Emotionsregulation von Frauen mit Borderlinestörung Inauguraldissertation der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern zur Erlangung der Doktorwürde vorgelegt von Katrin Endtner St. Gallen Selbstverlag, Bern, 2006 Von der Philosophisch-humanwissenschaftlichen Fakultät auf Antrag von Prof. Dr. Hansjörg Znoj (Hauptgutachter) und Prof. Dr. Wolfgang Tschacher (Zweitgutachter) angenommen. Bern, den 7.4.2006 Der Dekan: Prof. Dr. Norbert Semmer DANK Dank An dieser Stelle will ich den vielen Personen meinen Dank aussprechen, die mich während der letzten Jahre in irgendeiner Form unterstützten und dazu beitrugen, dass diese Arbeit jetzt vorliegt. Ich bedanke mich von ganzem Herzen bei: allen Studienteilnehmerinnen, die mir ihre Zeit, ihr Engagement und ihre berührenden Geschichten zur Verfügung stellten. Ohne ihre Bereitschaft, sich auf diese Untersuchung einzulassen, hätte die Thematik der Emotionsregulation mit weit weniger emotionalem Gehalt gefüllt werden können. Zudem trugen ihre reichhaltigen Inputs dazu bei, dass wesentliche Erkenntnisse in Bezug auf diese Materie gewonnen wurden. Julia Müller, Loredana Torchetti, Carola Smolenski, Anja Jossen, Marianne Kauer und Susanna Stauber, die mir entweder Vorbilder als Frauen in der Forschung waren und/oder mich immer wieder darin ermutigten, mich als Frau in diesem Feld zu behaupten. Zudem waren diese Frauen verschiedenste Male zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle, um mir mit ihren konstruktiven Vorschlägen oder Angeboten aus der Not zu helfen, so dass ich die weiteren notwendigen Schritte tun konnte. Hansjörg Znoj, der diese Arbeit betreute und Wolfgang Tschacher, der sie als zweiter Gutachter beurteilte. Von ihnen habe ich durch ihre fachlichen Anregungen, ihre kritischen Hinweise und ihre persönliche Anteilnahme viel wertvolle Unterstützung erhalten. Martin Grosse Holtforth, der in der konzeptuellen Planung dieser Studie eine massgebliche Rolle einnahm und mir dank seiner reichhaltigen wissenschaftlichen Erfahrung dazu verhalf, das Design dieser Arbeit zu konkretisieren. Martin Thommen, der mich mit seinem Zuspruch immer wieder darin unterstützte auch Durststrecken durchzustehen und mir zudem den Boden dafür bereitete, einen großen Teil der Studie durchführen und schreiben zu können. Meinen Mitarbeitern/innen der PTK, die mir durch ihren zusätzlichen Einsatz ermöglichten, diese Arbeit in einer südlichen Umgebung zu schreiben. Heike Kleffner, die diese Arbeit lektorierte und dabei keinen Einsatz scheute und Katrin Rieder, die sie gestalterisch in eine stilvolle Form brachte. DANK Klaus Grawe, Christian Stiglmayr, Thomas Reisch, Urs Kohli und Micha Im Obersteg, die mir sowohl auf der theoretischen wissenschaftlichen Ebene wie auch aufgrund ihrer Erfahrung in verschiedenen Bereichen zentrale und hilfreiche Inputs vermittelten. Walter Gekle, den Assistenzärzten/innen und dem Pflegeteam der Kriseninterventionsstation der UPD Bern, die mein Vorhaben solidarisch unterstützten und während der Phase der Datenerhebung unermüdlich immer wieder Frauen zur Teilnahme an dieser Studie motivierten. Meiner Tochter Laura, meiner Familie und meinen Freunden/innen, die mich besuchten, mich versorgten oder mir mit Rat zur Seite standen und mich aus einigen Krisen herausholten, die diese Arbeit mit sich brachte. INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ................................................................................... 11 2. Theoretischer Teil...................................................................... 15 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.1.6 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.6 Grundlagen zu Emotionsregulation...........................................................15 Einleitung ......................................................................................................15 Verschiedene Aspekte in Bezug auf Emotionsregulation ..............................17 Neurobiologische Einflüsse auf die Emotionsregulation................................19 Definitionen von Emotionsregulation und Emotionsregulationsstrategien .....22 Emotionsregulation bei klinischen Stichproben .............................................33 Messmittel zur Erfassung von Emotionsregulation........................................36 Grundlagen zur Borderlinestörung............................................................39 Diagnosekriterien und Symptomatik der Borderlinestörung ..........................39 Epidemiologie................................................................................................44 Komorbidität ..................................................................................................45 Einige störungsspezifische Angaben ............................................................46 Modelle zur Entstehung der Borderlinestörung .............................................49 Messmittel zur Erfassung der Borderlinestörung...........................................55 3. Entwicklung der Fragestellung und Ziele................................ 57 3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4 Vorstudie......................................................................................................57 Design der Voruntersuchung.........................................................................58 Statistische und inhaltliche Auswertung ........................................................59 Überlegungen zur vorliegenden Studie .........................................................60 Fragestellungen ............................................................................................63 4. Durchführung der Studie .......................................................... 65 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 Vorgehen und Untersuchungsdesign .......................................................65 Allgemeines...................................................................................................65 Quantitative und qualitative Messverfahren ..................................................65 Beschreibung der Datenerhebung ................................................................68 Methodik ......................................................................................................69 Versuchspersonen ........................................................................................69 Diagnostische Messinstrumente ...................................................................71 Quantitative Erhebung / Messmittel ..............................................................72 Datenauswertung (quantitative Messmittel) ..................................................77 Qualitative Erhebung.....................................................................................77 Datenauswertung (qualitatives Interview) .....................................................81 INHALTSVERZEICHNIS 5. Resultate .................................................................................... 93 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1 5.3.2 Sozialepidemiologische Daten...................................................................93 Psychopathologie der Teilnehmerinnen ........................................................93 Weitere Psychodiagnostik .............................................................................94 Resultate (quantitative Erhebung) .............................................................98 Faktorenanalysen des EMOREG-B ..............................................................98 Eigenschaften der Skalen ...........................................................................102 Resultate (qualitative Erhebung) .............................................................112 Reliabilitätsmessungen ...............................................................................113 Validierungsschritte.....................................................................................114 6. Diskussion ............................................................................... 119 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 Diskussion der quantitativen Erhebung..................................................119 Faktorenanalysen des EMOREG-B ............................................................119 Validierungsschritte.....................................................................................121 Diskussion der qualitativen Erhebung ....................................................134 Ergebnisorientierte Validität ........................................................................134 Prozessorientierte Validität..........................................................................140 Zusammenfassung der Befunde über beide Erhebungen....................142 Limitationen der Studie / Ausblick ...............................................................145 7. Implikationen für die klinische Arbeit.................................... 149 Literatur ............................................................................................. 159 Anhang .............................................................................................. 173 TABELLENVERZEICHNIS Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Auswertungseinheit. Tabelle 2: Mittelwerte und Standardabweichungen pro Diagnosegruppe für BSL, BDI, BFW/E (beide Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit), EMOREG-F und SCL-90/GSI. Tabelle 3: Mittelwerte und Standardabweichungen gesunder Jugendlicher im BFW im Vergleich zu den Mittelwerten und Standardabweichungen pro Diagnosegruppe für alle Subskalen des BFW/E. Tabelle 4: EMOREG-B: Faktorenmuster der Vier-Faktorenlösung (Hauptkomponentenanalyse, Varimax-Rotation für die Gesamtstichprobe, N=63). Tabelle 5: Interne Konsistenz / Reliabilitätsanalysen für die EMOREG-B Subskalen. Tabelle 6: Interskalenkorrelationen der EMOREG-B Subskalen. Tabelle 7: Korrelationen der Items des EMOREG-B mit dem BFW/E (beide Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit). Tabelle 8: Interskalenkorrelationen des EMOREG-B. Tabelle 9: T-Test zwischen den zwei Diagnosegruppen für die EMOREG-B Subskalen. Tabelle 10: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktorvariablen der EMOREG-B Subskalen. Tabelle 11: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktorvariablen der EMOREG-B Subskalen, berechnet für die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE. Tabelle 12: Rang-Interkorrelationen zwischen den fünf Variablen des qualitativen Interviews. Tabelle 13: Rang-Korrelationen zwischen den fünf Variablen des qualitativen Interviews und den vier EMOREG-B Subskalen. Tabelle 14: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktoren der Variablen des qualitativen Interviews. TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 15: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktoren der Variablen des qualitativen Interviews, berechnet für die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE. ZUSAMMENFASSUNG Zusammenfassung Theoretischer Hintergrund: Personen mit einer Borderlinestörung gelten als schwer zu behandelnde Patienten/innen. Mehrere theoretische Ansätze aus verschiedenen psychotherapeutischen Richtungen erklären die Entstehung dieser Störung und bieten unterschiedliche Behandlungskonzepte an. Vor allem das Modell der Borderlinestörung als einer Emotionsregulationsstörung von M. Linehan hat sich in der klinischen Praxis bewährt und zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Forschung zu Emotionsregulation belegt, dass psychischen Störungen häufig Probleme der Emotionsregulation zugrunde liegen. Jedoch zeigen wenige Befunde, auf welche Weise Patienten/innen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen regulieren und inwieweit sich dies auf ihre Störung auswirkt. Fragestellung: Wie und auf welchen Ebenen regulieren Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen? Methode: In einer Studie wurden 63 Patientinnen mit zwei unterschiedlichen Störungsbildern (Experimentalgruppe: Borderlinestörung + Major Depression/MDE, Vergleichsgruppe: MDE) auf ihre habituelle und situative Emotionsregulation hin untersucht. Es wurde ein Selbstbeurteilungsfragebogen mit dem Inhalt der habituellen Emotionsregulation bei der Borderlinestörung konstruiert. Zudem wurden die zwei Patientinnengruppen anhand eines qualitativen halbstrukturierten Interviews zu ihrer situativen Emotionsregulation befragt. Ebenfalls wurden mit verschiedenen Messmitteln die subjektiv erlebte Beeinträchtigung und der Schweregrad der Borderlinestörung (BSL), die allgemeine psychische Belastung (SCL-90), das Wohlbefinden (BFW/E), und der Schweregrad der Depression (BDI) der Studienteilnehmerinnen erhoben. Zudem wurde ihre maladaptive emotionszentrierte Bewältigung der Emotionsregulation (EMOREG-F) durch eine nahe Bezugsperson eingeschätzt. Ergebnisse: Die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung unterschieden sich signifikant in ihrer habituellen und situativen Emotionsregulation von der Vergleichsgruppe. Personen mit einer Borderlinestörung regulierten ihre Emotionen dahingehend, dass sie emotionale Reize vermieden oder den emotionalen Gehalt zu verringern suchten. Zudem litten sie unter einer mangelnden Impulskontrolle und setzten in belastenden Situationen die Strategie der Aufmerksamkeitslenkung ein. Schlussfolgerung: Die Ergebnisse sind praxisrelevant und tragen dazu bei, die therapeutische Behandlung von Patienten/innen mit einer Borderlinestörung zu optimieren. EINLEITUNG 1. 11 Einleitung Vermehrt fielen in den letzten Jahren in psychiatrischen Kliniken, ambulanten psychotherapeutischen Praxen und Gefängnissen Personen auf, die als schwer zu behandeln oder sogar unheilbar gelten. Ihnen wird nachgesagt, dass sie ganze therapeutische Teams spalten, keine nahen Beziehungen eingehen können oder manipulierend auf ihre Umgebung einwirken. Gemäss dem Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen (DSM-IV) der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung für psychische Störungen (APA) schreibt man diesen Patienten/innen die Diagnose einer Borderlinestörung zu (APA, 1996). Diese entspricht im ICD-10, der 10. Auflage der Internationalen Klassifikation Psychischer Störungen (Weltgesundheitsorganisation, 1999), der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Der Begriff „Borderline“ wurde von psychoanalytisch orientierten Therapeuten/innen geprägt und von Adolf Stern (1938, zitiert nach Janssen, 2001) erstmals eingeführt. Mit diesem Begriff sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass sich Patienten/innen mit einer Borderlinestörung an der Grenze zwischen Neurose und Psychose bewegen. Ende der 1960-er Jahre hingegen betonte Otto Kernberg (1967) in seiner Arbeit die Eigenständigkeit dieses klinischen Syndroms gegenüber der neurotischen und psychotischen Organisation. Kernberg legte 1975 in seinem Werk eine psychodynamisch orientierte Theorie zur Entstehung und Behandlung der Borderlinestörung vor. Während der letzten drei Jahrzehnte wurden weitere Erklärungsansätze zur Entstehung der Störung mit Therapiekonzepten vorgestellt, die für die Behandlung mit diesen Patienten/innen als angemessen erschienen (Beck, Freeman & Associates, 1990; Ellis, 1999; Gunderson, 2001; Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b; Newman, 1998; Young, 1994). So hat sich z.B. das neuropsychosoziale Konzept der Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung von Linehan (1993a, 1993b, 1996a, 1996b) mit der Dialektisch-Behavioralen Therapie als besonders erfolgreich in der Behandlung der Borderlinestörung erwiesen (Bateman & Fonagy, 1999; Bohus et al., 2000; Hoffmann & Hooley, 1998; Hooley & Hoffmann, 1999; Koerner & Linehan, 2000; Line- 12 EINLEITUNG han & Heard, 1999; Linehan, Kanter & Comtois, 1999a; Linehan et al., 1999b; Rathus & Miller, 2002). Nach Linehan (1996a) tragen verschiedene Faktoren dazu bei, dass Patienten/innen mit dieser Störung ihre Emotionen schwer erkennen und einordnen sowie nicht oder ungenügend darauf reagieren können. In der Folge vermeiden sie möglichst, ihre Emotionen wahr- und ernst zu nehmen. Dies aber führt zu einer Orientierungslosigkeit, die für die Patienten/innen schwer auszuhalten ist. Viele Betroffene geraten daraufhin in eine hohe innere Spannung und reduzieren diese häufig mit einem dysfunktionalen Verhalten. Linehan (1993a, 1993b, 1996a, 1996b) bezeichnet die Borderlinestörung als eine Emotionsregulationsstörung. Dennoch formuliert sie in der Darstellung ihrer Konzeption nur ansatzweise, wie sich die Emotionsregulation bei diesen Patienten/innen abspielt. Ebenfalls gibt es nur wenige Studien von anderen Autoren/innen, die Befunde zur Emotionsregulation bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung aufweisen (Conklin & Westen, 2005; Greenberg, 2000, 2004; Herpertz, Gretzer, Mühlbauer, Steinmeyer & Sass, 1998; Magai & Hunziker, 1998; Westen, 1998). Die Hypothese der Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung erweist sich jedoch in der klinischen Praxis als sehr relevant: Werden Patienten/innen mit einer Borderlinestörung auf ihre Emotionen angesprochen, deuten sie an, große Schwierigkeiten darin zu haben ihre Gefühle wahrzunehmen. Zudem falle es ihnen schwer, ihre Emotionen ernst zu nehmen und sie als Orientierungspunkt für das eigene Handeln einzubeziehen. Viele Patienten/innen beschreiben auch starke Spannungszustände, die entstünden, sobald sie sich mit Gefühlen konfrontiert sähen, die für sie schwierig zu ertragen seien. Jedoch können die wenigsten Patienten/innen genaueres darüber berichten, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen oder auf welchen Ebenen sich ihre Emotionsregulation abspielt: Sind es eher ihre Kognitionen, die sie zu verändern suchen? Ziehen sie Hilfsmittel wie Entspannungsübungen bei? Oder sind es automatisch funktionierende Regulationsmechanismen, die in diesen intensiv erlebten Gefühlszuständen zum Tragen kommen? Um das Leiden dieser Patienten/innen besser verstehen zu können, ist also die weitere Erforschung der Emotionsregulation bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung notwendig. EINLEITUNG 13 Die vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gestellt, mittels quantitativen Methoden Informationen zu gewinnen, die einen Hinweis darauf geben könnten, auf welchen Ebenen die Emotionsregulation bei Personen mit einer diagnostizierten Borderlinestörung stattfindet. Dafür wurde ein spezielles Messinstrument in Form eines Selbstbeurteilungsfragebogens (EMOREG-B) entwickelt. Im Weiteren sollten aber auch mittels eines qualitativen, spezifischen, halbstrukturierten Interviews Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wie Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen regulieren. Das Ziel dieser Dissertation ist somit einerseits, einen Beitrag zur Grundlagenforschung zu leisten und dadurch andererseits die therapeutischen Ansätze in der Behandlung der Borderlinestörung zu verbessern. Damit ist die Hoffnung verbunden, das Leiden der Patienten/innen zu vermindern und ihnen eine noch differenziertere und adäquatere Behandlung anbieten zu können. Die Arbeit gliedert sich wie folgt: Im zweiten Kapitel, dem theoretischen Teil, wird einerseits der Begriff der Emotionsregulation eingeführt und es werden verschiedene theoretische Ansätze dazu erläutert. Andererseits werden die diagnostischen Kriterien der Borderlinestörung mit dem Erscheinungsbild beschrieben, wie es sich in der klinischen Praxis oft zeigt. Im Weiteren beinhaltet das zweite Kapitel die Darstellung verschiedener theoretischer Konzepte zur Entstehung der Borderlinestörung. Besondere Aufmerksamkeit erhält indes die Theorie der Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung (Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b). Im dritten Kapitel werden die Entwicklung der Fragestellungen und das Ziel der Untersuchung dargelegt. Daraus leitet sich die praktische Umsetzung der Studie ab. Im vierten Kapitel wird die Durchführung der Studie mit der dazugehörigen Methodik dargestellt. Es werden sowohl die quantitative wie auch die qualitative Erhebung beschrieben. Die Resultate werden im fünften Kapitel demonstriert. Im sechsten Kapitel werden die Befunde der quantitativen und qualitativen Erhebung diskutiert. Zum Schluss, im siebten Kapitel, werden Implikationen für die Therapie von Patienten/innen mit einer Borderlinestörung beschrieben. 14 THEORETISCHER TEIL 2. Theoretischer Teil 2.1 Grundlagen zu Emotionsregulation 2.1.1 Einleitung 15 Emotionen entstehen, wenn uns etwas Wichtiges berührt (Greenberg & Paivio, 2000). Sie dauern meist kurz an und verändern sich rasch. Gemäss Gross (1999b) hat eine Emotion ihren Beginn in der Auswertung eines internalen oder externalen Reizes. Gewisse Bewertungen setzen in der Folge ein koordiniertes Netz von Verhaltens-, Erlebens- und physiologischen emotionalen Reaktionstendenzen in Bewegung, die es leichter machen, erwartete Herausforderungen auf eine adaptive Weise zu meistern. Andere Autoren/innen definieren Emotionen auf ähnliche Weise, indem sie den Begriff der Emotion wie folgt umschreiben: Emotionen bestehen aus einem Set von Prozessen auf der neuronalen, expressiven und kognitiv-experimentellen Ebene (Izard, 1991; Izard & Kobak, 1991; Lang, 1995) und können deshalb z.B. eine Interpretation, Körpersymptome oder einen Handlungsimpuls beinhalten. Alle diese Bereiche sind untereinander verbunden und ermöglichen so, dass man Emotionen nicht nur auf einer Ebene, sondern auf mehreren beeinflussen kann. Nach der Beschreibung Greenbergs (2004) sind Emotionen biologisch adaptive Handlungsausrichtungen, die unmittelbar sind und verschiedenste Funktionen haben (Greenberg & Paivio, 2000): Eine Emotion stellt zum einen für Personen ein informatives Bedeutungssystem dar, das eine Rückmeldung über den Körper und Geist gibt. Oder umgekehrt führt die unterschwellige Einschätzung über eine Situation oder ein Ziel dazu, dass eine Emotion entsteht. Sie informiert die Person also über die Bedeutung, die die jeweilige Situation für ihr Wohlbefinden hat sowie über die Reaktion, die sie auf eine bestimmte Situation zeigt (Frijda, 1986; Greenberg & Paivio, 2000). Teilweise entstehen Emotionen automatisch, in anderen Momenten nur nach einer eingehenden Analyse der Bedeutung, die die Situation für eine Person hat. Emotionen vermitteln demnach Orientierung. Sie können uns – wie ein Radarsystem – aufzeigen, wo wir stehen, welches unsere prioritären Ziele sind sowie uns 16 THEORETISCHER TEIL auf Herausforderungen vorbereiten (Frijda, 1986). Emotionen helfen zudem aufgrund von biologisch begründeten Handlungstendenzen das Überleben zu sichern (Cole, Martin & Dennis, 2004; Frijda, 1986; Greenberg, 2004; Izard, 1991; Lazarus, 1993b). Zum andern beeinflussen Emotionen die kognitiven Prozesse und tragen dazu bei, eine Entscheidungsfindung entweder zu erleichtern oder zu erschweren (Greenberg & Paivio, 2000). Durch die Rückmeldungen, die Emotionen vermitteln, können die verschiedenen Möglichkeiten einer Situation ausgewertet und in der Folge auf eine Lösung hin kanalisiert werden. Im Weiteren lösen Emotionen Körperimpulse aus. Diese weisen z.B. auf Gefahren hin und richten die Aufmerksamkeit auf die möglichen negativen Konsequenzen. Die emotionalen Rückmeldungen mit ihren Körpersignalen und den dazugehörigen Handlungsimpulsen motivieren zudem, Handlungen auszuführen, um dadurch den eigenen emotionalen Zustand möglichst zu verbessern (Greenberg & Paivio, 2000). Schliesslich sind Emotionen zentral für die Gestaltung von interpersonellen Beziehungen. Vorwiegend mit dem mimischen Ausdruck und der Körperhaltung werden anderen Personen gegenüber die eigenen inneren emotionalen Zustände vermittelt. Umgekehrt können über diese Wege auch die Bedürfnisse des Gegenübers wahrgenommen werden. Emotionen tragen also massgeblich dazu bei, die eigenen Wahrnehmungen zu regulieren und die Umwelt zu kontrollieren (Greenberg & Paivio, 2000). In der Literatur wird eine Emotion, die als kurz andauernd definiert wird, abgegrenzt von einer Stimmung, die einen länger andauernden und tiefer gehenden Zustand bezeichnet (Herpertz et al., 1998; Linehan, 1996a, 1996b). Hingegen wird meist keine Unterscheidung zwischen einer Emotion und einem Affekt gemacht, so dass beide Begriffe gleichermassen und einheitlich verwendet werden (Larsen & Prizmic, 2004). Emotionen bilden die Grundlage dafür, dass überhaupt Emotionsregulation stattfinden kann. In den letzten zwanzig Jahren ist das Gebiet der Emotionsregulation vermehrt erforscht worden und hat an Bedeutung gewonnen (Bridges, Denham & Ganiban, 2004; Cole et al., 2004; Dodge & Garber, 1991; Gross, 1998b). Es können vor allem zwei Strömungen speziell erwähnt werden, die als Vorläufer diese Forschung massgeblich geprägt haben (Gross, 1998b): Dies ist zum einen die psychoanalytische Richtung. Sie berührt mit der Triebtheorie und den Abwehrmechanis- THEORETISCHER TEIL 17 men, die schmerzliche Gefühle regulieren sollen, unmittelbar das Thema der Emotionsregulation (Freud, 1946; Freud, 1926/1959). Diese Abwehrstrategien liegen meist ausserhalb des Bewusstseins und sind individuell verschieden. Zum anderen ist es die Stress- und Copingforschung (Lazarus, 1993a, 1993b), die eng mit dem Gebiet der Emotionsregulation verbunden ist. Das Prinzip dieser Tradition gründet auf der Annahme, dass der Organismus für verschiedene Herausforderungen ähnliche psychophysiologische Reaktionen produziert. Die Copingforschung geht, anders als die psychoanalytisch orientierte Tradition, von adaptiven, bewussten Bewältigungsprozessen aus. Sie richtet die Aufmerksamkeit eher auf situative Variablen als auf Personenvariablen aus. Coping wird eingesetzt, um mit negativen Emotionen umzugehen, wogegen Emotionsregulation auch die Unterdrückung oder Aufrechterhaltung von positiven Gefühlen beinhaltet (Gross, 1998b). Die Materie der Emotionsregulation berührt neben den philosophischen, ökonomischen, soziologischen oder anthropologischen Disziplinen, auch verschiedenste psychologische Felder (Cole et al., 2004; Gross, 1998b; Lopes, Salovey, Côté & Beers, 2005). Speziell die Entwicklungspsychologie kann einige Studien vorweisen, die belegen, dass die Herausbildung von Emotionsregulation schon im Kindesalter beginnt (Bridges & Grolnick, 1995; Campos, Frankel & Camras, 2004; Cicchetti, Ganiban & Barnett, 1991; Izard & Kobak, 1991; Masters, 1991). Ebenfalls bekommt die Thematik in der biologischen, Sozial- und kognitiven Psychologie einen immer zentraleren Stellenwert (Gross, 1998b). Schliesslich wird Emotionsregulation auch in der klinischen Psychologie als grundlegend angesehen, indem die Folgen von emotionaler Dysregulation auf psychische Störungen untersucht werden (Greenberg, 2000; Gross, 1999b; Gross & Levenson, 1997; Herpertz et al., 1998). 2.1.2 Verschiedene Aspekte in Bezug auf Emotionsregulation Wenn man die verschiedenen Definitionen genauer analysiert, die Forscher/innen zum Thema Emotionsregulation aufstellten, wird ersichtlich, dass es bis zum heutigen Zeitpunkt keinen einheitlichen Standpunkt zu Emotionsregulation gibt. Vielmehr hat eine erhebliche Entwicklung in diesem Gebiet stattgefunden, und die Materie wird unter verschiedenen Aspekten und Gesichtspunkten betrachtet. Einige Standpunkte sollen hier kurz dargestellt werden. 18 THEORETISCHER TEIL Der erste Aspekt, der hier aufgeführt werden soll, betrifft die Grundlage, der sich die verschiedenen Forscher/innen bedienen, um ihre Theorien zu Emotionsregulation herzuleiten. Cicchetti et al. (1991) z.B. betonen eine vorwiegend neurophysiologische Basis, die der Entwicklung von Emotionsregulation zugrunde liege. Andere Forscher/innen (Gross & Levenson, 1997; Lazarus, 1993a) gehen eher von der Verhaltensebene aus und leiten daraus die Emotionsregulationsstrategien ab. Eine dritte Herangehensweise bieten Horowitz und Znoj (1999) an: Die Autoren schätzen die kognitive Ebene (mit den verschiedenen Schemata) sowie die daraus folgende Informationsverarbeitung als zentral für die Emotionsregulation ein. Zweitens ist es offensichtlich, dass sich das Verständnis und die Definitionen von Emotionsregulation sehr gewandelt haben. Die Bandbreite erstreckt sich von einem Konzept, das vor allem die Kontrolle des emotionalen Erlebens und des emotionalen Ausdrucks zum Inhalt hat (Cicchetti et al., 1991; Gross, 1998b, 1999b; Lazarus, 1993a, 1993b; Masters, 1991) bis hin zu einer viel breiter gefassten Definition. Diese beinhaltet zum einen das Wahrnehmen und Modulieren des emotionalen Erlebens und die Kontrolle von impulsivem Verhalten. Sie schliesst zum anderen mit ein, dass man sich – um zu einem psychischen Wohlbefinden zu kommen – im Einklang mit den gewünschten Zielen verhalten soll, auch wenn negative Gefühle erwartet werden (Fruzzetti, 2002; Gratz & Roemer, 2004; Greenberg & Paivio, 2000; Linehan, 1993a, 1996a). Die verschiedenen Konzepte gehen in der Folge von einem unterschiedlichen Spektrum von Regulationsstrategien aus, die benötigt und eingesetzt werden müssen, um die jeweiligen Herausforderungen meistern zu können. Ein nächster Punkt weist die Unterscheidung auf von Emotionsregulation als einer Fähigkeit, vorwiegend die eigenen Gefühlszustände zu modulieren (Cicchetti et al., 1991; Lazarus, 1993a; Thompson, 1994) im Gegensatz zu der Fähigkeit, zusätzlich auch die Emotionen der Personen zu regulieren, mit denen man in Interaktion tritt (Gross, 1998b, 1999a, 1999b; Masters, 1991). Sobald diese Dimension miteinbezogen wird, weitet sich die Thematik insofern aus, dass sich die Auswirkungen von Emotionsregulation auch im Sozialverhalten manifestieren sowie in der Art, wie man von anderen gesehen und beurteilt wird (Lopes et al., 2005; Rydell, Berlin & Bohlin, 2003). THEORETISCHER TEIL 19 Ein weiterer zentraler Diskussionspunkt ist, ob Emotionsregulation ohne Kontext und für sich stehend oder nur innerhalb eines bestimmten Kontextes geprüft werden kann. Zu Beginn der Beschäftigung mit dem Thema, Ende der 1980-er Jahre, definierten Wissenschaftler/innen Emotionsregulation eher als etwas vom Kontext unabhängiges (Catanzaro & Mearns, 1990). Dies hat zur Konsequenz, dass diese Konzepte vielmals als statischer und unflexibler wahrgenommen wurden. Untersuchungen in den 1990-er Jahren favorisierten hingegen eindeutig die Kontextabhängigkeit von Emotionsregulation (Gross, 1998b, 1999b; Lazarus, 1993a; Thompson, 1994). In diesen Untersuchungen wird Emotionsregulation definiert als etwas, was ständig im Fluss und in Bewegung ist, da sich auch der Kontext immer wieder ändert. Eine gelungene Regulation liegt demnach genau darin, Flexibilität in der Einschätzung der Reize und den zur Bewältigung eingesetzten Strategien zu beweisen (Cicchetti et al., 1991; Gross, 1998b, 1999a, 1999b; Lazarus, 1993a; Thompson, 1994). Ein letzter Gesichtspunkt behandelt die Beurteilung der eingesetzten Emotionsregulationsstrategien. Zur Diskussion steht, ob bei der Betrachtung von Regulationsstrategien eine Bewertung – und zwar adaptiv oder maladaptiv – eingesetzt wird oder nicht. Die Bewertung adaptiv und maladaptiv richtet sich nach einem objektivierten, operationalisierten Verhalten aus, das als konstruktiv bzw. destruktiv gilt (Cicchetti et al., 1991; Fruzzetti, 2002; Gratz & Roemer, 2004; Greenberg & Paivio, 2000; Horowitz & Znoj, 1999; Linehan, 1996a; Masters, 1991) Wenn hingegen keine Bewertung von adaptiv oder maladaptiv eingesetzt wird, wird nur beurteilt, ob die eingesetzte Strategie eine Veränderung der Emotion bewirkt hat oder nicht (Gross, 1998b, 1999a, 1999b; Thompson, 1994). 2.1.3 Neurobiologische Einflüsse auf die Emotionsregulation Neurobiologisch begründete Herleitungen und Erklärungen zur Emotionsregulation haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen (Bohus, 2001; Davidson, Jackson & Kalin, 2000; Grawe, 2004; Greenberg, 2004; Gross, 1999b; LeDoux, 1995). Es soll im Folgenden versucht werden, zentrale Aussagen und Erkenntnisse verschiedener Forscher/innen in diesem Gebiet aufzuzeigen, was jedoch in keinem Fall den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. 20 THEORETISCHER TEIL Von Geburt an bildet sich im Gehirn eine grosse Menge Synapsen aus, die die Verbindungen unter den Neuronen herstellen. Nach Gallagher, n.d. vermindert sich im Laufe der Zeit die Anzahl Synapsen, was bedeutet, dass z.B. ein einjähriges Kind 150% mehr dieser Synapsen besitzt als eine erwachsene Person. Verkümmerte Synapsen und Neuronen können (z.B. durch die andauernde Förderung von positivem Erleben) wieder aktiviert werden und sich regenerieren (Grawe, 2004). Es ist davon auszugehen, dass sich neuronale Aktivität in spezifischen Mustern von Aktivierung und Hemmung widerspiegelt. Eine kontinuierliche Wiederholung von sensorisch-motorischen Mustern, die durch Reize irgendwelcher Art ausgelöst werden, schafft spezifische Sets (so genannte „Bahnungen“) von emotionalem Erleben (Gallagher, n.d.; Grawe, 2004; LeDoux, 1995). Dies führt dazu, dass stark gebahnte neuronale dysfunktionale Erregungsmuster zur Grundlage von psychischen Störungen werden können. Umgekehrt vermögen sich diese Störungen zurückzubilden, wenn es gelingt, die dysfunktionalen Erregungsmuster zu hemmen oder zu verändern. Im Gehirn existieren verschiedene Zentren, von denen einige eine grosse Bedeutung für die Generierung und Regulierung von Emotionen haben: Zum einen ist dies die Amygdala, die sehr früh ein emotionales, auf sensorischen Reizen beruhendes, implizites Gedächtnis entwickelt (LeDoux, 1995). Es ist anzunehmen, dass sich dieses noch vor der Heranreifung des Hippocampus und der Sprachentwicklung herausbildet. Wie bei einem „Rauchmelder“ werden von der Amygdala Informationen auf einer vorbewussten Ebene sofort auf ihre eventuelle Bedrohlichkeit hin taxiert (Greenberg, 2004). Sie wird aktiviert, sobald sensorische Reize den sensorischen Thalamus durchlaufen. Einerseits können diese Reize direkt über den sensorischen Thalamus in den lateralen Kern der Amygdala gelangen (Grawe, 2004; LeDoux, 1995). Dieser Zugang erfolgt rasch, aber die Informationen, die sich für die Amygdala über diesen Weg ergeben, sind limitiert (LeDoux, 1995). Andererseits können sensorische Reize über den sensorischen Thalamus in den sensorischen Cortex oder den Hippocampus gelangen und erst danach im lateralen Kern der Amygdala zusammenkommen. Bis die Informationen über die beiden Wege in den lateralen Kern gelangen, dauert es länger, jedoch haben diese Informationen einen differenzierteren Gehalt. So setzt der sensorische Cortex Reize in Bezug zur Wahrnehmung und analysiert sie. Der Hippocampus ordnet Reize im zeitlichen und räumlichen Kontext ein. Der laterale Kern schickt im Weiteren Im- THEORETISCHER TEIL 21 pulse in den zentralen Kern der Amygdala, der wiederum Informationen an das Periaquäduktale Grau, an das autonome Nervensystem und an die HypothalamusHypophyse-Nebennierenrinden-Achse weitergibt (Grawe, 2004; LeDoux, 1995). Der zentrale Kern der Amygdala stellt also eine Art Motor dar, der Netzwerke von verschiedenen spezifischen Reaktions- oder Abwehrsystemen auf der Verhaltensebene auslöst. Durch das Periaquäduktale Grau z.B. werden die Schreckensstarre und das Abwehrverhalten aktiviert. Das autonome Nervensystem erhöht den Adrenalinspiegel und den Blutdruck und mobilisiert den Körper für Schutz- oder Angriffsreaktionen (Grawe, 2004). Die Hypothalamus-Hypophyse-NebennierenrindenAchse schüttet bei Stress verstärkt Cortisol aus. Als weiteres Zentrum, das eine wichtige Funktion in der Generierung und Regulierung von Emotionen hat, ist der Hippocampus mit seinen expliziten Gedächtnisinhalten zu nennen. Er scheint sich während des zweiten bis dritten Lebensjahrs herauszubilden (LeDoux, 1995). Dem Hippocampus wird die Steuerung der kognitiven Verarbeitung zugeordnet und seine zentralste Aufgabe ist es, das Geschehen in Raum- und Zeitdimensionen einzuordnen. Der Hippocampus spielt demnach eine wichtige Rolle für die normale, kontextabhängige, aber auch für die dysfunktionale emotionale Reaktion (Davidson et al., 2000; Grawe, 2004; LeDoux, 1995). Untersuchungen zeigen, dass es zu Schädigungen des Hippocampus kommen kann, wenn er einem konstant zu hohen (z.B. durch lange anhaltendem Stress bedingten) Cortisolspiegel ausgesetzt ist (Gallagher, n.d.; Grawe, 2004). Der Hippocampus kann in der Folge schrumpfen, was jedoch nicht irreversibel ist (Grawe, 2004). Befunde bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung z.B. haben eine Volumenreduktion des Hippocampus gegenüber gesunden Kontrollen aufgezeigt (Brambilla et al., 2004). Auch bei Menschen mit einer Major Depression wurde eine Volumenreduktion des Hippocampus festgestellt (Grawe, 2004). Obwohl der Zustand des Hippocampus’ wieder verbessert werden kann, haben die Schädigungen mehrere negative Konsequenzen, indem sie sich u. a. negativ auf die Gedächtnisleistung und die Verhaltensregulation auswirken (Gallagher, n.d.). So hatten z.B. in Untersuchungen Kinder, die permanentem Stress ausgesetzt waren und einen höheren Cortisolspiegel auswiesen, weniger Fertigkeiten auf der kognitiven und Verhaltensebene zur Verfügung als Kinder, die diese Belastungen nicht erlebt haben. Kinder verlieren also, wenn sie überstimuliert werden, die Möglichkeit zur sozialen Interaktion und zum Lernen. 22 THEORETISCHER TEIL Als weitere Regionen im Gehirn, die viel zur Generierung von Emotionen beitra- gen und die Emotionsregulation beeinflussen, sind die beiden Hemisphären und der präfrontale Cortex zu nennen. So weisen die oben genannten Studien daraufhin, dass sich emotionale, motivationale, kognitive und motorische Verarbeitungsabläufe nicht nur in der Amygdala und dem Hippocampus abspielen, sondern auch in den limbischen und paralimbischen Systemen sowie den neokortikalen frontalen Strukturen (Bohus, 2001; Davidson et al., 2000; Grawe, 2004; LeDoux, 1995). Der präfrontale Cortex empfängt und sendet Projektionen über eine Reihe von Arealen aus allen sensorischen und motorischen Systemen, der Amygdala und dem Hippocampus (Grawe, 2004). Untersuchungen von Davidson et al. (2000) zum „affektiven Stil“ haben gezeigt, dass Versuchspersonen bei der Konfrontation mit negativen Gefühlen (z.B. Ekel oder Furcht) eine Aktivierung der rechten Gehirnhemisphäre mit ihrem präfrontalen Cortex aufwiesen. Wenn bei den Personen hingegen positive Emotionen (z.B. Glück) ausgelöst wurden, war die linke Hemisphäre mit ihrem präfrontalen Cortex aktivert. Die linke Hemisphäre wird zudem laut Gallagher, n.d. mit der Sprachentwicklung und dem Zugang zu Neuem assoziiert. 