart: Schattauer Verlag Schröder Hartwig (1985): Grundwortschatz Erziehungswissenschaften. Ein Wörterbuch der Fachbegriffe von „Abbilddidaktik“ bis „Zielorientierung“. München: Ehrenwirt. 54 4.3.2 Dissertationen Arndt Michael (2007): Transfer von Entspannungsverfahren aus der stationären Rehabilitation in den Alltag. Homburg/Saar: Aus dem Institut für Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes. Friedrich Maria, Wechselberger Susanne (2009): Persönlichkeitsstörungen. Borderline Persönlichkeitsstörung. Rankweil: P-GUKPS 2009. 2 Ausbildungsjahr (Skript für den Unterricht) Lüders Stephan (2001): Borderline-Störungen. München: GRIN-Verlag GmbH Salvatore Michael (2007): Studienarbeit zum Thema Gewalt Schwerpunkt: Erklärungsansätze/Theorie. München: GRIN-Verlag GmbH 4.3.3 Artikel Dams Andreas, Schommer Nicole, Röpke Stefan, Heuser Isabella, Lammers ClaasHinrich (2007): Das Skilltraining und die poststationäre Effektivität der stationären Dialektische-Behavioralen Therapie (DBT) nach sechs Monaten. Psychother Psych Med, 57/2007, S. 19-24 Martin Bohus, Christian Schmahl (2006): Psychopathologie und Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung. Deutsches Ärzteblatt, Jg. 103, 2006, Heft 49 – A3345 Stiglmayr Chrsistian E., Braakmann Diana, Haaf Brigitte, Stieglitz Rolf-Dieter, Bohus Martin (2003): Entwicklung und psychometrische Charakteristika der Dissoziations-Spannungs-Skala akut (DSS-aktu). Psychother Psych Med, 53/2007, S. 287-294 55 4.3.4 Internet Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bearbeitungsstand: 09. In: Februar Wikipedia, 2011, Die 21:21 freie Enzyklopädie. UTC. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Borderline-Pers%C3%B6nlichkeitsst%C3%B6rung (Konsum 11/02/15, 13:51) Dr. Löhmer Cornelia (2009): Progressive Muskelentspannung nach Edmund Jakobs. Online im Internet: http://www.progressive-muskelentspannung.de/ (11/01/24, 19:03) Fellner Richard L. (2003): Zitieren von Quellen im Internet. Online im Internet: Borderline-Persönlichkeitsstörung auf: http://www.psychotherapiepraxis.at/artikel/borderline/borderline.phtml (11/01/12, 18:43) www.borderline-plattform.de (15.12.2010/15:44 Uhr) Zadrazil Ewald (2007): Borderlinestörung: Diagnostische Kriterien. Online im Internet: http://www.praxis-zadrazil.at/private/wissen_borderline.htm (11/01/12, 22:28) 56 5 EIGENSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG Hiermit erkläre ich, Knünz Kerstin, dass die hier vorliegende Fachbereichsarbeit von mir eigenständig erstellt wurde. Zur Erstellung dieser Arbeit habe ich keine anderen Behelfe als die im Literatur- und Abbildungsverzeichnis angeführte Literatur verwendet. Röthis, am 24.02.2011 Unterschrift 57 Quelle: http://www.borderline-plattform.de/%C3%BCber-borderline Zugriff am 21.02.2011 um 17:10