RS, 31.5.2009 Skizze einer Musterlösung zur Geometrie-Aufgabe der Staatsexamensklausur 2/2008 Handeln, Konstruieren und Beweisen im Geometrieunterricht Zum Satz von der Winkelsumme im Dreieck gibt es (neben anderen) die folgenden Hinführungen: (1) Zeichne am Computer-Bildschirm mit einer dynamischen Geometrie-Software (z. B. mit DYNAGEO-EUKLID ) ein Dreieck. Bestimme mit dem Programm die Maße der Innenwinkel des Dreiecks und deren Summe S. Verändere nun durch Ziehen an den Dreiecksecken die Form des Dreiecks und beobachte dabei die Summe S. (2) Schneide aus Papier ein Dreieck aus. Reiße dessen Ecken ab. Lege diese zu einem gestreckten Winkel zusammen. (3) Schneide aus Papier ein Dreieck aus. Falte, wie in den Figuren angegeben. C N A M B (4) Zeichne ein Dreieck ABC. Laufe einmal den Rand ab: von der Ausgangsstellung in A über B und C wieder nach A in die Ausgangsstellung. Bestimme, um wie viel man sich insgesamt gedreht hat. Berechne daraus die Winkelsumme im Dreieck ABC. (5) Ergänze ein Dreieck ABC zu einem Parallelogramm ABCD. Konstruiere ein Parkett mit dem Grundbaustein ABCD. Zeichne in das Parkett die zur Geraden AC parallelen Gitterlinien ein. Markiere gleich große Winkel in der entstehenden Figur. Untersuche die Winkel, deren Scheitel in einem Gitterpunkt zusammenstoßen. Aufgabenstellung: a) Was sollte jeder Schüler über den Satz von der Winkelsumme im Dreieck (allgemeiner: im Vieleck) wissen? Begründen Sie Ihre Antwort. Jeder Schüler sollte wissen, dass die Innenwinkel im Dreieck zusammen einen gestreckten Winkel bilden, oder anders: Die Summe der Innenwinkel im Dreieck beträgt 180°. Vielecke lassen sich durch Diagonalen in Dreiecke zerlegen, so ergibt sich für nEcke als Winkelsumme die Formel (n-2)•180. Auch eine Hinführung zu diesen Aussagen sollte jedem Schüler bekannt sein. Als Begründung für das Formelwissen gilt die Bedeutung dieser Fakten im Alltag (z.B. beim Basteln, Werkeln, Orientierung in der Landschaft). Kenntnis der Hinführung macht die/den Lernende(n) unabhängig von Autoritäten. Aufgabenstellung: b) Vergleichen Sie die Hinführungen (1) bis (5) unter wenigstens folgenden Aspekten: − Veranschaulichen des Satzes − Handlungsorientierung des Geometrieunterrichts − Einsicht gewinnen in die Allgemeingültigkeit des Satzes − Zugänglichkeit für Hauptschüler, Realschüler, Gymnasiasten − Unterstützen von Zielen des Geometrieunterrichts − Verträglichkeit mit den Forderungen aus a). Als Satz wird hier nur der über die Innenwinkelsumme im Dreieck betrachtet. Die Innenwinkelsumme im Viereck erfordert weitere Betrachtungen. Die anschaulichste Hinführung ist möglicherweise die Hinführung (2). Hier wird die Innenwinkelsumme im Dreieck handelnd hergestellt (gleichzeitig Antwort bzgl. Handlungsorientierung). Durch die Beutung des Rechnens und die Distanzierung mittels DGS erscheint Hinführung (1) am wenigsten anschaulich. Hinführung (2) und (3) folgen am ehesten einer Handlungsorientierung des GeoU. Hinführung (4) kann sehr handlungsorientiert unerrichtet werden, wenn man die Schüler tatsächlich große Dreiecke (etwa auf dem Schulhof) abgehen lässt. Mit entsprechenden Kommentaren und Begleitaktivitäten lassen sich alle Hinführung nutzen, um die Allgemeingültigkeit zu verdeutlichen. Alle sind geeignet, zu einem Beweis ausgebaut zu werden. Wegen der Buchstaben-Rechnungen in Hinführung (4) dürfte diese am ehesten für Gymnasiasten zugänglich sein. Mit allen Hinführungen lassen sich Ziele des Geometrie-Unterrichts, insbesondere die Analyse des uns umgebenden Raumes, verfolgen. Allgemeine Zeichenfähigkeiten werden am ehesten bei Hinführung (5) geschult. Die Schulung der Logik wird wahrscheinlich am ehesten durch Hinführung (4) – mit entsprechender Erweiterung – möglich sein. Die Verträglichkeit mit den Forderungen aus a) entscheidet sich am ehesten an der Verallgemeinerbarkeit auf n-Ecke. Hier ist Hinführung (1) optimal, da keine Zusatzmaßnahmen ergriffen werden müssen. Hinführung (2) ist schwer verallgemeinerbar, Hinführung (3), (4) und (5) wohl kaum. Aufgabenstellung: c) Wie kommt man im Unterricht von den Hinführungen (1), (2) und (4) zur Winkelsumme in einem Vieleck? Hinführung (1) ist durch Zeichnen von Vielecken verallgemeinerbar. Schwierig ist dann das Erkennen der Formel. Hinführung (2) lässt sich dann einigermaßen verallgemeinern, wenn bereits ein Winkelbegriff für Winkelmaße über 360° entwickelt ist. Hinführung (4) dürfte kaum verallgemeinerbar sein, sobald man nicht-konvexe Vielecke (n>3) zulässt. Sonst, für konvexe Vielecke sind die gleichen Algebra-nahen Überlegungen wie für Dreiecke erforderlich.