2.1.4 Definitionen von Emotionsregulation und Emotionsregulationsstrategien Cicchetti et al. (1991) haben einen entwicklungspsychologischen theoretischen Hintergrund und gehen davon aus, dass sich die Emotionsregulation im frühen Kindesalter parallel zur natürlichen Entwicklung des Kindes herausbildet. Die Autoren/in begreifen Emotionsregulation als intra- und extraorganische Faktoren, mit denen das Individuum seine emotionale Erregung umlenken, kontrollieren, modulieren und verändern kann. Unter die intraorganischen Faktoren subsumieren Cicchetti et al. (1991) einerseits auf der neuronalen Ebene die organisierten Abläufe im Zentralnervensystem, die Entwicklung der Gehirnhemisphären und des Neurotransmittersystems. Diese neuronalen Vorgänge unterliegen während des Heranwachsens des Kindes ständigen Veränderungen. Zu den intraorganischen Faktoren zählen die Autoren/in andererseits auf der psychologischen Ebene die Ausbildung der kognitiven Fertigkeiten des Kindes und die Entwicklung einer kohärenten Identität. THEORETISCHER TEIL 23 Als extraorganische Faktoren bezeichnen Cicchetti et al. (1991) vor allem Reaktionen und die Toleranz der nahen Bezugspersonen auf die ausgedrückten Gefühle des Kindes. Emotionsregulation soll dem Individuum ermöglichen, auf berührende Situationen adaptiv und flexibel zu reagieren (Cicchetti et al., 1991). Sie ist notwendig, um die innere emotionale Erregung in einem optimalen Rahmen halten zu können. Während Emotionen dem Menschen wichtige Hinweise in Bezug auf seine inneren Zustände vermitteln, soll ihm Emotionsregulation eine Breite von affektiven Ausdrucksformen garantieren, um im Leben auf eine konstruktive Weise zu funktionieren. Dadurch, dass die Entwicklung der Emotionsregulation sehr eng mit der natürlichen Entwicklung des Kindes und der Interaktion mit den nahen Bezugspersonen verbunden ist, können nach Meinung der Autoren/in verschiedene Faktoren dazu beitragen, emotionale Dysregulationen zu fördern (Cicchetti et al., 1991). Entweder werden diese Dysregulationen durch biologische oder genetisch bedingte Vulnerabilitäten des Individuums, wie z.B. organische Defizite, ausgelöst. Oder aber es können andere Risikofaktoren wie eine psychische Störung einer nahen Bezugsperson die emotionsregulatorische Entwicklung beeinträchtigen. Cicchetti et al. (1991) verbinden aufgrund ihres entwicklungspsychologischen Hintergrundes biologische, neuronale und interaktionelle Aspekte, die bestimmend für die Herausbildung der Emotionsregulation seien. Die Autoren/in setzen zudem Emotionsregulation in Bezug zu einem Kontext und bewerten sie auch auf ihre Adaptivität hin. Jedoch machen die Autoren/in keine Angaben darüber, worauf sich die Bewertung eines Regulationsverhaltens als adaptiv bezieht. Ein weiterer Autor, der seine Forschung und Konzeption zu Emotionsregulation ebenfalls in einen entwicklungspsychologischen Kontext stellt, ist Masters (1991). Masters allerdings setzt seinen Schwerpunkt in der Definition von Emotionsregulation mehr als Cicchetti et al. (1991) darauf, dass Individuen mit der Regulierung von Emotionen nicht nur ihre eigenen Emotionen, sondern vor allem auch diejenigen der anderen Personen beeinflussen. Oft sei sogar die Beeinflussung der Gefühle von anderen Personen das erklärte Ziel in einer sozialen Interaktion. Die Regulierung der eigenen Emotionen läuft gemäss Masters (1991) im Inneren des Individuums ab. Dieser Vorgang muss von aussen nicht wahrgenommen werden und dient meist dazu, eigene Gefühlszustände im Voraus zu kontrollieren. Die Strategien, die in 24 THEORETISCHER TEIL diesem Bereich eingesetzt werden, liegen entweder auf der Verhaltens-, der kognitiven oder der physiologischen Ebene. Wenn aber Regulationsstrategien im sozialen Bereich eingesetzt werden, um den affektiven Zustand oder das daraus entstehende Verhalten des Gegenübers zu beeinflussen, liegen die eingesetzten Strategien vorwiegend auf der Verhaltensebene. Auch Masters (1991) ist wie Cicchetti et al. (1991) der Ansicht, dass sich die Regulation der Affekte sehr früh im Kindesalter entwickelt. Der Autor betont, dass Kinder ihre Regulationsstrategien rasch lernen, und dass sich das Repertoire der Strategien mit zunehmendem Alter nur wenig verändert. Die jeweiligen Veränderungen entsprechen den bedeutenden Schritten der Entwicklung des Kindes. So haben die Untersuchungen von Masters (1991) befunden, dass jüngere Kinder in der Interaktion eher materielle und physische Regulationsstrategien einsetzen. Die Strategien der älteren Kinder hingegen liegen eher auf der sozialen und verbalen Ebene. Grundsätzlich scheint gemäss Masters (1991) auch ein zentrales Ziel der Emotionsregulation darin zu liegen, positive wie auch negative Emotionen entweder hervorzurufen oder zu unterdrücken. Der Autor benennt drei unterschiedliche Arten von Emotionsregulation: Die wohl häufigste, die reaktive Weise, strebt an emotionale Reaktionen, die nach Ereignissen aufgetreten sind, zu beeinflussen. Als eine zweite Gruppe von Regulationsstrategien sind diejenigen Strategien zu nennen, die aktiv und bevor bewegende Ereignisse eintreten eingesetzt werden. Zum dritten gibt es die Regulationsmechanismen, wie z.B. positives Denken oder ein bestimmter Attributionsstil, die passiv ablaufen, bevor ein bewegendes Ereignis eingetreten ist. Diese passiv ablaufende Art von Regulation wird vom Autor eher als Charakterzug oder Verwundbarkeit des Individuums angesehen. In seiner Theorie zu Emotionsregulation legt Masters (1991) dar, dass mit Interventionen nicht nur die eigenen Emotionen, sondern vor allem auch diejenigen der anderen Personen beeinflusst werden sollen. Einen Schwerpunkt der Regulation setzt der Autor demnach auf ihre zentrale Funktion in der sozialen Interaktion. Masters (1991) geht zudem von adaptiven und maladaptiven Regulationsstrategien aus. Jedoch stellt der Autor kaum Bewertungskategorien auf, die eine genauere Beurteilung der Strategien auf ihre Adaptivität hin ermöglichen könnten. THEORETISCHER TEIL 25 Masters (1991) postuliert ausserdem, dass Emotionen an verschiedenen Punkten moduliert werden können. Regulationsstrategien werden also entweder eingesetzt bevor eine Emotion entstanden ist oder erst, nachdem sie sich voll ausgebildet hat. Gross (1998a, 1999a, 1999b) unterscheidet in seinem Prozessmodell zu Emotionsregulation ebenso wie Masters (1991) zwei unterschiedliche Zeitpunkte, während denen Emotionsregulation stattfinden kann. Regulationsstrategien können gemäss Gross entweder eingesetzt werden, bevor sich eine Emotion generiert hat. Oder aber sie kommen zum Tragen, nachdem sich eine Emotion voll ausgebildet hat. Nach den Befunden des Autors (Gross, 1998a, 1998b, 1999a, 1999b) kann sich Emotionsregulation auf fünf verschiedenen Ebenen abspielen. Vier Ebenen, auf die mit Regulationsstrategien eingewirkt werden kann, bieten die Möglichkeit, Emotionen zu beeinflussen, bevor sich diese richtig ausgebildet haben. Die fünfte Möglichkeit zur Regulation von Emotionen liegt darin, Reaktionen auf eine Emotion zu modulieren, nachdem sich die Emotion voll herauskristallisiert hat. Im Weiteren wird das Prozessmodell zu Emotionsregulation von Gross (1998a, 1999a, 1999b) dargestellt. Als erstes werden die vier Emotionsregulationsmöglichkeiten vor der Generierung einer Emotion beschrieben: a) (Aus)Wahl der Situation: Man wählt oder vermeidet gewisse Leute, Orte oder Objekte, um die eigenen Emotionen zu regulieren. b) Verändern der Situation: Es werden aktive Anstrengungen unternommen, die die Situation verändern, um so ein gewisses Gefühl zu regulieren. c) Fokussieren der Aufmerksamkeit in der Situation: Aufmerksamkeitsfokussierung ist eine der zentralen Regulationsstrategien und kann in drei Kategorien eingeteilt werden: Ablenkung, Konzentration oder Rumination. Durch Ablenkung wird die Aufmerksamkeit in der Situation auf emotional nicht belastende Aspekte gerichtet oder ganz davon weg gelenkt. Dies kann auch bedeuten, einen anderen internalen Fokus zu wählen. Bei der Konzentration werden alle verfügbaren kognitiven Ressourcen bezüglich eines Reizes in Anspruch genommen und eingesetzt. Oder aber die emotionalen Auslöser werden spezifisch angegangen, um sie zu bewältigen. In der Rumination erhält die Aufmerksamkeit ebenfalls eine Richtung. Sie kreist jedoch vor allem um die eigenen Gefühle und deren Konsequenzen. 26 THEORETISCHER TEIL d) Verändern der kognitiven Bedeutung: Wahrnehmungen werden (vor der Generierung von Emotionen) von Individuen beurteilt, die sie mit einer bestimmten Bedeutung füllen. Durch die Veränderung dieser Bedeutung können Emotionen reguliert werden. Dies kann z.B. zu Verleugnung oder Intellektualisierung führen oder aber auch eine Umbenennung von Zielen beinhalten. Als zweites wird die Emotionsregulationsmöglichkeit nach der Generierung einer Emotion aufgeführt: e) Reaktionsmodulierung: Es wird direkt auf die Verhaltens-, Erlebnis- oder physiologische Ebene Einfluss genommen, um Gefühle zu regulieren. Im Gegensatz zu den vorher genannten Strategien passiert diese Art von Regulation zu einem späten Zeitpunkt der Emotionsentwicklung, nämlich erst dann, wenn sich die Reaktionstendenzen schon abgezeichnet haben. Physiologische oder Erlebnis beeinflussende Regulation kann z.B. Drogenabusus, das Einsetzen von Entspannungsverfahren oder die Einnahme von Betablockern sein. Gross (1998b, 1999a, 1999b) postuliert mit diesem Modell ein Konzept von Emotionsregulation als einem Prozess. Der Autor geht davon aus, dass sich ein Gefühl über einen externen oder internen Reiz ankündigt, wodurch ein koordiniertes Set von Reaktionstendenzen auf der Verhaltens-, Erlebnis- und physiologischen Ebene auslöst wird. Diese Tendenzen sind es, die im Weiteren moduliert werden und schliesslich in eine manifeste emotionale Antwort münden. Die Regulationsprozesse laufen individuell unterschiedlich ab, da sie immer im Kontext der jeweiligen Person stehen und von deren Erleben abhängen. Emotionsregulation hat nach Gross (1998b, 1999a, 1999b) das Ziel, Emotionen entweder aufsteigen zu lassen, sie zu erhalten oder sie zurückzubilden. Zudem beeinflusst das Individuum mit den Regulationsprozessen, welche Emotionen es hat, wann es diese zulässt und wie es sie erlebt und ausdrückt. Emotionsregulation kann sich auf einer bewussten oder unbewussten Ebene abspielen. Diese Ebenen sind nicht klar voneinander abgrenzbar. Gross schlägt deshalb ein Kontinuum vor mit den folgenden Polen: kontrolliert, mit Anstrengung verbunden, bewusst bis hin zu automatisch, ohne Anstrengung verbunden, unbewusst. Ob Emotionsregulation stattfindet oder nicht, zeigt sich jeweils in Veränderungen in Bezug auf die Dauer oder Intensität auf der Verhaltens-, Erlebens- oder physiolo- THEORETISCHER TEIL 27 gischen Ebene. Auch auf der neuronalen Ebene finden dauernd kleinste Prozesse statt, die jedoch nicht die ganzen Regulationsprozesse abdecken, aber wiederum zur Entstehung von Emotionen mit anschliessender Regulation führen. In der Konsequenz bedeutet dies, dass kaum jemals Emotionen nicht reguliert werden. Befunde in Laborstudien mit gesunden Studentinnen haben gezeigt, dass ihr sympathisches, kardiovasculäres System auch dann reagiert, wenn sie den Ausdruck positiver oder negativer Emotionen zu unterdrücken versuchen (Gross & Levenson, 1997). Ähnlich wie Masters erachtet Gross (1998b, 1999a, 1999b) Emotionsregulation als einen Prozess, den Individuen nicht nur einsetzen, um ihre eigenen Emotionen zu regulieren, sondern mit dem sie auch die Emotionen von anderen Personen beeinflussen wollen. Jedoch setzt der Autor wenig Priorität auf diesen Aspekt. Als zentral erachtet Gross vor allem die Unterscheidung von Emotionsregulation bevor bzw. nachdem sich eine Emotion generiert hat (Gross, 1998a; Gross & Levenson, 1997). Gross ist einer der Autoren/innen, der Emotionsregulation nicht auf ihre Adaptivität bzw. Maladaptivität hin beurteilt. Es wird also von Gross keine Bewertung eingesetzt, sondern nur beurteilt, ob die angewandte Regulationsstrategie eine Veränderung der Emotion bewirkt hat oder nicht (Gross, 1998b, 1999a, 1999b). Die Forschung von Lazarus zu Coping (1993a, 1993b) kann als ein Ansatz von Emotionsregulation angesehen werden, dessen Blickwinkel eher auf das Individuum ausgerichtet ist. Diesen Autor interessiert vor allem, wie die Copingprozesse beim Individuum ablaufen. Weniger Priorität hat indes bei Lazarus (1993a, 1993b) die Frage, ob und wie Individuen mit Coping die Emotionen des Gegenübers beeinflussen. Lazarus betont, dass Coping ein Prozess ist, der sich kontinuierlich verändert und deshalb eine hohe Flexibilität des Individuums erfordert. Zudem geht der Autor in seinem Ansatz davon aus, dass Coping immer in einem Kontext steht und auch dahingehend beurteilt werden soll. Im Weiteren prüft Lazarus (1993a, 1993b) Coping auf seine Adaptivität bzw. Maladaptivität hin und legt die Beurteilungskriterien für diese Prüfung auf einer generellen Ebene fest. Lazarus hat einen verhaltenstherapeutisch-kognitiven Hintergrund, der sich auch in seinen Analysen zu Coping wieder findet. 28 THEORETISCHER TEIL Lazarus (1993a, 1993b) definiert Coping als einen Prozess, der eingesetzt wird, um mit psychologischem Stress umzugehen. Psychologischer Stress zentriert sich gemäss Lazarus (1993b) eher auf negative Emotionen und stellt insofern einen Aspekt der Bandbreite der erlebbaren Emotionen dar. Der prozessorientierte Ansatz des Autors (Lazarus, 1993a) beinhaltet als zentrale Annahme, dass sich Coping über die Zeit hinweg und abhängig von der jeweiligen Situation, in der es eingesetzt wird, kontinuierlich verändert. Lazarus benennt fünf metatheoretische Prinzipien, die diesen prozessorientierten Ansatz näher umschreiben: In einem ersten Prinzip sagt der Autor (Lazarus, 1993a), dass Copinggedanken und Copinghandlungen, die unter Stress erfolgen, getrennt vom Resultat auf ihre Adaptivität hin beurteilt werden müssen. Das bedeutet, dass es nicht generell gute oder schlechte Copingprozesse gibt. Vielmehr ist die Adaptivität von Coping jeweils von verschiedenen Faktoren abhängig, wie z.B. von der Person oder der spezifischen Herausforderung, die gemeistert werden muss. Das zweite Prinzip beinhaltet gemäss Lazarus (1993a), dass Coping immer abhängig ist vom jeweiligen Kontext, in dem es eingesetzt wird. Dies hat zur Konsequenz, dass sich Coping parallel zum Kontext ebenfalls immer wieder verändert. So können z.B. Reize, die von einem Individuum zu einem bestimmten Zeitpunkt als bedrohlich erlebt werden, zu einem anderen Zeitpunkt leichter bewältigbar erscheinen. In einem dritten Prinzip betont Lazarus, dass es wichtig sei zu eruieren, was Personen denken und tun, wenn sie mit psychologischem Stress umgehen müssen. Diese Gedanken und das Verhalten sollen zudem über mehrere Zeitpunkte hinweg und in Bezug auf mehrere Situationen beobachtet werden. Erst dann sei es möglich, generellere Aussagen darüber zu machen, wie sich das Coping einer Person über die Zeit hinweg sowie in verschiedenen Situationen gestaltet. Im vierten Prinzip definiert Lazarus (1993a) den Begriff Coping: Von seinem prozessorientierten Standpunkt her beurteilt er Coping als die Anstrengungen einer Person, die diese auf kognitiver Ebene und auf der Verhaltensebene macht, um psychologischem Stress zu begegnen. So gesehen sagt Coping noch nichts darüber aus, welche Auswirkung es auf das Resultat hat bzw. ob dieser Prozess adaptiv oder maladaptiv ist. Um die Adaptivität von Coping einschätzen zu können, müssen spezielle Beurteilungsdimensionen aufgestellt werden. Nach Lazarus kann man THEORETISCHER TEIL 29 z.B. die Adaptivität von Coping daran messen, ob sich eine Verbesserung der Stimmung, der physischen Gesundheit oder des sozialen Funktionierens einstellt. In einem letzten Prinzip legt Lazarus (1993a) die zentrale Unterscheidung von problemfokussiertem und emotionsfokussiertem Coping fest. Problemfokussiertes Coping wird angewandt, um bei Problemen mit der Umwelt im weiteren Sinne zu einer Lösung zu gelangen. Entweder kann versucht werden, mit Handlungen auf die Umgebung einzuwirken oder bei sich selber etwas zu verändern. Emotionsfokussiertes Coping hingegen wird eingesetzt, um nachfolgende eigene negative Emotionen zu verringern, die aus einer Person-Umweltkonstellation resultieren. Beide dieser Formen von Coping können als Strategien sehr hilfreich sein. Die Theorie der emotionalen Kontrollprozesse von Horowitz und Znoj (1999) beleuchtet die Thematik der Emotionsregulation aus einem bisher noch nicht benannten Blickwinkel. Mit diesem Ansatz entwickelten die Autoren ein Konzept in Bezug auf die habituellen emotionalen Kontrollprozesse, das sich als Therapieschulen übergreifend versteht. Horowitz und Znoj (1999) verbinden in diesem Ansatz einerseits das psychoanalytisch orientierte Konzept der Abwehrmechanismen, das besagt, dass mit diesen Mechanismen das „Ich“ die Bedürfnisse des „Es“ mit den Verfügungen des „Über-Ich“ zusammenbringt. Diese Abwehrmechanismen können als Kontrolle von Emotionen interpretiert werden. Andererseits wird im Ansatz von Horowitz und Znoj (1999) das kognitiv orientierte Konzept der Informationsverarbeitung zur Kontrolle von Emotionen einbezogen. Die Autoren stellen im Weiteren ein Klassifikationssystem für den klinischen Alltag auf, mit dem die emotionalen Kontrollprozesse operationalisiert werden können. Als emotionale Kontrollprozesse definieren die Autoren die Regulationsmechanismen, die eingesetzt werden, um unbewusst bzw. bewusst erlebte oder antizipierte übermässige Gefühle zu verändern (Horowitz & Znoj, 1999). Die Klassifizierung der emotionalen Kontrollprozesse basiert auf folgendem theoretischem Hintergrund (Horowitz & Znoj, 1999; Znoj, 2000b): Auslöser dafür, dass Emotionen kontrolliert werden müssen, sind normalerweise Themen, die schwer zu verarbeiten sind. Oft liegt die Schwierigkeit zur Verarbeitung darin, dass die Themen nicht mit den kognitiven Schemata von Personen übereinstimmen. In der Folge kann es bei Personen zu einer Dissonanz zwischen einer Interpretation eines internalen oder externalen Reizes und einem bestimmten kognitiven Schema kommen. Diese Dissonanz löst eine negative Emotion aus, die wiederum motiviert, die Aufmerksamkeit 30 THEORETISCHER TEIL auf den Widerspruch zu richten, um ihn zu lösen. Informationsverarbeitungsprozesse unterstützen also Personen darin, vom Zustand der Dissonanz und den dadurch ausgelösten oder antizipierten übermässigen Emotionen wieder in ein Gleichgewicht zu gelangen. Zudem gehen Horowitz und Znoj (1999) davon aus, dass auf kognitiver Ebene ein parallel verarbeitendes Netzwerk vorhanden ist. Dieses tritt in Kraft, sobald zu einem Thema gleichzeitig Anforderungen auf verschiedenen Ebenen bewältigt werden sollen. Um eine Überforderung des Netzwerks zu verhindern, wird ein Regulationsmechanismus aktiviert, der wieder ein Gleichgewicht zwischen der Kapazität von Input und Verarbeitung herstellt (Znoj, 2000b). Emotionale Kontrollprozesse werden nach Horowitz und Znoj (1999) zum einen in Bezug auf Themen und Inhalte von Gedanken oder Mitteilungen eingesetzt. Als zweites können Regulationsprozesse angewandt werden, um die Form von Gedanken und Mitteilungen zu kontrollieren. Als drittes seien die Strategien genannt, mit denen man entweder das Selbstbild oder die Sicht in Bezug auf das Gegenüber beeinflusst. Emotionale Kontrollprozesse wirken gemäss der Autoren auf verschiedenen Bewusstseinsebenen. Die Regulationsmechanismen laufen bewusst oder eher unbewusst ab und werden gezielt oder eher automatisch eingesetzt. Sie können immer jeweils einen adaptiven oder einen maladaptiven Ausdruck sowie sogar ein Scheitern der Regulation beinhalten. Zudem kann jeweils zwischen einer intrapsychischen und einer interpersonellen Komponente unterschieden werden. Am Beispiel des Umgangs mit einem wichtigen Thema soll ein Eindruck über das Klassifizierungssystem von Horowitz und Znoj (1999) mit seinen Vorschlägen zur Operationalisierung vermittelt werden. Diejenigen Kontrollprozesse, die Themen oder Inhalte von Gedanken und Mitteilungen beeinflussen, sind dem Bewusstsein am zugänglichsten. Sie haben die Funktion, die mit den Gedanken verbundenen emotionalen Zustände nicht übermässig werden lassen. Wie oben erwähnt, enthält das Klassifikationssystem jeweils einen Vorschlag für die intrapsychische und für die interpersonelle Komponente des emotionalen Kontrollprozesses. Zudem finden sich darin immer eine adaptive oder maladaptive Form und ein Scheitern des emotionalen Kontrollprozesses. In der adaptiven Weise zeigt sich im Umgang mit einem wichtigen Thema intrapsychisch insofern ein Gleichgewicht, als dass man über das Thema nachden- THEORETISCHER TEIL 31 ken und sich auch wieder davon lösen kann. In der maladaptiven Version hingegen werden wichtige Punkte des Themas nicht genau geprüft. Das Scheitern der emotionalen Kontrolle bringt zudem die Überflutung durch ein emotionales Thema mit sich. Von der interpersonellen Seite her betrachtet resultiert ein adaptives Muster darin, dass ein belastendes Thema mit einer anderen Person so besprochen wird, dass beide die dadurch ausgelösten Emotionen oder Konflikte aushalten können. Die maladaptive Art zeigt sich darin, dass jemand entweder auf eine störende Weise nur auf sich bezogen ist oder sich sehr dem Gegenüber anpasst. Das Scheitern der emotionalen Kontrolle erfolgt in einem plötzlichen Eintauchen in ein emotional überflutendes Thema. Diesbezüglich werden Empfehlungen zur Operationalisierung von emotionalen Kontrollprozessen gemacht, die die Form von Gedanken und Mitteilungen bzw. die Schemata zur Person betreffen. Eine bestimmte Richtung hat in der Forschung zur Emotionsregulation zunehmend an Bedeutung gewonnen: Die Forscher/innen dieser Richtung begreifen Emotionsregulation nicht nur als Fähigkeit, das emotionale Erleben und den emotionalen Ausdruck zu kontrollieren (Gratz & Roemer, 2004; Greenberg & Paivio, 2000; Linehan, 1993a, 1996a). Sie ergänzen den Diskurs der Emotionsregulation um einen zusätzlichen Faktor. Die Autoren/innen fügen an, dass die zentrale Voraussetzung für eine gelungene Emotionsregulation im Wahr- und Ernstnehmen der eigenen Emotionen liegt. Erst dann sei die Grundlage dafür gegeben, dass Emotionen adaptiv und konstruktiv reguliert werden können. So betont Linehan (1993a, 1996a) zwei verschiedene Fähigkeiten, die zur Regulation und Modulation von Emotionen grundlegend nötig sind: Einerseits erachtet sie es als notwendig, dass Personen lernen, ihre einzelnen Gefühle wahrzunehmen, zu erkennen und zu benennen. Andererseits aber sollen Individuen auch daran arbeiten, diejenigen emotionalen Reize zu reduzieren, die weitere negative Gefühle aktivieren. Sobald aber eine intensive Emotion aktiviert ist, bedeutet eine adaptive Emotionsregulation für Linehan, dass das Individuum in der Lage sein muss, die dazugehörigen Bilder, Bewertungen, Erwartungen und Handlungen zu hemmen oder umzulenken. Um Personen darin zu unterstützen, diese Fähigkeiten zu erlangen, setzen Linehan (1993a, 1993b, 1996a, 1996b) und andere (z.B. Fruzzetti, 2002) in ihrer klinischen Arbeit folgende Schwerpunkte in Bezug auf die Emotionsregulation: Das Individuum soll lernen, unangemessenes oder impulsives Verhalten als direkte Folge starker emotionaler Reize zu unterdrücken. Stattdessen muss es 32 THEORETISCHER TEIL geordnete Schritte erarbeiten, um ein wichtiges Ziel unabhängig von der jeweiligen Stimmung erreichen zu können. Im Weiteren erachten die Autoren/in es als nötig, dass Individuen ihre physiologische Erregung selber regulieren können, die mit einem intensiven Affekt einhergeht. Zudem sollen sie die Aufmerksamkeit trotz und während dem Erleben von starken Emotionen bewusst anderen Dingen zuwenden können. Gratz und Roemer (2004) schlagen ebenfalls ein integratives Emotionsregulationskonzept vor, das nicht nur die Modulierung des aufsteigenden Gefühls enthält, sondern verschiedene andere Aspekte mit einbezieht. Einen Schwerpunkt für eine adaptive Regulation sehen auch diese Autorinnen im Wahrnehmen, Verstehen und Annehmen des eigenen Gefühls. Sie erachten es im Weiteren als notwendig, impulsives Verhalten kontrollieren und Ziele verfolgen zu können, auch wenn negative Gefühle erwartet werden. Zudem verlangen die Autorinnen die Fähigkeit, Regulationsstrategien einzusetzen, die der Situation angemessen sind. Am deutlichsten jedoch formulieren Greenberg und Paivio (2000), dass das Wahrnehmen und Vertrauen auf die eigenen Gefühle eine zentrale Bedeutung für eine gesunde und adaptive Emotionsregulation hat. Die Autoren/innen betonen, dass Emotionen grundsätzlich adaptiv sind. Emotionen vermitteln den Menschen Informationen über ihre Reaktionen auf Situationen und über ihr Erleben. Zentral sei zudem, dass Emotionen ein subjektives Empfinden darstellen und nicht gleichzusetzen seien mit einem gegen aussen gerichteten Verhalten. Wie Cicchetti et al. (1991) sind auch Greenberg und Paivio (2000) der Ansicht, dass sich Emotionen und die Emotionsregulation von Geburt des Kindes an im Austausch mit den nahen Bezugspersonen entwickeln. Eine zentrale Fähigkeit, die es während dieser Entwicklung zu erlernen gilt, ist sich selber beruhigen sowie sich Hilfe von anderen holen zu können. Eine reife Emotionsregulation im Erwachsenenalter ist nach Meinung der Autoren/in gegeben, wenn es Menschen gelingt, ihre inneren emotionalen Zustände zu regulieren und ihnen auf eine komplexe und produktive Art einen Ausdruck zu geben. Weder Impulsivität noch eine zu ausgeprägte Kontrolle über den emotionalen Ausdruck bezeichnen Greenberg und Paivio (2000) als konstruktiv. Die Adaptivität einer Emotionsregulation messen die Autoren/in (Greenberg & Paivio, 2000) an der Fähigkeit des Individuums, auswählen zu können, ob und wann THEORETISCHER TEIL 33 es eine Emotion ausdrücken will bzw. soll oder nicht. Ein weiterer Indikator für Adaptivität liege zudem in einem Gleichgewicht zwischen Emotion und Vernunft. Die Emotion ist wegweisend dafür, Individuen zu vermitteln, wodurch sie berührt werden und zeigt ihnen auf, dass ein bestimmtes Thema angegangen werden soll. Die Vernunft hingegen hilft, diesem Erleben eine Bedeutung zu geben sowie die geeigneten Mittel dafür zu finden, die daraus folgenden Bedürfnisse zu befriedigen. 2.1.5 Emotionsregulation bei klinischen Stichproben Obwohl bei vielen psychischen Störungen und in allen Persönlichkeitsstörungen eine Dysfunktion in der Emotionsregulation zu finden ist (Greenberg, 2000; Gross, 1999b; Gross & Levenson, 1997), gibt es zurzeit nur wenige Studien, die diese Frage sowohl bei klinischen Stichproben und noch dazu störungsspezifisch geprüft haben. Dennoch sind einige Studien zu nennen, bei denen untersucht wurde, inwieweit sich die Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung von der von Patienten/innen mit anderen psychischen Störungen unterscheidet. Aufgrund ihrer Untersuchungen gehen Magai und Hunziker (1998) davon aus, dass wiederholte und zentrale emotionale Erlebnisse der frühen Kindheit, aber auch der späteren Entwicklung emotionale Charakterzüge oder affektive Fehlleistungen produzieren. Diese wiederum haben einen Einfluss auf die Emotionsregulation und die zwischenmenschlichen Beziehungen im Erwachsenenalter. Anhand verschiedener Symptome der Borderlinestörung zeigen die Autorinnen diese Verbindungen auf: Ein ambivalenter Bindungsstil, wie er in Familien von Borderliner/innen oft auftritt, führe dazu, dass die Betroffenen speziell sensitiv im Erkennen von schwierigen Erlebnissen sind, schneller als andere gestresst sind und diesen Stress auf eine weniger modulierte Art als andere ausdrücken. Ein zweites Symptom, die Tendenz zur Dissoziation, erklären Magai und Hunziker (1998) damit, dass Patienten/innen mit einer Borderlinestörung in ihrer Kindheit und/oder Jugend oft sexueller oder physischer Gewalt ausgesetzt sind. Diese Erfahrungen tragen dazu bei, dass die Patienten/innen keine ganzheitliche Identität entwickeln konnten und ein negatives Bild von sich selbst internalisiert haben. Wenn bei ihnen Gefühle auftauchen, die an frühere Erlebnisse erinnern und zu übermächtig werden, spalten sie diese Gefühle mit dissoziativem Verhalten ab. Ein drittes Symptom, ausgeprägte Wut und starker Ärger, wird durch die permanente, tagtägliche Aktivierung von Scham herausgebildet und erzeugt mit der Zeit 34 THEORETISCHER TEIL ein internalisiertes Gefühl von Unterlegenheit und Unsicherheit. Dies führt nach Meinung der Autorinnen (Magai & Hunziker, 1998) einerseits dazu, dass die Grenzen des Individuums verwischt werden. Andererseits aber wird ein sekundäres Gefühl von Wut oder Ärger eingesetzt, um der Hilflosigkeit zu entfliehen. Westen (1998) beschreibt das emotionale Erleben und die Emotionsregulation von Patienten/innen mit einer Borderlinestörung im Vergleich zu solchen, die eine dysthyme Störung aufweisen: Patienten/innen mit einer Borderlinestörung tendieren dazu, ihre Gefühle mit einem manifesten Verhalten wie z.B. Selbstverletzungen, Drogenabusus oder Vermeiden durch restriktives Verhalten sowie zuviel Schlaf zu regulieren. Sie zeigen zudem in Stresssituationen einen Hang zu Dissoziation oder Verallgemeinerungen im Denken. Menschen mit einer dysthymen Störung hingegen richten ihren Ärger vorwiegend gegen sich selbst, ihr Denken dreht sich um negative Erlebnisse oder sie reagieren passiv, wenn sie eigentlich offensiver sein müssten. Ebenfalls unterscheiden sich diese beiden Patienten/innengruppen in ihrem emotionalen Erleben (Westen, 1998): Menschen mit einer Borderlinestörung bezeichnen ihre Gefühle als intensiv, unerfreulich und als von „irgendwoher auftauchend“. Zudem treten bei diesen Patienten/innen hauptsächlich Gefühle von Leere, Einsamkeit, zurückgewiesen werden oder diffuse, negative Affekte auf. Bei Personen mit einer dysthymen Störung sind hingegen häufig Gefühle von Schuld, Reue, Scham, Verlegenheit, ungenügend sein und Scheitern vorherrschend. Herpertz et al. (1998) führten eine experimentelle Untersuchung mit Patientinnen mit einer Borderlinestörung und einem impulsiven Verhaltensmuster durch, um Erkenntnisse in Bezug auf die Dysfunktion der Affektregulation zu erhalten. Als Kontrollgruppe diente eine Gruppe von Psychotherapiepatientinnen, die kein impulsives Verhalten aufwiesen. Zudem gab es in der Untersuchung eine weitere Kontrollgruppe von gesunden Personen. Herpertz et al. (1998) kamen zum Schluss, dass Patientinnen mit der Diagnose einer Borderlinestörung im Gegensatz zu den Kontrollgruppen eine erhöhte Intensität des affektiven Reagierens in Bezug auf emotionale Reize aufwiesen. Auch der Wechsel in der Intensität des Affekterlebens war ausgeprägter und schien im Zusammenhang mit auslösenden Reizen zu stehen. Die Reize waren jeweils unauffälliger und schwächer als man bei den starken emotionalen Erregungen annehmen würde, die die Patientinnen offenbarten. Zudem THEORETISCHER TEIL 35 zeigten die Patientinnen mit einer Borderlinestörung eine spezielle Offenheit und Sensibilität gegenüber Reizen ihrer Umwelt, wie sie in der Literatur von Linehan (1993a, 1993b, 1996a, 1996b) beschrieben werden. Greenberg (2000, 2004) stellt die Emotionsregulation bei Patienten/innen mit verschiedenen Störungen in einer allgemeineren Herangehensweise dar. Der Autor unterscheidet bei klinischen Stichproben in Bezug auf die Emotionsregulation zwei Kategorien von Problemen. Diese repräsentieren sich in unterschiedlichen Themen und verlangen nach einer unterschiedlichen Behandlung: Die Personen der einen Kategorie leiden an einer emotionalen Unterregulierung. Sie erleben ein Übermass an negativen intensiven Emotionen, die u. a. durch massive Signale aus der Amygdala gespeist werden. Diese Personen können in der Folge ihre Emotionen nicht oder ungenügend regulieren. Als Beispiele können die Angst bei Panikanfällen oder die Wut bei der Borderlinestörung genannt werden. Diese Menschen müssen also lernen, ihre Impulsivität zu zügeln und sich selber zu beruhigen. Der anderen Kategorie, der z.B. Menschen mit einem depressiven Störungsbild zuzuordnen sind, gehören die so genannt emotional überregulierten Personen an. Die Personen haben Schwierigkeiten, schmerzliche emotionale Erfahrungen überhaupt zuzulassen. Sie nehmen ihre Gefühle oft nur vermindert wahr, vermeiden Affekte und sind in ihrer emotionalen Ausdrucksfähigkeit eingeschränkt. Diese Personen sollen darin unterstützt werden, ihre Gefühle zuzulassen, sie auszuhalten und zu leben sowie sie auszudrücken. Im Weiteren sollen zwei Forschungen aufgeführt werden, die die Emotionsregulation von Patienten/innen mit anderen Achse-I Störungen untersucht haben. Mennin (2004) weist auf Befunde von Personen mit einer generalisierten Angststörung hin, die aufzeigen, dass diese Personen einen höheren Level an Intensität im emotionalen Erleben als die Kontrollgruppe von Personen ohne Angststörung haben. Zudem weisen laut diesen Befunden (Mennin, 2004) die ängstlichen Personen Schwierigkeiten darin auf, ihre Gefühle zu identifizieren und zu beschreiben. Es fällt ihnen schwer, Angst, Traurigkeit, Ärger, aber auch positive Emotionen anzunehmen. Im Gegensatz zur Kontrollgruppe sind die Personen mit einer generalisierten Angststörung stärker im negativen, nicht aber im positiven emotionalen Ausdruck. Sie können sich ausserdem beim Erleben von negativen Gefühlen weni- 36 THEORETISCHER TEIL ger gut selber beruhigen. Im Weiteren fällt es den ängstlichen Personen schwerer ihre negativen Gefühle anzunehmen. Sie haben weniger Klarheit über die Entstehung ihrer Emotionen und gehen rascher davon aus, dass sie ihre Stimmung selbst nicht verändern können. Die Resultate in der Studie von Rottenberg und Mitarbeitern/in (Rottenberg, Kasch, Gross & Gotlib, 2002), die sie mit Patient/innen mit einer unipolaren depressiven Störung und einer Kontrollgruppe von gesunden Personen durchführten, wiesen ebenfalls einen Unterschied in der Emotionsregulation auf. Die depressiven Personen zeigten zwar mehr Traurigkeit in Bezug auf neutrale Reize, hingegen aber weniger Reaktion auf objektiv traurige Reize. Zudem brachten sie bei unterhaltsamen Inputs weniger Belustigung zum Ausdruck als die Kontrollgruppe. Dies führt zu der Annahme, dass sowohl positive wie auch negative Emotionen bei depressiven Personen unabhängiger vom Kontext auftreten als dies bei Gesunden der Fall ist. 2.1.6 Messmittel zur Erfassung von Emotionsregulation Die meisten Messmittel, die zur Beurteilung der Emotionsregulation existieren, sind in englischer Sprache abgefasst und können deshalb im deutschen Sprachraum nur bedingt eingesetzt werden. Trotzdem sollen einige von ihnen kurz erwähnt werden: Im amerikanischen Sprachraum scheint die Generalized Expectancy for Negative Mood Regulation-Skala (NMR) von Catanzaro und Mearns (1990) das bekannteste Messmittel zur Emotionsregulation zu sein. Es soll die „generalized expectancies“ erfassen, die von den Autoren als eine individuell unterschiedliche Zuversicht in die eigene Fähigkeit definiert wird, negative Gefühlszustände beenden oder lindern zu können (Catanzaro & Mearns, 1990; Catanzaro & Mearns, 1999). Dieser Glauben in die eigene Fähigkeit gibt im Weiteren Hinweise darauf, wie Menschen Problemen in ihrem Leben begegnen und wie effektiv ihre Bewältigungsstrategien sind. Der Selbstbeurteilungsfragebogen hat in verschiedenen Befunden eine hohe interne Konsistenz ausgewiesen (Catanzaro & Mearns, 1999). Gratz und Roemer (2004) beschreiben den Fragebogen dahingehend, dass manche Items bestimmten Emotionsregulationsstrategien entsprächen, die Personen einsetzten, um ihre emotionale Erregung zu modulieren. Zudem würden sich die Items eher auf das emotionale Vermeiden beziehen anstatt auf eine adäquate Emotionsregulation. Die Autorinnen kritisieren, dass dem Messmittel von Catanzaro und Mearns (1990, 1999) das Kon- THEORETISCHER TEIL 37 zept von Emotionsregulation als adaptiver Strategie ungeachtet des Kontextes zugrunde liegt, halten ihm aber zugute, dass es Strategien erfassen soll, die als wirksam angesehen werden. Der Affect Regulation and Experience Q-Sort (AREQ) ist ein Fremdbeurteilungsinventar und wurde von Westen und seiner Arbeitsgruppe (Westen, Muderrisoglu, Fowler, Shedler & Koren, 1997) entwickelt. Der AREQ stellt ein Beurteilungsinstrument dar, das verschiedene Typen von Affekten und Intensitäten sowie die eingesetzten Regulationsstrategien erfassen soll, die Individuen chronisch erleben. Das Instrument enthält 96 Items, die sich in sechs Subskalen aufteilen. Drei Subskalen („socialized negative affect“, „positive affect“ und „intense negative effect“) repräsentieren den Bereich des affektiven Erlebens. Die drei restlichen („adaptive regulation“, „externalizing defenses“ und „avoidant defenses“) beschreiben verschiedene Arten von Regulationsstrategien. Die Trait Meta-Mood Skala (TMMS), die von Salovey, Mayer, Goldman, Turvey und Palfai vorgestellt wurde, ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen. Die TMMS (Salovey, Mayer, Goldman, Turvey & Palfai, 1995) misst die emotionale Intelligenz, indem sie die individuellen Unterschiede der Fähigkeiten von Personen aufzeigt, über ihre Emotionen nachzudenken und sie zu bewältigen. Die 30 Items resultieren in drei Subskalen, die die Aufmerksamkeit für die eigenen Gefühle, die Klarheit über die Gefühle und die Verbesserung der Stimmung beinhalten. Gratz und Roemer (2004) konstruierten einen Selbstbeurteilungsfragebogen, der Schwierigkeiten in Bezug auf die Emotionsregulation erfassen soll (Difficulties in Emotion Regulation Scale, DERS). Das Messmittel wurde einer grösseren Stichprobe von Studenten/innen vorgelegt und danach ausgewertet. Aus 36 Items bildeten sich sechs Skalen heraus, die verschiedene Aspekte der Emotionsregulation repräsentieren. Diese haben folgende Inhalte: Das Auflehnen gegen eigene Reaktionen auf Kummer sowie die Entwicklung von Sekundäremotionen (nonacceptance), Schwierigkeiten im zielgerichteten Handeln (goals), mangelnde Impulskontrolle (impulse), eine fehlende emotionale Bewusstheit (awareness), eingeschränkte Regulationsstrategien (strategies) und ein Defizit, die eigenen Gefühle zu erkennen und einzuordnen (clarity). Erste Berechnungen erzielten gute psychometrische Kennwerte. 38 THEORETISCHER TEIL Der Fragebogen zur Emotionsregulation (EMOREG) ist das einzige Selbstbeur- teilungsmessmittel, das in die deutsche Sprache übersetzt, zurzeit zur Verfügung steht (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj, Sundin, Maercker & Horowitz, 2000). Der EMOREG soll hier ausführlicher beschrieben werden, weil er für die Konstruktion des unten beschriebenen EMOREG-B eine wichtige Orientierung darstellt. Das Messmittel lehnt sich einerseits an die Informationsverarbeitungstheorie bei stressreichen Ereignissen von Horowitz (1986) an. Diese Theorie besagt, dass stressvolle Lebensereignisse eine Herausforderung für Menschen darstellen, weil sie neue Informationen beinhalten (Horowitz, 1986; Znoj, 2000b). Diese sollen möglichst durch einen graduellen Zugang mit defensiven Phasen in die Schemastruktur integriert werden. Andererseits baut das Messmittel auf der Kontrollprozesstheorie auf, wonach bei einer Überlastung des kognitiv-emotional-neuronalen Netzwerks so genannte Filterelemente, vorwiegend auf der Verhaltensebene, eingesetzt werden. Diese sollen gewährleisten, dass die Kapazität von Information und Verarbeitung in einem Gleichgewicht gehalten wird. Es können auch so genannte consistency safeguards auftreten, wie z.B. das Ignorieren von Tatsachen oder kognitive Verzerrungen, mit dem Ziel sich zu schützen und so mit schwierigen Ereignissen umzugehen (Znoj & Grawe, 2000). Der EMOREG vermittelt in seiner Endfassung Informationen darüber wie Personen, die überwältigenden Gefühlen ausgesetzt sind, diese regulieren. Das Messmittel konstituiert sich als Selbstbeurteilungsfragebogen mit 26 Items, die auf einer sechsstufigen Likertskala von den Extrempolen „stimmt überhaupt nicht“ bis zu „stimmt genau“ eingeschätzt werden sollen. Die Einleitung des Fragebogens lautet: „Jeder der folgenden Sätze schildert Wege und Strategien, die Menschen im Umgang mit stärksten Gefühlen und Erinnerungen (auch Phantasien) als Folgen von massiven Verletzungen, Verlusten, Terror und Missbrauch angewandt und beschrieben haben. Bitte geben Sie im folgenden an, inwieweit diese Sätze Ihrer Erfahrung gemäss auf Sie selbst zutreffen (nicht was Sie denken, dass man in solchen Fällen tun sollte). Falls eine Strategie immer auf Sie zutrifft, kreuzen Sie bitte die sechs (6) an, falls sie überhaupt nicht zutrifft die eins (1). Wenn Sie Ihre Antwort irgendwo zwischen diesen beiden Extrempolen sehen, kreuzen Sie einfach die Zahl (2, 3, 4, 5) an, die Ihrer Beurteilung am besten entspricht.“ THEORETISCHER TEIL 39 In Anlehnung an das operationalisierte Konzept von Horowitz und Mitarbeitern (Horowitz, Znoj & Stinson, 1996) eruiert der Fragebogen vier verschiedene Dimensionen von Gefühlsregulation: Zwei von ihnen stellen eine adaptive Form von Regulation dar (Autokontrolle und Ausdruck). Die beiden anderen Skalen hingegen zeigen maladaptive Verhaltensmuster (Vermeiden und kognitiv Verzerren) auf. Das Messmittel wurde nach einer ersten englischsprachigen Version (Znoj et al., 2000), die an einer kombinierten Stichprobe von Trauernden und Studenten/innen überprüft wurde, weiterentwickelt und in die deutsche Sprache übersetzt (Znoj, 2000b). Der EMOREG wurde einerseits bei Stichproben in der Normalbevölkerung eingesetzt. Andererseits wurde er auch verwendet bei Menschen mit psychischen Problemen oder bei Personen, die mit einschneidenden Lebensereignissen konfrontiert waren. Der Fragebogen erwies sich bisher sensibel für die Erfassung von Therapieveränderungen (Znoj, 2002) und kann als ein praxisrelevantes Messinstrument angesehen werden. 2.2 Grundlagen zur Borderlinestörung 2.2.1 Diagnosekriterien und Symptomatik der Borderlinestörung Das Konzept der Borderlinestörung wurde im psychopathologischen Bereich erstmals 1980 mit acht möglichen Kriterien formalisiert (APA, 1980). Dieses Konzept wurde durch die American Psychiatric Asssociation 1980 im Diagnostischen und Statistischen Manual für Psychische Störungen (DSM-III) aufgenommen und im DSM-IV (APA, 1994, 1996) um ein neues Kriterium erweitert. Um die Diagnose einer Borderlinestörung zu erhalten, müssen mindestens fünf der neun nachfolgend genannten Kriterien erfüllt sein. In der klinischen Praxis zeigt die Symptomatik verschiedene Ausdrucksformen und unterschiedliche Ausprägungen. Die einzelnen Kriterien sollen hier aufgeführt und die Vielfältigkeit ihrer Erscheinungsformen näher beschrieben werden. Die Beschreibungen basieren vorwiegend auf wissenschaftlichen Befunden und enthalten zudem Aussagen von Patienten/innen: 1. Verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder eingebildetes Verlassenwerden zu vermeiden Wie Studien zeigen haben Menschen mit einer Borderline-Struktur in ihrer Kindheit öfter als andere die Erfahrung gemacht, dass sie nahe Bezugspersonen durch Tod oder Scheidung verloren haben (Linehan, 1996a). Zudem haben sie öfter 40 THEORETISCHER TEIL erlebt, dass diese ihnen gegenüber in ihrem Beziehungsverhalten nicht kontinuierlich und verlässlich waren. Als Beispiel kann hier die Konstellation einer Mutter angeführt werden, die, bedingt durch ihre depressive Störung, nur phasenweise Nähe und Geborgenheit bieten konnte, und einem Vater, der als Zweitbezugsperson abwesend oder schwach präsent war. Vor dem Hintergrund ihrer Biographie bemühen sich Menschen mit einer Borderlinestörung meist sehr darum, nahe Beziehungen zu Partner/innen oder Freunden/innen auf jeden Fall zu erhalten, auch wenn diese für sie gar nicht mehr hilfreich sind. Teilweise weisen die Beziehungen von Betroffenen sogar ein missbräuchliches Muster auf, das ihnen schadet und sie in ihrer eigenen Entwicklung behindert. Laut den Befunden von Conklin und Westen (2005) geben mindestens 40% der Befragten an, in ihren Beziehungen ausgebeutet worden zu sein. Trennungssituationen provozieren nicht selten bei Menschen mit einer Borderlinestörung parasuizidales Verhalten oder eine akute Suizidalität. Zudem empfinden viele das Alleinsein, auch wenn es nur eine bestimmte Dauer hat, teilweise als eine immerwährende Isolation, in der das Gefühl für die eigene Existenz oder das Lebendigsein verloren geht (Sender, 2000). 2. Ein Muster instabiler und intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist Dieses Muster zeigt sich in der Praxis oft dahingehend, dass Menschen mit einer Borderlinestörung einerseits sehr enge und emotional intensive Beziehungen zu anderen eingehen, andererseits aber grosse Angst davor haben, von ihnen vereinnahmt zu werden. Die Instabilität kann sich auch darin äussern, dass die Betroffenen rasch Kontakt mit anderen Menschen aufnehmen und Nähe herstellen. Ausserdem können sie viel Engagement in die Beziehung investieren, jedoch aber plötzlich durch eine banale Aussage eines Gegenübers sehr enttäuscht oder verletzt sein. In der Folge werten sie das Gegenüber ab oder machen ihm schwere Vorhaltungen. Nicht selten kommt es daraufhin auch zu den bekannten Beziehungsabbrüchen. 3. Identitätsstörung: Ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung Viele Menschen mit einer Borderlinestörung äussern immer wieder, nicht zu wissen, wer sie seien, kaum Zugang zu ihrer Identität zu haben und sich wie eine THEORETISCHER TEIL 41 Hülle zu fühlen. In dieser Hülle gäbe es zwar einen Inhalt, jedoch würden sie diesen nicht kennen. Wenn es Situationen oder Zeitpunkte gibt, in denen die Patienten/innen etwas spüren, was sie als Teil ihrer Identität betrachten könnten, erkennen sie diesen Zustand nicht an oder bezeichnen ihn als unzuverlässig. Sie leben damit, dass sie keine Sicherheiten in sich selbst haben. Dies führt oft zu einer grossen Orientierungslosigkeit und unangenehmen Gefühlen. Auch im Kontakt mit anderen Menschen werden den Betroffenen ihre Orientierungsschwierigkeiten immer wieder bewusst. Manchmal, wenn sie sich von aussen zuschauen würden, stellten sie fest, dass sie sich dem Gegenüber stark anpassen und sich in der Folge bei verschiedenen Personen völlig unterschiedlich verhalten würden. 4. Impulsivität in mindestens zwei potenziell selbstschädigenden Bereichen Menschen mit einer Borderlinestörung leben andauernd in einer erhöhten Grundspannung. Mit der zusätzlichen emotionalen Sensitivität führt dies dazu, dass sie sich die meiste Zeit in Hochspannung oder aber im genauen Gegenteil, nämlich in einem gefühlsmässigen Vakuum befinden. Zudem äussern viele Betroffene, dass sie oft mit schwer aushaltbaren Gefühlen konfrontiert seien, was jeweils einen hohen inneren Druck erzeuge. Um diesen Druck zu reduzieren bzw. sich wieder zu spüren oder auch um den starken Gefühlen zu entfliehen, setzen viele Menschen mit einer Borderlinestörung potenziell selbstschädigende Verhaltensweisen ein. Diese Handlungen werden oft exzessiv betrieben und wirken sich für die Betroffenen schliesslich negativ oder selbstschädigend aus. Die Verhaltensweisen können sich in Glücksspielen, Geldverschwendung, Kaufräuschen, Drogenmissbrauch, Fressanfällen oder Ladendiebstählen etc. manifestieren. 5. Wiederholte suizidale Handlungen, Suizidgesten, Suiziddrohungen oder Selbstverletzungen Weil sich die stark ausgeprägte Symptomatik bei Menschen mit einer Borderlinestörung dauerhaft in ihren verschiedensten Lebensbereichen äussert und ihnen ein starkes Gefühl von Kontrollverlust und Selbstunwirksamkeit vermittelt, verlieren sie schliesslich oft die Hoffnung auf eine Veränderung oder Verbesserung ihrer Situation. Diese Gefühle erzeugen eine hohe Spannung und der einzige Ausweg aus diesem Zustand scheint im Suizid zu liegen. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Menschen mit einer diagnostizierten Borderlinestörung einen oder mehrere Suizidversuche hinter sich haben (Black, Blum, Pfohl & Hale, 2004). 42 THEORETISCHER TEIL Auch Selbstverletzungen oder selbstschädigende Verhaltensweisen sind für viele Betroffene eine der wenigen Bewältigungsstrategien, um mit den unaushaltbaren Spannungszuständen oder intensiven Gefühlen umgehen zu können. Dabei gibt es verschiedene Formen: Die häufigsten sind wohl Schnittverletzungen, die meist oberflächlich beginnen und sich mit der Zeit über den ganzen Körper erstrecken können (Bohus, 2002; Sender, 2000). Weitere Formen sind: sich verbrennen, den Kopf auf eine harte Fläche schlagen oder sich verbrühen und verätzen. Diese Handlungen können ein gefährliches Ausmass annehmen. Wichtig ist jedoch, sie von suizidalen Handlungen zu unterscheiden. 6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung Für viele Menschen mit einer Borderlinestörung äussert sich dieses Symptom dahingehend, dass sie auf verschiedenste kleine oder grössere Begebenheiten mit einem Stimmungswandel reagieren, den sie sich selber nicht erklären können. Die Stimmungen wechseln zwischen z.B. Traurigkeit, Angst, Reizbarkeit oder Zorn und können sich innerhalb kurzer oder langer Zeiteinheiten verändern. Diese Stimmungswechsel sind für die meisten Betroffenen sehr belastend, vor allem auch deshalb, weil sie ihrem Empfinden nach über keine Möglichkeiten verfügen, sie zu beeinflussen. Dadurch entsteht das Gefühl, wenig Kontrolle über die eigene Situation zu haben, was sich wiederum negativ auf die affektive Stabilität auswirkt. 7. Chronisches Gefühl der Leere Menschen mit einer Borderlinestörung tendieren teilweise dazu, Reaktionen auf Gefühle zu unterdrücken, was zu einer emotionalen Taubheit führen kann (Linehan, 1996a). Betroffene beschreiben dieses Gefühl der Leere als einen Zustand, in dem nichts spürbar ist und in dem sie sich wie ausgehöhlt oder tot empfinden. Der Leidensdruck ist für Menschen mit einer Borderlinestörung in diesen Momenten enorm und es ist als grosse menschliche Leistung zu würdigen, diese Situation auszuhalten, ohne sie mit einem selbstschädigenden Verhalten zu unterbrechen. 8. Unangemessene heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren Dieses Symptom tritt nicht bei allen Menschen mit einer Borderlinestörung in der gleichen Ausprägung auf. Einige kennen diese Wut kaum, anderen wiederum ist sie sehr vertraut. Letztere berichten, oft steige in ihnen eine Wut auf, die sie sich selber nicht erklären könnten. Die Auslöser dafür seien jeweils gering und rechtfertigen die Intensität des Gefühls nicht. In diesen Momenten spüren sich Betroffene innerlich THEORETISCHER TEIL 43 kaum mehr, sehen nur noch rot und könnten alles kurz und klein schlagen. Manchmal komme es auch dazu, dass sie diese Gefühle ausleben, z.B. indem sie Gegenstände, an denen ihnen viel liegt, an die Wand werfen oder sogar andere Personen tätlich angreifen. Diese Ausbrüche führen im Nachhinein zu massiven Schuld- und Schamgefühlen, die wiederum starke Spannungszustände auslösen können. 9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome Dieses Symptom ist im DSM-IV (APA, 1994) neu als neuntes Kriterium in die Formalisierung des Symptombildes der Borderlinestörung aufgenommen worden. In der klinischen Praxis treten bei Menschen mit einer Borderlinestörung oft während oder nach für sie belastenden Ereignissen gewisse Symptome – wie z.B. paranoide Vorstellungen – auf. Diese sehen teilweise psychotischen Symptomen ähnlich, äussern sich aber bei genauem Nachfragen in einer anderen Weise. Menschen mit einer Borderlinestörung wissen z.B., dass die Stimmen, die sie hören und verfolgen, nicht real sind, sondern die von Tätern aus der frühen Kindheit. Es kann auch zu Depersonalisations- oder Derealisationserleben und sensorischen oder auditiven Sinnestäuschungen kommen. Circa 65% der Patienten/innen mit einer Borderlinestörung zeigen schwere dissoziative Symptome (Bohus, 2002). Die Betroffenen mussten sich oft früh Bewältigungsstrategien aneignen, um schwierige und belastende, traumatische Momente auszuhalten (Sender, 2000). Teile des Bewusstseins schalten sich aus, so dass sich z.B. bestimmte Körperteile oder der ganze Körper taub und als nicht zur eigenen Person gehörig anfühlen. Andere Patienten/innen beschreiben das dissoziative Syndrom dahingehend, dass sie sich weit weg von sich selbst erleben, sich von aussen zuschauen oder sich beobachten würden. Die neun Kriterien, wie sie laut DSM-IV (APA, 1994) bei Menschen mit einer Borderlinestörung auftreten, können in fünf Kategorien von Fehlregulation zusammengefasst werden (Linehan, 1996a): In die der emotionalen, zwischenmenschlichen, verhaltensbezogenen und kognitiven Fehlregulation sowie in einer Fehlregulation der Selbstidentität. Sowohl das Manual DSM-IV (APA, 1994) wie auch das Klassifikationssystem ICD-10 (Weltgesundheitsorganisation, 1999) vergeben die Diagnose einer Borderline-Störung nur an Personen im Erwachsenenalter bzw. an Personen über 18 44 THEORETISCHER TEIL Jahre. Andere Autoren/innen hingegen, wie Rathus und Miller (2002), betonen die Bedeutung einer adäquaten Diagnostik bei Jugendlichen. Rathus und Miller (2002) z.B. favorisieren eine Diagnostik bei Jugendlichen, die zusätzlich zum Erfüllen von mindestens drei Kriterien nach DSM-IV (APA, 1994, 1996) auch das Vorhandensein eines kurz zurückliegenden Suizidversuchs mit einschliesst. In einer psychiatrischen Institution in Yale wurden Jugendliche im Alter zwischen 12 und 18 Jahren hinsichtlich des Vorhandenseins einer Borderlinestörung diagnostiziert (Becker, Grilo, Edell & McGlashan, 2000). Die Resultate zeigten, dass die Hälfte der untersuchten Stichprobe die Kriterien für diese Störung erfüllte. Die Autoren führen jedoch an, dass sich die Borderlinestörung in der Altersgruppe als nicht stabil, kohärent oder differenzierbar zeigt, so dass die Befunde bei Jugendlichen anders interpretiert werden müssen als bei Erwachsenen. 2.2.2 Epidemiologie Man geht derzeit davon aus, dass 13,4% der Normalbevölkerung unter irgendeiner Persönlichkeitsstörung leiden. Die Borderlinestörung ist diejenige der Persönlichkeitsstörungen, die am häufigsten auftritt (APA, 2001). Sie ist in der Allgemeinbevölkerung zu 0,7%-2% repräsentiert, wobei die Prävalenz mit steigendem Alter abnimmt. In der Zielgruppe der psychiatrischen Patienten/innen weisen weltweit 19% im stationären und 11% im ambulanten Bereich eine Borderlinestörung auf (Widiger & Frances, 1989). Die Störung kann entweder im frühen Erwachsenenalter zutage treten (Sender, 2000) oder aber sie bricht erst spät auf (Bohus, 2001). Frauen erfüllen eindeutig häufiger als Männer das Störungsbild der Borderlinestörung, wobei zurzeit die Zahlen zwischen 70:30 und 60:40 schwanken (APA, 2001; Bohus, 2002; Rohde-Dachser, 1989). Die Borderlinestörung scheint unabhängig vom soziokulturellen Hintergrund überall auf der Welt gleich häufig aufzutreten. Eine repräsentative Untersuchung mit 300 nach DSM-IV (APA, 1994, 1996) untersuchten Patientinnen (Bohus et al., 2001) zeigt, dass 20% mit einem/r Partner/in zusammenlebten und 13% verheiratet sind. Circa 30% der Patientinnen waren zum Zeitpunkt der Untersuchung entweder voll- oder teilzeitlich berufstätig. Häufig fällt eine hohe Intelligenz der Patienten/innen auf (Clarkin & Dammann, 2000), wobei es für diese Erscheinung keine empirischen Befunde gibt. Hingegen THEORETISCHER TEIL 45 weisen Resultate darauf hin, dass sich bei einer hohen Intelligenz der Patienten/innen oft ein positiver Krankheitsverlauf abzeichnet (McGlashan, 2000). 2.2.3 Komorbidität Menschen mit einer Borderlinestörung fallen dadurch auf, dass sie, wenn sie in der klinischen Praxis auftauchen, nicht prioritär in Bezug auf die Borderlinestörung eine Behandlung benötigen, sondern offensichtlich nach DSM-IV (APA, 1994, 1996) unter mehreren Achse-I Störungen leiden. Diese Achse-I Störungen (z.B. Depressionen, Angst- oder Essstörungen) sind schwierig zu behandeln und verbergen oft eine darunter liegende Borderlinestörung (Zanarini et al., 1998a). Die Achse-I Symptomatik erweist sich jeweils als therapieresistent und verändert sich schnell. Es tauchen häufig in der klinischen Praxis abwechselnd verschiedene, nicht zu einander passende Beschwerdebilder auf. Dies legte die Hypothese einer hohen Komorbidität nahe, die durch mehrere Studien geprüft wurde. Vor allem die Arbeitsgruppe um Zanarini (Zanarini et al., 1998a, 1998b) hat in eingehenden diagnostischen Abklärungen von vielen Patienten/innen beeindruckende Resultate ausgewiesen. In ihren Studien zeigte sich (Zanarini et al., 1998a, 1998b), dass die meisten der Patienten/innen mit einer Borderlinestörung eine hohe Komorbidität mit affektiven Störungen (über 90%) – Bohus (2002) spricht sogar von 98% (Lebenszeitprävalenz) – aufweisen. Die meisten leiden auch unter einer Angststörung (Lebenszeitprävalenz fast 90%). Hier herrschen Panikstörungen, soziale Phobie und die Posttraumatische Belastungsstörung vor. 64% betreiben zudem Substanzmissbrauch. Männer und Frauen scheinen ausserdem verschiedene Komorbiditätsmuster bezüglich des Ausdrucks ihrer Impulsivität aufzuzeigen: Männer fallen dadurch auf, dass sie häufiger Drogenabusus in ihrer Geschichte haben, Frauen hingegen offenbaren Essstörungen (60%) und dabei vorwiegend bulimisches Verhalten. Die hohe Komorbidität mit Achse-I Störungen ist nach Ansicht von Zanarini et al. (1998a) ein guter Prädiktor für das Vorhandensein einer Borderlinestörung. Im Weiteren erfüllen über 90% der Patienten/innen neben der Borderlinestörung die Kriterien von mindestens einer anderen Persönlichkeitsstörung (Zanarini et al., 1998b). Diese finden sich meist entweder im Cluster B (histrionische Persönlichkeitsstörung 15%, antisoziale Persönlichkeitsstörung 25%) oder im 46 THEORETISCHER TEIL Cluster C (dependente Persönlichkeitsstörung 50%, ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung 40%). 2.2.4 Einige störungsspezifische Angaben Laut Bohus (2002) bestehen empirisch kontrollierte Risikofaktoren, die die Entstehung einer Borderlinestörung begünstigen. Speziell gefährdet sind Frauen aufgrund ihrer Prägung durch die soziokulturellen Hintergründe. Im Weiteren wird das Erleben sexueller und/oder körperlicher Gewalterfahrungen und psychische oder physische Vernachlässigung durch die primären Bezugspersonen, meist die Mütter, genannt. In diesen familiären Konstellationen ist zudem gehäuft die zweite nahe Bezugsperson abwesend oder bezieht kaum Position. Mehr als 65% der Borderliner/innen in ambulanter Behandlung berichten von körperlichen und/oder sexuellen Grenzüberschreitungen in ihrer Kindheit und Jugend (Herman, Perry & van der Kolk, 1989). Im stationären Bereich weiss man sogar von 86% (Linehan, 1996a). Jedoch ist bisher kein kausaler Zusammenhang zwischen der erlebten Gewalt und der Entstehung einer Borderlinestörung nachgewiesen worden (Bohus, 2002). Trotzdem haben diese permanenten frühkindlichen Gewalterfahrungen grosse Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen. Z.B. haben MRI-Studien bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung, die frühe Traumatisierungen erlebt haben, eine Reduktion des Hippocampus aufgezeigt (Brambilla et al., 2004). Die Borderlinestörung kann sich klinisch einerseits in der Adoleszenz und dem frühen Erwachsenenalter manifestieren (Bohus, 2001; Sender, 2000). Diese Betroffenen haben meist sehr klare Erinnerungen an frühe traumatische Ereignisse und haben gelernt, unter hoher Spannung rasch zu dissoziieren (Bohus, 2001). Oder aber die Störung hat einen späten Ausbruch, nachdem die Symptomatik lange Zeit kompensiert werden konnte. Diese Betroffenen besitzen meist kaum oder nur fragmentarisch Erinnerungen an ihre Kindheit, sind beruflich erfolgreich und sozial gut eingebunden. Auslöser, die die Störung ausbrechen lassen, sind vielfach Geburten von Kindern, Retraumatisierungen oder das Ausleben von Sexualität. Circa 65% der Patienten/innen mit einer Borderlinestörung leiden unter leichteren bis schweren dissoziativen Symptomen (Bohus, 2002). Diese sind geprägt von einem deutlichen Verlust der psychischen Integration des Erlebens und Handelns THEORETISCHER TEIL 47 (Fiedler, 2002) und haben teilweise eine adaptive Funktion, indem sie den Betroffenen eine Möglichkeit bieten, mit traumatischen oder sehr angstbesetzten Situationen umzugehen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dissoziatives Verhalten gelernt werden kann, und dass es, sobald es konditioniert ist, leicht durch Stress oder innerpsychische Reize ausgelöst wird (Renneberg & Fiedler, 2001). Viele der Betroffenen fühlen sich in diesem Zustand taub, beziehungslos oder realitätsentfremdet und für einige ist der Zustand so unangenehm, dass sie ihn mit Selbstverletzungen zu unterbrechen suchen. Bis zu 80% der Patienten/innen üben regelmässig parasuizidale Handlungen aus, was auch Selbstverletzungen mit einschliesst, die oft unter vorangehender Dissoziation auftreten (Bohus, 2002; Linehan, 1996a; Linehan et al., 1999a; Sender, 2000). Dieses Verhalten beinhaltet nicht automatisch eine suizidale Absicht, wird aber oft in einer intensiven emotionalen Erregung ausgeführt und kann verschiedene Gründe haben. Genannt werden vor allem Selbstbestrafung, Spannungsreduktion oder der Wunsch nach Aufmerksamkeit von anderen (Black et al., 2004). Viele Betroffene spüren während der Selbstverletzungen keinen Schmerz und erwähnen sogar eine nachfolgende ruhige Euphorie (Sender, 2000). Es besteht die Vermutung, dass der Körper als Reaktion auf schwere Verletzungen biologische Substanzen wie z.B. Endorphine ausschüttet, um den Organismus in der Selbstbehandlung von Schmerzen zu unterstützen. Verschiedene Studien haben darauf hingewiesen, dass suizidales Verhalten und Suizidalität bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung einen hohen Risikofaktor darstellen (Black et al., 2004; Soloff, Lynch, Kelly, Malone & Mann, 2000). 84% üben suizidale Handlungen aus. Befunde weisen darauf hin, dass im Mittel jedes Individuum mit einer Borderlinestörung im Leben drei bis vier Suizidversuche begeht (Black et al., 2004). Diese Resultate wurden von Conklin und Westen (2005) bestätigt. Befunde haben im Weiteren gezeigt, dass die Möglichkeit eines nächsten Suizidversuchs nach vorangegangenen in Zukunft näher liegt und dass diese oft nach einem ähnlichen Muster ablaufen (Bohus, 2002). Langzeitstudien haben bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung Suizidraten von 10% gefunden; zumeist vollenden die Patienten/innen ihren Suizid vor dem 40. Lebensjahr (Paris, 2004). Als grösste Risikofaktoren für Suizidversuche oder vollendeten Suizid werden die Komorbidität mit anderen psychischen Störungen, 48 THEORETISCHER TEIL vor allem mit der Major Depression und/oder Drogenabusus sowie das zusätzliche Vorhandenseins eines antisozialen Persönlichkeitsstils genannt (Paris, 2004; Stone, 2000). Als protektive Faktoren hingegen werden psychotisches Dekompensieren und starke Ängste angeführt (DeCoux Hampton, 1997). Ein weiterer protektiver Faktor für (stressabhängiges) suizidales Verhalten liegt in der Stärke der sozialen Anpassung (Kelly, Soloff, Lynch, Haas & Mann, 2000). Mehr als die Hälfte (bis zu 60%) der Patienten/innen mit einer Borderlinestörung brechen ihre Therapien ab und zwar oft sechs bis acht Wochen nachdem sie diese begonnen haben (Dammann, 2001). Dabei hat die Borderlinestörung eine sehr ungünstige Prognose (Bohus, 2002), wenn sie unbehandelt bleibt. Auf der anderen Seite haben die Betroffenen die Tendenz, verschiedene Therapeuten/innen gleichzeitig in ihre Behandlung zu involvieren (Gabbard & Lazar, 1999). Die Patienten/innen scheinen zudem, im Gegensatz zu anderen, überdurchschnittlich häufig mindestens einmal in ihrem Leben hospitalisiert zu werden (Bohus et al., 2000; Linehan et al., 1999a). Meist sind jedoch zahlreiche stationäre Behandlungen und/oder Kriseninterventionen notwendig (Dammann, 2001). Die Befunde der kürzlich erschienenen Studie von Conklin und Westen (2005) weisen bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung eine durchschnittliche Quote von mindestens drei Hospitalisationen auf. Trotz langer Therapien bleiben viele Patienten/innen symptomatisch oder aber ihre Symptombilder verändern und verschieben sich (Trautmann-Sponsel & Gleich, 2001). Ein Drittel der Patienten/innen hingegen stabilisiert sich im Laufe der Jahre infolge therapeutischer Behandlungen (APA, 2001). Sie erlangen eine gestärkte Identität und können die selbstdestruktiven Handlungsmuster durch reiferes und adaptives Verhalten ersetzen. Auch zeigen etliche Langzeituntersuchungen eine positive Bilanz zugunsten behandelter Patienten/innen mit einer Borderlinestörung auf (Stone, 2000). Sie können jedoch keine Schlussfolgerungen über eine zu favorisierende Therapieform ziehen. 80% aller Patienten/innen mit einer Borderlinestörung werden (zusätzlich zur Psychotherapie) mit psychotropen Substanzen medikamentiert (Schmahl & Bohus, 2001). Die Frage nach der medikamentösen Behandlung der Wahl bei diesem heterogenen Symptombild wird immer wieder gestellt. Da davon ausgegangen werden kann, dass bei unterschiedlichen psychopathologischen Symptomen unter- THEORETISCHER TEIL 49 schiedliche neurobiologische Vorgänge ablaufen, wird zurzeit eine symptomorientierte Pharmakotherapie favorisiert. 2.2.5 Modelle zur Entstehung der Borderlinestörung Im Folgenden werden verschiedene konzeptuelle Modelle vorgestellt, die Erklärungsansätze für die Entstehung einer Borderlinestörung anbieten. 2.2.5.1 Die Borderlinestörung als Strukturelle Störung im Bereich von Stabilität und Reife der Persönlichkeitsorganisation Unter den psychoanalytischen Konzepten hat sich die Auslegung der speziellen Borderline-Persönlichkeits-Organisation oder Borderline-Persönlichkeits-Struktur durchgesetzt (Janssen, 2001). Die Störung wird demnach als Krankheitsentität definiert, die sich im Grenzbereich zwischen Neurosen, Psychosen und schwerer Charakterpathologie bewegt. Aus dem Blickwinkel der Objektpsychologie wird eine Persönlichkeitsstörung eher als eine psychische Organisation definiert, die sich in spezifischen Abwehrmechanismen, Ich-Funktionen und Objektbeziehungen begründet und stellt daher weniger eine deskriptive Diagnose dar (Dammann, 2001). Bei Menschen mit einer Borderlinestörung finden sich – mehr als bei solchen mit normalen oder neurotischen Charakterstrukturen – Symptome einer Ich-Schwäche und öfter auch einer Über-Ich-Pathologie. Die Grundstörung liegt darin, dass diese Personen kein stabiles Selbstkonzept aufbauen konnten, sondern affektiv nicht integrierbare, oft traumatisch bedingte Objekt- und Selbstrepräsentanzen abspalten mussten (Dammann, Buchheim, Clarkin & Kernberg, 2001; Janssen, 2001). Diese erleben sie daraufhin partialisiert in der eigenen Person oder auch in anderen Menschen. Das hat häufig zur Konsequenz, dass diese Individuen keine Beziehung zu sich selber und/oder zu anderen (Objekten) aufrechterhalten können und dass es ihnen Schwierigkeiten bereitet, zwischen sich und anderen zu unterscheiden. Dies führt in der Gegenwart zu Wiederholungen von unbewusst konfliktreichen, pathologischen Beziehungsmustern. Ein zentraler Abwehrmechanismus in der Borderline-Persönlichkeits-Organisation ist die Spaltung, die verhindern soll, dass das Ich durch diffuse Ängste bedroht wird und aggressive Affekte in die positiven Introjekte eindringen. Die Spaltung wird eingesetzt, um noch mehr Konfusion zu verhindern. Ihrem Empfinden nach gelangen die Patienten/innen durch die Gut-Böse-Dichotomie zu mehr Klarheit 50 THEORETISCHER TEIL (Dammann, 2001; Janssen, 2001). Weitere, häufig auftretende Abwehrmechanismen sind die Projektion, die positive Identifikation, die Überidealisierung, die Entwertung und Somatisierung. Diese kommen in der Folge als Verhaltensauffälligkeiten und Beziehungsprobleme zum Vorschein, sind aber im Grunde ein Ausdruck von tiefer liegenden intrapsychischen Prozessen. 2.2.5.2 Die Borderlinestörung als Folge maladaptiver Schemata Die kognitiv orientierte Theorie geht davon aus, dass frühe, sich wiederholende negative Erfahrungen bei Personen dazu führen können, eine problematische Sichtweise und Bewertung in Bezug auf sich selbst, ihr Leben und ihre Zukunft zu entwickeln (Beck et al., 1990; Ellis, 1999). Dies alleine bedingt noch nicht automatisch die Entstehung einer Persönlichkeitsstörung. Zentral hierfür ist, einhergehend mit in der frühen Kindheit erlebten Traumata, die Verinnerlichung von maladaptiven, kognitiv-affektiven Mustern über einen längeren Zeitraum hinweg. Diese führen zu dysfunktionalem Verhalten in Beziehungen im Erwachsenenalter, blockieren die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse und halten die Problematik somit weiter aufrecht (Bricker & Young, 1991; Layden, Newman, Freeman & Byers-Morse, 1993; Newman, 1998; Young, 1994). Young (2001) beschreibt die Entstehung früher maladaptiver Schemata dahingehend, dass die grundlegenden Bedürfnisse eines Kindes über lange Zeit hinweg und immer wieder von den nahen Bezugspersonen unbefriedigt blieben. Daraufhin entwickelt das Kind maladaptive Schemata, die Konzepte über sich selbst sowie über die Umwelt enthalten. Young (2001) definiert ein frühes maladaptives Schema als ein Set von Überzeugungen mit all seinen dazugehörigen Emotionen, das auch die frühen Erinnerungen mit einschliesst und die Befriedigung der Bedürfnisse blockiert. Ellis (1999) betont in seinen Hypothesen zudem ausdrücklich, dass für die kognitiven-, emotiven- und Verhaltensmuster immer jeweils auch biologisch bedingte Defizite zu finden sind, die mithelfen, diese Muster auf der psychologischen Ebene zu aktivieren. Bei Personen mit einer Borderlinestörung fällt auf, dass ihre Schemata stark ausgeprägt, tief verwurzelt und schwer veränderbar sind (Bricker & Young, 1991; Newman, 1998). Es treten zudem oft verschiedene zentrale Schemata gleichzeitig auf, die im Widerspruch zueinander stehen. In der Konsequenz verhalten sich Patienten/innen mit einer Borderlinestörung einerseits immer wieder auf eine Art, die ihre THEORETISCHER TEIL 51 Schemata nährt, andererseits aber setzen sie Vermeidungsstrategien ein, die korrektive Erfahrungen verhindern. 2.2.5.3 Die Borderlinestörung als chronische, komplexe posttraumatische Belastungsstörung Der Ansatz der Borderlinestörung als chronische, komplexe posttraumatische Belastungsstörung geht davon aus, dass sich der Stress bei Personen, die chronischen Traumatisierungen ausgesetzt sind, auf Dauer verändernd auf ihre Persönlichkeit in Richtung einer Borderlinestörung auswirkt (Dammann, 2001; Herpertz & Sass, 2000). Da die Forschung Resultate aufweist, die besagen, dass mehr als 65% (Bohus, 2002) der Menschen mit einer Borderlinestörung meist über einen längeren Zeitraum hinweg komplexe Traumata erlebten, kann nachvollzogen werden, weshalb diese Hypothese aufgestellt wird. Zudem zeigen sich in beiden Störungsbildern gleiche Symptome, wie z.B. dissoziative Phänomene oder Stimmungsschwankungen, die sich jeweils auch im Beziehungsverhalten (z.B. hohes Misstrauen anderen gegenüber, Identitätsstörungen, Selbstverletzungen bei hoher Spannung) niederschlagen können (Dammann, 2001; Herpertz & Sass, 2000). Inzwischen jedoch wird davon ausgegangen, dass sich diese Hypothese nicht bestätigen konnte und dass eine komplexe Traumatisierung als solche nicht zur Herausbildung einer Borderlinestörung ausreicht (Bohus, 2002; Dammann, 2001; Herpertz & Sass, 2000). Begründet wird dies vorwiegend damit, dass nicht alle Personen – sondern nur circa 56% – mit einer Borderlinestörung gleichzeitig auch das Symptombild einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufweisen (Zanarini et al., 1998a). Fiedler (2002) postuliert ein diagnostisches Modell, das diesen Konflikt aufzulösen versucht: In diesem Modell haben Borderlinestörungen, chronifizierte Traumastörungen und dissoziative Störungen eine gemeinsame Schnittmenge von Patienten/innen, bei denen die Leitdiagnose für die Behandlung zunächst die chronifizierte Belastungsstörung sein kann. 2.2.5.4 Die Borderlinestörung als Mentalisierungsstörung Dieser Ansatz gründet auf der „theory of mind“ und der Bindungstheorie und geht davon aus, dass die primären Bezugspersonen mit ihren Gedanken und Ansichten das Denken des Kleinkindes während seiner Entwicklung massgeblich prägen und beeinflussen (Dammann, 2001). Das beinhaltet, dass – meist die Mütter – dafür verantwortlich sind, die Empfindungen des Kleinkindes von seiner Geburt an zu 52 THEORETISCHER TEIL benennen und zu füllen. Diese Prozesse tragen in der Folge massgeblich zur Bildung der Persönlichkeitsstruktur bei. Für alle Menschen ist zudem nicht nur Bindung ein fundamentales Bedürfnis. Vielmehr liegt ein weiteres Grundbedürfnis darin, sich in die „mental states“ (Gefühle, Gedanken, Wünsche) des Gegenübers versetzen zu können. Dies führt dazu, dass die andere Person in ihrem Handeln verstanden werden kann und trägt dazu bei, Konfusion und Selbstwertschwierigkeiten zu verhindern. Wenn aber für ein Kind das Gegenüber kontinuierlich bedrohlich ist, ist es besser, nicht zu lernen, sich mit dessen „mental states“ zu identifizieren, sondern diese abzuwehren. Oft erfolgt diese Abwehr über dissoziative Zustände, was sich bei vielen Personen als Bewältigungsstrategie in der Folge längerfristig bewähren kann. Im klinischen Setting fällt häufig das Phänomen auf, dass diese Menschen einerseits eine hohe emotionale Sensitivität haben, sich aber andererseits schlecht in andere einfühlen können. 2.2.5.5 Die Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung Neurobehavioral orientierte Autoren/innen favorisieren ein Diathese-Stress Modell und definieren die Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung mit einem biosozialen Hintergrund (Fruzzetti, 2002; Hoffmann, Fruzzetti & Swenson, 1999; Linehan, 1993a, 1996a). Bei der Störung, die im frühen Kindesalter ihren Ursprung haben kann, interagieren gemäss den verschiedenen Autoren/innen gewisse Charaktereigenschaften des Individuums mit bestimmten Bedingungen, die in der nahen Umgebung der Betroffenen festzumachen sind. Die Charaktereigenschaften des Individuums werden in der Forschung nicht einheitlich dargestellt: Einige Autoren/innen begründen die Entstehung der emotionalen Dysregulation mit einer Vulnerabilität des Individuums auf neurologischer Ebene (Robins & Chapman, 2004). Diese Autoren/innen führen die emotionale Dysregulation vorwiegend auf bestimmte Abläufe im Zentralnervensystem zurück, das beim Erleben und der Regulation von Emotionen mitbeteiligt sei. Andere Forscher/innen gehen eher von einer psychosozialen Komponente der Dysregulation aus (Fruzzetti, 2002; Linehan, 1993a, 1996a). Diese Autoren/in betonen die hohe Verletzlichkeit des Individuums gegenüber negativem emotionalem Erleben sowie seine Unfähigkeit, Emotionen zu THEORETISCHER TEIL 53 modulieren. Die individuelle Verletzlichkeit bestimmt sich nach Meinung der Autoren/in über drei Komponenten. Diese sind a) eine ausgeprägte Empfindlichkeit bzw. erhöhte Vulnerabilität der Individuen gegenüber emotionalen Reizen b) extreme emotionale Reaktionen c) ein verlangsamter Rückgang zu einer emotionalen Baseline, was bedeutet, dass emotionale Reaktionen lange anhalten. Wenn nun diese Verletzlichkeit mit einem inkompatiblen Umfeld von nahen Bezugspersonen zusammentrifft, das die emotionale Sensibilität der Individuen, ihre Stimmungen und Emotionen nicht oder zuwenig validiert, führt dies in der Kombination oft längerfristig bei diesen Individuen zu einer Emotionsregulationsstörung. Das bedeutet, dass sie nicht bzw. ungenügend lernen wie sie ihre emotionale Erregung regulieren, negative Gefühle aushalten oder emotionalen Kummer mässigen können. Häufig müssen diese Individuen sich auf andere verlassen, damit sie ihnen vermitteln, wie sich verschiedene Gefühlsqualitäten, wie z.B. Angst, Ärger, Scham anfühlen und wie adäquat darauf reagiert werden soll. Dies aber hat für sie zur Konsequenz, dass sie kein stabiles Selbst und kein stabiles Identitätsgefühl entwickeln können. Viele Patienten/innen berichten in der Folge über ausgesprochen unangenehme, innere Spannungszustände, die sie häufig erst durch dysfunktionales oder selbstschädigendes Verhalten (mit kurzfristig positiven, aber langfristig negativen Konsequenzen), wie z.B. Selbstverletzungen, beenden können. Das Konzept der Dialektisch-Behavioralen Therapie (Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b) hat sich in der Behandlung von Patienten/innen mit einer Borderlinestörung sehr bewährt (Bateman & Fonagy, 1999; Bohus et al., 2000; Hoffmann & Hooley, 1998; Hooley & Hoffmann, 1999; Koerner & Linehan, 2000; Linehan & Heard, 1999; Linehan et al., 1999a; Linehan et al., 1999b; Rathus & Miller, 2002). Das Therapiekonzept beinhaltet in seinen Grundzügen, dass sich Patienten/innen mit Unterstützung von Therapeuten/innen ein Umfeld aufbauen können, in dem sie nicht beschuldigt, sondern validiert werden (Linehan, 1996a). In diesem Umfeld sollen negative Verhaltensweisen der Patienten/innen gelöscht und positives Verhalten hervorgerufen und verstärkt werden. Notwendige Voraussetzungen zum Erreichen dieses Ziels liegen in der Erarbeitung eines Commitments und im Aufbau einer tragfähigen therapeutischen Bezie- 54 THEORETISCHER TEIL hung (Linehan, 1996a). Mit dem Commitment einigen sich Patienten/innen und Therapeuten/innen auf die Ziele der Behandlung und auf das allgemeine therapeutische Vorgehen. Zentral ist im Weiteren zum einen, dass während der ganzen Behandlung die dialektische Sichtweise – das Wechselspiel von Annehmen und Verändern – von Therapeuten/innen beibehalten wird. Zum anderen muss in der Therapie immer wieder die Kern-Strategie der Dialektisch-Behavioralen Therapie eingesetzt werden: Diese besteht darin, dass den angewandten Problemlösestrategien immer auch Validierungsstrategien gegenübergestellt werden. Die Behandlung besteht ausserdem aus verschiedenen Komponenten (Linehan, 1996a). Diese sind die Einzeltherapie, das Fertigkeitentraining in der Gruppe, die telefonische Beratung und die Supervision für Therapeuten/innen. Die Einzeltherapie ist der Mittelpunkt der verschiedenen Therapieangebote. In diesem Rahmen sollen ungünstige Verhaltensweisen der Patienten/innen reduziert und mit angemessenen Reaktionen ersetzt werden. Zudem sollen in der Einzeltherapie auch Bedingungen seitens der Patienten/innen oder ihres Umfelds verändert werden, wenn sie effektivere Verhaltensweisen behindern oder sogar ungünstiges Verhalten hervorrufen. Das Fertigkeitentraining ist ein psychoedukatives Programm, das alle Patienten/innen mit einer Borderlinestörung im ersten Jahr der Behandlung durchlaufen sollen (Linehan, 1996a). Die Patienten/innen lernen im Gruppensetting anhand unterschiedlicher Signale, das Ansteigen der inneren Spannung frühzeitig zu erkennen. Zudem erarbeiten sie sich individuell unterschiedliche, hilfreiche Fertigkeiten, mit denen sie den Anstieg des inneren Drucks unterbrechen können. Das Ziel des Fertigkeitentrainings liegt darin, dass die Patienten/innen parasuizidales und suizidales Verhalten reduzieren und an dessen Stelle neue adaptivere Mittel einsetzen können. Die telefonische Beratung durch Therapeuten/innen wird für Patienten/innen, die in einem ambulanten Setting behandelt werden, als hilfreich eingeschätzt. Diese Art der Beratung kann zwischen den Einzeltherapiesitzungen stattfinden. Die Supervision von Therapeuten/innen, die Patienten/innen mit einer Borderlinestörung behandeln, wird als ein zentraler Baustein in der Dialektisch-Behavioralen Therapie angesehen. Die Supervision dient der Burn-out-Prophylaxe und hilft Schwierigkeiten konstruktiv anzugehen, die in der Behandlung mit diesen Patienten/innen entstehen. THEORETISCHER TEIL 2.2.6 55 Messmittel zur Erfassung der Borderlinestörung Wohl das gebräuchlichste diagnostische Messmittel zur Erfassung der Borderlinestörung ist das SKID-II, Strukturiertes klinisches Interview für DSM-IV, Achse-II: Persönlichkeitsstörungen (Fydrich, Renneberg, Schmitz & Wittchen, 1997). Da dieses Messinstrument in der vorliegenden Arbeit zur Diagnostik eingesetzt wurde und weiter unten genauer beschrieben wird, wird an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen. Die IPDE, International Personality Disorder Examination (Loranger, 1995; Loranger, Susman, Oldham & Russakoff, 1993) hat in den letzten Jahren zur Diagnostik der Borderlinestörung sehr an Bedeutung gewonnen und gilt unterdessen wohl als das Instrument der Wahl (Bohus, 2002; Clarkin & Dammann, 2000). Auch dieses Instrument wurde in dieser Studie verwendet und wird später beschrieben. Häufig wird als weiteres Messmittel zur Erfassung der Borderlinestörung das Diagnostische Interview für Borderline-Syndrome, revidierte Fassung, DIB-R (Zanarini, Gunderson, Frankenburg & Chauncey, 1989), zur Beurteilung eingesetzt. Das halbstrukturierte Interview enthält über 100 Fragen, die Beobachtungen zu borderlinespezifischen Symptomen und Verhaltensweisen beinhalten. Diese sollen das gesamte Spektrum der Symptomatik einschliessen und beziehen sich auf fünf Bereiche: „Soziale Anpassung“, „Impulsivität“, „Affekte“ (u. a. Depression und Wut), „psychotische Erlebnisse“ (u. a. Depersonalisation und Derealisation) und „Zwischenmenschliche Beziehungen“. Die Schwere der Symptomatik wird in jedem dieser Bereiche mit einem Skalenwert zwischen 0–2 bewertet. Anschliessend werden die Bereichsskalenwerte aufsummiert. Meist wird ab cut-off score 7 die Borderlinestörung als vorliegend betrachtet. Die Borderline-Symptom-Liste (BSL) ist ein Selbstbeurteilungsfragebogen, der weniger zur direkten Diagnostik der Borderlinestörung verwendet wird (Bohus et al., 2001). Vielmehr soll er den Schweregrad des Störungsbildes und das subjektive Leiden der Patienten/innen erfassen. Auch auf dieses Messmittel wird unten näher eingegangen, da es ebenfalls in dieser Untersuchung eingesetzt wurde. 56 ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE 3. 57 Entwicklung der Fragestellung und Ziele 3.1 Vorstudie Ausgehend von der These der Borderlinestörung als einer Emotionsregulationsstörung (Fruzzetti, 2002; Hoffmann et al., 1999; Linehan, 1993a, 1996a) vermittelt dieser Ansatz zwar eine theoretische Grundlage. Bisher ist jedoch nicht abschliessend geklärt worden, auf welchen Ebenen und auf welche Weise sich bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung die Emotionsregulation abspielt. Ebenso ist unklar, welche Faktoren der Emotionsregulation eine Entwicklung der Borderlinestörung begünstigen. Das Konzept der Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung besagt, dass Menschen mit dieser Störung einerseits sensitiver in Bezug auf emotionale Reize sind als andere (Fruzzetti, 2002; Herpertz et al., 1998; Hoffmann et al., 1999; Linehan, 1993a, 1996a). Andererseits zeigen sie aber auch stärkere Reaktionen als andere Personen auf emotionale Reize irgendwelcher Art. Man könnte in der Folge die These aufstellen, dass Menschen mit einer Borderlinestörung ihrem Empfinden nach häufig mit überwältigenden Gefühlen konfrontiert sind. Der Fragebogen EMOREG ist genau darauf ausgerichtet zu erfassen, wie Menschen ihre Emotionen regulieren, wenn sie mit überwältigenden Reizen konfrontiert sind (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000). Der EMOREG schien in der Folge das geeignete Messmittel zu sein, um zu mehr Klarheit zu gelangen, wie und auf welchen Ebenen sich die Emotionsregulation bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung abspielt. Gemäss den Beobachtungen und Erfahrungen in der klinischen Praxis lag die Vermutung nahe, dass diese Patienten/innen im EMOREG auf allen vier Skalen (Autokontrolle, Ausdruck, Vermeiden, Verzerren) Werte ausserhalb den Normwerten von Gesunden oder Psychotherapiepatienten/innen aufweisen könnten. 58 ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE Um einen ersten Eindruck darüber zu bekommen, ob sich diese Hypothesen in irgendeiner Weise bestätigen könnten, wurde in der Psychotherapie-Tagesklinik (PTK) in Bern eine Voruntersuchung durchgeführt. 3.1.1 Design der Voruntersuchung Die Psychotherapie-Tagesklinik (PTK) ist eine teilstationäre Institution der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern, die kontinuierlich 14 Patienten/innen mit unterschiedlichen psychischen Störungen ein 14-wöchiges, teilstationäres Psychotherapieprogramm anbietet. Bei Eintritt in das Programm werden die Personen jeweils mit Hilfe einer psychodiagnostischen Standard-Messung getestet. Die Diagnostik wird sowohl mittels der Strukturierten Klinischen Interviews zur Erfassung der Störungen auf Achse-I (Wittchen, Zaudig & Fydrich, 1997) sowie auf Achse-II (Fydrich et al., 1997) durchgeführt. Sie schliesst auch verschiedene Selbstbeurteilungsfragebogen mit ein, unter anderem den EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b). Es wurden in der Folge die psychodiagnostischen Daten von zwei Gruppen mit je 21 Frauen verglichen, die in der PTK das Therapieprogramm durchlaufen hatten. Die Gruppen unterschieden sich in Bezug auf ihre Diagnosen insofern, dass die Frauen der Experimentalgruppe auf der Achse-I (mindestens) die Diagnose einer Major Depression (MDE) sowie auf Achse-II die einer Borderlinestörung aufwiesen. Bei der Vergleichsgruppe hingegen mussten nur (mindestens) die Kriterien einer MDE erfüllt sein. Die Wahl für den Vergleich dieser beiden Diagnosegruppen basierte zum einen auf dem Konzept der emotionalen Unter- bzw. Überregulierung von Greenberg (2000, 2004). Dieser Autor ordnet den Patienten/innen mit einer Borderlinestörung eine emotionale Unterregulierung zu. Diejenigen Patienten/innen hingegen, die das Symptombild der MDE erfüllen, benennt Greenberg als Menschen mit einer emotionalen Überregulierung. Dieses Konzept erweist sich auch in der klinischen Praxis als sehr relevant. Davon ableitend wurde die Annahme getroffen, dass eine grosse Unterschiedlichkeit der Regulationsprozesse feststellbar sein sollte. Zum anderen aber ist die hohe Komorbidität der Borderlinestörung mit einer MDE bekannt (Bohus, 2002; Zanarini et al., 1998a, 1998b). So kann einerseits eine Vergleichbarkeit der beiden Gruppen gewährleistet werden. Darüber hinaus könnte ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE 59 eine eventuelle Unterschiedlichkeit in der Emotionsregulation als eine Auswirkung der Borderlinestörung interpretiert werden. In die Voruntersuchung wurden zudem nur die Resultate von Frauen einbezogen, weil es sich sowohl in der klinischen Praxis als auch in der Literatur wiederholt gezeigt hat, dass Frauen und Männer wesentliche Unterschiede in der Emotionsregulation aufweisen (Bohus, 2001; Herpertz et al., 1998; Zanarini et al., 1998a). Das Durchschnittsalter der Personen, die die Diagnose einer Borderlinestörung + MDE erfüllten, lag bei 28.7 Jahren (SD = 8.6; Range = 19–48), das der Vergleichsgruppe (Diagnose MDE) bei 28.6 Jahren (SD = 8.5; Range = 19–47). 3.1.2 Statistische und inhaltliche Auswertung Die statistische Auswertung der Daten des EMOREG erfolgte mittels eines TTests für unabhängige Stichproben. Die Ausrechnung über die multivariate Varianzanalyse ergab dieselben Resultate. In diesen Ergebnissen zeigten sich in keiner Subskala des EMOREG signifikante Unterschiede (auf dem Signifikanzniveau von α=0.05) zwischen den beiden Patientinnengruppen: Subskala Autokontrolle (t= -1.55, p= .13, df = 40, ES= -0.48), Subskala Ausdruck (t= 1.27, p= .21, df= 40, ES= 0.39), Subskala vermeiden (t= -.79, p= .44, df= 31.29, ES= -0.24), Subskala verzerren (t= -.32, p= .75, df= 40, ES= -0.1). Im Gegenteil könnte man sogar für alle Subskalen – ausser für die der Autokontrolle – die Nullhypothese bestätigt sehen, wobei dafür bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen (Bortz, 1999; Naumann, 1994). Für die Bestätigung der Nullhypothese ist es notwendig, dass die β-Fehler Wahrscheinlichkeit unter 5% (1%) liegt, während für die Irrtumswahrscheinlichkeit ein Minimalwert von α=0.20 anzusetzen ist. Damit werden die Zahlenverhältnisse, die üblicherweise bei der Untersuchung einer zu bestätigenden, gut begründeten, spezifischen Alternativhypothese empfohlen werden, umgekehrt (Bortz, 1999). Dieses Resultat, das entgegen der erwarteten Vorannahmen sehr kleine Unterschiede und Effekte zwischen den beiden Gruppen von Versuchspersonen aufwies, war überraschend. Die Erklärung, dass die Werte des EMOREG nur an einer grossen Stichprobe in der Normalbevölkerung erhoben worden waren, wurde mit dem Argument entkräftet, dass der Fragebogen auch bei Patienten/innen, die in therapeutischer Behandlung waren, eingesetzt worden war (Znoj, 2002). Hingegen wur- 60 ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE den in Bezug auf dieses Messmittel bisher noch keine störungsspezifischen Auswertungen durchgeführt, was zu folgenden Überlegungen führte: Werden die Kriterien der Borderlinestörung nach DSM-IV (APA, 1994, 1996) betrachtet, wonach die Diagnose einer Borderlinestörung vorliegt, wenn mindestens fünf von neun Kriterien erfüllt sind, fällt auf, dass das Störungsbild in Bezug auf die Breite der Symptomatik eine hohe Intensität aufweist. Diese Intensität ist in den Items des EMOREG nicht entsprechend repräsentiert. Zudem taucht die Frage auf, ob die einzelnen diagnostischen Kriterien durch die Items im EMOREG genügend operationalisiert werden. Im Speziellen sind dies die Kriterien der Identitätsstörung, der affektiven Instabilität, des chronischen Gefühls der Leere sowie der durch Belastungen ausgelösten dissoziativen Symptome, die im Fragebogen nur wenig auftauchen. Bei der Durchsicht der Einleitung, die für das Ausfüllen des EMOREG vorgegeben wird sowie der Formulierungen der einzelnen Items entstand deshalb folgende Vermutung: Könnte es sein, dass sich Menschen mit einer Borderlinestörung eventuell in ihrem Erleben, in ihren Empfindungen und in ihrer Problematik zuwenig angesprochen fühlen und deshalb viele der aufgelisteten Verhaltensweisen für sich als nicht problematisch einstuften? 3.1.3 Überlegungen zur vorliegenden Studie Diese Betrachtungen führten zur Idee, den Fragebogen EMOREG zu adaptieren und ihm mit dem EMOREG-B eine neue Form zu geben, um damit spezifischer das emotionale Erleben von Menschen mit einer Borderlinestörung erfassen zu können. Das Vorhaben hat das Ziel, die Emotionsregulation und Regulationsstrategien bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung genauer zu explorieren. Mit Hilfe der subjektiven Einschätzung von Betroffenen mit diesem Störungsbild sollen Faktoren herauskristallisiert werden, die bei ihnen massgeblich zur Emotionsregulation beitragen. Im Weiteren ist damit die Hoffnung verbunden, durch die gewonnenen Erkenntnisse Empfehlungen für die Theorie und Therapie der Borderlinestörung geben zu können. Dadurch sollen diese Patienten/innen darin unterstützt werden, ihre Ressourcen gezielter einzusetzen und ihre Schwierigkeiten im Umgang mit intensiven Gefühlen besser bewältigen zu können. ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE 61 Die nachfolgend dargestellte Studie orientiert sich vom theoretischen Gesichtspunkt her einerseits an borderlinespezifischen Leitlinien und andererseits an theoretischen Modellen zur Emotionsregulation. Die Adaptierung des EMOREG-B erfolgte massgeblich in Anlehnung an den Fragebogen EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000). Im Weiteren wurden in der Literatur beschriebene Empfehlungen zur Erstellung eines Testmanuals einbezogen (Bühner, 2004; Krauth, 1995). Ausserdem waren die Erfahrungen aus der klinischen Praxis sowie viele Aussagen von Patientinnen zentral und beeinflussten die Forschungsfragen direkt. Für die borderlinespezifischen Leitlinien bilden zum einen die Diagnosekriterien nach DSM-IV (APA, 1994, 1996) und die Ausführungen/Practice Guidelines zur Borderlinestörung (APA, 2001) die allgemeinen Grundlagen. Diese Grundlagen geben anerkannte Richtlinien für die diagnostischen Einschätzungen vor und beinhalten viele verschiedene Aspekte des Störungsbildes. Zum anderen ist als Erklärungsmodell in Bezug auf die Borderlinestörung der Ansatz der Störung als Emotionsregulationsstörung hinzu gezogen worden (Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b). In der klinischen Praxis hat sich dieses theoretische Konzept (mit der dazugehörigen Dialektisch Behavioralen Therapie) für die Behandlung der Patienten/innen als besonders erfolgreich erwiesen (Bateman & Fonagy, 1999; Bohus et al., 2000; Koerner & Linehan, 2000; Linehan & Heard, 1999; Rathus & Miller, 2002). Zudem scheint diese Anschauungsweise der Borderlinestörung – laut Aussagen vieler Patientinnen – das emotionale Leiden und die daraus resultierenden Probleme treffend zu beschreiben. Im Bereich der Emotionsregulation dienen Modelle von zwei verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen als theoretische Grundlage: Zum einen sind die Modelle derjenigen Richtung anzuführen, die betont, dass eine zentrale Voraussetzung für eine gelungene Emotionsregulation im Wahr- und Ernstnehmen der eigenen Emotionen liegt (Gratz & Roemer, 2004; Greenberg & Paivio, 2000; Linehan, 1996a). Genau in diesen Prozessen sind Menschen mit einer Borderlinestörung benachteiligt. Zudem wird auch die notwendige Impulskontrolle in diesen Modellen benannt, die bei vielen Patienten/innen ein Problem darstellt. Die 62 ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE Modelle dieser Richtung werden für diese Studie favorisiert, weil sie in ihren Definitionen die Komplexität der Emotionsregulation beinhalten. Diese Konzepte werden für die Studie aber auch als geeignet betrachtet, weil sie den eingesetzten Regulationsstrategien eine Bewertung in adaptiv und nicht adaptiv zuordnen. Dieser Aspekt wird den Patienten/innen mit einer Borderlinestörung ebenfalls gerecht, da sie oft, um die hohe Spannung zu reduzieren, selbstschädigende Verhaltensweisen einsetzen. Selbstschädigende Verhaltensweisen sind ein Beispiel dafür, dass Verhaltensweisen, auf ihre Adaptivität hin beurteilt, aus kurzfristiger und längerfristiger Perspektive unterschiedlich eingeschätzt werden können (Masters, 1991): Selbstverletzungen haben jeweils für die Betroffenen kurzfristig positive Konsequenzen, indem der starke innerliche Druck dadurch aushaltbar gemacht wird. Die Verhaltensweisen müssen aber als maladaptive Regulationsweisen beurteilt werden, weil sie für die Patienten/innen aus der längerfristigen Perspektive betrachtet negative Auswirkungen haben. Diese Auswirkungen können z.B. in grossen Narben nach Selbstverletzungen oder in der Entwicklung einer Bulimie nach oftmaligem Erbrechen resultieren. Der zweite theoretische Ansatz zur Emotionsregulation, dem in dieser Studie grosse Wichtigkeit beigemessen wird, ist derjenige, der Emotionsregulation als einen Prozess versteht (Gross, 1998b, 1999a, 1999b; Masters, 1991). Vor allem das Prozessmodell zur Emotionsregulation von Gross (Gross, 1998b, 1999a, 1999b) besticht durch seine Klarheit und bietet eine Möglichkeit zur Operationalisierung. Auf der Grundlage dieser Konzeption wurden bereits verschiedene Laborstudien durchgeführt, die weite Teile der theoretischen Annahmen untermauerten (Gross, 1998a, 2002; Gross & John, 2003; Gross & Levenson, 1997) Das Prozessmodell von Gross beinhaltet fünf verschiedene Ebenen, auf denen die Regulierung von Emotionen stattfinden kann. Die fünf Ebenen sind von Gross genau definiert worden (1998b, 1999a, 1999b) und bieten konkrete, nachvollziehbare Abläufe in Bezug auf die Emotionsregulation an. Das Prozessmodell beinhaltet hingegen keine Bewertung der eingesetzten Emotionsregulationsstrategien. Es wird jeweils nur beurteilt, ob Regulation stattfindet oder nicht. Trotzdem wurde das Modell als Grundlage für die qualitative Erhebung verwendet, mit der die situative Emotionsregulation der Patientinnen untersucht werden soll. ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE 3.1.4 63 Fragestellungen In dieser explorativ orientierten Studie sollten folgende differenzierte Fragestellungen bearbeitet werden: 1. Ist es möglich, einen Fragebogen zu entwickeln, der den Gütekriterien der klassischen Testtheorie entspricht und zentrale Aspekte der habituellen Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung auf der psychologischen Ebene genauer herauskristallisiert? Es wurde davon ausgegangen, dass sich auf den Grundlagen der Literatur, der klinischen Erfahrung und dem bestehenden Messmittel EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) ein solcher Fragebogen adaptieren und entwickeln lässt. Dieser sollte spezifisch die Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung erfassen können. Zudem sollte er auf verschiedenen Dimensionen zentrale Aspekte zur habituellen Emotionsregulation von diesen Patientinnen auf der psychologischen Ebene aufzeigen und Gütekriterien der klassischen Testtheorie genügen. 2. Unterscheiden sich Patientinnen mit einer Borderlinestörung auf den verschiedenen Dimensionen des neu konstruierten Messmittels (EMOREG-B) hinsichtlich ihrer habituellen Emotionsregulation gegenüber Patientinnen mit anderen Störungen? Sagen die aus dem Messmittel gewonnenen Resultate etwas darüber aus, ob Patientinnen mit einer Borderlinestörung emotional eher über- oder unterreguliert sind? Aufgrund der Literatur und der klinischen Beobachtung wurde angenommen, dass sich die Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung wesentlich von der bei Menschen mit anderen Störungen unterscheidet (Greenberg, 2000, 2004; Herpertz et al., 1998; Westen, 1998). Zudem wurde erwartet, dass sich in den Ergebnissen im EMOREG-B bei diesen Patientinnen das Symptombild einer emotionalen (Über- oder) Unterregulierung repräsentieren würde. 3. Gibt es Variablen, die die unterschiedlichen Ebenen der Emotionsregulation vorhersagen oder zusätzlich erklären können? Emotionsregulation beinhaltet komplexe Abläufe in verschiedenen Bereichen wie z.B. der physiologischen, kognitiven oder Verhaltensebene (Cicchetti et al., 1991; Gross, 1999b; Masters, 1991). Zudem soll die Regulation negative Gefühle verringern oder einen Umgang mit psychologischem Stress ermöglichen (Lazarus, 1993a, 64 ENTWICKLUNG DER FRAGESTELLUNG UND ZIELE 1993b). Es ist deshalb davon auszugehen, dass Befindlichkeitseinschätzungen oder Variablen auf der Verhaltensebene zusätzlich erklären können, wie Emotionen reguliert werden. 4. Eignet sich das Prozessmodell der Emotionsregulation von Gross (1998b, 1999a, 1999b) zur Erfassung der situativen Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung? Da dieses Modell klar von einander abgegrenzte Ebenen der Emotionsregulation beschreibt, wurde davon ausgegangen, dass es möglich wäre, diese Ebenen in der Form eines qualitativen Interviews zu operationalisieren. Nachfolgend sollte es mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet werden (Mayring, 1989, 2003). Es wurde ausserdem angenommen, dass das Modell mit seinen verschiedenen Ebenen eine grosse Breite von Aspekten der Emotionsregulation beinhaltet. Das Prozessmodell enthält z.B. implizit die Notwendigkeit, Emotionen wahrnehmen und differenzieren zu können. Im Weiteren ist im Modell die Fähigkeit eingeschlossen, die eigene Aufmerksamkeit in emotional schwierigen Situationen auch anderen Dingen zuzuwenden. Deshalb entstand die Hypothese, dass das Prozessmodell die in der Literatur beschriebenen Schwierigkeiten dieser Patientinnen mit Emotionen umzugehen, gut erfassen könnte (Fruzzetti, 2002; Gratz & Roemer, 2004; Linehan, 1996a). 5. Kann aufbauend auf dem Prozessmodell zur Emotionsregulation von Gross (1998b, 1999a, 1999b) gezeigt werden, dass Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen situativ auf einer / auf anderen Ebene/n regulieren als Patientinnen mit anderen Störungen? Aufgrund der klinischen Beobachtungen, die vor allem auf der Ebene der Reaktionsmodulierung grosse Unterschiede zwischen dem Verhalten von Patienten/ innen mit unterschiedlichen Störungsbildern aufweisen, wurde erwartet, mindestens diese auch in diesem Modell gespiegelt zu sehen. Zudem zeigen auch einige Befunde in der Literatur Unterschiedlichkeiten in der Emotionsregulation von verschiedenen Störungsgruppen, obwohl dieses Gebiet bei klinischen Stichproben bisher wenig erforscht ist (Greenberg, 2004; Herpertz et al., 1998; Rottenberg et al., 2002; Westen, 1998). DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 4. Durchführung der Studie 4.1 Vorgehen und Untersuchungsdesign 4.1.1 Allgemeines 65 Die vorliegende Untersuchung wurde nicht im Rahmen eines grösseren Forschungsprojektes durchgeführt, sondern basierte vorwiegend auf der Einbettung der Studienleiterin in der PTK, einer klinischen, psychotherapeutischen Station der Universitären Psychiatrischen Dienste in Bern. Die Planung und Ausarbeitung des Untersuchungsdesigns sowie die Rekrutierung der Versuchspersonen wurde in der Folge durch die Studienleiterin initiiert, wobei jedoch eine Menge hilfreicher Feedbacks und andere Formen von Unterstützung in die Arbeit einflossen. Zu Beginn der Untersuchung lagen keine befriedigenden Verfahren zur Erfassung der Emotionsregulation bei Betroffenen mit einer Borderlinestörung vor. Deshalb wurde zum einen in einer quantitativen Untersuchung in Anlehnung an den EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) ein Fragebogen EMOREG-B spezifisch zur Erhebung der habituellen Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung konstruiert. Der EMOREG-B wurde aufgrund von konzeptuellen Überlegungen, theoretischen Grundlagen und klinischen Beobachtungen erstellt und psychometrisch entwickelt. Zum anderen wurde in Anlehnung an ein bestehendes Prozessmodell zur Emotionsregulation (Gross, 1998b, 1999a, 1999b) ein qualitatives Interview ausgearbeitet, um die situative Emotionsregulation der Versuchspersonen zu erfragen. Das qualitative Interview wurde nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse konzipiert und ausgewertet (Mayring, 1989, 2003). 4.1.2 Quantitative und qualitative Messverfahren An dieser Stelle sollen einige Unterschiede der quantitativen und qualitativen Messverfahren beschrieben werden. Zudem werden die Beweggründe vermittelt, die zum 66 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE Einsatz der zwei verschiedenen methodischen Vorgehensweisen in dieser Studie geführt haben. • Von quantitativen Forschungsmethoden wird gesprochen, wenn Zahlbegriffe und deren In-Beziehung-Setzen durch mathematische Operationen bei der Datenerhebung oder der Auswertung eingesetzt werden (Mayring, 1989, 2003). Der qualitative Ansatz will Zusammenhänge und Prozesse nicht nur analysieren, sondern sie auch „nacherleben“. • Quantitative Analysen basieren auf Ordinal-, Intervall- oder ratioskalierten Messungen. Qualitativen Analysen liegen nominalskalierte Messungen zugrunde, sie klassifizieren das Material. • Mit der quantitativen Methodik werden vorwiegend Theorien und Hypothesen überprüft. Ein klassischer Bereich hingegen, in dem qualitative Forschung eingesetzt wird, ist der der Hypothesenfindung und Theoriebildung. • Die quantitative Analyse trifft fundierte wissenschaftliche Aussagen, nachdem sie eine einzelne Variable an einer repräsentativen Stichprobe gemessen hat. Die qualitative Analyse orientiert sich an der Komplexität des Einzelfalls und will über diesen zu Verallgemeinerungen kommen. • Quantitative Verfahren können zwar das Verhältnis verschiedener Variablen in Bezug auf eine grosse Stichprobe bestimmen, zeigen aber Schwierigkeiten im Erfassen kausaler komplexer Zusammenhänge (Huberman & Miles, 1994). Qualitative Verfahren hingegen sind dafür geeignet, in kleinen Stichproben spezifische, historisch begründete Abläufe herauszukristallisieren. Diese sind aber jeweils schwieriger zu generalisieren. Mayring (1989, 2003) postuliert ein Phasenmodell zum Verhältnis qualitativer und quantitativer Analyse, das eine Verbindung der beiden Verfahren herstellt: In einem ersten Schritt am Anfang eines wissenschaftlichen Vorhabens muss der Untersuchungsgegenstand definiert werden. Dabei handelt es sich um einen qualitativen Schritt, indem ein Kategoriensystem auf das zu untersuchende Material angewendet wird. Danach können in einem zweiten Schritt, falls benötigt, quantitative Analysen eingesetzt werden. Zum Schluss wiederum, in der Auswertung des Materials, werden qualitative Verfahren angewendet, um die Befunde in Bezug zur Fragestellung zu setzen und sie zu interpretieren. DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 67 Der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1989, 2003) liegt dieses Phasenmodell zugrunde und führt so zu einer Verbindung zwischen quantitativen und qualitativen Herangehensweisen. Das Vorgehen mittels der qualitativen Inhaltsanalyse zeichnet sich zudem über eine hohe Systematik aus. Sprachliches Material kann somit theorie- und regelgeleitet sowie methodisch kontrolliert ausgewertet werden. Theoriegeleitet bedeutet, dass sprachliche Inhalte nicht einfach wiedergegeben, sondern anhand einer theoretisch abgeleiteten Fragestellung analysiert und interpretiert werden. Regelgeleitetheit bedeutet, dass die Analyse und Kodierung der Inhalte nach genauen Regeln und Kodierungsvorgaben erfolgt. Dies soll dazu führen, dass andere Personen die Analyse genau verstehen und nachvollziehen können. Zudem kann sie auf diese Weise von anderen überprüft oder repliziert werden. Damit ist das Gütekriterium der Transparenz gewährleistet und entspricht der methodischen Kontrollierbarkeit (Huberman & Miles, 1994). Mayring (1989, 2003) plädiert dafür, dass das sprachliche Material immer als Teil einer Kommunikationskette verstanden werden muss. Es soll nicht nur isoliert betrachtet, sondern jeweils innerhalb seines Kontextes interpretiert werden. Zudem muss die qualitative Inhaltsanalyse wie jede wissenschaftliche Methode die Erfüllung von Gütekriterien gewährleisten. Die „klassischen“ Gütekriterien der sozialwissenschaftlichen Forschung können nur teilweise und in abgeänderter Form auf die inhaltsanalytische Forschung übertragen werden (Mayring, 2003). Für Reliabilitätsbestimmungen z.B. scheinen sowohl die Parallel-Test-Verfahren wie auch die Splithalf-Methode ungeeignet. So wurden Konzepte entwickelt, die spezifisch auf die qualitative Inhaltsanalyse zugeschnitten sind. Ein wichtiges Reliabilitätsmass bei der Auswertung von qualitativem Datenmaterial ist z.B. die Intercoderreliabilität (Mayring, 1989, 2003). Diese hat als Gütekriterium eine grosse Bedeutung: Zwei Beurteiler/innen analysieren unabhängig voneinander das sprachliche Material, und die Ergebnisse werden nachfolgend auf ihre Übereinstimmung hin überprüft. Ein weiteres Reliabilitätsmass ist die Stabilität. Diese lässt sich überprüfen, indem das Analyseinstrument noch einmal auf das sprachliche Material angewendet wird. Die Qualität der Inhaltsanalyse wird nicht nur mit dem Gütekriterium der Reliabilität, sondern auch mit Validitätskonzepten geprüft (Mayring, 1989, 2003). Validität 68 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE kann sich auf drei Bereiche, nämlich auf das Material, das Ergebnis und auf den Prozess beziehen. Die Bedeutung von Validität in Bezug auf die drei Bereiche wird weiter unten in dieser Studie – bei der Darstellung der Resultate – kurz ausgeführt. Bei der Entwicklung des Untersuchungsdesigns sowie den Überlegungen zur Methodik wurden all diese Betrachtungen einbezogen und auf ihre Brauchbarkeit hin überprüft. Da es kaum Befunde gibt, die vermitteln, auf welchen Ebenen sich die Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung abspielt, handelt es sich bei der vorliegenden Untersuchung um eine explorative Studie. Das vordringliche Ziel ist also zum einen die Hypothesenfindung und Theoriebildung. Damit drängt sich die Herangehensweise der qualitativen Datenerhebung auf. Für die Auswertung dieses Datenmaterials wurde die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1989, 2003) gewählt, weil sie gut anwendbar ist, eine hohe Strukturiertheit bietet und leicht nachvollziehbar ist. Zum anderen aber sollten in dieser Studie auch Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen bestimmt werden, um z.B. zu einer Differenzierung zwischen den einzelnen Diagnosegruppen zu kommen (Hellhammer, 1989). Im Weiteren sollten Hypothesen geprüft werden. Für diese Berechnungen wurde die quantitative Methodik als die geeignete beurteilt. 4.1.3 Beschreibung der Datenerhebung Es wurden zwei Gruppen von Patientinnen mit bestimmten psychischen Störungsbildern miteinander verglichen, was die Auswahl der Personen beeinflusste, die für die Teilnahme an der Studie angefragt wurden. Da zwischen den beiden Gruppen im Vergleich ihrer Befunde grosse Unterschiede mit grossen Effekten erwartet wurden, ist aufgrund von Teststärkeberechnungen die Anzahl auf mindestens 30 Versuchspersonen pro Gruppe festgesetzt worden (Cohen, 1990; Rudestam & Newton, 2001). In der klinischen Praxis hat sich zudem verschiedentlich gezeigt, dass sich die Emotionsregulation bei der Borderlinestörung geschlechtsspezifisch unterschiedlich manifestiert (Bohus, 2001; Herpertz et al., 1998). Aus diesem Grund wurden nur Frauen in die Studie einbezogen. DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 69 Die Datenerhebung erstreckte sich über eineinhalb Jahre. Sie konstituierte sich vorwiegend aus dem Patientinnenpool der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (Stationen PTK und Krisenintervention). Zudem wurden auch Versuchspersonen durch ambulante Therapeuten/innen an die Studienleiterin vermittelt. Alle Teilnehmerinnen mussten sich einer längeren Erhebung unterziehen, die jeweils im Schnitt, meist an zwei kurz aufeinander folgenden Zeitpunkten, drei bis vier Stunden dauerte. Zum einen wurden sie von hauptsächlich zwei geschulten Interviewerinnen zu ihren psychischen Problemen befragt, um dadurch eine genaue Diagnostik zu erhalten. Zum anderen führte die Studienleiterin mit allen Studienteilnehmerinnen ein spezifisches Interview zur situativen Emotionsregulation durch. In diesem Interview wurden die Teilnehmerinnen danach gefragt, wie sie ihre Emotionen in einer noch nicht lange zurückliegenden belastenden Situation reguliert hatten. Die Befragung war freiwillig, die Personen erhielten keine finanzielle Entschädigung und bei Abbruch des Verfahrens hatten sie keinerlei Nachteile zu befürchten. Den Teilnehmerinnen wurden jedoch zum Schluss der Erhebung die Diagnosen, die sie zum Befragungszeitpunkt erfüllten, mitgeteilt sowie deren Bedeutung bei Bedarf genau erklärt. Zudem wurde ihnen ein hypothetisches Störungsmodell bezogen auf ihre jeweils aktuelle Situation dargestellt und dieses, falls sie es wünschten, mit ihnen diskutiert. Alle Personen füllten im Weiteren verschiedene Selbstbeurteilungsfragebogen aus. Zudem sollten sie einer nahen Bezugsperson einen Fremdbeurteilungsfragebogen zum Beantworten geben. Nachfolgend werden die beiden Gruppen der untersuchten Personen, die eingesetzten Messmittel sowie die Datenauswertung mit den Resultaten ausführlicher vorgestellt und diskutiert. 4.2 Methodik 4.2.1 Versuchspersonen An der Studie nahmen 63 Frauen teil, die sich zum Zeitpunkt der Befragung in psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung befanden. Circa ein Viertel der Untersuchungsteilnehmerinnen (25.4%) war in einer ambulanten Therapie, die 70 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE Hälfte der Personen (49.2%) befand sich im teilstationären Setting und das letzte Viertel (25.4%) war im stationären Rahmen hospitalisiert. Die jüngsten Teilnehmerinnen waren mindestens 18 Jahre alt, da gemäss der Klassifikationssysteme für psychische Störungen (APA, 1996; Weltgesundheitsorganisation, 1999) die Diagnose einer Borderlinestörung frühestens ab diesem Alter gestellt werden soll. Das Höchstalter lag bei 60 Jahren. Die Probandinnen wurden über ihre jeweiligen Bezugspsychotherapeuten/innen für die Teilnahme zur Studie angefragt. Die Teilnehmerinnen wurden in die Untersuchung einbezogen, wenn sie entweder die diagnostischen Kriterien einer Borderlinestörung + MDE (N=32) oder aber mindestens einer MDE ohne eine Borderlinestörung (N=31) erfüllten. Entsprechend des Standards von anderen Studien wurden Personen, die eine Bipolar-I-, eine organische oder eine psychotische Störung aufwiesen, aus der Studie ausgeschlossen (Brown, Newman, Charlesworth, CritsChristoph & Beck, 2004; Herpertz, Kunert, Schwenger, Eng & Sass, 1999; Marziali, Munroe-Blum & McCleary, 1999). Ebenfalls ausgeschlossen wurden Patientinnen mit einer primären Suchtstörung sowie solche, die zur MDE zwar die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung, nicht aber die einer Borderlinestörung erfüllten. Eine Versuchsperson brach die Befragung in der Mitte ab und bei zwei anderen Teilnehmerinnen konnte nur ein Teil der Daten erhoben werden. 4.2.1.1 Demographische Daten der Teilnehmerinnen Die zwei Diagnosegruppen (Diagnosegruppe Borderlinestörung + MDE und Diagnosegruppe MDE ohne Borderlinestörung) unterschieden sich hinsichtlich ihrer demographischen Daten wie folgt: Das Durchschnittsalter der Personen, die die Diagnosen einer Borderlinestörung + MDE erfüllten, lag bei 27.3 Jahren (SD = 6.4; Range = 18–43), das der Kontrollgruppe (Diagnose MDE) bei 33 Jahren (SD = 9.4; Range = 19–52). Die beiden Gruppen unterschieden sich in ihrem Durchschnittsalter signifikant (t(53)= 2.77, p= .008, d= 0.7). In beiden Gruppen hatten je die Hälfte der Frauen eine Beziehung zu einem/r Partner/in (SD = 0.5 für beide Gruppen). 91% (N=29) der Frauen mit einer Borderlinestörung + MDE verletzen sich regelmässig selber und haben in ihrer Vorgeschichte bereits 2.4 Suizidversuche (SD = 2.4) hinter sich. Von der Kontrollgruppe der Frauen mit einer MDE üben die Hälfte (52%, N=16) ebenfalls regelmässig DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 71 Selbstverletzungen aus und haben bereits 1.0 (SD = 1.8) Suizidversuche hinter sich. In Bezug auf selbstverletzendes Verhalten unterschieden sich die beiden Diagnosegruppen signifikant (t(48)= -3.7, p= .001). Die Teilnehmerinnen beider Gruppen litten im Durchschnitt seit acht Jahren unter ihren Problemen (Borderlinestörung + MDE: SD = 6.6; MDE: SD = 8.3). Von den Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE waren zum Zeitpunkt der Befragung circa die Hälfte (N=15) berufstätig, wogegen es bei den Teilnehmerinnen mit der Diagnose MDE (N=26) über 80% waren, die einer Arbeit nachgingen. Von beiden Gruppen lebte je knapp die Hälfte der Teilnehmerinnen alleine in einer Wohnung (Borderlinestörung + MDE: N=12; MDE: N=14). 4.2.2 Diagnostische Messinstrumente Da die Versuchspersonen die diagnostischen Kriterien einer Borderlinestörung und /oder einer MDE erfüllen mussten, um in die Untersuchung einbezogen werden zu können, war eine exakte Diagnosestellung notwendig. Diese wurde mittels anerkannter diagnostischer Manuale und Verfahren durchgeführt, wobei die Interraterreliabilität für das Strukturierte klinische Interview, SKID-I (Wittchen et al., 1997), bei Kappa-Koeffizient 1.00 lag. Für die Diagnosestellung der Borderlinestörung nach IPDE (Loranger, 1995) betrug die Interraterreliabilität Kappa-Koeffizient 1.00. Auf der Itemebene war ebenfalls eine hohe Interraterreliabilität festzustellen. Sie betrug Werte zwischen Kappa-Koeffizient 0.73 und 1.00, mit Ausnahme zweier Items, die nur Werte von Kappa-Koeffizient 0.46 und 0.56 aufwiesen. 4.2.2.1 SKID-I: Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV SKID-I ist ein strukturiertes Interview, das im ambulanten und stationären Bereich zur Diagnostik von psychischen Störungen verwendet wird (Wittchen et al., 1997). Ausgewählte Syndrome, definiert nach DSM-IV (APA, 1994, 1996), werden mit einem Manual abgefragt und können daraufhin klassifiziert werden. Im Manual enthalten sind die affektiven und psychotischen Störungen, Störungen durch psychotrope Substanzen, Angststörungen, somatoforme Störungen, Essstörungen und Anpassungsstörungen (Achse-I Störungen). Das Manual gilt als leicht handhabbar, ist valide und reliabel. 72 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 4.2.2.2 SKID-II: Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV SKID-II (Fydrich et al., 1997) ist ein diagnostisches Messmittel, um alle Persönlichkeitsstörungen zu erfassen, die im DSM-IV (APA, 1994, 1996) aufgeführt werden (Achse-II Störungen). Den zu interviewenden Personen wird ein Fragebogen übergeben, der in Items zusammengefasst die Kriterien der verschiedenen Persönlichkeitsstörungen enthält. In einem ersten Schritt sollen alle Fragen durch die Probanden/innen selber beantwortet werden. In einem zweiten Schritt werden die Personen zu denjenigen Items, bei denen sie „ja“ angekreuzt haben, genauer befragt. Im Gegensatz zu SKID-I gilt das Ergebnis des SKID-II als nicht sehr reliabel und ist deshalb für die Diagnostik der Persönlichkeitsstörungen mit Vorsicht einzusetzen. Mit diesem Instrument wurden die Versuchsteilnehmerinnen auf alle Persönlichkeitsstörungen, ausser auf die Borderlinestörung hin, geprüft. 4.2.2.3 IPDE: International Personality Disorder Examination Das Manual IPDE (Loranger, 1995) hat sich zur Erfassung und Beurteilung der Persönlichkeitsstörungen weitgehend bewährt (Clarkin & Dammann, 2000). Es handelt sich dabei um ein längeres, halbstrukturiertes Interview, das durch geschulte Personen durchgeführt wird. Die Diagnostik ist sehr gründlich, weil in der Befragung die Kriterien beider anerkannter diagnostischer Manuale DSM-IV (APA, 1994) und ICD-10 (Weltgesundheitsorganisation, 1999) integriert werden. Im Gegensatz zu SKID-II gilt die Interraterreliabilität bei diesem Messmittel mit KappaWerten zwischen 0.76 und 0.96 als sehr hoch. Mit dem Interview wurden in der Studie bei allen Teilnehmerinnen nur die Kriterien der Borderlinestörung diagnostiziert, nicht aber die der anderen Persönlichkeitsstörungen. 4.2.3 Quantitative Erhebung / Messmittel Die Studienteilnehmerinnen wurden nicht nur auf ihre psychischen Störungen hin diagnostiziert, sondern sie mussten auch verschiedenste Selbstbeurteilungsfragebogen ausfüllen. Zudem sollten sie einer nahen Bezugsperson einen Fremdbeurteilungsfragebogen abgeben. Die einzelnen Messmittel werden nachfolgend genauer beschrieben. DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 73 4.2.3.1 EMOREG-B: Emotionsregulationsfragebogen Der anfänglich eingesetzte Fragebogen zur Emotionsregulation, EMOREG-B, ist ein Selbstbeurteilungsinstrument mit einem Itempool von 45 Items. Der EMOREG-B ist entwickelt worden, um klinisch relevante Bereiche der Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung zu erfassen. Der Itempool speist sich aus verschiedenen Quellen: Einerseits wurden die Items in Anlehnung an den Emotionsregulationsfragebogen EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) generiert. Andererseits wurden die Items aufgrund langjähriger klinischer praktischer Erfahrung rational zusammengestellt sowie anschliessend durch Experten/innen beurteilt. 13 Items sind in der Folge direkt vom EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) übernommen und auf den neuen Fragebogen EMOREG-B übertragen worden. 34 Items sind neu generiert worden, wobei sie sich teilweise inhaltlich an einige des EMOREG anlehnten. Schliesslich enthielt der Itempool der Fassung des EMOREGB, der den Studienteilnehmerinnen vorgelegt wurde, 45 Items. Die Antwortmöglichkeiten lagen auf einer sechsstufigen Likertskala von „stimmt überhaupt nicht“ bis zu „stimmt genau“. Die Einleitung des EMOREG-B wurde teilweise vom EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) übernommen, teilweise aber auch neu formuliert. In der vorgelegten Version lautete die Instruktion des Fragebogens folgendermassen: „Jeder der folgenden Sätze schildert Wege und Strategien, die Menschen im Umgang mit intensiven Gefühlen und Erinnerungen (auch Phantasien) angewandt und beschrieben haben. Intensive Gefühle können einerseits in alltäglichen Situationen auftauchen, andererseits aber entstehen sie auch nach Erlebnissen wie z.B. dem Verlust einer nahen Bezugsperson, psychi- schen/physischen Gewalterfahrungen oder als Folge von sonstigen massiven Verletzungen. Bitte geben Sie im Folgenden an, wieweit diese Sätze Ihrer Erfahrung entsprechend auf Sie selbst zutreffen (nicht was Sie denken, was man in solchen Fällen tun sollte). Falls eine Strategie immer auf Sie zutrifft, kreuzen Sie bitte die sechs (6) an, falls sie überhaupt nicht zutrifft, die (1). Wenn Sie Ihre Antwort irgendwo zwischen diesen beiden Extrempolen sehen, kreuzen Sie einfach die Zahl (2, 3, 4, 5) an, die Ihrer Beurteilung am ehesten entspricht.“ 74 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 4.2.3.2 BSL: Borderline-Symptom-Liste Bohus et al. (2001) legten mit der BSL erstmals eine Beschwerdenliste vor, die sich störungsbezogen an Patienten/innen mit einer Borderlinestörung richtet. Der Selbstbeurteilungsfragebogen enthält 95 Items, die in sieben Subskalen und in einen Gesamtwert eingehen. Die einzelnen Skalen weisen gute psychometrische Daten auf (Trennschärfekoeffizienten alle über 0.30, mittlere Itemkorrelationen zwischen 0.32 und 0.56, Cronbach’s α zwischen 0.80 und 0.97). Im Weiteren ergaben erste Validierungsuntersuchungen der BSL günstige Ergebnisse. Das Messmittel wurde in dieser Studie eingesetzt, um zusätzlich zur reinen Diagnostik bzw. Einschätzung der Borderlinestörung durch Fremdpersonen die subjektiv erlebte Beeinträchtigung und den Schweregrad der Borderlinestörung erfassen zu können. 4.2.3.3 BDI: Beck-Depressions-Inventar Das Beck-Depressions-Inventar (BDI), das in dieser Untersuchung in der deutschen Ausgabe eingesetzt wurde, ist ein anerkannter Selbstbeurteilungsfragebogen, der gute psychometrische Eigenschaften zeigt (Hautzinger, Bailer, Worall & Keller, 1995). Das Messinstrument wird seit über 40 Jahren im US-amerikanischen und englischen Sprachraum bei Patienten/innen mit depressiven Störungen eingesetzt, um den Schweregrad der Depression zu messen. Es ist von Beck und Mitarbeitern (Beck, Ward, Mendelson, Mock & Erbaugh, 1961) entwickelt und einmal modifiziert worden (Beck & Steer, 1987). Der BDI enthält 21 Items, die typische depressive Symptome erfragen und auf einer vierstufigen Skala, je nach Auftreten und Intensität während der letzten Woche, von 0 bis 3 beurteilt werden. Die Auswertung erfolgt über die Addition der angekreuzten Aussagen, als klinisch relevant gilt der Punktwert von 18 und darüber. Der Fragebogen wurde eingesetzt, um neben der diagnostischen Beurteilung der Depressivität durch die Diagnostikerinnen die subjektive Einschätzung durch die Teilnehmerinnen zu erhalten. 4.2.3.4 BFW/E: Berner Fragebogen für Wohlbefinden (Erwachsenenform) In der Allgemeinen, Klinischen und Entwicklungspsychologie sind Themen wie Wohlbefinden, Glück und Zufriedenheit erst Ende der 1980-er Jahre vermehrt un- DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 75 tersucht worden, obwohl sie die Grundlage für das subjektive Wohlbefinden – wonach die meisten Menschen streben – darstellen (Grob et al., 1991). In der psychologischen Wohlbefindensforschung kann man im Wesentlichen zwei Stränge festmachen: Die erste Anschauungsweise definiert Wohlbefinden auf einer kognitiven Ebene, und zwar so, dass das Individuum eine bestimmte gegenwärtige Situation mit einer angestrebten, mit einer erwarteten oder mit einer idealen Situation vergleicht. Die allfällige Diskrepanz zwischen vorhandenem und angestrebtem Zustand wird damit zu einem Mass für Zufriedenheit / Unzufriedenheit, wobei keine oder eine positive Diskrepanz Zufriedenheit entspricht. Die zweite Betrachtungsweise betont die emotionale Seite von Zufriedenheit, in der die alltäglichen Gefühlszustände von Individuen als Grundlage von Zufriedenheit angenommen werden (Grob, 1995; Grob et al., 1991). Das Mass für Zufriedenheit wird durch die Verrechnung von gefühlsmässig positiv und negativ bewerteten Episoden aus dem Alltag gefunden. Dies bedeutet, dass sich das subjektive Wohlbefinden aus der Differenz zwischen positiven und negativen Emotionen zusammensetzt. Aufgrund der dargestellten Aspekte entwickelten Grob und Mitarbeiter/innen (Grob et al., 1991) Ende der 1980-er Jahre den Berner Fragebogen zum Wohlbefinden für Jugendliche (BFW). Das Messmittel wurde im Weiteren zu einer Version für Erwachsene (BFW/E) adaptiert (Grob, 1995). Die Struktur des subjektiven Wohlbefindens von Erwachsenen zeigte sich als vergleichbar mit der von Jugendlichen (Grob, 1995). Dies bedeutet, dass sich die in den beiden Messmitteln erfasste Struktur von Wohlbefinden über eine lange Lebenszeitspanne aufrechterhält. Die Fragebogen enthalten je 39 Items, die sechs Subskalen zugeordnet werden. Die Autoren/innen kristallisierten zudem die beiden Aspekte Zufriedenheit und Negative Befindlichkeit als Skalen zweiter Ordnung oder unabhängige Dimensionen des Wohlbefindens heraus. Das Messmittel BFW/E (Grob, 1995) wurde in die Untersuchung einbezogen, um darüber den EMOREG-B validieren zu können, da gemäss einigen Definitionen Emotionen reguliert werden, um zu einem Wohlbefinden zu gelangen (Gratz & Roemer, 2004; Horowitz & Znoj, 1999; Lazarus, 1993a; Linehan, 1996a). Ausserdem sollte geprüft werden, ob Menschen mit einer Borderlinestörung ihre Zufriedenheit innerhalb der vom BFW/E festgesetzten Dimensionen beurteilen. 76 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 4.2.3.5 EMOREG-F: Emotionsregulations-Beobachtungsbogen Der Emotionsregulations-Beobachtungsbogen (EMOREG-F) ist ein Fremdbeurteilungsfragebogen, der die maladaptive emotionszentrierte Bewältigung der Emotionsregulation messen soll (Trösken, 2003). Der EMOREG-F basiert auf dem selben, oben beschriebenen theoretischen Konstrukt wie der EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000). Das Messmittel umfasst 36 Items, die maladaptive emotionale Regulationsstrategien beinhalten. Der Beobachtungsbogen soll einem Familienmitglied (oder einer nahen Bezugsperson) abgegeben werden. Diese/s soll auf einer fünfstufigen Skala mit den Endpolen „trifft ganz und gar nicht zu“ bis hin zu „trifft voll und ganz zu“ einschätzen, wie die Personen, von denen sie den Bogen erhielten, ihre Emotionen bewältigen. 14 der 36 Items gehen in drei Subskalen ein: Subskala „Kognitive Verzerrung“, Subskala „Abbruch, Vermeidung, soziale Isolation“ und Subskala „Ablenkung“. Die Subskala kognitive Verzerrung beinhaltet kognitive Strategien, die Wahrnehmungen verzerren. Die Subskala Abbruch, Vermeidung soziale Isolation bezeichnet kognitive und Verhaltensstrategien, die in der Folge die Interaktion erschweren. Die dritte Subskala Ablenkung beschreibt maladaptive Ablenkungsstrategien. Der EMOREG-F zeigte bei seiner Generierung Subskalenreliabilitäten zwischen Cronbach’s α .64 und .85 auf. Das Messmittel ist zurzeit noch wenig erprobt. 4.2.3.6 SCL-90-R: Die Symptom-Checkliste Dieser standardisierte Selbstbeurteilungsfragebogen ist in der heute angewendeten 90-Item-Version erstmals Ende der 1970er-Jahre (Derogatis, 1977) präsentiert und anschliessend von Franke (1995) in die deutsche Sprache übersetzt worden. Das Messmittel eruiert in einem Beurteilungszeitfenster von sieben Tagen die subjektiv empfundene Beeinträchtigung der Testpersonen durch neunzig vorgegebene körperliche und psychische Symptome. Diese werden neun Subskalen („Somatisierung“, „Zwanghaftigkeit“, „Unsicherheit im Sozialkontakt“, „Depressivität“, „Ängstlichkeit“, „Aggressivität/Feindseligkeit“, „Phobische Angst“, „Paranoides Denken“, „Psychotizismus“) und „Zusatzwerten“ zugeordnet. Die Befunde der Subskalen und Zusatzitems gehen in drei globale Kennwerte ein („PST“/Anzahl Symptome, bei denen eine Belastung vorliegt, „GSI“/grundsätzliche psychische Belastung und „PSDI“/Intensität der Antworten). Die drei Kennwerte geben einen Überblick über DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 77 die psychische Symptombelastung der Personen (Franke, 1995). Die Gütekriterien der SCL-90 gelten als zufrieden stellend bis sehr gut (Franke, 1995). Die Symptom-Checkliste, SCL-90, wird vorwiegend bei Patienten/innen mit psychischen Störungen sowohl im ambulanten wie auch stationären Bereich eingesetzt. Sie wurde für die Studie verwendet, um die subjektiv empfundene allgemeine Symptombelastung der Teilnehmerinnen zu eruieren. 4.2.4 Datenauswertung (quantitative Messmittel) Um zu psychometrischen Resultaten des EMOREG-B zu gelangen, wurde zuerst eine Faktorenanalyse nach der Hauptkomponentenmethode errechnet, die Lösung Varimax rotiert und die negativen Items umgepolt. Als Grundlage zur Bestimmung der Anzahl herzuleitender Faktoren wurde neben der „Eigenwerte-grösser-EinsRegel“ zusätzlich der Scree-Test benutzt. Die Prüfung mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test ergab eine Normalverteilung aller Faktoren (p > .05). Daraufhin wurde eine Itemanalyse durchgeführt, um Reliabilitätsmasse zu erhalten (u. a. mit der Analyse der Trennschärfen, Bestimmung der internen Konsistenz) sowie die Skalen und Cronbach’s α berechnet. Anschliessend wurden als erste Validierungsschritte Korrelationen nach Pearson zwischen den einzelnen Skalen des EMOREG-B und Skalen anderer in der Studie eingesetzten Messmittel durchgeführt. Zudem wurden mittels eines t-Tests für unabhängige Stichproben die Mittelwerte der einzelnen Subskalen des EMOREG-B pro Diagnosegruppe verglichen. Anschliessend sollte durch multiple Korrelationsund Regressionsanalysen (durch schrittweisen Einschluss der Prädiktoren) mit den EMOREG-B Subskalen und verschiedenen Werten der anderen Messmittel zu möglichen Vorhersagen in Bezug auf den Fragebogen EMOREG-B gelangt werden. Im Weiteren wurden die Regressionsanalysen auch spezifisch für die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE berechnet. 4.2.5 Qualitative Erhebung 4.2.5.1 Interview zur Erhebung der situativen Emotionsregulation Neben der quantitativen Erhebung wurde mit allen Versuchspersonen auch eine qualitativ orientierte Erhebung durchgeführt. Diese hatte zum Ziel, die situative Emotionsregulation der Teilnehmerinnen zu erfassen. Alle Teilnehmerinnen erhiel- 78 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE ten die Anweisung, sich mental in eine für sie emotional stressreiche Situation zu versetzen. So sollten Aussagen darüber gemacht werden, wie und auf welchen Ebenen sich bei Frauen mit einer Borderlinestörung die Emotionsregulation in für sie belastenden Situationen abspielt. Zudem sollten über diese Erhebung auch die eingesetzten Regulationsstrategien eruiert werden. Die Untersuchung konstituierte sich in Form eines halbstrukturierten Interviews, dessen Leitfaden die Studienleiterin entwickelte. Dieser lehnte sich an das oben dargestellte Prozessmodell der Emotionsregulation von Gross an (1998b, 1999a, 1999b). Das Interview enthielt im Wesentlichen fünf verschiedene Emotionsregulationsdimensionen, die in den fünf von Gross definierten Regulationsebenen ihre Entsprechung haben. Diese Dimensionen sind: „Auswählen der Situation“, „Verändern der Situation“, „Aufmerksamkeitslenkung“, „Bedeutungsveränderung“ und „Reaktionsmodulierung, nachdem sich ein Gefühl herausgebildet hat“. Zum Schluss wurden zusätzlich einige allgemeine Fragen gestellt. Bei allen Teilnehmerinnen wurde das Interview durch die Studienleiterin selber durchgeführt und fand in ihrem Therapieraum statt. Die Atmosphäre war meistens entspannt, obwohl das Gespräch mit Mini-Disc aufgenommen wurde. Die durchschnittliche Dauer der Interviews betrug circa 20 Minuten. Die meisten Teilnehmerinnen hatten keine Mühe, eine für sie emotional belastende Situation zu finden, über die sie sprechen wollten. Sie konnten sich leicht in die schwierigen Situationen hinein versetzen, waren jeweils emotional sehr engagiert, wobei es ihnen trotzdem gelang, sich dabei prägnant und klar auszudrücken. Anschliessend wurde gemeinsam mit den Teilnehmerinnen in einer kurzen Nachbesprechung eruiert, wie und auf welchen Ebenen sie in dieser Situation mit ihrem/n intensiven Gefühl/en umgegangen waren. 4.2.5.2 Leitfaden für das qualitative Interview Für die Konstruktion dieses Interviewleitfadens wurde einerseits das Prozessmodell von Gross (1998b, 1999a, 1999b) zur Emotionsregulation hinzugezogen. Entsprechend der verschiedenen Regulationsebenen, wie sie durch Gross beschrieben werden, kristallisierten sich die einzelnen Fragenkomplexe heraus. Andererseits diente das Konzept der qualitativen Inhaltsanalyse (Mayring, 1989, 2003) als methodische Grundlage. DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 79 Es folgt der detaillierte Leitfaden mitsamt der Instruktion und den einzelnen Fragen: Instruktion „Versuchen Sie, sich mental in eine Situation zu versetzen, die sehr stressreich für Sie war und erst kürzlich passiert ist. Es kann sich auch um eine Situation handeln, bei der Sie schon im Voraus gespürt haben, dass diese eventuell emotional sehr intensiv werden könnte, und die Sie deshalb schliesslich gar nicht aufgesucht haben. Wir werden in der Folge die Situation gemeinsam durchgehen. Ich werde Sie detailliert danach fragen, wie Sie mit dieser, für Sie stressreichen, Situation und Ihren damit verbundenen Gefühlen umgegangen sind. Können Sie die Situation kurz schildern? Von welchem Abschnitt der Situation sprechen wir? Welches Gefühl oder welche Gefühle hatten Sie in diesem Abschnitt der Situation?“ Auswählen der Situation • Wann haben Sie geahnt, welches Gefühl die Situation/Person/das Objekt in Ihnen auslösen könnte? • Konnten Sie noch entscheiden, ob Sie die stressvolle Situation/Person/Ort aufsuchen wollen oder nicht? Weshalb? • Gab es Versuche, die stressvolle Situation/Person/Ort zu meiden / zu umgehen? • Wenn ja, was geschah danach? • Veränderte dies etwas in Ihrem Gefühl? In welche Richtung ging es? • Wenn nein, was geschah danach? • Veränderte dies etwas in Ihrem Gefühl? In welche Richtung ging es? Verändern der Situation • Wann haben Sie geahnt, welches Gefühl die Situation in Ihnen auslösen könnte? • Was haben Sie gemacht, als Sie in der stressvollen Situation waren? • Haben Sie die Situation ausgehalten? • Haben Sie aktiv etwas unternommen, um sie zu verändern? Was? Wann? • Versuchten Sie, einen Weg aus der stressvollen Situation zu finden? • Wie hat sich dies auf Ihr Gefühl ausgewirkt? • Hat es Ihr Gefühl positiv verändert? • Würden Sie sagen, dass diese Strategie erfolgreich war? 80 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE Aufmerksamkeitslenkung • Als Sie in der stressvollen Situation waren: Gab es einen oder verschiedene Aspekte innerhalb dieser Situation? Welche? • Wann haben Sie geahnt, welche/r Aspekt/e der Situation in Ihnen welches Gefühl auslösen könnte? • Was geschah mit Ihrer Aufmerksamkeit (haben Sie sich abgelenkt, war die Aufmerksamkeit kreisend oder konzentriert)? Erzählen Sie genauer. • Auf welchen Aspekt haben Sie während der stressvollen Situation Ihre Aufmerksamkeit, den Fokus, gerichtet? • War es ein bestimmter Aspekt der Situation oder waren es verschiedene Aspekte, die Ihnen wichtig waren? • Haben Sie Ihre Aufmerksamkeit auf alle Aspekte gleichzeitig gerichtet oder waren bestimmte Aspekte speziell betroffen? • Versuchten Sie im Gesamten Ihre Aufmerksamkeit konzentriert auf die stressvolle Situation zu richten? Wenn nein, was taten Sie genau? Wenn ja, was passierte mit Ihrem Gefühl? • Unternahmen Sie Versuche, sich abzulenken, welche? Wenn nein, was taten Sie genau? Wenn ja, was passierte mit Ihrem Gefühl? • Blieben Sie mit Ihren Gedanken kreisend irgendwo in der Situation hängen? Wie wirkte sich dies auf Ihr Gefühl aus? • War diese Strategie, Ihre Aufmerksamkeit zu lenken, wirkungsvoll? Bedeutungsveränderung • Sind Ihnen während der stressvollen Situation irgendwelche Gedanken durch den Kopf gegangen? • Wie gingen Sie mit diesen Gedanken um? • Wann haben Sie geahnt, dass spezifische Bedeutungen, die Sie der Situation zuordnen könnten, unangenehme Gefühle hervorrufen könnten? • Haben Sie der Situation irgendeine spezielle Bedeutung zugeordnet? • Hätte es andere Bedeutungen gegeben? • Was haben Sie mit diesen gemacht? Versuchten Sie z.B. sie weg zu schieben oder zu verändern? • Wieso haben Sie sich für diese eine Bedeutung entschieden? DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 81 • Was geschah danach mit Ihrem Gefühl? Veränderte es sich? • War diese Strategie hilfreich für Sie? Reaktionsmodulierung, nachdem sich ein Gefühl herausgebildet hat • Welches Gefühl bildete sich in der stressvollen Situation danach als zentrales Gefühl heraus? • Wann merkten Sie, dass das Gefühl durch die Situation ausgelöst worden war? • War das Gefühl angenehm oder unangenehm? • Welche Auswirkungen hatte das Gefühl auf die physiologische Ebene? • Welche Auswirkungen hatte das Gefühl auf Ihr Erleben? • Welche Auswirkungen hatte das Gefühl auf Ihr Verhalten? • Was machten Sie mit diesem Gefühl? • Veränderte sich dadurch das Gefühl? • Woran merkten Sie, dass sich das Gefühl verändert hatte? • Was bewirkte die Veränderung auf welcher der oben genannten Ebenen und wie? • War diese Ebene der Regulation für Sie erfolgreich? Allgemeine Fragen • Was haben Sie alles versucht, um die stressvolle Situation zu beenden? • Kennen Sie diese Art stressvoller Situationen, wie oft sind Sie mit ihnen konfrontiert? • Welches Gefühl entstand während der stressvollen Situation bei Ihnen? Wie und wo spürten Sie dieses? Wie haben Sie die stressvolle Situation für sich beendet? • Welche der fünf Emotionsregulationsebenen (Auswahl der Situation, Veränderung der Situation, Aufmerksamkeitslenkung, Bedeutungsveränderung, Reaktionsmodulierung) denken Sie, war in der stressvollen Situation diejenige, die am erfolgreichsten war, um Ihr Gefühl zu regulieren, so dass die Situation für Sie gut lebbar wurde? 4.2.6 Datenauswertung (qualitatives Interview) Alle Interviews wurden von zwei unabhängigen, durch die Studienleiterin geschulte, Raterinnen kodiert und ausgewertet. Der Auswertung dieser qualitativen Interviews 82 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE lag die Methode der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1989, 2003) zugrunde: Diese Methode (Mayring, 1989, 2003) führt mit Hilfe eines strukturierten Vorgehens zu einer Kategorisierung der Aussagen, die es möglich machen soll, die qualitativen Aussagen nach der Kodierung quantitativ auswerten zu können. In einem ersten Punkt muss eine Leitfrage herauskristallisiert werden, die sich in der vorliegenden Studie als zentrales Thema wie folgt aufdrängte: „Bildet sich bei Frauen mit einer Borderlinestörung eine bestimmte Ebene oder Art von situativer Emotionsregulation heraus?“ Das weitere Vorgehen gliedert sich in acht verschiedene Schritte auf: 1. Schritt: Bestimmung der Analyse-/Auswertungseinheiten Bei der Bestimmung der Analyse- oder Auswertungseinheiten geht es darum, wann und wie oft in den Interviews eine bestimmte Ebene von Emotionsregulation kategorisiert werden darf. Ausgehend von der Theorie der fünf verschiedenen Ebenen der Emotionsregulation nach Gross ist es eine gute Möglichkeit, diese fünf Punkte, sobald sie angesprochen werden, als jeweilige Auswertungseinheiten anzunehmen. Das heisst: Jedes Mal, wenn die fünf Ebenen „Situationsauswahl“, „Situationsveränderung“, „Aufmerksamkeitslenkung“, „Bedeutungsveränderung“ und/oder „Reaktionsmodulierung“ angesprochen werden, gelten diese als Auswertungseinheiten. Dementsprechend werden die Bewältigungsschritte, die innerhalb jeder Einheit ausgeführt werden, um zur Emotionsregulation zu gelangen, als Kodiereinheiten bezeichnet. Als Kontexteinheit zählt jegliches Material, das von jeder Versuchsperson in Bezug auf die Emotionsregulation vorliegt. 2. Schritt: Festlegung der Einschätzungsdimensionen Das Prozessmodell von Gross (1998b, 1999a, 1999b) definiert Emotionsregulation als Bewältigungsstrategien und heterogene Sets von Prozessen, mit denen Emotionen reguliert werden, um angenehme Zustände zu maximieren und Schmerz zu minimieren. Emotionsregulation soll zudem das subjektive Gefühl beinhalten, mit einer Emotion umgehen zu können. Dies soll in dieser Studie dadurch erschlossen werden, dass die Versuchspersonen sich eine für sie emotional stressreiche und intensive Situation sowie ihr entsprechendes Regulationsverhalten vorstellen. Anschliessend werden die Teilneh- DURCHFÜHRUNG DER STUDIE 83 merinnen in einem qualitativen Interview entlang der fünf oben genannten Regulationsdimensionen befragt. 3. Schritt: Bestimmung der Ausprägungen In dieser Studie soll für jede Emotionsregulationsdimension eine einfache Skalierung mit drei kategorialen Ausprägungen (wirkungsvoll – teilweise wirkungsvoll – kaum wirkungsvoll) aufgestellt werden. In Anlehnung an die Sichtweise von Thompson (1994) wird eine Emotionsregulationsdimension dann als wirkungsvoll eingeschätzt, wenn sich die Qualität der Emotion des Individuums verändert. Es wird also nur die Veränderung oder Qualität der Emotion betrachtet, nicht aber die daraus folgenden Konsequenzen. Im Weiteren wird eine Restkategorie (keine Angaben) für die Fälle gebildet, in denen eine eindeutige Kodierung nicht möglich ist. In diesen Fällen wird zu wenig genau über das Regulationsverhalten gesprochen, so dass es deshalb nicht genauer beurteilt werden kann. 4. Schritt: Definition, Ankerbeispiele und Kodierregeln Das Kernstück, die Auswertungseinheit der strukturierenden Inhaltsanalyse, liegt in der genauen Beschreibung der Kategorien durch Definitionen, Ankerbeispiele und Kodierregeln. Für die Ankerbeispiele wird Material aus den Mini-Disc-Aufnahmen herangezogen. 5. Schritt: Fundstellenbezeichnung Die Fundstellenbezeichnung im ersten Materialdurchgang muss sich an die Definition der Auswertungseinheit halten. Überall, wo Emotionsregulationsverhalten beschrieben wird, muss dies notiert werden. Danach soll das Material, das spezifisch einer der fünf Regulationsdimensionen nach Gross zugeordnet ist, herauskristallisiert werden. 6. Schritt: Einschätzung Die Richtigkeit der Einschätzungen kann erhöht werden, indem mehrere Personen – bei dieser Studie zwei Personen – bei demselben Material Kodierungen vornehmen. 7. Schritt: Überarbeitung Die Überarbeitung der Auswertungseinheit und ihrer Definitionen geschieht, indem die Probedurchläufe ausgewertet und nach ihrer Brauchbarkeit beurteilt 84 DURCHFÜHRUNG DER STUDIE werden. Meist ist es notwendig, die Auswertungseinheit zu einer endgültigen Fassung zu adaptieren, was jedoch in dieser Studie kaum notwendig war. 8. Schritt: Ergebnisaufbereitung Das ausgewertete Material kann für sich alleine stehen, kann aber auch mit anderen Variablen in Zusammenhang gesetzt werden. In der vorliegenden Arbeit wurden die kodierten Befunde des sprachlichen Datenmaterials mit anderen Variablen in Beziehung gesetzt, nachdem Reliabilitätsmessungen und Mittelwertsvergleiche in Bezug auf die beiden Diagnosegruppen durchgeführt worden waren. Das Gütekriterium der Reliabilität bei qualitativen Datenerhebungen besagt, dass Studien und Auswertungen von sprachlichem Material nachvollziehbar sein müssen und andere Personen bei der Sichtung zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommen sollen (Huberman & Miles, 1994; Mayring, 2003; Rudestam & Newton, 2001). Deshalb wird im Folgenden die vollständige Auswertungseinheit aufgeführt, die zur Analyse des sprachlichen Datenmaterials entwickelt wurde. Anschliessend wurden verschiedene Validierungsschritte durchgeführt. Es konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Daten normalverteilt sind. Deshalb wurde der U-Test von Mann-Whitney zur Berechnung der Gruppenvergleiche hinsichtlich ihrer zentralen Tendenz hinzugezogen. Zudem wurden multiple Korrelations- und Regressionsanalysen mit schrittweisem Einschluss der Prädiktorvariablen durchgeführt. Obwohl bei multiplen Regressionsanalysen die Kriteriumsvariablen in der Regel intervallskaliert sind, erweist sich dieses Verfahren als robust gegenüber Verletzungen des vorausgesetzten Skalenniveaus (Bortz, 1999). Höchstens kann die inhaltliche Interpretation der Ergebnisse zu Problemen führen (Bühner, 2004). Es sollte mit diesen Berechnungen geprüft werden, ob verschiedene Variablen von anderen in dieser Studie eingesetzten Messmitteln mögliche Vorhersagen in Bezug auf die fünf Variablen des qualitativen Interviews machen könnten. Im Weiteren wurden die Regressionsanalysen auch spezifisch für die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE berechnet. Im nächsten Kapitel sollen die Resultate der quantitativen und qualitativen Erhebung ausführlich demonstriert werden. Tabelle 1: Auswertungseinheit Variablennummer Variable Ausprägung Definition Ankerbeispiele Kodierregeln Variable 1 Situationsauswahl (zugehen auf / vermeiden von gewissen Plätzen, Leuten, Objekten, Situationen, um Gefühle zu regulieren) K2: wirkungsvoll Hohe subjektive Gewissheit, frühzeitig zu merken, welche Situationen/Personen/Objekte, welche Gefühle auslösen und Kontrolle darüber zu haben, die Intensität oder Dauer eines Gefühls verändern zu können. 1. Klarheit darüber, welche Situationen/Personen/Objekte welche Gefühle auslösen. 2. Frühzeitiges Feststellen, dass gehandelt werden soll. 3. Kontrolle darüber zu haben, die Situation/Person/Objekt auszuwählen und dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Ich hatte diese Situation schon so oft erlebt, dass ich sie kannte. Ich konnte deshalb die leisesten Anzeichen wahrnehmen, durch die sie angekündigt wurde. Ich wusste, welche Gefühle sie bei mir auslösen würde. Deshalb ging ich sofort weg, fast noch bevor ich die ersten Anzeichen bemerkte. Drei Aspekte der Definition müssen in Richtung "wirkungsvoll" deuten, zumindest sollen nicht zwei Aspekte auf nur "teilweise wirkungsvoll" deuten, sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". K1: teilweise wirkungsvoll 1. Nur teilweise oder schwankende Klarheit darüber, welche Situationen/Objekte/Personen welche Gefühle auslösen. 2. Nur teilweise oder schwankend frühzeitiges Feststellen, dass gehandelt werden soll. 3. Nur teilweise oder schwankend Kontrolle darüber zu haben, die Situation/Person/Objekt auszuwählen und dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Ich wusste zwar, dass mir die Situation nicht gut tun würde. Aber auf der anderen Seite dachte ich, ich könnte es aushalten und ging schliesslich doch essen. Danach konnte ich nicht mehr weggehen, aber es ging mir überhaupt nicht gut dabei. Wenn nicht drei Aspekte auf "wirkungsvoll" oder "nicht wirkungsvoll" deuten. K0: kaum wirkungsvoll 1. Keine Klarheit darüber, welche Situationen/Objekte/Personen welche Gefühle auslösen. 2. Kein frühzeitiges Feststellen, dass gehandelt werden soll. Das Thema wurde von ihr völlig überraschend angeschnitten, ich konnte überhaupt nichts dagegen machen; ich war sofort in Drei Aspekte deuten auf "nicht wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". 3. Keine Kontrolle darüber zu haben, die Situation/Person Objekt auswählen zu können und dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Variable 2 Situationsveränderung (aktives Vorgehen, eine Situation so zu verändern, dass ihr emotionaler Gehalt anders wird) der Situation und war wie gelähmt. keine Angaben Über die Auswahl von Situationen/Personen/Objekten wird zwar berichtet, aber der Umgang bleibt unklar oder es werden keine Angaben gemacht. K2: wirkungsvoll Hohe subjektive Gewissheit, frühzeitig zu merken, dass eine Situation ein unangenehmes Gefühl auslösen kann und die Kontrolle darüber zu haben, die Situation direkt verändern zu können, um dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. 1. Klarheit darüber, welche Situation welche Gefühle auslöst. 2. Frühzeitiges Feststellen, dass gehandelt werden muss. 3. Die Kontrolle darüber zu haben, die Situation direkt zu verändern, um dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Sobald er sagte, es sei kein Ticket da, spürte ich die Gefühle: „Wenn ich euch egal bin, dann seid ihr mir auch egal, ich gehe“ und ich ging. Alle drei Aspekte deuten in Richtung "wirkungsvoll", mindestens aber kein Aspekt auf nur "teilweise wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". K1: teilweise wirkungsvoll 1. Nur teilweise oder schwankende Gewissheit darüber zu haben, welche Situationen welche unangenehmen Gefühle auslösen. 2. Nur teilweise frühzeitiges Feststellen, dass gehandelt werden muss. 3. Nur teilweise Kontrolle darüber zu haben, die Situation direkt verändern zu können, um dadurch die Mir war die Situation völlig unangenehm, ich spürte genau, wie unwohl mir war. Ich griff ein und versuchte, die Pflanze zu schützen. Aber es nützte nichts, ich war zuwenig stark, das unangenehme Gefühl verschlimmerte sich. Wenn nicht alle drei Aspekte auf "wirkungsvoll" oder "nicht wirkungsvoll" schliessen lassen. Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Variable 3: Aufmerksamkeitslenkung (wird eingesetzt, um einen bestimmten Aspekt der Situation speziell zu fokussieren, bevor ein unangenehmes Gefühl entsteht) K0: kaum wirkungsvoll Keine subjektive Gewissheit darüber, frühzeitig zu merken, welche Situationen welche unangenehmen Gefühle auslösen. 1. Wenig Klarheit darüber, welche Situationen welche Gefühle auslösen. 2. Nicht rechtzeitig zu merken, dass gehandelt werden muss. 3. Keine Kontrolle darüber zu haben, die Situation direkt verändern zu können, um dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. keine Angaben Über Situationsveränderung wird zwar gesprochen, aber der Umgang bleibt unklar oder es werden keine Angaben gemacht. K2: wirkungsvoll Hohe subjektive Gewissheit, frühzeitig zu merken, dass ein bestimmter Aspekt der Situation ein unangenehmes Gefühl auslösen kann. Kontrolle darüber zu haben, einen bestimmten Aspekt der Situation mit einer Aufmerksamkeitslenkung (Ablenken, Konzentrieren, Ruminieren) heraus zu kristallisieren/vermeiden, um dadurch die Dauer oder Intensität des Gefühls zu verändern. 1. Klarheit darüber, welche Aspekte der Situation welche Gefühle auslösen. 2. Frühzeitiges Feststellen, dass die Ich habe während des Gesprächs überhaupt nichts mehr gespürt, ich kam nicht auf die Idee, dass ich das Gespräch beenden könnte. Ich war wie gelähmt und liess alles über mich ergehen. Alle drei Aspekte deuten auf „ nicht wirkungsvoll“, sonst „teilweise wirkungsvoll“. Ich hab sofort gemerkt, dass ich verletzt worden bin und fokussierte mich auf meinen Schmerz. Das war wichtig. Ich hab mich sehr konzentriert mit diesem Gefühl befasst, das machte mich stolz und tat mir gut. Alle drei Aspekte deuten auf "wirkungsvoll", mindestens aber kein Aspekt auf nur "teilweise wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". Aufmerksamkeit auf einen speziellen Aspekt der Situation gerichtet werden soll. 3. Die Kontrolle darüber zu haben, mit Ablenken, Konzentrieren oder Ruminieren einen speziellen Aspekt der Situation herauszukristallisieren oder zu vermeiden, um dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. K1: teilweise wirkungsvoll 1. Nur teilweise oder schwankende Gewissheit, welcher Aspekt der Situation welche unangenehmen Gefühle hervorruft. 2. Nur teilweise frühzeitiges Feststellen, dass die Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Aspekt der Situation gelenkt werden soll. 3. Nur teilweise Kontrolle darüber, dass mit Ablenken, Konzentrieren oder Ruminieren ein bestimmter Aspekt der Situation herauskristallisiert oder vermieden werden soll, um dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Ich habe zwar gewusst, dass ich mich in meinen Gedanken auf die Begegnung konzentrierte. Aber diese Gedanken hatten keine Wichtigkeit, und ich blieb nicht an ihnen hängen. Wenn nicht alle drei Aspekte auf "wirkungsvoll" oder "nicht wirkungsvoll" schliessen lassen. K0: nicht wirkungsvoll 1. Keine Gewissheit, welcher Aspekt der Situation welche unangenehmen Gefühle hervorruft. 2. Kein frühzeitiges Feststellen, dass die Aufmerksamkeit auf einen speziellen Aspekt der Situation gelenkt werden soll. 3. Keine Kontrolle darüber, dass mit Ablenken, Konzentrieren, Ruminieren ein bestimmter Aspekt der Situation herauskristallisiert oder vermieden werden soll, um dadurch Ich blieb an einem bestimmten Satz hängen, ich hatte keine Kontrolle darüber. Ich wusste nicht, was für ein Gefühl dadurch ausgelöst worden war. Es machte mit mir, ich hatte keine Distanz zu den verschiedenen Aspekten. Alle drei Aspekte deuten auf "nicht wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Variable 4: Bedeutungsveränderung (durch die Veränderung der kognitiven Bedeutung, die einer Situation zugeschrieben wird, wird das entstehende Gefühl aushaltbar gemacht) keine Angaben Über Aufmerksamkeitslenkung wird zwar gesprochen, aber der Umgang bleibt unklar oder es werden keine Angaben gemacht. K2: wirkungsvoll Hohe subjektive Gewissheit, frühzeitig zu merken, welche kognitive Bedeutung (die einer Situation zuordnet wird) unangenehme Gefühle hervorruft und Kontrolle darüber zu haben, die kognitive Bedeutung zu ändern, um dadurch die Dauer oder Intensität des Gefühls zu verändern. 1. Klarheit darüber, welche kognitive Bedeutung man einer Situation zuordnet, und welches Gefühl dadurch entsteht. 2. Frühzeitiges Feststellen, dass die kognitive Bedeutung geändert werden muss. 3. Kontrolle darüber zu haben, die kognitive Bedeutung einer Situation zu verändern, um dadurch die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Ich habe sofort gemerkt, was ich in diese Situation hinein interpretiere. Ich habe auch schnell gemerkt, dass es mir das Gefühl von Ohnmacht vermittelt. Ich habe überlegt, dass sie ja für diese Situation auch nichts dafür kann, dann ging es mir besser. Alle drei Aspekte deuten auf "wirkungsvoll", mindestens aber kein Aspekt auf nur "teilweise wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". K1: teilweise wirkungsvoll 1. Nur teilweise oder schwankende Gewissheit, welche kognitive Bedeutung man einer Situation zuordnet, und welches Gefühl dadurch entsteht. 2. Nur teilweise frühzeitiges Feststellen, dass die kognitive Bedeutung geändert werden muss. 3. Nur teilweise Kontrolle darüber Ich habe manchmal überlegt, dass ich ihre Aussage auch anders interpretieren könnte. Aber es ging mir nicht darum, das wirklich genau durch zu denken. Wenn nicht alle drei Aspekte auf "wirkungsvoll" oder "nicht wirkungsvoll" schliessen lassen. zu haben, die kognitive Bedeutung einer Situation zu ändern, um dadurch die Dauer oder Intensität des Gefühls zu verändern. Variable 5 Antwortsmodulierung (wird eingesetzt, nachdem die Reaktionstendenz aufgetaucht ist - man beeinflusst direkt das Verhalten, physiologische Reaktionen oder das Erleben z.B. indem der Gefühlsausdruck zurückgehalten wird oder Drogen genommen sowie Entspannungsverfahren eingesetzt werden) K0: kaum wirkungsvoll 1. Keine Klarheit darüber, welche kognitive Bedeutung man einer Situation zuordnet, und welches Gefühl dadurch entsteht. 2. Kein frühzeitiges Feststellen, dass die kognitive Bedeutung geändert werden muss. 3. Keine Kontrolle darüber zu haben, die kognitive Bedeutung einer Situation zu ändern, um dadurch die Intensität oder Dauer eines Gefühls zu verändern. Keine Angaben Über die Veränderung der kognitiven Bedeutung einer Situation wird gesprochen, aber der Umgang bleibt unklar, oder es werden keine Angaben gemacht. K2: wirkungsvoll Hohe subjektive Gewissheit, frühzeitig Gefühle, die durch eine Situation ausgelöst wurden, be-nennen zu können, zu merken, wie sie sich äussern sowie Kontrolle darüber zu haben, direkt auf die jeweilige Ebene einzuwirken, um die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. 1. Klarheit darüber, welches Gefühl durch welche Situation ausgelöst wurde. 2. Frühzeitiges Erkennen, auf welchen Ebenen (Verhalten, physiologische Reaktionen, Erleben) Diese Ebene war gar nicht das Thema. Ich hatte keine Distanz dazu in dem Moment. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, die Bedeutung zu verändern. Alle drei Aspekte deuten auf "nicht wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". Ich wusste ja genau, dass dieser Streit bei mir all die unangenehmen Gefühle ausgelöst hatte. Ich war sehr traurig darüber und wusste, dass mir weinen hilft. Ich fing an zu weinen. Ich weinte lange. Dadurch wurde ich viel ruhiger, und es ging mir besser. Alle drei Aspekte deuten in Richtung" wirkungsvoll", mindestens aber kein Aspekt auf nur "teilweise wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". Ich schmiss Sachen herum sich das Gefühl wie zeigt. 3. Kontrolle darüber zu haben, direkt auf die betroffene Ebene einwirken zu können, um die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. und tobte. Das beruhigte mich. K1: teilweise wirkungsvoll 1. Nur teilweise oder schwankende Gewissheit, welches Gefühl durch welche Situation ausgelöst wurde. 2. Nur teilweise frühzeitiges Erkennen auf welchen Ebenen (Verhalten, physiologischen Reaktionen, Erleben) sich das Gefühl wie zeigt. 3. Nur teilweise Kontrolle darüber zu haben, direkt auf die betroffene Ebene einwirken zu können, um die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Ich wusste nach dem Telefonat nicht mehr so genau, welche Gefühle alle in mir waren. Es war ein ziemliches Wirrwarr. Ich fing zwar an zu weinen, was mir eigentlich gut tut. Aber es hatte nur bedingt eine Wirkung. Ich fühlte mich danach nicht besser. Wenn nicht alle drei Aspekte auf „wirkungsvoll" oder "nicht wirkungsvoll" schliessen lassen. K0: kaum wirkungsvoll 1. Keine Klarheit darüber, welches Gefühl durch welche Situation ausgelöst wurde. 2. Kein frühzeitiges Erkennen, auf welchen Ebenen (Verhalten, physiologische Reaktionen, Erleben) sich das Gefühl wie zeigt. 3. Keine Kontrolle darüber zu haben, direkt auf die betroffene Ebene einwirken zu können, um die Intensität oder Dauer des Gefühls zu verändern. Ich wusste nur, dass ich auf 180 war, aber ich begriff nicht, wieso. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Irgendwann war es vorüber. Alle drei Aspekte deuten auf "nicht wirkungsvoll", sonst Kodierung "teilweise wirkungsvoll". keine Angaben Über Antwortsmodulierung wird geredet, aber der Umgang bleibt unklar, oder es werden keine Angaben gemacht. RESULTATE 5. Resultate 5.1 Sozialepidemiologische Daten 5.1.1 Psychopathologie der Teilnehmerinnen 93 5.1.1.1 SKID-I und SKID-II Das mittels SKID-I (Wittchen et al., 1997) erfragte Störungsausmass auf der Achse-I ergab folgende Befunde: Von den Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung + MDE wiesen 16% nur eine Achse-I Störung auf, nämlich die für den Einschluss in die Studie erforderliche MDE. 41% wiesen (inklusive der MDE) zwei Störungen, 34% wiesen drei und 9% vier Störungen auf. In der Gruppe der Studienteilnehmerinnen mit der Diagnose MDE erfüllten 48% auf der Achse-I die Kriterien für eine Störung (nämlich die für den Einschluss in diese Studie erforderliche MDE), 36% die Kriterien für zwei und 16% die Kriterien für drei Störungen. Die Teilnehmerinnen wurden in der Studie mit SKID-II (Fydrich et al., 1997) auch hinsichtlich vorhandener Persönlichkeitsstörungen untersucht. Die Befunde ergaben, dass 75% (N=24) der Gruppe mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE neben den Kriterien für eine Borderlinestörung auch die Kriterien für mindestens drei weitere Persönlichkeitsstörungen erfüllten. Bei der Kontrollgruppe mit der Diagnose MDE waren es hingegen nur 32% (N=10), die unter mindestens vier Persönlichkeitsstörungen litten. Das Resultat, dass die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE eine schwere Psychopathologie auf den Achsen-I und -II zeigen, spiegelt sich ebenso in anderen Studien wider (APA, 2001; Becker et al., 2000; Herpertz et al., 1998; Rathus & Miller, 2002; Zanarini et al., 1998a). 5.1.1.2 IPDE Von den 32 Studienteilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung + MDE erfüllten 50% (N=16) im IPDE die fünf Kriterien, die mindestens erforderlich sind, damit die Diagnose Borderlinestörung vergeben wird. 28% (N=9) erfüllten sechs, 16% (N=5) erfüllten sieben und je 3% (je N=1) erfüllten acht oder neun Kriterien. Die Gruppe 94 RESULTATE von Patientinnen mit einer Borderlinestörung, die Bohus et al. (2001) untersucht hatten, hatte in Bezug auf die Borderlinestörung eine schwerere Psychopathologie aufgewiesen als die Teilnehmerinnen in dieser Studie. Der Unterschied in den Befunden kann möglicherweise darauf zurückgeführt werden, dass die Teilnehmerinnen in dieser Studie entweder in ambulanter Psychotherapie oder teilstationär hospitalisiert waren. Die Stichprobe von Bohus et al. (2001) hingegen konstituierte sich aus einem stationären Rahmen. 5.1.2 Weitere Psychodiagnostik Die Untersuchungsteilnehmerinnen zeigten pro Diagnosegruppe in den verschiedenen Messmitteln im Durchschnitt folgende Werte: Tabelle 2: Mittelwerte und Standardabweichungen pro Diagnosegruppe für BSL, BDI, BFW/E (beide Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit), EMOREG-F und SCL-90/GSI Borderlinestörung + MDE M SD MDE M SD BSL/Gesamtwert 2.3 .7 1.7 .7 BDI/Summenwert 33.4 11.9 23.9 11.8 BFW/E/ Zufriedenheit 2.5 .8 3.0 .9 BFW/E/ negative Befindlichkeit 3.9 .7 3.5 .9 EMOREG-F/ Gesamtwert 2.8 .7 2.7 .7 SCL-90/GSI 2.0 .7 1.4 .6 Anmerkungen: BSL, BFW/E beide Skalen zweiter Ordnung je N=32 (Borderlinestörung + MDE), N=31(MDE); BDI N=30 (Borderlinestörung + MDE), N=31 (MDE); EMOREG-F N=28 (Borderlinestörung + MDE), N=26 (MDE); SCL-90/GSI N=29 (Borderlinestörung + MDE), N=31 (MDE)xxxxxxxxxxx Die Personen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE wiesen im Durchschnitt in allen Massen (ausser in der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit des BFW/E und im Gesamtwert des EMOREG-F) eine signifikant höhere Belastung auf als die Kontrollgruppe der Personen mit der Diagnose MDE. Zudem zeigten sie einen niedrigeren Wert in der Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E auf, als die Kontrollgruppe der Personen mit der Diagnose MDE. Die Effektstärken der Unterschiede der beiden Gruppen in den einzelnen Massen beliefen sich auf die Werte wie folgt: BSL: d= -.93; BDI: d= -.79; BFW/E-Zufriedenheit: d= .63; BFW/E-neg. Bef.: RESULTATE 95 d= -.44; EMOREG-F: d= -.18; SCL-90/GSI: d= -.95. Die Effekte der Unterschiede können als mittel bis hoch bezeichnet werden. Nur der Effekt des Unterschieds des EMOREG-F liegt in einem unbedeutenden Bereich. 5.1.2.1 BSL Mit der BSL wurden die subjektiv erlebte Beeinträchtigung und der Schweregrad der Borderlinestörung erfasst. Bohus et al. (2001) erhielten für den Gesamtwert einen Mittelwert von M=2.39 (SD= .55) für Frauen, die 30 Jahre alt oder jünger waren. Der Mittelwert der Frauen hingegen, die älter als 30 Jahre waren, lag bei 1.45 (SD= .62). Die Teilnehmerinnen in dieser Studie mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE waren im Durchschnitt unter 30 Jahre alt. Ihr Mittelwert von M=2.3 (SD= .70) war annähernd vergleichbar mit dem von Bohus et al (2001) erzielten Wert. Die Studienteilnehmerinnen mit der Diagnose MDE waren durchschnittlich 33 Jahre alt. Ihr Mittelwert M=1.7 (SD= .70) liegt über demjenigen, den Bohus et al. (2001) auswiesen. Obwohl die Teilnehmerinnen mit der Diagnose MDE die Kriterien für eine Borderlinestörung nicht erfüllten, schätzten sie ihre subjektiv erlebte Beeinträchtigung als hoch ein. 5.1.2.2 BDI Die depressive Symptomatik der Studienteilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE (M=33.4; SD=11.9) muss, verglichen mit klinischen Stichproben, als schwer bezeichnet werden. Befunde (Hautzinger et al., 1995) haben gezeigt, dass über 50% der Patienten/innen mit depressiven Störungen zu Beginn einer psychiatrischen Behandlung einen Summenwert von mindestens 23 aufweisen, ungeachtet dessen, ob die Behandlung in einem stationären, teilstationären oder ambulanten Setting stattfindet. Die Teilnehmerinnen in dieser Studie mit der Diagnose MDE entsprachen in ihren Werten (M=23.9; SD=11.8) dieser Beschreibung. 5.1.2.3 BFW/E Mit dem BFW/E (Grob, 1995) wurde das subjektive Wohlbefinden der Studienteilnehmerinnen erfasst. Da die Struktur des BFW/E derjenigen des BFW entspricht (Grob, 1995), jedoch keine Normwerte für den BFW/E vorliegen, werden zum Vergleich der in dieser Studie erhaltenen Befunde die Normwerte des BFW 96 RESULTATE herangezogen: Sowohl die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE als auch diejenigen mit einer MDE lagen in jeder der sechs Subskalen in ihren mittleren Werten klar über bzw. unter den im BFW erhobenen Normwerten gesunder Jugendlicher (Grob et al., 1991). Die Teilnehmerinnen schätzten also ihr subjektives Wohlbefinden als niedrig ein und litten unter einer mangelnden Zufriedenheit. Tabelle 3: Mittelwerte und Standardabweichungen gesunder Jugendlicher im BFW im Vergleich zu den Mittelwerten und Standardabweichungen pro Diagnosegruppe für alle Subskalen des BFW/E Subskalen BFW/E BFW Normwert BFW/E Borderlinestörung + MDE BFW/E MDE Positive Lebenseinstellung M=4.49 (SD= .61) M=2.27 (SD= .89) M=2.84 (SD= .99) Problembewusstheit M=2.35 (SD= .80) M=3.83 (SD= .95) M=3.52 (SD=1.00) Körperliche Beschwerden M=1.89 (SD= .85) M=2.78 (SD= .51) M=2.54 (SD= .63) Selbstwert M=4.70 (SD= .77) M=2.19 (SD= .92) M=3.17 (SD=1.04) Fehlende depressive Stimmung M=5.02 (SD= .77) M=3.88 (SD=1.01) M=3.68 (SD=1.06) Lebensfreude M=3.93 (SD=1.01) M=1.83 (SD= .57) M=2.05 (SD= .72) Anmerkungen: BFW N=1779; für alle Subskalen BFW/E je N=32 (Borderlinestörung + MDE), N=31(MDE) 5.1.2.4 EMOREG-F Der EMOREG-F soll die Einschätzung der maladaptiven emotionszentrierten Bewältigung der Emotionsregulation von Personen durch deren Familienangehörige oder nahe Bezugspersonen messen (Trösken, 2003). Für die einzelnen Subskalen des EMOREG-F wurden für eine Stichprobe von gesunden Personen folgende Mittelwerte erhoben: Subskala kognitive Verzerrung: M=2.53 / SD= .86, Subskala Abbruch, Vermeidung, soziale Isolation: M=2.60 / SD= .83 und Subskala Ablenkung M=2.57 / SD=1.05. Sowohl in Bezug auf die Subskala kognitive Verzerrung als auch auf die Subskala Ablenkung entsprachen die Teilnehmerinnen in dieser Studie in ihren Werten den von Trösken (2003) im EMOREG-F erhobenen Befunden: Für die Subskala RESULTATE 97 kognitive Verzerrung wiesen die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE einen Mittelwert von M=2.61 (SD= .82) und diejenigen mit einer MDE einen Mittelwert von M=2.54 (SD= .82) auf. Für die Subskala Ablenkung beliefen sich die Mittelwerte für beide Diagnosegruppen auf je M=2.42 (SD= .86 für Borderlinestörung + MDE, SD=1.09 für MDE). Jedoch unterschieden sich die Werte der Teilnehmerinnen dieser Studie deutlich von den Resultaten von Trösken (2003) für die Subskala Abbruch, Vermeidung, soziale Isolation. Den Teilnehmerinnen dieser Studie mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE wurde ein Mittelwert von M=3.26 (SD= .91) und denjenigen mit einer MDE ein Mittelwert von M=2.93 (SD=1.03) vergeben. Die Familienangehörigen oder nahen Bezugspersonen schätzten also die emotionszentrierte Bewältigung der Emotionsregulation der Teilnehmerinnen dieser Studie maladaptiver ein, als dies für gesunde Personen beurteilt wurde. 5.1.2.5 SCL-90 Mit der SCL-90 (Franke, 1995) wird die subjektiv empfundene Beeinträchtigung von Testpersonen eruiert, indem diese neunzig vorgegebene körperliche und psychische Symptome beurteilen. Für den Globalen Kennwert GSI, der die grundsätzliche psychische Belastung beschreibt, präsentieren sich die Normwerte wie folgt (Franke, 1995): Die Normalstichprobe wies im SCL-90/GSI Mittelwerte von M=0.40 / SD= .27 für Hauptschulabsolventen/innen, M=0.39 / SD= .26 für Abiturenten/innen und M=0.35 / SD= .22 für Hochschulstudenten/innen auf. Psychotherapiepatientinnen im stationären Setting hingegen zeigten im SCL-90/GSI einen Mittelwert von M=1.27 (SD= .66). In dieser Studie lagen sowohl die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE (M=2.0; SD= .70) als auch diejenigen mit der Diagnose MDE (M=1.4; SD= .60) mit ihren Werten im SCL-90/GSI deutlich über dem Mittelwert der Vergleichsgruppe der Psychotherapiepatientinnen im stationären Setting. Insofern schätzten alle Studienteilnehmerinnen ihre allgemeine psychische Belastung als hoch ein und lagen im Bereich psychisch auffälliger Belastung (Franke, 1995). 98 RESULTATE 5.2 Resultate (quantitative Erhebung) Im Folgenden werden die Resultate der quantitativen Erhebung dargestellt. Diese bestehen einerseits in den Faktorenanalysen, die in Bezug auf das Messmittel EMOREG-B berechnet wurden. Andererseits beinhalten sie die Prüfung von Gütekriterien der klassischen Testtheorie mittels Reliabilitätsmessungen und Validierungsschritten. 5.2.1 Faktorenanalysen des EMOREG-B Für den Fragebogen EMOREG-B wurde als erstes anhand von Faktorenanalysenund Trennschärfenberechnung eine Itemselektion durchgeführt. Dabei wurden Items, die eine Trennschärfe kleiner als .40 aufwiesen, entfernt. Es wird im Folgenden der optimierte Itemsatz dargestellt. Die anschliessende faktorenanalytische Auswertung der Daten mittels der Hauptkomponentenanalyse zeigte 12 Faktoren mit einem Eigenwert > 1 (Kaiser-Guttmann Kriterium) auf. Da die Regel, alle Faktoren mit dem Eigenwert > 1 als Faktoren nehmen zu können, oft zu einer Überschätzung der Faktorenzahl führt (Bortz, 1999; Bühner, 2004; Fürntratt, 1969), wurde ausserdem der Scree-Test eingesetzt. Dieser schlug vier bzw. fünf verbleibende Faktoren vor, wobei die Tendenz eher bei vier Faktoren lag. Trotzdem wurden Analysen für beide Möglichkeiten durchgeführt, mit dem Ziel, die Interpretierbarkeit und Brauchbarkeit der beiden Varianten zu überprüfen. Da die vier Faktoren-Lösung besser und klarer interpretierbar war und auf drei von den vier Faktoren je mindestens 10 Werte > 0.4 luden, wurde diese Version gewählt. Alle vier Faktoren bestanden zudem aus mindestens drei Variablen, die mit a2/h2 ≥ .50 definiert sind (Fürntratt, 1969). Die vier Faktoren wurden Varimax rotiert, und die einzelnen Items anhand der Kriterien, Ladungen > 0.4 und Differenz der Ladung zu anderen Faktoren > 0.25, den Faktoren zugeordnet. Die drei Items, die überhaupt nicht geladen hatten, wurden aus dem Itempool eliminiert und mit den übrigen 42 Items eine erneute Varimax-Rotation durchgeführt. Die erneute VarimaxRotation bestätigte die schon erhaltende Vierfaktorenlösung mit jeweils sämtlichen Itemladungen > 0.4. Die Varianzaufklärung der vierfaktoriellen Lösung beträgt 46,6%. RESULTATE 99 Die vier Faktoren schliessen verschiedene Arten von Emotionsregulation auf der psychologischen Ebene ein und können folgendermassen interpretiert werden: Der erste Faktor (Vermeidung) enthält Items, die darstellen wie möglichst vermieden werden soll die eigene Realität und damit auch die eigenen Emotionen wahrzunehmen. Es werden dazu aktiv Strategien auf der kognitiven Ebene bis hin zu kognitiven Verzerrungen eingesetzt oder es wird durch Ablenkung versucht, die Kontrolle über auftauchende Emotionen zu behalten. Im Weiteren zeigen einige Items eine starke Ausrichtung auf andere Personen auf, in der vor allem das Urteil des Gegenübers als Orientierung für das eigene Verhalten hinzugezogen wird. Der zweite Faktor (Verringerung) repräsentiert Items, die auf eine Reduzierung der emotionalen Intensität hinweisen. Diese Items beschreiben einerseits Regulationsformen, die in Richtung Gefühlsausdruck gehen, oder aber es kommt infolge der emotional intensiven Reize zu einer intrapsychischen Distanzierung. Diese Form der Regulation hat einen eher passiven Charakter und erlaubt nur teilweise eine Kontrolle über das Geschehen. Der dritte Faktor (Ausgeglichenheit) weist auf ein Gleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten hin. Die darin enthaltenen Items beschreiben alle eine Art von Emotionsregulation, in der es gelingt, Gefühle wahrzunehmen sowie die eigenen Kräfte und Ressourcen einzuschätzen und adäquat einsetzen zu können. Die Items des vierten Faktors (mangelnde Impulskontrolle) spiegeln einen Mangel in der Impulskontrolle wider. Sie beschreiben, dass jemand über ein Agieren gegen sich selber oder andere versucht, intensive Gefühle zu regulieren. Die drei Subskalen Vermeidung, Verringerung und mangelnde Impulskontrolle müssen als maladaptives Regulationsverhalten eingeschätzt werden, wogegen die Subskala Ausgeglichenheit eine adaptive Weise von Emotionsregulation darstellt. 100 RESULTATE Tabelle 4: EMOREG-B: Faktorenmuster der Vier-Faktorenlösung (Hauptkomponentenanalyse, Varimax-Rotation für die Gesamtstichprobe, N=63) Itemnummer Itemtext Wenn ich intensive Gefühle habe, h2 Faktoren Faktor 1 Faktor 2 Faktor 3 Faktor 4 21 muss ich mich selbst ständig beobachten .75 .58 15 nehme ich Dinge falsch und verzerrt wahr .66 .61 30 mache ich meine Handlungen vom (nachfolgenden) Urteil anderer abhängig .64 .58 29 versuche ich im Voraus zu erahnen, welches Verhalten die anderen von mir erwarten .61 20 bin ich ruhelos und beschäftige mich ständig, damit keine Gefühle und Gedanken aufkommen .60 .41 4 mache ich Witze über Themen, mit denen ich schlecht umgehen kann .57 .45 22 fühle ich mich missverstanden .57 .50 45 verstehe ich, was andere meinen, nicht richtig .55 .46 23 vermeide ich bestimmte soziale Ereignisse .53 .30 24 fühle ich mich von anderen beobachtet .46 .35 43 versuche ich mich abzulenken, um schöne Gefühle zu vermeiden .43 .38 18 vermische ich Gedanken oder Erinnerungen aus der Vergangenheit mit der Gegenwart oder Gedanken aus der Gegenwart mit solchen aus der Vergangenheit .41 .33 14 versuche ich mich abzulenken, um schmerzhafte Gefühle zu vermeiden .40 .40 5 drücke ich meine starken .42 .78 .55 .66 RESULTATE 101 Gefühle klar aus 7 spreche ich ausführlich über emotional wichtige Themen .69 .52 .65 .64 12 spreche ich mit einem engen Freund / einer engen Freundin über Themen, die sehr stressvoll für mich sind .58 .40 38 kann ich nicht mehr überlegen .57 .51 .68 40 kann ich nicht mehr aufnehmen, was andere mir sagen .52 .46 .61 -.49 .34 -.47 .34 39 stehe ich wie neben mir und schaue mir zu .45 .40 41 gehe ich allen, die mir nahe sind, aus dem Weg .41 .41 31 zeige ich vor allem keine Schwäche .42 35 kann ich genau spüren, was in mir vorgeht 26 kann ich mich mit jemandem streiten und trotzdem in der Beziehung bleiben .41 1 probiere ich neue Wege des Denkens und Handelns aus .69 .53 25 entscheide ich sorgfältig, auch wenn die Situation komplex ist .69 .56 11 spüre ich, wann ich eine Sache auf sich beruhen lassen kann .60 .54 32 kann ich mich darauf verlassen, dass ich mit der Situation umgehen kann .56 .54 28 behandle ich wichtige Bezugspersonen mit Wertschätzung .54 -.48 .55 .54 .49 17 behandle ich wichtige Bezugspersonen gleichberechtigt .53 .36 19 arbeite ich hart, gönne mir aber auch genügend Ruhe .52 .48 16 kann ich mich sowohl entspannen, als auch harten .52 .42 6 wäge ich sorgfältig alles ab, bevor ich eine schwere Entscheidung fällen muss 102 RESULTATE Einsatz leisten 27 kann ich mich darauf verlassen, dass ich mit dem Gefühl umgehen kann .49 .49 2 vermeide ich Gedanken, die mich in Spannung versetzen .49 .44 9 spüre ich, wann ich mir wirklich Sorgen machen muss .47 .38 33 reagiere ich oft, ohne zu überlegen .74 .55 10 habe ich die Nase schnell mal voll .72 .63 8 reagiere ich übertrieben emotional .63 .52 44 reagiere ich aggressiv auf andere .60 .44 36 gibt es oft für mich nur noch einen Weg, um die Spannung abzubauen .40 .48 .46 37 ist meine innere Anspannung sehr hoch .44 .46 .46 .42 .41 34 kann ich nicht mehr aufmerksam zuhören Eigenwerte Durch Faktoren aufgeklärter Varianzanteil 5.9 5.1 5.1 4.9 13.0 11.3 11.3 10.9 Anmerkungen: Die geltenden Ladungen pro Faktor sind fett gedruckt, Absolutwerte < 0.40 sind nicht dargestellt; h2= Kommunalitäten. Die Varianzaufklärung der vierfaktoriellen Lösung beträgt 46,6%. 5.2.2 Eigenschaften der Skalen 5.2.2.1 Reliabilitätsmessungen Item- und Skalentestkennwerte Die Trennschärfe (siehe Tabelle 4) der Items war hoch und belegt Werte zwischen 0.40 und 0.78. Der Reliabilitätskoeffizient Cronbach’s α lag in den vier Subskalen mit .85 (Subskala Vermeidung), .84 (Subskala Verringerung), .84 (Subskala Ausgeglichenheit) und .79 (Subskala mangelnde Impulskontrolle) ebenfalls in einem hohen Bereich. Die Spearman Brown korrigierten Split-Half Reliabilitäten (equal length) der einzelnen Subskalen betrugen .85 für die Subskala Vermeidung, .79 für RESULTATE 103 die Subskala Verringerung, .80 für die Subskala Ausgeglichenheit und .76 für die Subskala mangelnde Impulskontrolle. Für eine gute Homogenität der Subskalen sprach, dass alle Mittelwerte der ItemInterkorrelationen Zahlen zwischen .30 und .35 aufwiesen, da für eine Homogenität von Skalen die mittleren Korrelationen im Bereich .20–.40 liegen sollen (Bühner, 2004). Tabelle 5: Interne Konsistenz / Reliabilitätsanalysen für die EMOREG-B Subskalen Skala Interne Konsistenz Cronbachs α Anzahl Items Item Trennschärfe Range der ItemTotalkorrelationen Range der ItemInterkorrelationen Mittelwert der ItemInterkorrelationen Subskala 1 Vermeidung .85 13 .40–.75 .42–.66 .71 (.03–.74) .30 Subskala 2 Verringerung .84 10 .41–.78 .36–.66 .65 (.06–.71) .34 Subskala 3 Ausgeglichenheit .84 12 .47–.69 .19–.65 .7 (-.04– .72) .31 Subskala 4 Mangelnde Impulskontrolle .79 7 .42–.74 .41–.67 .40 (.13–.53) .35 Anmerkungen: Items sechsfach gestuft (1–6), N = 63 für alle Werte 5.2.2.2 Validierungsschritte Korrelationen zwischen den EMOREG-B Subskalen Zwischen den vier EMOREG-B Subskalen wurden Korrelationen nach Pearson berechnet, zweiseitig auf Signifikanz überprüft und die Resultate in Effektstärken umgerechnet. Die Korrelierung der Subskala Vermeidung und Subskala Ausgeglichenheit zeigte kein signifikantes Resultat. Die Subskalen Vermeidung und Verringerung, Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle sowie Verringerung und mangelnde Impulskontrolle korrelierten hochsignifikant positiv miteinander, was sich auch in der Höhe der Effektstärken wieder findet. Die Subskalen Verringerung und Ausgegli- 104 RESULTATE chenheit sowie die Subskalen Ausgeglichenheit und mangelnde Impulskontrolle korrelierten hochsignifikant negativ miteinander, ebenfalls mit hohen Effektstärken. Tabelle 6: Interskalenkorrelationen der EMOREG-B Subskalen EMOREG-B-Subskalen Variablen EMOREG-B Vermeidung Verringerung .51** / d= 1.19 Vermeidung Verringerung Ausgeglichenheit Ausgeglichenheit Mangelnde Impulskontrolle -.23 / d= -0.47 -.38** / d= -0.82 .50** / d= 1.15 .50** / d= 1.15 -.47**/ d= -.1.16 Anmerkungen: * p < .05; ** p < .0.1; N=63; d= Effektstärken Korrelationen mit dem BFW/E In einem nächsten Schritt wurden die einzelnen Items des EMOREG-B je mit den Werten der beiden Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit des BFW/E nach Pearson korreliert und zweiseitig auf Signifikanz überprüft. Tabelle 7: Korrelationen der Items des EMOREG-B mit dem BFW/E (beide Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit) Nr. Item / Skala EMOREG-B Skala zweiter Ordnung BFW/E Zufriedenheit Skala zweiter Ordnung BFW/E negative Befindlichkeit -.45** d=-1.01 .41** d=0.9 21 muss ich mich selbst ständig beobachten -.16 -.16 15 nehme ich Dinge falsch und verzerrt wahr -.25 -.25* 30 mache ich meine Handlungen vom (nachfolgenden) Urteil anderer abhängig -.29* -.29 29 versuche ich im Voraus zu erahnen, welches Verhalten die anderen von mir erwarten -.30* -.30** 20 bin ich ruhelos und beschäftige mich ständig, damit keine Gefühle und Gedanken aufkommen -.19 -.19 4 mache ich Witze über Themen, mit denen ich schlecht umgehen kann -.28* -.28 -.47** -.47** Subskala Vermeidung/Subskalenwert 22 fühle ich mich missverstanden RESULTATE 45 verstehe ich, was andere meinen, nicht richtig 105 -.28* -.28 -.20 -.20* -.31* -.20 -.35** .12 -.27* .33** -.19 .28* -.66** d=-1.76 .25** d=0.52 5 drücke ich meine starken Gefühle klar aus -.48** -.08 7 spreche ich ausführlich über emotional wichtige Themen -.55** .15 31 zeige ich vor allem keine Schwäche -.40** .21 12 spreche ich mit einem engen Freund / einer engen Freundin über Themen, die sehr stressvoll für mich sind -.33** -.03 38 kann ich nicht mehr überlegen -.55** .17 40 kann ich nicht mehr aufnehmen, was andere mir sagen -.46** .28* 35 kann ich genau spüren, was in mir vorgeht -.42** .10 -.31* .24 39 stehe ich wie neben mir und schaue mir zu -.39** .20 41 gehe ich allen, die mir nahe sind, aus dem Weg -.39** .39** .36** d=0.77 -.15 d=-0.3 -.33** -.03 25 entscheide ich sorgfältig, auch wenn die Situation komplex ist .25* -.12 11 spüre ich, wann ich eine Sache auf sich beruhen lassen kann .32* -.16 .42** -.26* 28 behandle ich wichtige Bezugspersonen mit Wertschätzung .20 -.09 6 wäge ich sorgfältig alles ab, bevor ich eine schwere Entscheidung fällen muss .20 .02 23 vermeide ich bestimmte soziale Ereignisse 24 fühle ich mich von anderen beobachtet 43 versuche ich mich abzulenken, um schöne Gefühle zu vermeiden 18 vermische ich Gedanken oder Erinnerungen aus der Vergangenheit mit der Gegenwart oder Gedanken aus der Gegenwart mit solchen aus der Vergangenheit 14 versuche ich mich abzulenken, um schmerzhafte Gefühle zu vermeiden Subskala Verringerung/Subskalenwert 26 kann ich mich mit jemandem streiten und trotzdem in der Beziehung bleiben Subskala Ausgeglichenheit/S’skalenwert 1 probiere ich neue Wege des Denkens und Handelns aus 32 kann ich mich darauf verlassen, dass ich mit der Situation umgehen kann 106 RESULTATE 17 behandle ich wichtige Bezugspersonen gleichberechtigt -.02 -.12 19 arbeite ich hart, gönne mir aber auch genügend Ruhe .30* -.08 .19 -.08 .35** -.28* -.19 .16 .35** -.16 -.51** d=-1.19 .38** d=0.82 -.22 .26* 10 habe ich die Nase schnell mal voll -.52** .38** 8 reagiere ich übertrieben emotional -.35** .39** -.15 .05 36 gibt es oft für mich nur noch einen Weg, um die Spannung abzubauen -.48** .20 37 ist meine innere Anspannung sehr hoch -.35** .46** -.32* .05 16 kann ich mich sowohl entspannen, als auch harten Einsatz leisten 27 kann ich mich darauf verlassen, dass ich mit dem Gefühl umgehen kann 2 vermeide ich Gedanken, die mich in Spannung versetzen 9 spüre ich, wann ich mir wirklich Sorgen machen muss Subskala mangelnde Impulskontrolle/Subskalenwert 33 reagiere ich oft, ohne zu überlegen 44 reagiere ich aggressiv auf andere 34 kann ich nicht mehr aufmerksam zuhören Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; N=63; d= Effektstärken Alle Subskalen des EMOREG-B korrelierten hoch signifikant mit der Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E und zwar in der jeweils erwarteten Richtung. Mit der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit des BFW/E hingegen zeigten vor allem die beiden Subskalen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle hochsignifikante Resultate mit hohen Effektstärken. Obwohl die Subskala Verringerung zwar ebenfalls mit der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit korrelierte, lag der dazugehörige Effekt nur im mittleren Bereich. Zwischen der Subskala Ausgeglichenheit und der Subskala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit des BFW/E gab es keine bedeutsame Korrelation. Auf der Ebene der Items war festzustellen, dass die Items vor allem innerhalb der Subskalen Verringerung und mangelnde Impulskontrolle hochsignifikant mit dem Wert der Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E korrelierten und zwar in der erwarteten (negativen) Richtung. Im Weiteren traten einige Korrelationen zwi- RESULTATE 107 schen Items der Subskalen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle und dem Wert der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit des BFW/E auf. Auch diese zeigten in die erwartete Richtung. Kaum Korrelationen gab es hingegen zwischen den Items der Subskala Ausgeglichenheit und den beiden Skalen zweiter Ordnung des BFW/E. Korrelationen mit Werten anderer Messmittel Im Weiteren wurden die vier Subskalen des EMOREG-B mit verschiedenen Werten der anderen, in der Studie eingesetzten Messmittel mit Korrelationen nach Pearson berechnet, auf zweiseitige Signifikanz überprüft und die Resultate in die dazugehörigen Effektstärken umgewandelt. Alle Subskalen des EMOREG-B wiesen hochsignifikante Resultate und hohe Effektstärken mit dem Gesamtwert der BSL in der jeweils erwarteten Richtung auf. Im Weiteren zeigten sich auf den drei Subskalen des EMOREG-B, Vermeidung, Verringerung und mangelnde Impulskontrolle, hochsignifikante Korrelationen sowohl mit dem Summenwert des BDI als auch mit dem globalen Kennwert SCL-90/GSI. Zwischen dem Summenwert BDI und der Subskala Ausgeglichenheit des EMOREG-B ergab sich keine signifikante Korrelation, wohingegen der globale Kennwert SCL-90/GSI eine hochsignifikante Korrelation in der erwarteten Richtung mit der Subskala Ausgeglichenheit aufzeigte. Nur die Subskala Verringerung des EMOREG-B korrelierte signifikant mit dem Gesamtwert des EMOREG-F. Der Gesamtwert des EMOREG-F wurde berechnet, indem alle in die drei Subskalen eingegangenen Itemwerte aufsummiert wurden. Die Korrelationen zwischen dem Gesamtwert des EMOREG-F und den übrigen drei Subskalen des EMOREG-B lagen in einem unbedeutenden Bereich. Es wurden zudem Berechnungen mit einem Teil der demografischen Daten ausgeführt, die folgende Befunde ergaben: Das Alter korrelierte hochsignifikant mit den beiden Subskalen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle je in negativer Richtung. Zudem stehen Selbstverletzungen mit drei der vier EMOREG-B Subskalen (ausser mit der Subskala Verringerung) in einem engeren Zusammenhang. 108 RESULTATE Tabelle 8: Interskalenkorrelationen des EMOREG-B EMOREG-B-Subskalen Variablen Vermeidung Verringerung Ausgeglichenheit Mangelnde Impulskontrolle BSL/Gesamtwert .60** / 1.5 .63** / 1.62 -.33** / -0.7 .53** / 1.25 BDI/Summenwert .40** / 0.87 .65** / 1.71 -.15 / -0.3 .45** / 1.01 .14 / 0.28 .29* / 0.61 -.12 / -0.24 .14 / 0.28 .52** / 1.22 .42** / 0.93 -.26** / -0.54 .46** / 1.04 .31* / 0.65 .08 / 0.16 -.33** / -0.7 .32** / 0.68 -.44** / -0.98 -.20 / -0.41 .22 / 0.45 -.41** / -0.9 EMOREG-F/G’wt SCL-90/GSI Selbstverletzungen Alter Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; EMOREG-B, BSL, Selbstverletzungen, Alter je N=63; BDI N=61; EMOREG-F N=54; SCL-90/GSI N=60; neben den Korrelationen die dazugehörigen Effektstärken Die Korrelation von Selbstverletzungen und den vier Subskalen des EMOREG-B wurden ausserdem auch mit dem punktbiserialen Korrelationsverfahren errechnet (was in diesem Falle der oben genannten Korrelation nach Pearson entspricht). Es zeigte sich bei allen Subskalen, ausser bei der Subskala Verringerung (Wert rhop.bis= .53), je ein Wert von rhop.bis= .01 bei p ≤ .01. Vergleich von EMOREG-B Subskalenwerten mit Werten des EMOREG Da der Fragebogen EMOREG-B in Anlehnung an den Emotionsregulationsfragebogen EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) konstruiert wurde, sollen an dieser Stelle zwei Subskalenbefunde des EMOREG-B den entsprechenden Subskalenwerten des EMOREG (Znoj, 2000a) gegenüber gestellt werden. Einerseits kann ein Vergleich zwischen der Subskala Ausgeglichenheit (EMOREG-B) und der Subskala Autokontrolle (EMOREG) angestellt werden: Die Teilnehmerinnen dieser Studie mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE zeigten in der Subskala Ausgeglichenheit einen Mittelwert von M=2.70 (SD= .82) auf, während dem der Wert der Teilnehmerinnen mit der Diagnose MDE bei M=3.10 (SD= .90) lag. Die Teilnehmerinnen mit der Diagnose MDE entsprechen in ihren Befunden annähernd dem Resultat (M=3.28; SD=1.07), das die Patienten/innenstichprobe im RESULTATE 109 EMOREG (Znoj, 2000a) in der Subskala Autokontrolle erreichte. Hingegen liegen die Teilnehmerinnen dieser Studie mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE deutlich unter dem EMOREG-Wert der adaptiven Subskala Autokontrolle. Andererseits soll der Mittelwert der maladaptiven Regulation des EMOREG-B (Subskalen Vermeidung, Verringerung und mangelnde Impulskontrolle) mit dem Mittelwert (M=3.36; SD= .94) der maladaptiven Regulation im EMOREG (Znoj, 2000a) verglichen werden. Die Teilnehmerinnen dieser Untersuchung mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE weisen mit ihrem Mittelwert von M=4.18 (SD= .76) eine klar maladaptivere Regulation auf als die EMOREG- Patien- ten/innenstichprobe. Dagegen entsprechen wiederum die Teilnehmerinnen mit der Diagnose MDE mit ihrem Mittelwert von M=3.38 (SD= .82) genau dem Mittel, das die Patienten/innenstichprobe im EMOREG in der maladaptiven Regulation erzielte. Gruppenvergleiche der Subskalen des EMOREG-B nach Diagnosegruppen Mittels eines t-Tests für unabhängige Stichproben wurden die Mittelwerte der einzelnen Subskalen des EMOREG-B zwischen den beiden Diagnosegruppen verglichen. Die Mittelwerte wurden zweiseitig auf Signifikanz überprüft und die Ergebnisse in Effektstärken umgerechnet. Vor allem in den zwei Subskalen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle zeigten die beiden Gruppen grosse Unterschiede mit grossen Effekten auf, dagegen bewegten sich die Effekte in den beiden anderen Subskalen in einem mittleren Bereich. Tabelle 9: t-Test zwischen den zwei Diagnosegruppen für die EMOREG-B Subskalen EMOREG-B Subskalen Subskala Vermeidung Subskala Verringerung Subskala Ausgeglichenheit Subskala Mangelnde Impulskontrolle Borderlinestörung + MDE M SD MDE M SD 4.05 1.00 3.26 .95 4.00 1.09 3.47 1.04 2.70 .82 3.11 .90 4.68 .90 3.51 .94 t / df -3.22 df=61 -1.97 df=61 1.87 df=61 -5.05 df=61 Werte t-Test p d .002 -.81 .054 -.50 .066 .48 ≤.001 -1.27 Anmerkungen: EMOREG-B Subskalen je N=32 (Borderlinestörung + MDE), N=31(MDE); d= Effektstärken 110 RESULTATE Regressionen in Bezug auf die EMOREG-B Subskalen Im Weiteren wurden mit verschiedenen Variablen anderer in der Studie eingesetzten Messmittel und den vier neu generierten Subskalen des EMOREG-B, multiple Korrelations-/Regressionsanalysen durchgeführt. Dieses Vorgehen hatte das Ziel, zu überprüfen, ob sich ein oder mehrere Messmittel sowie andere Variablen dazu eignen könnten, Vorhersagen in Bezug auf die vier EMOREG-B Subskalen zu machen. Als solche Prädiktorvariablen wurden die beiden Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit des BFW/E, der Gesamtwert der BSL, der Summenwert des BDI, der globale Kennwert GSI der SCL-90/GSI sowie die Variablen Alter und Selbstverletzung gewählt. Alle diese Werte wurden schrittweise eingeschlossen. Das Verfahren des schrittweisen Einschlusses der Variablen wurde deshalb eingesetzt, weil die Vermutung bestand, dass bei gleichzeitigem Einschluss der Variablen ein Multikollinearitätsphänomen auftreten könnte (Diehl & Staufenbiel, 2002). Zudem wird der schrittweise Einschluss der Variablen im Bereich der Hypothesenerkundung als geeignet angesehen (Bortz, 1999). Die Befunde, auf die im Folgenden Bezug genommen wird, zeigten nachstehende Ergebnisse: Für die erste EMOREG-B Subskala Vermeidung traten der Gesamtwert der BSL und die Variable Alter (mit negativem Vorzeichen) als Prädiktorvariablen auf. In der zweiten Skala Verringerung waren es die Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E (mit negativem Vorzeichen) und die BSL, die eine Vorhersage leisten konnten. Für die dritte Skala Ausgeglichenheit trat neben der Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E die Variable Selbstverletzung (negativ gepolt) als Prädiktor auf. Für die vierte Skala mangelnde Impulskontrolle wies neben dem Gesamtwert der BSL die Variable Alter (mit negativem Vorzeichen) eine Vorhersagekraft auf. Alle Werte (standardisierte β-Koeffizienten) der Prädiktoren bewegten sich zwischen .24 und .66 bei schrittweisem Einschluss der Variablen. Die Anteile der Varianz, die durch die Prädiktoren aufgeklärt wurde, lagen zwischen 13% und 51%. Die Residuen aller Regressionen waren normalverteilt. RESULTATE 111 Tabelle 10: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktorvariablen der EMOREG-B Subskalen EMOREG-B Subskala Vermeidung EMOREG-B Subskala Veringerung EMOREG-B Subskala Ausgeglichenheit EMOREG-B Subskala Mangelnde Impulskontrolle Schritte 1. 1. 1. 1. Prädiktorvariablen Standardisierte β-Koeffizienten BSL/Gesamtwert 2. .60*** 2. .51*** BFW/E/Zufriedenheit .34** -.66*** Alter 2. -.44*** .53*** .36** R .44*** .33** -.25* -.24* Selbstverletzungen 2 2. -.30* .36 .42 .44 .51 .13 .22 .29 .34 Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; ***p < .001 Im Weiteren sollte festgestellt werden, welche Messmittel und Variablen sich spezifisch für die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung in Bezug auf die vier EMOREG-B Subskalen als Prädiktoren herauskristallisieren. Deshalb wurden erneut multiple Regressionsanalysen mit schrittweisem Einschluss der verschiedenen oben erwähnten Variablen berechnet. Für die EMOREG-B Subskala Vermeidung trat für die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung nur der Gesamtwert der BSL als Prädiktor auf. Für die Skala Verringerung dienten der Gesamtwert der BSL und die Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E (negativ gepolt) sowie die Variable Alter zur Vorhersage. Für die Skala Ausgeglichenheit gab es keinen Prädiktor und für die EMOREG-B Subskala mangelnde Impulskontrolle hatte wiederum die Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E (negativ gepolt) einen Erklärungswert. Die Werte (standardisierte β-Koeffizienten) der Prädiktorvariablen bei schrittweisem Einschluss bewegten sich zwischen .33 und .65. Die Anteile der Varianz, die durch die Prädiktoren aufgeklärt wurde, lagen zwischen 34% und 63%. 112 RESULTATE Tabelle 11: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktorvariablen der EMOREG-B Subskalen, berechnet für die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE EMOREG-B Subskala Vermeidung Schritte 1. 2. EMOREG-B Subskala Verringerung 1. 2. EMOREG-B Subskala Mangelnde Impulskontrolle 3. 1. 2. Prädiktoren Standardisierte β-Koeffizienten BSL/G’wert .58** .65*** BFW/E/Z’he .41* .45** -.40* -.45** Alter -.47** .33* R2 .34 .43 .53 .63 .41 Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; ***p < .001; für die EMOREG-B Subskala Ausgeglichenheit trat kein Prädiktor auf 5.3 Resultate (qualitative Erhebung) In einem ersten Schritt wurde das ganze sprachliche Datenmaterial durch zwei geschulte Raterinnen unabhängig voneinander den verschiedenen Emotionsregulationsdimensionen Situationsauswahl, Situationsveränderung, Aufmerksamkeitslenkung, Bedeutungsveränderung und Reaktionsmodulierung zugeordnet. Anschliessend kodierten beide Raterinnen jede Aussage innerhalb der einzelnen Dimensionen anhand einer eigens dafür entwickelten Auswertungseinheit. Die Raterinnen mussten jeweils entscheiden, ob die von den Teilnehmerinnen angewandte Emotionsregulationsstrategie wirkungsvoll, teilweise wirkungsvoll, kaum wirkungsvoll war oder ob darüber keine Aussagen gemacht werden konnten. Dieses Vorgehen diente einerseits als Grundlage dafür, mit den qualitativ erhobenen Daten nachfolgende quantitative Berechnungen erstellen zu können. Andererseits wurden dadurch die Voraussetzungen für die Prüfung von Gütekriterien für die inhaltsanalytische Forschung geschaffen. Die Ergebnisse ergaben fünf Variablen entsprechend der fünf verschiedenen oben beschriebenen Emotionsregulationsdimensionen. Diese Variablen konnten im Weiteren quantitativ bearbeitet und ausgewertet werden. Die Daten wurden mit dem Kolmogorov-Smirnov-Test auf ihre Verteilung hin überprüft. Sie erwiesen sich als nicht normalverteilt, waren rangskaliert und wurden mit nonparametrischen Verfahren analysiert. RESULTATE 5.3.1 113 Reliabilitätsmessungen Die qualitative Inhaltsanalyse muss ebenso wie die quantitative Forschung die Erfüllung von Gütekriterien gewährleisten. Die Gütekriterien der klassischen Testtheorie können nur teilweise oder in abgeänderter Form auf die inhaltsanalytische Forschung übertragen werden (Mayring, 2003). Es wurden deshalb Konzepte entwickelt, die spezifisch auf die qualitative Inhaltsanalyse zugeschnitten sind. So ist wichtiges Reliabilitätsmass bei der Auswertung von qualitativem Datenmaterial die Intercoderreliabilität (Mayring, 1989, 2003). Diese hat als Gütekriterium eine grosse Bedeutung: Zwei Beurteiler/innen analysieren unabhängig voneinander das sprachliche Material und die Ergebnisse werden nachfolgend auf ihre Übereinstimmung hin überprüft. 5.3.1.1 Intercoderreliabilität Da die Auswertung der qualitativen Interviews auf einem polytomen Kategoriensystem basiert, wurde als Mass zur Beurteilung der Übereinstimmung Cohens Kappa gewählt (Wirtz & Caspar, 2002). Die Kappa-Werte lagen zwischen 0.68 und 1.00 (Situationsauswahl: 0.68, Situationsveränderung: 0.86, Aufmerksamkeitslenkung: 0.68, Bedeutungsveränderung: 1.00, Reaktionsmodulierung: 0.75). Die Übereinstimmung der Raterinnenbeurteilung kann als gut bis sehr gut angesehen werden (Wirtz & Caspar, 2002). 5.3.1.2 Stabilität Die Stabilität wird als weiteres spezifisches Mass bei der qualitativen Inhaltsanalyse eingesetzt, um die Reliabilität zu überprüfen (Mayring, 2003). Sie bestimmt sich durch die nochmalige Anwendung der Auswertungseinheit auf das sprachliche Material. Die Raterinnen wählten zufällig Interviews von 10 Teilnehmerinnen aus und beurteilten dieses Datenmaterial jeweils ein zweites Mal. Bei beiden Raterinnen lagen verteilt auf die fünf verschiedenen Variablen die Cohens Kappa-Werte zwischen 0.41 und 1.00. Diese Werte entsprechen einer akzeptablen bis sehr guten Übereinstimmung (Wirtz & Caspar, 2002). Die Stabilität ist damit als zufrieden stellend einzuschätzen. 114 5.3.2 RESULTATE Validierungsschritte Die Qualität der Inhaltsanalyse wird nicht nur mit dem Gütekriterium der Reliabilität, sondern auch mit Validitätskonzepten geprüft (Mayring, 1989, 2003). Validität kann anhand dreier Bereiche erforscht werden, nämlich anhand des Materials, des Ergebnisses und des Prozesses. Die materialorientierte Validität beinhaltet die beiden Kriterien der semantischen Gültigkeit und der Stichprobengültigkeit. Mit den beiden Kriterien der korrelativen Gültigkeit und der Vorhersagegültigkeit wird die ergebnisorientierte Validität geprüft. Zudem macht die kommunikative Validierung Aussagen über den Prozess. 5.3.2.1 Materialorientierte Validität Das erste auf das Datenmaterial bezogene Kriterium der semantischen Gültigkeit begutachtet, ob die Bedeutung des Materials richtig rekonstruiert wird. Dies ist mit der Angemessenheit der Kategoriendefinitionen gegeben (siehe Tabelle 1, Auswertungseinheit). Ebenso sind die Bedingungen für das zweite materialbezogene Kriterium, die Gültigkeit der Stichprobe, erfüllt. Die Grundgesamtheit der Personen, über die Aussagen gemacht werden soll, ist genau definiert: Es interessiert einerseits in dieser Studie die Frage, wie und auf welchen Ebenen Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen situativ regulieren. Andererseits wurde der Stichprobenumfang aufgrund von Repräsentativitäts- und ökonomischen Überlegungen bestimmt (Cohen, 1990; Rudestam & Newton, 2001). 5.3.2.2 Ergebnisorientierte Validität Korrelationen zwischen den Variablen des qualitativen Interviews Zwischen den fünf Variablen des qualitativen Interviews wurden Rang-Interkorrelationen nach Spearman berechnet und zweiseitig auf Signifikanz überprüft. Keine der Korrelierungen zeigte ein signifikantes Resultat. RESULTATE 115 Tabelle 12: Rang-Interkorrelationen zwischen den fünf Variablen des qualitativen Interviews Situationsveränderung Situationsauswahl Aufmerksam- Bedeutungskeitslenkung veränderung .13 (N=60) Situationsveränderung Reaktionsmodulierung .05 (N=59) .08 (N=59) .02 (N=58) .03 (N=59) .22 (N=59) .02 (N=58) .21 (N=59) .11 (N=57) Aufmerksamkeitslenkung Bedeutungsveränderung -.09 (N=57) Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01 Korrelative Gültigkeit Das erste auf das Ergebnis bezogene Kriterium ist die korrelative Gültigkeit (Mayring, 2003). Sie validiert die Variablen, indem diese mit einem Aussenkriterium korreliert werden. Diese Überprüfung ist jedoch nur sinnvoll, wenn sie mit den Ergebnissen einer Untersuchung mit ähnlicher Fragestellung durchgeführt wird. Da mit dem EMOREG-B in dieser Studie eine dementsprechende Frage aufgeworfen wird, können die daraus folgenden Resultate für die Validierung der fünf Variablen eingesetzt werden. Die Variablen wurden mit den vier EMOREG-B Subskalen nach Spearman rangkorreliert und zweiseitig auf Signifikanz überprüft. Die Resultate wiesen eine signifikante Korrelation und einen mittleren Effekt zwischen der Variablen Aufmerksamkeitslenkung und der Subskala Vermeidung des EMOREG-B auf. Daneben zeigten sich zwischen der Variablen Reaktionsmodulierung und der Subskala Vermeidung sowie der Subskala Verringerung hochsignifikante Korrelationen mit grossen Effekten. Zwischen den anderen Variablen und Subskalen lagen die Korrelationen in einem unbedeutenden Bereich. Tabelle 13: Rang-Korrelationen zwischen den fünf Variablen des qualitativen Interviews und den vier EMOREG-B Subskalen EMOREG-B Subskalen Subskala Vermeidung Situationsauswahl (N=60) -.01 Subskala Verringerung .09 Subskala Ausgeglichenheit -.04 Subskala Mangelnde Impulskontrolle .02 116 Situationsveränderung (N=60) Aufmerksamkeitslenkung (N=59) Bedeutungsveränderung (N=59) Reaktionsmodulierung (N=58) RESULTATE .01 .03 .05 -.16 .29* / d= 0.61 .06 .05 .07 -.10 -.01 -.02 -.01 .34** / d= 0.72 .33** / d= 0.70 -.05 .23 Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; d= Effektstärken Vorhersagegültigkeit Das zweite auf das Ergebnis bezogene Kriterium ist die Vorhersagegültigkeit. Das Gütekriterium wird als erfüllt angesehen, wenn sich sinnvolle Prognosen aus dem Material ableiten lassen. In der vorliegenden Untersuchung waren, wie oben beschrieben, zwei Gruppen von Patientinnen mit unterschiedlichen Diagnosen befragt worden. Die Hypothese war, dass sich die beiden Gruppen hinsichtlich der Emotionsregulation unterschiedlich verhalten. Ein Ziel der Untersuchung war ausserdem, zu explorieren, wie und auf welchen Ebenen sich die Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung abspielt. In einem ersten Schritt wurde deshalb berechnet, inwieweit sich die beiden untersuchten Gruppen in Bezug auf ihre mittleren Ränge pro Variable unterscheiden. Dazu wurde der U-Test von Mann-Whitney eingesetzt. Dieser ergab folgende Resultate: Variable Situationsauswahl (Z= .00, p= 1.000), Variable Situationsveränderung (Z= -2.32, p= .021), Variable Aufmerksamkeitslenkung (Z= -3.57, p < .001), Variable Bedeutungsveränderung (Z= .00, p= 1.000) und Variable Reaktionsmodulierung (Z= -.76, p= .449). Sowohl die Variable Situationsauswahl als auch die Variable Bedeutungsveränderung wurde nur von wenigen Teilnehmerinnen als eine wirkungsvolle Emotionsregulationsebene angesehen. Dies ist in den niedrigen Z-Werten repräsentiert. Hingegen unterscheiden sich die beiden untersuchten Gruppen signifikant in ihren mittleren Rängen in der Variablen Situationsveränderung. Diese Regulationsebene wird vor allem von den Teilnehmerinnen mit einer MDE als wirkungsvoll eingestuft. In Bezug auf die mittleren Ränge der Variablen Aufmerksamkeitslenkung präsentiert sich ebenfalls ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Diese Ebene RESULTATE 117 der Emotionsregulation wird vorwiegend von den Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE als wirkungsvoll eingeschätzt. Schliesslich zeigt sich auch ein Unterschied in den mittleren Rängen der Variable Reaktionsmodulation, der jedoch nicht signifikant ist. In einem nächsten Schritt wurden mit den Werten einiger anderer in der Studie eingesetzten Messmittel und den fünf Variablen des qualitativen Interviews multiple Regressionsanalysen durchgeführt. Um eine minimale Vergleichbarkeit der beiden methodisch unterschiedlichen Vorgehen in dieser Studie zu erhalten, wurden wieder dieselben Messmittelwerte zur Prüfung der Vorhersage beigezogen, die schon für die Regressionen bei den Subskalen des EMOREG-B ausgewählt worden waren. Diese waren die beiden Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit des BFW/E, der Gesamtwert der BSL, der Summenwert des BDI, der globale Kennwert GSI der SCL-90/GSI sowie die Variablen Alter und Selbstverletzung. Alle diese Werte wurden schrittweise eingeschlossen. Die Resultate zeigten folgendes: Bei schrittweisem Einschluss der Werte traten nur bei zwei der fünf Variablen überhaupt Werte als Prädiktoren auf: Bei der Variable Situationsauswahl war dies im ersten Schritt die (negativ gepolte) Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E. Im zweiten Schritt wurde bei dieser Variable zusätzlich zur Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E der globale Kennwert der SCL-90/GSI als Prädiktor aufgenommen. Beide Prädiktoren waren negativ gepolt. Für die Variable Reaktionsmodulierung erwies sich der Gesamtwert der BSL als einziger Prädiktor. Tabelle 14: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktoren der Variablen des qualitativen Interviews Schritte Prädiktoren BFW/E/Z’heit SCL-90/GSI BSL/Gesamtwert R2 1. Variable Situationsauswahl 2. Variable Reaktionsmodulierung 1. 2. Standardisierte β-Koeffizienten -.28* -.43** -.30* .08 .14 .38** .14 Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; für die Variablen Situationsveränderung, Aufmerksamkeitslenkung und Bedeutungsveränderung traten keine Prädiktoren auf 118 RESULTATE Im Weiteren wurden spezifisch für die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung + MDE multiple Regressionsanalysen mit den oben genannten Variablen durchgeführt. Die Prädiktoren wurden schrittweise einbezogen. Nur für drei der fünf Variablen tauchten Prädiktoren auf. Die Resultate präsentieren sich wie folgt: Tabelle 15: Multiple Regressionsanalysen für die Prädiktoren der Variablen des qualitativen Interviews, berechnet für die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE Variable Situationsveränderung Prädiktoren Variable Aufmerksamkeitslenkung Variable Reaktionsmodulierung Standardisierte β-Koeffizienten SCL-90/GSI .39* .40* BDI/S’wert .50** BSL/G’wert 2 .15 R .16 .25 Anmerkungen: * p < .05; ** p < .01; für die Variablen Situationsauswahl und Bedeutungsveränderung traten keine Prädiktoren auf 5.3.2.3 Prozessorientierte Validität Kommunikative Validierung Die prozessorientierte Validität bezieht sich auf den Prozess und überprüft ihn. Ein Gütekriterium dieser Kategorie ist die kommunikative Validierung (Mayring, 2003). Bei diesem Validierungsschritt geht es darum, dass Forscher/innen und die befragten Teilnehmer/innen diskursiv zu einer Einigung oder Übereinstimmung in Bezug auf die Analyse der Ergebnisse kommen. Diese Art von Validierung ist zwar nicht objektivierbar, aber trägt dafür zu einem gewissen Teil dazu bei, das Alltagsverständnis in die Untersuchung einfliessen zu lassen. Am Ende des qualitativen Interviews fand eine kurze mündliche Auswertung statt, in der der Verlauf des Gesprächs gemeinsam eruiert wurde. Die Teilnehmerinnen fassten zusammen, auf welchen Ebenen sie in der von ihnen dargestellten Situation mit ihren intensiven Gefühlen umgegangen waren. Sie benannten die eingesetzten Emotionsregulationsstrategien und schätzten sie auf ihre Wirksamkeit hin ein. Dieser Teil des Interviews wurde nicht speziell dokumentiert. Zusammenfassend ist jedoch anzufügen, dass die von den Teilnehmerinnen getroffenen Einschätzungen sehr häufig mit denen der Studienleiterin korrespondierten. DISKUSSION 6. Diskussion 6.1 Diskussion der quantitativen Erhebung 119 Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden verschiedene Arten von Testverfahren eingesetzt, um Befunde bezüglich der Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung zu erhalten. Genannt seien einerseits die neurophysiologischen Testverfahren (fMRI). Sie bilden die hormonellen Ausschüttungen und Bewegungen in bestimmten Hirnarealen ab, die als zentral für die Emotionsregulation angesehen werden. Diese Resultate bieten in der Folge die Grundlage für weitere Erkenntnisse und Schlussfolgerungen. Andererseits wird mit psychodiagnostischen Messmitteln versucht, zu mehr Erfahrungen im Bereich der Emotionsregulation bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung zu kommen. Im deutschsprachigen Raum existiert ein Messmittel zur Emotionsregulation (Znoj, 2000a, 2000b, 2002; Znoj & Keller, 2002), das jedoch die Emotionsregulation von Patientinnen mit der Diagnose Borderlinestörung zu wenig präzise erfassen konnte. 6.1.1 Faktorenanalysen des EMOREG-B Ein Ziel dieser Studie war die Entwicklung eines Fragebogens zur Erfassung der habituellen Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung. Der Fragebogen wurde in Anlehnung an den EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b, 2002; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) konstruiert und sollte einerseits Gütekriterien genügen. Andererseits aber sollte das Messmittel auch Informationen darüber geben, wie und auf welchen Ebenen Frauen mit einer Borderlinestörung mit ihren Emotionen umgehen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass mit dem EMOREG-B aufgrund von theoretischen Leitlinien, dem EMOREG und klinischer Erfahrung ein Instrument entstanden ist, das Informationen darüber vermittelt, wie sich die Emotionsregulation bei Frauen mit diesem Störungsbild abspielt. Der konstituierte Fragebogen EMOREG-B ist ein Selbstbeurteilungsinstrument und enthält in der Schlussversion 42 Items. Es konnten vier Faktoren herauskristallisiert werden, die inhaltlich folgendermassen interpretierbar sind: 120 DISKUSSION Der erste Faktor fasst Items zusammen, die beschreiben, wie vermieden wird die eigene Realität und das eigene Gefühl zu spüren. Dies geschieht entweder, indem Strategien auf der kognitiven Ebene bis hin zu kognitiven Verzerrungen eingesetzt werden. Oder es wird durch Ablenkung versucht, die Kontrolle über auftauchende Emotionen zu behalten. Zudem fällt eine starke Ausrichtung auf andere Personen auf, in der nicht die eigenen Emotionen, sondern das Urteil und vermeintliche Erwartungen des Gegenübers als Orientierung für das eigene Verhalten einbezogen werden. Diese Form von Emotionsregulation beinhaltet eine aktive Tendenz und vermittelt in einem gewissen Mass das Gefühl, die Kontrolle über die Emotionen zu haben. Der zweite Faktor schliesst Items ein, die auf eine Reduzierung der emotionalen Intensität hinweisen. Die Items stellen zum einen eine Regulationsstrategie dar, die in Richtung eines verbalen Gefühlsausdrucks gehen. Unklar ist, ob dabei das emotionale Erleben integriert bleibt oder abgespalten wird (Greenberg & Paivio, 2000). Andere Items in diesem zweiten Faktor beschreiben, dass es infolge der emotional intensiven Reize zu einer intrapsychischen Distanzierung kommt. Auf dieser Ebene der Reduzierung der emotionalen Intensität laufen die Regulationsprozesse automatischer ab. Sie vermitteln ein geringeres Mass an Kontrolle. Der dritte Faktor beinhaltet eine Art von Emotionsregulation, in der es gelingt, in einem Gleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten zu bleiben. Die eigenen Gefühle und Gedanken können wahr- und ernst genommen werden und sie vermitteln eine Orientierung für das nachfolgende Verhalten. Der vierte Faktor schliesslich beinhaltet Items, die eine mangelnde Impulskontrolle, entweder sich selber oder anderen gegenüber, repräsentieren. Durch impulsives Verhalten wird vermieden, Emotionen wahrnehmen zu müssen, was jedoch wiederum einen Kontrollverlust beinhaltet (Greenberg & Paivio, 2000). Aus diesen herauskristallisierten Faktoren des EMOREG-B wurden die vier Subskalen „Vermeidung“, „Verringerung“, „Ausgeglichenheit“ und „mangelnde Impulskontrolle“ gebildet. Nur die Subskala Ausgeglichenheit kann klar als eine adaptive Form von Emotionsregulation beurteilt werden, während die Subskalen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle maladaptive Varianten darstellen. Greenberg und Paivio (2000) definieren Emotionsregulation als adaptiv, wenn Emotion und Vernunft/Kognition DISKUSSION 121 gleichgewichtig auftreten sowie im Erleben integriert sind. Adaptive Emotionsregulation bzw. adaptives Coping misst sich zudem gemäss Lazarus (1993a) daran, ob eine Verbesserung in der physischen Gesundheit oder im sozialen Funktionieren eintritt. Es ist davon auszugehen, dass die in der Subskala beschriebene Ausgeglichenheit in der Emotionsregulation diese Bedingungen erfüllt, wogegen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle oft zu negativen Konsequenzen besonders im zwischenmenschlichen Bereich führen. Die in der Subskala dargestellte Regulationsform der Verringerung weist ebenfalls zu einem grossen Teil in eine maladaptive Richtung. Zwar können einige der Items dieser Subskala – vorwiegend diejenigen, die den Gefühlsausdruck beinhalten – auf den ersten Blick als adaptiv eingeschätzt werden. Wenn sie aber mittels Korrelationsberechnungen in Bezug zu anderen Messmitteln und Variablen gesetzt werden, zeigen ihre Resultate negative Vorzeichen. Diese Items müssen deshalb inhaltlich ebenfalls als eine maladaptive Regulation interpretiert werden. 6.1.2 Validierungsschritte 6.1.2.1 Korrelationen der Subskalen innerhalb des EMOREG-B Die Subskala Vermeidung korreliert hochsignifikant mit der Subskala Verringerung und der Subskala mangelnde Impulskontrolle. Dagegen aber korreliert sie niedriger mit der Subskala Ausgeglichenheit. Das könnte bedeuten, dass die beiden Subskalen Vermeidung und Ausgeglichenheit voneinander weniger abhängige Inhalte messen. Dies könnte zur Folge haben, dass diese beiden Ebenen der emotionalen Regulation für die Kontrolle von Emotionen ähnlich potent sind und je eher ohne die andere eingesetzt werden. Entweder könnte also die maladaptive Form der Vermeidung angewendet werden, um Emotionen zu regulieren. Diese kann zudem mit einer emotionalen Verringerung einhergehen, und/oder es können Zeichen mangelnder Impulskontrolle auftreten. Oder aber die Emotionsregulation könnte eine adaptive Form darstellen und ist bestimmt von einer Ausgeglichenheit zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten. Diese Form von Regulation entspricht teilweise einem der adaptiven emotionalen Kontrollprozesse wie sie von Horowitz und Znoj (1999) beschrieben wurden. Die Autoren definieren die adaptive Weise der Beschäftigung mit einem 122 DISKUSSION wichtigen Thema dahingehend, dass diese ein Gleichgewicht aufweist von Nachdenken oder Sprechen über ein Thema und sich wieder davon befreien können. Ebenfalls postulieren Greenberg und Paivio (2000) eine adaptive Form von Emotionsregulation, in der Emotionen wahrgenommen werden können und das Erleben integriert ist. Mit der adaptiven Subskala Ausgeglichenheit zeigen sich auch signifikant negative Zusammenhänge zu den Subskalen Verringerung und mangelnde Impulskontrolle. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass diese adaptive Art der Regulation es weder notwendig macht, emotionale Intensität zu verringern noch ein impulsives Verhalten anzuwenden. Auch die Subskalen Verringerung und mangelnde Impulskontrolle korrelieren mit grossen Effekten untereinander. Dieser Befund spiegelt ein Phänomen wider, das in der klinischen Praxis oft auftritt: Viele Patientinnen mit einer Borderlinestörung verletzen sich selbst und sind schon innerlich emotional distanziert von ihren intensiven Emotionen (Bohus, 2001; Renneberg & Fiedler, 2001). 6.1.2.2 Korrelationen mit dem BFW/E Die Korrelationen mit den Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit des BFW/E repräsentieren den Zusammenhang der Emotionsregulation mit dem Wohlbefinden. Subjektives Wohlbefinden wird im BFW/E durch die beiden Skalen zweiter Ordnung Zufriedenheit und negative Befindlichkeit definiert (Grob, 1995). Die vier EMOREG-B Subskalen offenbaren einen erwartungsgemässen Zusammenhang zum subjektiven Wohlbefinden: So finden sich weitgehend negative Beziehungen zwischen den maladaptiven Regulationsebenen Vermeidung, Verringerung, mangelnde Impulskontrolle und der Zufriedenheit. Hingegen zeigt sich aber eine positive Beziehung zwischen der adaptiven Subskala Ausgeglichenheit und der Zufriedenheit. Im Weiteren weisen die drei maladaptiven Ebenen der Emotionsregulation auch positive Zusammenhänge mit der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit auf. Der Fragebogen EMOREG-B stützt also grundsätzlich die Annahme vieler Autoren/innen, dass Emotionsregulation und das subjektive Wohlbefinden in einem engeren Zusammenhang stehen (Horowitz & Znoj, 1999; Lazarus, 1993a; Masters, 1991; Thompson, 1994). DISKUSSION 123 Die drei maladaptiven Regulationsmuster haben einen stark negativen Zusammenhang mit der eigenen Zufriedenheit. Das lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass diese drei maladaptiven Dimensionen der Emotionsregulation (Vermeidung, Verringerung, mangelnde Impulskontrolle) implizit einen Kontrollverlust beinhalten. Das Bedürfnis nach Kontrolle stellt jedoch für alle Menschen ein Grundbedürfnis dar und will befriedigt werden (Grawe, 1998, 2004). Wenn dies nicht gelingt, entsteht Inkonsistenz, die sich sowohl kurzfristig negativ auf das subjektive Wohlbefinden auswirkt als auch längerfristig zu psychischen Störungen führen kann. Ebenfalls hohe Zusammenhänge zeigt die Emotionsregulation durch Vermeidung und durch mangelnde Impulskontrolle mit der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit des BFW/E auf. Je mehr also auf diese beiden Arten mit Emotionen umgegangen wird, desto mehr erhöht sich die subjektive negative Befindlichkeit. Bzw. je höher die negative Befindlichkeit ist, desto eher besteht die Möglichkeit, dass Emotionen mit Vermeidung und mangelnder Impulskontrolle reguliert werden. Dieser Befund deckt sich mit den Erfahrungen in der klinischen Praxis, die zeigt, dass die Regulierung mit Vermeidung zwar kurzfristig Orientierung vermitteln kann. Mittel- und längerfristig jedoch verhindert diese Strategie, dass neue positive Erfahrungen gemacht werden können (Ellis, 1999; Newman, 1998). Ebenso reduzieren impulsive Handlungen kurzfristig eine hohe innere, unfassbare Anspannung und vermitteln ein Stück Kontrolle (Grawe, 2004). Längerfristig aber haben sie negative Konsequenzen, indem sie zu unangenehmen Gefühlen der Scham, Selbstwertverminderung und psychosozialen Problemen führen (Bohus, 2002). Obwohl die Emotionsregulationsstrategie der Verringerung ebenfalls mit der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit korreliert, liegt der dazugehörige Effekt nur im mittleren Bereich. Eine Erklärung könnte sein, dass man mit der Regulationsstrategie der Verringerung eine Distanz zum eigenen emotionalen Empfinden herstellt. Dies könnte in der Konsequenz dazu führen, auch die eigene subjektive Befindlichkeit weniger genau zu spüren. Werden Emotionen mit der adaptiven Form der Ausgeglichenheit reguliert, ergeben sich keine Korrelationen mit der Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit. Diese beiden Konzepte sind also nicht systematisch voneinander abhängig. Der 124 DISKUSSION Befund bestätigt zudem die Aussage, dass Personen, die sich ihrer Probleme bewusst sind und sie wahrnehmen, nicht unbedingt auch darunter leiden müssen (Grob et al., 1991). 6.1.2.3 Korrelationen mit Werten anderer Messmittel Sowohl die BSL, wie auch der BDI und die SCL-90 können als Instrumente angesehen werden, die Aussagen über die Befindlichkeit oder das Wohlbefinden von Personen machen. Die BSL spiegelt in ihrem Gesamtwert die subjektiv empfundene psychische Beeinträchtigung von Patientinnen mit einer Borderlinestörung wider (Bohus et al., 2001). Der BDI (Hautzinger et al., 1995) misst den Schweregrad der depressiven Symptomatik. Die SCL-90 (Franke, 1995) sagt etwas über die allgemeine Symptombelastung aus. Diese Masse können deshalb genau wie der BFW/E (Grob, 1995; Grob et al., 1991) ebenfalls als Validierungsreferenzen für die EMOREG-B Subskalen eingesetzt werden. Schon mit dem BFW/E haben die Subskalen des EMOREG-B hohe korrelative Zusammenhänge aufgezeigt. Im Vergleich mit den drei weiteren Befindlichkeitsmassen weisen sich diese erneut aus. Zwischen den drei maladaptiven Regulationsstrategien des EMOREG-B und dem Gesamtwert der BSL, dem Summenwert des BDI sowie dem globalen Kennwert der SCL-90/GSI präsentieren sich Korrelationen mit hohen Effektstärken in der jeweils erwarteten Richtung. Es zeigt sich wiederum, dass das Einsetzen von maladaptiven oder adaptiven Regulationsstrategien, und die subjektive psychische und physische Belastung in einem engen Zusammenhang miteinander stehen. Dies könnte dahingehend interpretiert werden, dass Personen, wenn es ihnen schlechter geht, weniger gut zugleich in einem Gleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten bleiben können. Belastungen jeder Art sind von Emotionen begleitet, die jeweils ein koordiniertes Set von Reaktionstendenzen auf der Verhaltens-, Erlebnisund physiologischen Ebene auslösen (Gross, 1999b; Lazarus, 1993a, 1993b). Dies könnte zur Folge haben, dass bei einer höheren psychischen und physischen Belastung die Hauptenergie dafür verwendet werden muss, die dadurch ausgelösten Emotionen zu regulieren. So kann es in diesen Situationen eine Überforderung bedeuten, zugleich in einem emotionalen Gleichgewicht zu bleiben. Dieses Phänomen könnte auch dahingehend erklärt werden, dass Personen bei hoher Belastung DISKUSSION 125 eher in einen sogenannt objektiven Modus verfallen (Wells, 2000). Der objektive Modus bewirkt, dass Gedanken und Wahrnehmungen als Realität aufgefasst werden und in der Folge die Informationsverarbeitung verzerren sowie zu automatisierten, maladaptiven Regulationsstrategien führen. Umgekehrt sind Personen, die ihre Emotionen auf adaptive Weise regulieren, weniger belastet. Je mehr es also gelingt, Emotionen adaptiv zu regulieren, desto mehr erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für das Eintreffen von positiven Ereignissen, was wiederum die Belastung reduziert (Linehan, 1996a). Der EMOREG-F (Trösken, 2003) hingegen hat nicht die Befindlichkeitsprüfung zur Aufgabe, sondern er soll die maladaptive emotionszentrierte Bewältigung der Emotionsregulation erfassen. Zudem ist der EMOREG-F im Gegensatz zu den anderen in dieser Studie eingesetzten Messmittel ein Fremdbeurteilungsinstrument. In dieser Studie zeigte sich nur gerade zwischen der Subskala Verringerung des EMOREG-B und dem Gesamtwert des EMOREG-F eine signifikante Korrelation. Die Zusammenhänge zwischen den drei restlichen EMOREG-B Subskalen und dem Gesamtwert des EMOREG-F lagen in einem unbedeutenden Bereich. Dies bedeutet, je eher die Teilnehmerinnen in dieser Studie ihre Emotionen habituell durch Verringerung regulieren, desto klarer schätzen die nahen Bezugspersonen die Emotionsregulation der Teilnehmerinnen als maladaptiv ein. Zum einen scheint der EMOREG-F (Trösken, 2003) ähnliche Inhalte zu eruieren wie die EMOREG-B Subskala Verringerung: Beide Konstrukte schliessen Items mit ein, die auf eine Reduzierung der emotionalen Intensität hinweisen, indem es z.B. infolge der emotional intensiven Reize zu einer intrapsychischen Distanzierung kommen kann. Dies hat zur Folge, dass wenig Integration im Erleben stattfindet (Greenberg & Paivio, 2000). Zum anderen könnte es sein, dass die Art und Weise Emotionen durch Verringerung zu regulieren, diejenige Ebene ist, die nahen Bezugspersonen am stärksten als maladaptive Regulation auffällt. Wenn mit Verringerung der emotionale Gehalt vermindert wird und damit eine intrapsychische Distanzierung einhergehen kann, ist es möglich, dass die Teilnehmerinnen dieser Studie – von aussen betrachtet – aus dem zwischenmenschlichen Kontakt gehen. Dies kann von nahen Bezugspersonen als unverständlich, frustrierend und bedrohlich wahrgenommen werden (Renneberg & Fiedler, 2001). 126 DISKUSSION Berechnungen, die den Zusammenhang zwischen den Variablen Selbstverletzungen sowie Alter und den vier EMOREG-B Subskalen untersuchten, haben ebenfalls in etlichen Korrelationen resultiert. Je mehr emotional vermieden wird oder die Impulskontrolle verloren geht, desto eher kommt es auch zu Selbstverletzungen, bzw. je adaptiver reguliert wird, desto weniger müssen Patientinnen dieses Verhalten einsetzen. Durch die Vermeidung können maladaptive Schemata aktiviert werden, die emotional hoch besetzt sind und die Vielfältigkeit der Reaktionsmuster auf Umweltereignisse einschränken (Bohus, 2001; Newman, 1998; Young, 1994). Dies wiederum löst bei den Betroffenen oft eine hohe innere Spannung aus, oder es entwickeln sich starke Gedanken des Selbsthasses. Durch Selbstverletzungen können diese unangenehmen Zustände und der hohe innere Druck rasch reduziert werden. Ein adaptives Regulieren von Emotionen hingegen kann die Chancen vergrössern, in einem metakognitiven Modus zu bleiben. Dieser Modus (Wells, 2000) ermöglicht, eine Distanz zu Gedanken und Wahrnehmungen einzunehmen, sie auszuwerten und sie nicht nur als direkte Repräsentationen der Realität zu spüren. In solchen psychischen Zuständen liegen Selbstverletzungen ferner. Nur mit der maladaptiven Form der Verringerung und selbstverletzendem Verhalten gab es kaum eine Korrelation. Wird dieser Befund mit den Resultaten verglichen, die Gratz und Roemer (2004) in der Entwicklung ihres Fragebogens DERS zur Emotionsregulation erhielten, so kann eine Übereinstimmung festgestellt werden. Die Subskala des DERS non-acceptance (das Auflehnen gegen eigene Reaktionen auf Kummer sowie die Entwicklung von Sekundäremotionen) könnte am ehesten dem Konzept der Verringerung entsprechen. Die Autorinnen fanden in ihrer Stichprobe der Frauen ebenfalls keine Zusammenhänge zwischen selbstverletzendem Verhalten und der non-acceptance. Hochsignifikante Korrelationen der Variable Alter mit den beiden Subskalen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle je in negativer Richtung scheinen einen Hinweis darauf zu geben, dass das Alter auf diese beiden Bereiche der Emotionsregulation einen Einfluss hat. Dies führt zur Überlegung, dass Patientinnen, je jünger sie sind, desto eher ihre Emotionen mit Vermeidung kanalisieren. Oder aber diese jungen Patientinnen fallen dadurch auf, dass sie Mühe haben, ihre Impulse zu kontrollieren. Eine Erklärung für diese Schwierigkeiten könnte in dem dauerhaft DISKUSSION 127 erhöhten Cortisolspiegel dieser Patientinnen liegen. Dieser entsteht in der Konfrontation mit permanentem Stress durch z.B. sexuelle Gewalterfahrungen, denen viele Patientinnen in ihrer Kindheit ausgesetzt waren. Befunde bei Kindern haben indes gezeigt, dass ein dauerhaft erhöhter Cortisolspiegel zu einer Verminderung von kognitiven Skills und zu Verhaltensdefiziten führt (Gallagher, n.d.). Mit zunehmendem Alter besteht für diese Personen eventuell die Möglichkeit, dass sie einen Teil ihrer Defizite aufholen können. Der Korrelationsbefund geht zudem einher mit der klinischen Erfahrung, die eine Verbesserung – vor allem der Symptomatik der Borderlinestörung – mit zunehmendem Alter aufweist (APA, 2001; Martius, 2001). 6.1.2.4 Gruppenvergleiche der Subskalen des EMOREG-B nach Diagnosegruppen Um den Fragebogen EMOREG-B auf weitere Validität zu überprüfen, wurden Mittelwertsvergleiche zwischen den beiden Diagnosegruppen durchgeführt. In der Emotionsregulation durch Verringerung und der Ausgeglichenheit lagen die Effekte in einem mittleren Bereich. Hingegen zeigten sich in den Ergebnissen der beiden Subskalen Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle grosse Unterschiede mit hohen Effekten. Diese kamen darüber zustande, dass die Patientinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE ihre Emotionen auf diesen beiden Ebenen häufig maladaptiver regulierten als diejenigen Patientinnen mit einer MDE. Obwohl beide Patientinnengruppen unter einer derzeitigen depressiven Symptomatik leiden, weisen sie in den verschiedenen Regulationsebenen Unterschiede auf. Die Vermutung liegt nahe, dass ein Grund für die ungleiche Regulierung in den Auswirkungen der Borderlinestörung liegt. Der Befund deckt sich mit den Feststellungen, die Greenberg in seinem Konzept der emotionsfokussierten Therapie beschreibt (2000, 2004). Der Autor definiert vom klinischen Standpunkt ausgehend bei Patienten/innen zwei Hauptklassen von emotionalen Problemen: Die eine Gruppe von Patienten/innen hat Schwierigkeiten, intensive Affekte zu kontrollieren, was Greenberg als emotionale Unterregulierung bezeichnet. Dieser Gruppe können z.B. Menschen mit einer Borderlinestörung zugerechnet werden. Die andere Gruppe von Menschen hingegen ist sehr bemüht, schwer aushaltbare Gefühle nicht zuzulassen. Es findet also eine emotionale Überregulierung statt. Dieser Gruppe können Menschen mit einer depressiven Symptomatik zugeordnet werden. Die Resultate im 128 DISKUSSION Vergleich der Subskalen des EMOREG-B zwischen den beiden Diagnosegruppen spiegeln genau diese zwei Arten von unterschiedlicher emotionaler Regulierung wider. 6.1.2.5 Regressionen in Bezug auf die EMOREG-B Subskalen Ein Ziel der Studie lag im Weiteren darin, Variablen über beide Diagnosegruppen hinweg zu eruieren, die Vorhersagen über die Art der Emotionsregulation machen können. Ausserdem war von Interesse, zu erfahren, ob die Schwere der Störung ebenfalls einen Erklärungswert für die verschiedenen Ebenen der Emotionsregulation hat. Bei allen vier Subskalen des EMOREG-B bildeten sich jeweils zwei Variablen heraus, die mindestens zu einem Drittel bis zur Hälfte die Varianz erklären konnte. Der Gesamtwert der BSL war derjenige Wert, der den wesentlichsten Beitrag für die Varianzaufklärung leistete. Im Weiteren trugen die Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E und das Alter der Studienteilnehmerinnen sowie in einem geringeren Masse die Anzahl der ausgeführten Selbstverletzungen zur Erklärung der vier EMOREG-B Skalen bei. In einem ersten Schritt werden diese Variablen und ihre Funktion als Prädiktoren diskutiert: Der Gesamtwert der BSL hatte für die drei Subskalen Vermeidung, Verringerung und mangelnde Impulskontrolle jeweils die höchste Vorhersagekraft. Dies bedeutet, dass die BSL vor allem für die maladaptiven Regulationsebenen einen Erklärungswert besitzt. Das Messmittel erfasst, wie oben dargestellt, die subjektiv erlebte Beeinträchtigung von Menschen mit einer Borderlinestörung und den Schweregrad dieser Störung (Bohus et al., 2001). Ausserdem liegt dem Messmittel implizit das Konzept der Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung zugrunde. Seine Subskalen wie z.B. die Subskala Affektregulation beinhalten teilweise Items, die man eindeutig der Emotionsregulation zuordnen kann. Deshalb war eine hohe Varianzaufklärung der EMOREG-B Subskalen durch die BSL nicht unvorhergesehen und wurde sogar erwartet. Die Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E hatte für die beiden Subskalen Verringerung und Ausgeglichenheit je einen prädiktiven Wert, wobei dieser für die Subskala Verringerung negativ gepolt auftrat. DISKUSSION 129 Emotionsregulation wird eingesetzt, um wichtige persönliche Ziele zu erreichen (Bridges et al., 2004; Gratz & Roemer, 2004). Wenn es gelingt, Emotionen so zu modulieren, dass diese Ziele erlangt werden können, befriedigt dies wiederum das Grundbedürfnis nach Kontrolle, reduziert Inkonsistenz und fördert das Wohlbefinden (Grawe, 1998, 2004). Umgekehrt kann indes die subjektive Zufriedenheit als ein zentraler Indikator gesehen werden, der anzeigt, ob Emotionen adaptiv oder maladaptiv reguliert werden. Die Variable Alter erklärte in den zwei Subskalen des EMOREG-B Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle (je negativ gepolt) einen Teil der Varianz. Das heisst, dass das Alter bzw. die Jugendlichkeit einen grossen Einfluss auf maladaptives Emotionsregulationsverhalten hat. Dieses Resultat entspricht anderen Befunden, die vor allem für den Verlauf der Borderlinestörung ähnliches beschreiben: Im frühen Erwachsenenalter ist diese Störung oft geprägt von chronischer Instabilität einhergehend mit einem Mangel an affektiver und impulsiver Kontrolle (APA, 2001). Mit zunehmendem Alter erlangt ein Grossteil der Patienten/innen mit einer Borderlinestörung mehr Stabilität im Alltag und in ihren sozialen Belangen. Ausserdem zeigen Studien – die wiederum mit dieser Patienten/innengruppe durchgeführt wurden – , dass das Risiko für suizidales Verhalten einhergehend mit impulsiver Aggression (Soloff et al., 2000), mit zunehmendem Alter abnimmt (APA, 2001; Paris, 2004). Die negativ gepolte Variable der ausgeführten Selbstverletzungen hatte nur für die Subskala Ausgeglichenheit des EMOREG-B einen prädiktiven Wert und trug wenig zur Varianzaufklärung bei. Trotzdem scheint sie in Bezug auf die adaptive Regulationsstrategie der Ausgeglichenheit eine Vorhersage leisten zu können. Als zentrale psychopathologische Dimension liegt dem Ausüben von Selbstverletzungen meist eine ungenügende Affektregulation zugrunde (Black et al., 2004; Bohus, 2002; Linehan, 1996a; Linehan et al., 1999a; Sender, 2000). Oft dient selbstverletzendes Verhalten zudem dem Inkonsistenzspannungsabbau (Grawe, 2004) oder dem Identitätserleben. Dies bedeutet somit, dass sich Menschen in den Momenten, in denen sie sich selber verletzen, nicht in einem Gleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten befinden. Umgekehrt scheint 130 DISKUSSION das Ausbleiben von Selbstverletzungen einen Hinweis darauf zu geben, dass die Möglichkeit des adaptiven Modulierens von Emotionen näher liegt. Zudem ist in Bezug auf das Auftreten von selbstverletzendem Verhalten als Prädiktor in Betracht zu ziehen ist, dass die Gruppe der Teilnehmerinnen in dieser Studie nur aus Frauen bestand. In der klinischen Praxis hat sich verschiedentlich gezeigt, dass sich die Emotionsregulation bei der Borderlinestörung geschlechtsspezifisch unterschiedlich manifestiert (Bohus, 2001; Herpertz et al., 1998). Frauen richten das impulsive Verhalten eher in Form von Selbstverletzungen gegen sich selber, während Männer ihr impulsives Verhalten eher gegen aussen richten. Die Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit des BFW/E und der Summenwert des BDI hingegen zeigten keinen Einfluss auf die Ebenen der Emotionsregulation. Ebenfalls hatte der globale Kennwert der SCL-90/GSI, der Aussagen über die grundsätzliche psychische Belastung macht, kaum eine Vorhersagekraft für die einzelnen Subskalen des EMOREG-B. In diesem Zusammenhang soll kurz das Störungsausmass der Stichprobe angeführt werden: Die meisten Studienteilnehmerinnen litten unter mehreren Achse-I und Achse-II Störungen. Zudem wiesen vor allem die Patientinnen mit der Borderlinestörung + MDE im BDI eine auffallend starke depressive Symptomatik auf. Alle Personen schätzten ausserdem im Durchschnitt ihre grundsätzliche psychische Belastung als sehr hoch ein und lagen jeweils in ihren Werten über der Norm, innerhalb derer noch Aussagen gemacht werden (Franke, 1995). Das hat zur Folge, dass die Masse Skala zweiter Ordnung negative Befindlichkeit des BFW/E, der Summenwert des BDI und der globale Kennwert der SCL-90/GSI zwar die Information einer sehr hohen psychischen Belastung vermitteln. Jedoch können diese Masse, weil deren Werte ausserhalb der Norm liegen, keine genaueren Aussagen mehr über die Bedeutung dieser Befunde machen. Es ist deshalb in Erwägung zu ziehen, ob diese Messinstrumente bei der stark belasteten Stichprobe grundsätzlich überhaupt eine Vorhersage in Bezug auf die Emotionsregulation leisten können. In einem nächsten Schritt sollen die Prädiktoren in Bezug gesetzt werden zu den vier Ebenen der Emotionsregulation des EMOREG-B: Sowohl für die Subskala Vermeidung und für die Subskala mangelnde Impulskontrolle besitzen der Gesamtwert der BSL und das Alter der Teilnehmerinnen den DISKUSSION 131 grössten Erklärungswert. Man kann also davon ausgehen, dass Personen, die eine hohe subjektiv erlebte Beeinträchtigung in der BSL angeben und jüngeren Alters sind, ihre Emotionen in der Tendenz am ehesten mit Vermeidung und / oder mit mangelnder Impulskontrolle regulieren. In dieser Studie zeigten nicht nur die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung in der BSL eine hohe subjektive Beeinträchtigung an; auch die Teilnehmerinnen mit einer MDE fühlten sich überdurchschnittlich belastet. Bei jüngeren Personen ist zudem im Allgemeinen die Impulsivität stärker ausgeprägt als bei älteren, was sich z.B. darin manifestiert, dass parasuizidales Verhalten mit Suizidversuchen mit zunehmendem Alter abnimmt (Paris, 2004). Die beiden Arten von Emotionsregulation, Vermeidung und mangelnde Impulskontrolle, beinhalten je eine Möglichkeit, aktiv etwas gegen das emotionale Unbehagen tun zu können. Es ist also anzunehmen, dass man im jungen Alter das emotionale Unbehagen nicht nur aushalten, sondern auch etwas dagegen tun will. Teilnehmerinnen, die eine hohe subjektiv erlebte Beeinträchtigung in der BSL beschreiben sowie wenig Zufriedenheit und Wohlbefinden empfinden, regulieren ihre Emotionen dagegen so, dass sie versuchen, den emotionalen Gehalt zu verringern. Es zeigt sich also, dass bei der EMOREG-B Subskala Verringerung das Alter als Prädiktor wegfällt, hingegen aber ein Mangel an Wohlbefinden als Variable auftritt, die einen zusätzlichen Erklärungswert zur BSL besitzt. Dieses Phänomen könnte man dahingehend interpretieren, dass die subjektiv erlebte Beeinträchtigung durch Symptome der Borderlinestörung, gepaart mit einem Mangel an Wohlbefinden, für die Teilnehmerinnen dieser Studie in einer Art Hoffnungslosigkeit resultiert. Diese Hoffnungslosigkeit wiederum könnte dazu führen, dass ein „depressives Verhaltensmuster“ zum Tragen kommt: Mit Verringerung versuchen die Teilnehmerinnen für sich den Gehalt einer Emotion nicht spürbar zu machen, um sich so vor Verletzungen zu schützen (Grawe, 2004). Die Patientinnen, die eine hohe Zufriedenheit im BFW/E angeben und denen selbstverletzendes Verhalten ferner liegt, regulieren ihre Emotionen eher mit der adaptiven Form der Ausgeglichenheit. Es gelingt ihnen somit, ihre Emotionen, Vernunft/Kognitionen und das Verhalten in einem Gleichgewicht zu behalten. Selbstverletzendes Verhalten scheint also eine Voraussage in Bezug auf die Emotionsre- 132 DISKUSSION gulation machen zu können. In den Studien, die Herpertz et al. (1998) mit Patientinnen, die sich selber verletzen, durchgeführt haben, tauchten ähnliche Befunde auf, nur in umgekehrter Richtung. Die Autoren/innen stellten fest, dass von allen Patientinnen diejenigen mit selbstverletzendem Verhalten ihre Affekte am intensivsten erleben. Zudem wurden bei diesen Frauen am leichtesten Gefühle der Verzweiflung und Ängstlichkeit mit nachfolgender Hoffnungslosigkeit ausgelöst. Wird spezifisch für die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung eruiert, welche Faktoren einen Erklärungswert für ihre Emotionsregulation haben, präsentiert sich das folgende Bild: Die hohe subjektiv erlebte Beeinträchtigung, bzw. der Schweregrad der Borderlinestörung, den die Patientinnen in der BSL ausdrücken, fördert bei diesen Patientinnen die Emotionsregulation durch Vermeidung. Man bezeichnet Patienten/innen mit einer Borderlinestörung oft als Emotionsphobiker/innen (Linehan, 1996a). Durch das inkompatible Umfeld bedingt haben sie gelernt, Hinweisreize für negative Emotionen mit verschiedenen Strategien zu vermeiden oder zu ignorieren. In der Folge konnten diese Patientinnen nie die positive Erfahrung machen, dass sie negative Emotionen aushalten und mit ihnen umgehen können. So halten sich die Angst vor schwierigen Gefühlen und das Vermeiden weiterhin aufrecht. Ein weiterer Grund, weshalb die BSL als Prädiktor für die emotionale Vermeidung auftritt, könnte zudem in folgendem Aspekt liegen: Der BSL liegen etliche Items und Subskalen zugrunde, die ein starkes Unbehagen der eigenen Person oder anderen gegenüber ausdrücken und Hinweisreize für negative Emotionen bieten (Bohus et al., 2001). Dieses Unbehagen muss in der Folge reguliert werden, um es aushaltbar zu machen. Zudem werden die Hinweise für schwer aushaltbare Emotionen umgangen, und es kann in der Konsequenz zu Vermeidungsverhalten auf verschiedenen Ebenen kommen. Für die Subskala Verringerung haben drei Variablen einen Erklärungswert und decken zwei Drittel der Varianz ab: Wiederum ist es die hohe subjektiv erlebte Beeinträchtigung durch die Borderlinestörung (BSL), dazu eine niedrige Zufriedenheit (Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit im BFW/E) und schliesslich das (höhere) Alter. Die Kombination dieser drei Prädiktoren belegt für die Emotionsregulationsebene der Verringerung bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung einen grossen DISKUSSION 133 Anteil an Varianz. Man kann davon ausgehen, dass eine hohe subjektiv erlebte Belastung einhergehend mit einem Mangel an Zufriedenheit und Wohlbefinden über Jahre hinweg zu Gefühlen der Hoffnungslosigkeit und zu einer Verstärkung der depressiven Symptomatik führt. Diese kann sich bei den Patientinnen in der Folge in einer Art „Totstellreflex“ basierend auch auf Veränderungen in den neuronalen Strukturen auswirken. Den Teilnehmerinnen gelingt es auf diese Weise, sich vor weiteren Verletzungen ihrer Wünsche und Bedürfnisse zu schützen (Grawe, 2004). Für die adaptive Subskala Ausgeglichenheit kristallisiert sich keine Variable mit einem Vorhersagepotential heraus. Eine Voraussetzung für eine adaptive Emotionsregulation liegt darin, dass man die eigenen Gefühle wahr- und ernst nehmen kann (Greenberg & Paivio, 2000). Darin scheinen die Patientinnen mit einer Borderlinestörung offenbar ein Defizit zu haben. Insofern kann dieser Befund auch als Bestätigung der Borderlinestörung als Emotionsregulationsstörung gewertet werden. Im Weiteren zeigen die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung im Durchschnitt in allen erhobenen Messmitteln und Variablen eine hohe subjektive Belastung an. Diese verunmöglicht den Teilnehmerinnen in der Folge zusätzlich, Emotionen und Vernunft/Kognitionen gleichzeitig wahr- und ernst nehmen zu können sowie ihr Verhalten darauf abzustimmen (Greenberg & Paivio, 2000). Für die Subskala mangelnde Impulskontrolle hingegen kann erneut die niedrige Zufriedenheit (Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E) mehr als einen Drittel der Varianz erklären. Die mangelnde Zufriedenheit scheint also für diese Ebene der Emotionsregulation einen wichtigen Indikator darzustellen. Ärger, Wut und impulsives Verhalten ist eines der hervorstechenden Merkmale von Patienten/innen mit einer Borderlinestörung und kann verschiedene Gründe haben (APA, 2001): Patienten/innen können sich z.B. ungerecht behandelt oder angegriffen fühlen, es kann in der Kommunikation zu einem Missverständnis kommen oder es können Hinweisreize auftauchen, die in ihnen ein Verlassenheitsschema aktivieren. Oft jedoch tritt diese Impulsivität auf, ohne dass der dazugehörige Auslöser den Patienten/innen oder dem Gegenüber ersichtlich ist. Der oben genannte Befund kann dahingehend interpretiert werden, dass negative Reize von Patientinnen nicht spezifiziert werden können, sondern sich für sie höchstens in einem Mangel an Zufriedenheit ausdrücken. 134 6.2 DISKUSSION Diskussion der qualitativen Erhebung Wie und auf welchen Ebenen Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen regulieren, ist bis zum heutigen Zeitpunkt nicht hinreichend geklärt. In dieser Studie wurden einerseits Fragebögen eingesetzt, um in Bezug auf diese Thematik genauere Erkenntnisse zu gewinnen. Andererseits wurde anhand des Prozessmodells zur Emotionsregulation von Gross (1998b, 1999a, 1999b) ein Leitfaden für ein halbstrukturiertes Interview entwickelt. Dieses Interview war die Grundlage für den qualitativ orientierten Teil dieser Studie. Neben dem Ziel genauere Angaben über die situative Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung zu erhalten war mit diesem Vorgehen auch die Hoffnung verbunden, die Komplexität des Gebietes der Emotionsregulation bei diesen Patientinnen adäquater zu erfassen. Alle Teilnehmerinnen wurden durch die Studienleiterin anhand dieses Leitfadens darüber befragt, wie sie in einer für sie emotional intensiven Situation ihre Emotionen reguliert hatten. Die Interviews wurden mit Mini-Disc aufgenommen und von zwei geschulten Raterinnen unabhängig von einander kodiert. Danach wurden mit quantitativen Methoden Berechnungen ausgeführt. Es wird an dieser Stelle spezifisch auf die ergebnis- und prozessorientierte Validität eingegangen, da die materialorientierte Validität in den Resultaten bereits abschliessend dargestellt ist. 6.2.1 Ergebnisorientierte Validität 6.2.1.1 Korrelationen zwischen den Variablen des qualitativen Interviews Die Korrelationen, die zwischen den einzelnen Variablen des qualitativen Interviews berechnet wurden, ergaben keinerlei signifikante Resultate. Diese Ergebnisse könnten dahin gehend interpretiert werden, dass alle Variablen und Dimensionen der situativen Emotionsregulation von einander unabhängige sowie inhaltlich unterschiedliche Konstrukte messen. Zudem könnte dieser Befund einen Hinweis darauf geben, dass sich Gross’ theoretische Konzeption (1998a, 1998b, 1999a, 1999b) der Emotionsregulation als einem Prozess mit verschiedenen Regulationsmöglichkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten nicht nur in Laborstudien mit gesunden Personen, sondern auch für klini- DISKUSSION 135 sche Stichproben bestätigt. Gross macht in seinen theoretischen Überlegungen (1998a, 1998b, 1999a, 1999b) wie auch in seinen Untersuchungen (Gross, 1998a; Gross & John, 2003) eine Unterscheidung in Regulationsstrategien, die eingesetzt werden bevor sich eine Emotion richtig entwickelt hat und in solche, die die Emotion regulieren, nachdem diese vollumfänglich spürbar geworden ist. 6.2.1.2 Korrelative Gültigkeit Die Resultate der Korrelationsberechnungen zwischen den Variablen des qualitativen Interviews und den Subskalen des EMOREG-B weisen eine Signifikanz bzw. einen mittleren Effekt zwischen der Variablen Aufmerksamkeitslenkung und der EMOREG-B Subskala Vermeidung auf. Je mehr die Teilnehmerinnen der Studie also in einer spezifischen Situation die Strategie der Aufmerksamkeitslenkung wirkungsvoll anwenden, desto mehr neigen sie dazu, ihre Emotionen habituell mit Vermeidung zu regulieren. Dieser Befund könnte darauf hinweisen, dass die Variable Aufmerksamkeitslenkung und die Subskala Vermeidung inhaltlich ähnliche Konstrukte repräsentieren. In den beiden Dimensionen von Emotionsregulation wird versucht, Emotionen vorwiegend mit dem Verstand oder den Kognitionen zu kontrollieren. Dabei ist aber das emotionale Erleben nicht integriert (Greenberg & Paivio, 2000). Ähnliche Erkenntnisse finden sich auch bei Wells (2000) wieder: Diese besagen, dass bei psychologischen Störungen oft gleichzeitig auch auf der kognitiven Ebene ein Syndrom in Form von z.B. negativen Grundannahmen oder gedanklichem auf sich bezogen Sein auftritt. Dieses Zusammenspiel bringt in der Folge die Betroffenen in ein geschlossenes, rigides System von Aktivitäten, das sich wechselseitig beeinflusst und somit die psychologischen Störungen aufrechterhält (Wells, 2000). Im Weiteren zeigen sich zwischen der Variablen Reaktionsmodulierung und der EMOREG-B Subskala Vermeidung sowie der Subskala Verringerung hochsignifikante Korrelationen mit grossen Effekten. Je eher also die Teilnehmerinnen in belastenden Situationen ihre Gefühle erst regulieren, wenn sich diese schon voll ausgebildet haben, desto mehr kanalisieren sie sie habituell mit emotionalem Vermeiden oder Verringern. Emotionales Vermeiden oder Verringern kann als eine Art Unterdrückung des emotionalen Erlebens verstanden werden (Greenberg & Paivio, 2000). Es können Überlegungen dahin gehend angestellt werden, dass auf diese 136 DISKUSSION Weise versucht wird, Reize, die auf Emotionen hinweisen, nicht wahr- und annehmen zu müssen. Diese Regulationsstrategien können zwar kurzfristig einen positiven Effekt haben, aber längerfristig nehmen sie dem Individuum die Möglichkeit der Orientierung und führen in der Folge zu einem hohen inneren Stress. Dieser wiederum löst weitere emotionale Reize und damit ein koordiniertes Set von Reaktionstendenzen aus, das über eine gewisse Zeit hinweg zu ausgebildeten Emotionen anwächst (Gross, 1998b, 1999b; Gross & John, 2003). Zu dem Zeitpunkt bleibt als Form der Emotionsregulation nur noch die Reaktionsmodulierung. Die habituelle Regulierung mit Vermeiden und Verringern der emotionalen Hinweisreize kann zudem zu einer Automatisierung oder Bahnung der Regulationsabläufe führen (Grawe, 2004), mit der Konsequenz, dass diese Abläufe Personen auch in belastenden Situationen nur die Möglichkeit der Reaktionsmodulation lässt. Zwischen den anderen Variablen des qualitativen Interviews und Subskalen des EMOREG-B lagen die Korrelationen in einem unbedeutenden Bereich. 6.2.1.3 Vorhersagegültigkeit Derjenige Faktor, der in dieser Studie die klarste Aussage in Bezug auf die situative Emotionsregulation der Teilnehmerinnen macht, ist die Diagnose: Die Befunde (im Vergleich der mittleren Ränge) zeigen, dass die Teilnehmerinnen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE in für sie emotional belastenden Situationen die Aufmerksamkeitslenkung als die Strategie einschätzen, mit der sie ihre Emotionen am wirkungsvollsten regulieren können. Dieses Resultat enthält jedoch keine genaueren Angaben darüber, welche Art (Verzetteln, Konzentrieren, Ruminieren) von Aufmerksamkeitslenkung von den Teilnehmerinnen eingesetzt wurde. Zudem wird mit diesem Befund auch nichts darüber ausgesagt, ob die angewandte Regulationsstrategie adaptiv oder maladaptiv ist, da das Prozessmodell von Gross (1998b, 1999a, 1999b) in dieser Hinsicht keine Wertungen vorgibt. Dieses Ergebnis, dass Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen mithilfe der Aufmerksamkeitslenkung regulieren, ist in der Form bisher in keiner Studie beschrieben worden. Nur Westen (1998) hat in seinen Untersuchungen zur Emotionsregulation bei Patienten/innen mit einer Borderlinestörung festgestellt, dass diese in Stresssituationen einen Hang zu Verallgemeinerungen im Denken aufweisen. Dieses Resultat weist möglicherweise in eine ähnliche Richtung, kann jedoch nur teilweise als Referenz für die oben aufgeführten Erkenntnisse dienen. DISKUSSION 137 Die Patientinnen mit der Diagnose MDE regulieren ihre Emotionen in einer belastenden Situation dahingehend, dass sie die Situation zu verändern versuchen, bevor sich eine Emotion voll ausgebildet hat. Die Patientinnen mit einer MDE schätzen zudem die Strategie der Situationsveränderung als die für sie wirkungsvollste Regulationsmöglichkeit ein. Die Resultate decken sich nicht mit denen von anderen Autoren/innen, die beschreiben, dass Patienten/innen mit einer MDE in belastenden Situationen dazu neigen, zu ruminieren und damit eher die Strategie der Aufmerksamkeitslenkung anwenden (Nolen-Hoeksema, 1991; Thayer, Newman & McClain, 1994). Im Weiteren gab es für zwei der fünf Variablen Werte, die für die beiden Emotionsregulationsdimensionen einen Erklärungswert aufwiesen: Zwar fiel während der Durchführung der qualitativen Interviews auf, dass die wenigsten der Befragten die Variable Situationsauswahl als Emotionsregulationsstrategie anwendeten. Falls jedoch die Teilnehmerinnen die Dimension der Situationsauswahl einsetzten, wurde diese Regulationsstrategie von ihnen meist nur als teilweise wirkungsvoll eingeschätzt. Trotzdem traten für diese eine Variable Situationsauswahl sowohl die Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit des BFW/E wie auch der Globale Kennwert SCL-90/GSI als Prädiktoren auf. Die beiden Befindlichkeitsmasse haben jedoch für diesen Befund nur zu einem kleinen Teil einen Erklärungswert. Die Masse machen Aussagen über das Wohlbefinden bzw. über den Grad der subjektiven psychischen Belastung der Teilnehmerinnen. Wenn die Teilnehmerinnen wenig allgemeine (Lebens)Zufriedenheit verspüren, hat dies einen negativen Einfluss auf ihre Fähigkeit zur Steuerung der eigenen Gefühle (Linehan, 1996a). Um aber Emotionen steuern zu können, ist es notwendig, sie früh in ihrem Generierungsprozess auf den verschiedenen Ebenen wie z.B. der Identifizierung der Situation wahrzunehmen und wertfrei zu beschreiben. Erst danach können sie auch entsprechend reguliert werden. Umgekehrt aber trägt eine niedrige allgemeine psychische Belastung dazu bei, dass die Teilnehmerinnen mehr Kontrolle über den Regulierungsprozess haben, indem sie eher die Situation auswählen und damit früh in diesen Prozess eingreifen können. Mit einer niedrigen psychischen Belastung geht eine Verringerung von traurig-depressiven Gefühlen und sozialer Unsicherheit einher (Franke, 1995), was wiederum dazu führen kann, dass Vermeidungsverhalten eher aufgegeben wird 138 DISKUSSION (Grawe, 2004). Da die Teilnehmerinnen der Studie einerseits im Durchschnitt einen niedrigen Wert der Zufriedenheit aufweisen und sich andererseits als psychisch hoch belastet erleben, wird erkennbar, weshalb sie die Regulationsstrategie der Situationsauswahl kaum anwandten. Der Gesamtwert der BSL trat für eine weitere der fünf Variablen, der Reaktionsmodulierung, als Prädiktor auf. Im Prozessmodell zur Emotionsregulation von Gross (1998b, 1999b) ist die Strategie der Reaktionsmodulierung eine Möglichkeit, Emotionen zu regulieren, nachdem sich diese voll ausgebildet haben. Das kann bedeuten, dass diese Dimension der Emotionsregulation dann zum Zuge kommt, wenn Anzeichen von Emotionen nicht frühzeitig wahrgenommen und entsprechend reguliert wurden. Oder die Reaktionsmodulierung wird eingesetzt, wenn sich vorhergehende Regulationsversuche als zuwenig wirksam erwiesen. Die BSL zeigt in einigen ihrer Items und Skalen Inhalte, die auf Schwierigkeiten hinweisen, Reize von Emotionen frühzeitig wahrzunehmen (Bohus et al., 2001). Deshalb wurde eine Varianzaufklärung der Reaktionsmodulierung durch die BSL erwartet. Werden spezifisch für die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung die Variablen eruiert, die einen Erklärungswert für die situative Emotionsregulation der Teilnehmerinnen haben, zeigt sich das folgende Bild: Für die drei Emotionsregulationsdimensionen, bei denen überhaupt Prädiktoren auftraten, gab es jeweils eine Variable, die pro Dimension eine Vorhersage machte. Für die Variable Situationsveränderung konnte der globale Kennwert SCL-90/GSI einen Erklärungswert liefern. Dieser Wert SCL-90/GSI misst die grundsätzliche psychische Belastung der Teilnehmerinnen (Franke, 1995). Es besteht die Möglichkeit, dass der SCL-90/GSI bei Patienten/innen mit einer leichten bis mittelschweren Borderlinestörung (fünf oder sechs erfüllte Kriterien im IPDE) in seiner Aussagekraft stärker zum Tragen kommt als bei den Patienten/innen, die eine schwere Symptomatik (ab sieben erfüllten Kriterien im IPDE) aufweisen. In dieser Studie zeigten drei Viertel der Teilnehmerinnen das Symptombild einer leichten bis mittelschweren Borderlinestörung. Es könnte im Weiteren sein, dass die Teilnehmerinnen mit einer leichten oder mittelschweren Borderlinestörung Hinweisreize für belastende Emotionen nicht erst dann wahrnehmen, wenn die Emotion schon voll ausgebildet ist. So DISKUSSION 139 scheinen diese Teilnehmerinnen schon früher in den Emotionsregulationsprozess eingreifen zu können, indem sie die Situation zu verändern suchen. Für die Variable Aufmerksamkeitslenkung trat bei den Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung der Summenwert des BDI als Prädiktor auf. In dieser Studie wurden schon Vergleiche in Bezug auf die Auswahl der Emotionsregulationsdimension zwischen den beiden Diagnosegruppen berechnet. Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung die Strategie der Aufmerksamkeit als diejenige Strategie einschätzten, mit der sie ihre Emotionen am wirkungsvollsten regulieren konnten. Mit dem Resultat des BDI als Prädiktor zeigt sich für den Einsatz der Aufmerksamkeitslenkung bei diesen Patientinnen ein zusätzlicher Aspekt: Frühere Studien haben bei Menschen mit depressiven Symptomen in ihrer Emotionsregulation eine Tendenz zu Rumination beobachtet (Nolen-Hoeksema, 1991; Thayer et al., 1994). Die meisten Teilnehmerinnen dieser Studie mit einer Borderlinestörung + MDE zeigen im BDI eine über der Norm liegende, schwerwiegende depressive Symptomatik auf. Diese könnte in der Folge massgeblich dafür verantwortlich sein, dass bei den Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung in für sie emotional belastenden Situationen die Dimension der Aufmerksamkeitslenkung aktiviert wird. Wie oben beschrieben trat die BSL, die u. a. den Schweregrad der Borderlinestörung misst (Bohus et al., 2001), schon bei der gesamten Gruppe der Teilnehmerinnen als Prädiktor für die Reaktionsmodulierungsdimension auf. Die BSL erwies sich ebenfalls für die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung als Variable mit einem Erklärungswert für diese Regulationsdimension. Da Patienten/innen mit einer Borderlinestörung auch als Emotionsphobiker/innen (Linehan, 1996a) eingeschätzt werden, ist anzunehmen, dass diese Patientinnen es häufig vermeiden Hinweisreize für schwer aushaltbare Gefühle früh wahr- und ernst zu nehmen. Das führt dazu, dass sie ihre Emotionen erst dann regulieren können, wenn diese sich schon voll ausgebildet haben. Die Befunde dieser Studie, die zeigen, dass die BSL für die EMOREG-B Subskala Vermeidung einen Erklärungswert besitzt, stützen diese Annahme. 140 6.2.2 DISKUSSION Prozessorientierte Validität 6.2.2.1 Kommunikative Validierung Kommunikative Validierung ist ein Gütekriterium, das in einer diskursiven Form zwischen Fragenden und Befragten den Prozess des qualitativen Interviews validiert. Am Schluss des Interviews werteten die Studienleiterin und die Teilnehmerinnen jeweils in einer kurzen Diskussion den Verlauf des Gesprächs aus. Wie oben erwähnt wurden diese Daten nicht schriftlich dokumentiert und konnten deshalb auch nicht quantitativ ausgewertet werden. Trotzdem sollen an dieser Stelle einige Eindrücke aus den Diskussionen mit den Studienteilnehmerinnen festgehalten werden: • Die meisten Studienteilnehmerinnen konnten verschiedene Emotionen, die in den von ihnen geschilderten Situationen vorherrschend waren, präzise benennen. Diese Erfahrung deckt sich nicht mit den Befunden von Linehan (1993a, 1993b, 1996a, 1996b), die besagen, dass spezifisch Patientinnen mit einer Borderlinestörung Schwierigkeiten darin haben, ihre Emotionen wahrzunehmen und zu benennen. Eine Erklärung für dieses Phänomen könnte sein, dass die Teilnehmerinnen – obwohl sie jeweils während der Interviews emotional sehr berührt waren – zu den geschilderten Situationen eine gewisse Distanz hatten, die ihnen eine Reflexion ermöglichte. • Die Regulationsstrategie der Situationsauswahl wurde von den Teilnehmerinnen sowohl kaum eingesetzt als auch kaum als wirkungsvoll eingeschätzt. Die meisten Personen beschrieben, dass sie jeweils nicht mehr entscheiden konnten, ob sie sich mit der emotional belastenden Situation konfrontieren wollten oder nicht. Es besteht die Hypothese, dass dieser Befund mit der Stichprobe zusammenhängt, die keine Stichprobe von Gesunden, sondern eine rein klinische ist. Wie oben beschrieben, kann die hohe psychische Belastung als Erklärungsbeitrag für diesen Befund hinzu gezogen werden. • Ebenfalls fiel auf, dass die Teilnehmerinnen ihre Emotionen kaum auf der Ebene der Bedeutungsveränderung regulierten. Auf diese Tatsache angesprochen, formulierten die meisten Personen in den belastenden Situationen stark von intensiven Gefühlen überflutet worden zu sein. In der Folge hätten sie mit keinem Gedanken an die Regulationsstrategie der Bedeutungsveränderung gedacht. DISKUSSION 141 Dieser Befund deckt sich nicht mit den in der Literatur aufgezeigten Resultaten (Gross & John, 2003; Lazarus, 1993a; Thayer et al., 1994). Gross und John (2003) z.B. beschreiben in ihrer Studie mit psychisch gesunden Personen, dass diese die Veränderung der Bedeutung als eine sehr effektive Emotionsregulationsstrategie einschätzen. Auch Thayer et al. (1994) haben verschiedene Studien mit psychisch unbelasteten Personen durchgeführt, um zu prüfen, welche Strategien zur Veränderung von (vorwiegend negativen) Stimmungen eingesetzt werden. Zudem sollte von diesen Personen auch die Effektivität der eingesetzten Strategie beurteilt werden. Die Befunde der Autoren/in (Thayer et al., 1994) zeigten, dass kognitive Methoden (z.B. Gründe für eine negative Stimmung finden) sowie Formen von sozialer Interaktion diejenigen Strategien waren, die am häufigsten zur Veränderung der Stimmung eingesetzt wurden. Wiederum kann überlegt werden, ob die hohe psychische Belastung und die depressive Symptomatik, die sich im Durchschnitt bei allen Teilnehmerinnen im klinischen relevanten Bereich bewegt, den in der Literatur beschriebenen Befunden entgegensteht. Oft finden sich bei Patienten/innen mit einer depressiven Symptomatik Muster von dysfunktionalen Gedanken oder irrationalen Überzeugungen (Ellis, 1999), von denen sie geleitet werden. Es ist anzunehmen, dass diese Muster durch die belastenden Situationen aktiviert werden und in der Folge eine kognitive Umdeutung behindern. • Etliche Studienteilnehmerinnen regulierten ihre intensiven Emotionen, nachdem sie sich voll ausgebildet hatten, mit der Strategie der Reaktionsmodulierung und schätzten diese auch als wirkungsvoll ein. Das Prozessmodell zur Emotionsregulation von Gross (1998b, 1999a, 1999b) macht nur Angaben darüber, ob Emotionsregulation stattfindet oder nicht. Das Modell gibt jedoch keine Bewertungen in Bezug auf die Adaptivität bzw. Maladaptivität einer Strategie vor. So wird also in dieser Emotionsregulationsdimension nichts darüber ausgesagt, ob die von den Teilnehmerinnen eingesetzten Mittel adaptiv oder maladaptiv sind. Trotzdem kann angeführt werden, dass Frauen mit den Diagnosen Borderlinestörung + MDE in der Reaktionsmodulierung tendenziell eher selbstschädigende Handlungen ausübten. Frauen mit der Diagnose MDE hingegen bezogen oft nach Auftauchen der schwierigen Emotionen eine nahe Bezugsperson ein. Diese Tendenz findet sich auch in der Literatur wieder: Einerseits reduzieren 142 DISKUSSION Frauen mit einer Borderlinestörung ihre Spannungszustände, die durch intensive Emotionen entstanden sind, häufig mit selbstschädigendem Verhalten wie z.B. Selbstverletzungen (APA, 2001; Bohus, 2001, 2002; Herpertz et al., 1998; Linehan, 1996a). Andererseits wird vorwiegend von Frauen, im Gegensatz zu Männern, die Strategie der sozialen Unterstützung als effektivste Regulationsstrategie beurteilt (Thayer et al., 1994). 6.3 Zusammenfassung der Befunde über beide Erhebungen In dieser explorativ orientierten Studie wurden mit zwei verschiedenen Methoden Daten zur Emotionsregulation erhoben. Das Ziel war, präzisere Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen regulieren. Zwei Gruppen von Patientinnen mit unterschiedlichen Diagnosen wurden in der Studie untersucht. Die eine Gruppe der Studienteilnehmerinnen litt unter den Diagnosen Borderlinestörung + MDE. Die andere Gruppe der Teilnehmerinnen erfüllte die Kriterien für eine MDE und fungierte als Vergleichsgruppe. Auf der Ebene der habituellen Emotionsregulation kristallisierten sich verschiedene Arten heraus, mit denen die Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen regulieren: Eine erste Variante ist, dass diese Personen versuchen zu vermeiden, den emotionalen Gehalt einer Situation oder eines Reizes zu spüren. Diese Kontrolle erfolgt in der Tendenz aktiv entweder durch (meist) dysfunktionale Kognitionen oder mit Ablenkung von den emotional intensiven Reizen. Zudem kann bei diesen Personen auch eine Orientierung gegen „Aussen“ beobachtet werden, in der vorwiegend das Urteil und vermeintliche Erwartungen des Gegenübers für das eigene Verhalten wegweisend sind. Eine zweite Variante der Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung zeichnet sich durch Bemühungen aus, die Intensität eines Gefühls zu verringern. Dies erreichen die Teilnehmerinnen entweder mit einer beinahe automatisch ablaufenden innerlichen Distanzierung von der Emotion, die fast schon in eine Art von Dissoziation übergehen kann. Oder aber sie drücken ihre Gefühle anderen Personen gegenüber aus, wobei nicht klar ist, ob diese emotionale Expressivität ein DISKUSSION 143 adaptives oder maladaptives Verhalten darstellt. Aufgrund der Berechnungen und der klinischen Erfahrung ist eher davon auszugehen, dass es sich um ein maladaptives Verhaltensmuster handelt. Mit der emotionalen Expressivität scheint kein integriertes Erleben der Emotionen einherzugehen (Greenberg & Paivio, 2000). Vielmehr scheinen die Teilnehmerinnen emotional belastende Inhalte „abzuspulen“, ohne deren Gehalt zu spüren. Als Drittes fällt bei den Patientinnen mit einer Borderlinestörung auf, dass sie sich im Unterschied zur Vergleichsgruppe in ihrer Emotionsregulation in einem grösseren Ungleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten befinden. Ein Gleichgewicht zwischen diesen drei Ebenen ist jedoch eine zentrale Voraussetzung für eine adaptive Emotionsregulation und trägt dazu bei, langfristige Ziele erreichen zu können (Greenberg & Paivio, 2000; Gross, 1998b). Eine letzte aufzuführende Emotionsregulationsmöglichkeit bei Teilnehmerinnen mit einer Borderlinestörung liegt in einer mangelnden Kontrolle ihrer Impulse, die sie entweder gegen sich selber oder aber gegen andere Personen richten. Wenn Frauen mit einer Borderlinestörung dazu befragt werden, wie sie ihre Gefühle in einer für sie emotional belastenden Situation regulieren, zeigt sich das folgende Muster: Sie setzen, sobald intensive Emotionen auftreten, ihren Verstand ein und versuchen oftmals auf der rationalen Ebene mit der Strategie der Aufmerksamkeitslenkung ihre Emotionen zu regulieren. Entweder verzetteln sie sich gedanklich, oder konzentrieren sich auf einen bestimmten Aspekt der Situation oder aber ihre Gedanken bleiben kreisend an einem Punkt hängen. Im Weiteren geben Frauen mit einer Borderlinestörung an, ihre Emotionen oftmals erst regulieren zu können, nachdem sich diese schon voll ausgebildet haben. Es bestehen klare Zusammenhänge zwischen der habituellen und der situativen Emotionsregulation von Frauen mit diesem Störungsbild. Je mehr sie gewohnheitsmässig ihre Emotionen mit Vermeidung kontrollieren, desto eher wenden sie auch in emotional belastenden Situationen die Regulationsstrategie der Aufmerksamkeitslenkung an. Und je mehr sie sich angewöhnt haben, den emotionalen Gehalt eines Reizes mit Vermeidung oder Verringerung unspürbar zu machen, desto eher können emotional intensive Situationen erst dann von ihnen reguliert werden, wenn sich das dazugehörige Gefühl schon voll ausgebildet hat. Oft ist es ihnen ausserdem zu 144 DISKUSSION jenem Zeitpunkt nicht mehr möglich, die starken Emotionen anders als mit selbstschädigendem Verhalten zu regulieren. Bestimmte in dieser Studie eingesetzte Messmittel können für einige der Emotionsregulationsebenen von Frauen mit einer Borderlinestörung eine Vorhersage leisten. Zum einen ist dies die BSL. Bei Frauen, die sich subjektiv durch ihre Borderlinestörung als schwer beeinträchtigt erleben, ist eine habituelle Regulation über die Ebenen Vermeidung und Verringerung denkbar. In spezifischen Situationen dagegen ist es wahrscheinlich, dass diese Patientinnen die Regulationsstrategie der Reaktionsmodulation einsetzen. Zum anderen hat der BFW/E, im speziellen die Skala zweiter Ordnung Zufriedenheit (auch jeweils negativ gepolt) eine starke Vorhersagekraft. Patientinnen mit einer Borderlinestörung, die einen hohen Mangel an Zufriedenheit empfinden, regulieren gewohnheitsmässig ihre Emotionen auf zwei verschiedene Arten: Entweder verringern sie deren emotionalen Gehalt oder aber sie wenden ein impulsives Verhalten an, entweder sich selber oder anderen gegenüber. In dieser Studie äussert sich die Borderlinestörung nicht wie bisher angenommen darin, dass die Teilnehmerinnen mit diesem Störungsbild ihre Gefühle zuwenig differenziert wahrnehmen und unterscheiden können (Bohus, 2002; Linehan, 1996a). Im Gegenteil fiel auf, dass die Patientinnen in den qualitativen Interviews ihre Emotionen sehr differenziert benennen und unterscheiden konnten. Diese Erfahrung deckt sich mit den Befunden einer anderen Untersuchung, die ebenfalls zeigte, dass die untersuchten Patienten/innen beschrieben, sie hätten keine Mühe ihre Emotionen zu identifizieren und auszudrücken (Newhill, Mulvey & Pilkonis, 2004). Die Patientinnen, die sehr empfindsam auf emotionale Reize reagieren (Linehan, 1996a), scheinen also die verschiedenen Gefühlsqualitäten wahrzunehmen und zu erkennen. Es könnte aufgrund der klinischen Erfahrung die folgende Überlegung formuliert werden: Die Patientinnen haben in ihrer Kindheit aufgrund des inkompatiblen Umfelds der nahen Bezugspersonen immer wieder gelernt, dass ihre Gefühle keine Berechtigung haben. Den Widerspruch zwischen der Emotion, die sie wahrnehmen und dem Wissen, dass diese Wahrnehmung keinen Wert hat, müssen die Patientinnen in der Folge lösen. So machen sie sich, sobald ein emotionaler Reiz auftaucht, gegen diesen mit verschiedenen Emotionsregulationsstrate- DISKUSSION 145 gien unempfindlich. Diese Regulationsmechanismen können sich in Vermeidung, Verringerung oder mangelnder Impulskontrolle äussern. 6.3.1 Limitationen der Studie / Ausblick Diese Studie hatte zum einen das Ziel, einen Fragebogen zu konstruieren, der Gütekriterien genügen sowie die habituelle Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung messen kann. Zudem war damit die Hoffnung verbunden, genauere Angaben darüber zu erhalten, wie und auf welchen Ebenen sich bei diesen Patientinnen die Regulation abspielt. Der Selbstbeurteilungsfragebogen EMOREG-B wird zumindest bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung als Messmittel eingesetzt werden können. Ausserdem haben die Resultate viele Informationen über die Emotionsregulation dieser Patientinnen vermittelt. Eine Limitation der vorliegenden Studie liegt darin, dass der Fragebogen EMOREG-B nicht neu konstruiert wurde, sondern in Anlehnung an den EMOREG (Znoj, 2000a, 2000b; Znoj & Keller, 2002; Znoj et al., 2000) erstellt wurde. Von Beginn an wurde der Itempool für den EMOREG-B vorwiegend auf die Erfassung der Emotionsregulation von Patientinnen mit einer Borderlinestörung ausgerichtet. Zwar zeigten die zwei verschiedenen in der Studie untersuchten Diagnosegruppen Unterschiede und teilweise sogar grosse Effekte hinsichtlich ihrer Befunde im EMOREGB auf. Trotzdem muss der EMOREG-B an weiteren Stichproben mit anderen als in der Studie erhobenen Diagnosegruppen geprüft werden. Zudem sollte auch eine Normalstichprobe von psychisch gesunden Personen mit diesem Messmittel zu ihrer Emotionsregulation befragt werden. Mit all diesen Resultaten könnten weitere Normwerte in Bezug auf das Messmittel EMOREG-B erstellt und damit eine grössere Aussagekraft des Instrumentes gewonnen werden. Damit der Selbstbeurteilungsfragebogen EMOREG-B weiteren Gütekriterien entsprechen kann, müsste bei nachfolgenden Untersuchungen eine gewisse Anzahl von Testpersonen den Fragebogen nach z.B. einem bis drei Monat/en ein weiteres Mal ausfüllen. So kann die Retest-Reliabilität der EMOREG-B Subskalen eingeschätzt und damit die Reliabilität des Messmittels erhöht werden. Zwei Subskalen des EMOREG-B, die Subskalen Verringerung und Ausgeglichenheit, zeigten im Vergleich der beiden Diagnosegruppen in ihren Befunden nur 146 DISKUSSION mittlere Effekte auf. Die Stichprobe mit je mindestens 30 Teilnehmerinnen pro Gruppe kann nur für Befunde, bei denen grosse Effekte erwartet werden, als ausreichend gross angesehen werden (Cohen, 1990; Rudestam & Newton, 2001). Es sind also weitere Untersuchungen mit grösseren Stichproben der zwei Diagnosegruppen (Diagnosen Borderlinestörung + MDE sowie Diagnose MDE) von Nöten, um genauere Angaben in Bezug auf die beiden Subskalen Verringerung und Ausgeglichenheit zu erhalten. Ein weiteres Ziel dieser Studie lag darin, mit einem Prozessmodell zur Emotionsregulation (Gross, 1998b, 1999a, 1999b) zu prüfen, wie Frauen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen in für sie emotional belastenden Situationen regulieren. Die Befunde dieses Teils der vorliegenden Studie haben ebenfalls zu wertvollen Erkenntnissen geführt. Das Prozessmodell zur Emotionsregulation von Gross (1998b, 1999a, 1999b) macht allerdings keine Angaben darüber, ob eine Regulationsstrategie als adaptiv oder maladaptiv beurteilt werden soll. Das Modell sagt nur etwas darüber aus, ob Emotionsregulation stattfindet oder nicht. Neben den Autoren (Gross, 1998b, 1999a, 1999b; Thompson, 1994), die keine Bewertung in Bezug auf die eingesetzten Regulationsstrategien machen, beurteilen viele Autoren/innen Regulationsstrategien auf ihre Adaptivität hin (Cicchetti et al., 1991; Fruzzetti, 2002; Gratz & Roemer, 2004; Greenberg & Paivio, 2000; Horowitz & Znoj, 1999; Linehan, 1996a; Masters, 1991). Diese Beurteilung führt in der Folge zu weiteren zentralen Ausssagen in Bezug auf die Emotionsregulation. Nächste Untersuchungen in Bezug auf die situative Emotionsregulation müssten demnach in ihrem zugrunde liegenden Konzept eine Bewertung auf die Adaptivität hin beinhalten. Ungeklärt bleibt in dieser Studie die Frage, inwieweit sich die Schwere der Borderlinestörung gemessen an der Anzahl der erfüllten Kriterien im IPDE (Loranger, 1995) auf die Emotionsregulation auswirkt. Um zu Resultaten in Bezug auf diese Thematik zu gelangen, müssten entsprechend der Anzahl der erfüllten Kriterien im IPDE mehrere Gruppen von Testpersonen mit einer Borderlinestörung auf ihre Emotionsregulation hin untersucht werden. Die vorliegende Studie hat zu mehreren Befunden geführt, die aufzeigen, wie und auf welchen Ebenen Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen regu- DISKUSSION 147 lieren. Der letzte Hinweis für nachfolgende Untersuchungen soll auf einer weiterführenden Ebene gemacht werden: Eine zentrale Aussage der Studie liegt darin, dass die Patientinnen mit einer Borderlinestörung es mehrheitlich umgehen, ihre Emotionen zuzulassen. Ihr emotionales Erleben ist demnach nicht integriert (Greenberg & Paivio, 2000). Dazu setzen die Teilnehmerinnen dieser Studie verschiedene Regulationsstrategien wie Vermeidung, Verringerung oder mangelnde Impulskontrolle ein. Interessant wäre es, der Frage nachzugehen, weshalb die Patientinnen ihre Emotionen nicht annehmen wollen. Was befürchten sie, was geschehen könnte, wenn sie ihre Emotionen zulassen würden? Viele Autoren/innen haben die verschiedensten hilfreichen Funktionen von Emotionen beschrieben (Cole et al., 2004; Frijda, 1986; Greenberg, 2004; Izard, 1991; Lazarus, 1993b). Und dennoch ist es den meisten Menschen mit einer Borderlinestörung ein vordringliches Ziel, ihre Emotionen nicht zu spüren (Linehan, 1993a, 1996a). Befunde zu diesen Fragen könnten diese Menschen vermehrt darin unterstützen, ihre Emotionen zuzulassen. 148 IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT 7. 149 Implikationen für die klinische Arbeit Ein zentrales Anliegen der vorliegenden Studie lag darin, mit den zur Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung gewonnenen Resultaten Empfehlungen für die klinische Arbeit mit diesen Patientinnen zu machen. Im Weiteren wird vorwiegend auf das inhaltliche Therapiekonzept der Psychotherapie-Tagesklinik Bern (PTK) Bezug genommen (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.). Dieses Therapiekonzept soll aufgrund der Befunde dieser Studie um theoretische Überlegungen und Therapieimplikationen erweitert werden. Die PTK (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.) ist eine teilstationäre Institution der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern, die kontinuierlich 14 Patienten/innen mit unterschiedlichen psychischen Störungen ein 14wöchiges, teilstationäres Psychotherapieprogramm anbietet. Eine Spezialisierung besteht in der Behandlung von Patienten/innen mit einer Borderlinestörung sowie mit Belastungs- und Traumatisierungsstörungen. Der therapeutischen Arbeit liegt ein multimodales Behandlungskonzept zugrunde. In Einzel- und Gruppentherapieangeboten werden verschiedene psychotherapeutische Ansätze und Methoden integrativ kombiniert (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.). Zentrale inhaltliche Säulen sind die „Dialektisch-Behaviorale Therapie“ nach M. Linehan (Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b) und die „Psychologische Therapie“ nach K. Grawe (1998). Ergänzt werden diese übergeordneten Therapiemodelle durch körperorientierte, gestaltungs- und musiktherapeutische Therapieansätze. Im Weiteren werden die Patienten/innen in einem therapeutischen und einem sozialen Coaching unterstützt. Während des Aufenthalts in der PTK liegt ein Schwerpunkt in der Beziehungsarbeit. Zudem sollen die Fähigkeiten und persönlichen Ressourcen der Patienten/innen gefördert werden. Die Behandlung in der PTK wird in drei Phasen eingeteilt (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.): Die erste Phase beinhaltet die Einführung in das Therapieprogramm, die ausführliche Diagnostik mit Hilfe einer psychodiagnostischen Standard-Messung und die Behandlungsplanung. In der zweiten Phase wird in der Einzel- und Gruppentherapie intensiv an den in der Behandlungsplanung vereinbarten Therapiezielen gearbeitet. In der dritten Phase hat die Vorbereitung auf die Lebensgestaltung nach der Entlassung Priorität. Grundsätzlich können Pati- 150 IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT enten/innen nach mindestens sechs Monaten noch einmal für einen weiteren Aufenthalt in die PTK aufgenommen werden. Aufgrund der in dieser Studie erhobenen Befunde ist als erste Therapieimplikation die Ergänzung der bestehenden inhaltlichen Rahmenkonzepte (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.) um die Theorie zu Emotion und Emotionsregulation nach Greenberg (2000, 2004; Greenberg & Paivio, 2000) anzuführen. Zentral und praxisrelevant in dieser Theorie ist einerseits die Annahme, dass die Art und Weise, wie Emotionen reguliert werden, massgeblich zur Entstehung von psychischen Störungen beiträgt (Greenberg, 2000, 2004; Gross & Levenson, 1997). Andererseits werden in dieser Theorie Faktoren beschrieben, die eine adaptive Emotionsregulation fördern können. Solche Faktoren sind vorwiegend in einer Ausgeglichenheit und Integration von Emotionen, Vernunft/Kognitionen und Verhalten zu finden. Die Beschreibung der verschiedenen Funktionen von Emotionen und die Betonung davon, wie wichtig es ist, Emotionen wahr- und ernst zu nehmen, können zudem als Grundlage für die therapeutische Arbeit dienen. Im Weiteren ist der Ansatz als grobe Orientierung hilfreich, dass Patienten/innen entweder in der Tendenz emotional unterreguliert oder emotional überreguliert sind (Greenberg, 2000, 2004; Greenberg & Paivio, 2000). Die Ergänzung um die Theorie von Greenberg und Paivio (2000) im Rahmenkonzept sollte sich auch schriftlich in allen Materialien der PTK niederschlagen, wie z.B. im Internetauftritt (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.) und im PTK-Faltprospekt sowie im Therapievertrag, den die Patienten/innen bei Eintritt in das Programm ausfüllen. Diese Massnahme könnte – neben der inhaltlichen Positionierung in Bezug auf einen bestimmten therapeutischen Fokus – auch das Bewusstsein und die Identität des therapeutischen Teams stärken. Eine zweite Therapieimplikation besteht darin, dass der, in dieser Studie entwickelte Selbstbeurteilungsfragebogen EMOREG-B mindestens störungsspezifisch für Patientinnen mit einer Borderlinestörung in die diagnostische Standard-Messung (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.) einbezogen werden sollte. Es wäre wünschenswert, der Messung sowohl die BSL als auch den BFW/E anzufügen. Diese beiden Messmittel leisten speziell für die Emotionsregulation bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung wichtige Vorhersagen. IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT 151 Die diagnostischen Befunde könnten massgeblich zur Behandlungsplanung durch die Einzeltherapeutin und das therapeutische Team beitragen. Aus dem EMOREG-B wird ersichtlich, wie und auf welchen Ebenen Patientinnen mit einer Borderlinestörung ihre Emotionen habituell regulieren. Ist es so, dass die Patientinnen mit Vermeidung versuchen, ihre Emotionen nicht zu spüren, reduzieren sie den emotionalen Gehalt mit Verringerung oder haben sie wenig Kontrolle in Bezug auf ihre Impulse? Es kann zudem auch eine Annahme getroffen werden, ob die Patientinnen emotional eher als unter- oder eher als überkontrolliert eingeschätzt werden sollen. Wenn man davon ausgeht, dass eine dysfunktionale Emotionsregulation massgeblich zur Entstehung von psychischen Störungen beiträgt (Greenberg, 2000, 2004; Gross & Levenson, 1997), dann sollte ein zentraler Bestandteil der Behandlung darin bestehen, diese dysfunktionalen Regulationsmuster zu verändern. Als dritte Therapieimplikation ist demnach anzuführen, dass das therapeutische Team die Patienten/innen auf verschiedenen Ebenen darin unterstützen soll, ihre Emotionsregulation in eine adaptivere Weise zu lenken. Das Ziel müsste sein, die Patienten/innen während des Aufenthalts in der PTK zu fördern, in ihrer Emotionsregulation ein Gleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten anzustreben. Die Voraussetzung dafür liegt aber in einem ersten Schritt darin, Emotionen wahr- und ernst zu nehmen sowie auf das eigene Erleben zu vertrauen (Greenberg & Paivio, 2000). Die Fähigkeiten dazu können die Patienten/innen auf unterschiedliche Art erwerben: Zum einen ist es sinnvoll, sie über die Thematik von Emotionen und Emotionsregulation zu informieren. Das Therapieangebot der PTK (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.) sollte sich also um eine psychoedukative Gruppe erweitern, in der den Patienten/innen auf einer theoretischen Ebene Inhalte zum Thema Emotionen und Emotionsregulation vermittelt werden. Zum anderen kann das therapeutische Team die Patienten/innen mit praktischen Hinweisen dazu motivieren, ihre Emotionen wahr- und ernst zu nehmen sowie auf diese zu vertrauen. Eine Herangehensweise zur Umsetzung dieses Anliegens besteht darin, mit den Patienten/innen in einem (schon in der PTK implementierten) Gruppenangebot Achtsamkeitsübungen zu erarbeiten und zu praktizieren (Thich, 1993). Achtsamkeit fördert die Fähigkeit, im Hier und Jetzt zu bleiben 152 IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT und legt den Weg dafür frei, dass Emotionen überhaupt wahrgenommen werden können (Greenberg & Paivio, 2000). Ein weiterer Schritt muss darin bestehen, die Patienten/innen in der Einzeltherapie und den verschiedenen Ausdruckstherapien darin zu fördern und zu unterstützen, ihre Emotionen ernst zu nehmen und darauf zu vertrauen: In der klinischen Praxis hat es sich bewährt, die Patienten/innen jeweils in der Einzeltherapie kontinuierlich und wiederholt nach ihren Emotionen zu fragen. Die Patienten/innen lernen dadurch, ihre Emotionen wahrzunehmen, diesen eine Bedeutung und eine Wichtigkeit zu geben. Sie erfahren im Weiteren, dass und welche Signale ihnen die emotionalen Anzeichen auf den verschiedenen Ebenen vermitteln. Die Patienten/innen erhalten also eine Orientierung in Bezug auf ihr Erleben (Greenberg & Paivio, 2000), was wiederum das Kontrollerleben sowie das psychische Wohlbefinden fördert (Grawe, 1998, 2004; Linehan, 1996a). Ebenfalls liefern die Ausdruckstherapien, die in der PTK im Einzel- und Gruppensetting angeboten werden (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.), eine geeignete Plattform dafür, Patienten/innen im Wahr- und Ernstnehmen ihrer Gefühle zu unterstützen. Patienten/innen erkennen in der Folge z.B., wie sich ein bestimmtes Gefühl in ihren Körperempfindungen abbildet. Oder sie erfahren, welche Farben und Töne bei ihnen welche Emotionen auslösen. Es ist wünschenswert, dass die Förderung des Wahrund Ernstnehmens von Emotionen im therapeutischen Konzept der PTK einen zentralen Stellenwert und eine hohe Priorität erhält. Um in der Emotionsregulation ein stärkeres Gleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten zu erreichen, ist ein zweiter Schritt notwendig, der zugleich als vierte Therapieimplikation ebenfalls in das inhaltliche Therapiekonzept der PTK aufgenommen werden müsste (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.): Die Patienten/innen sollten einerseits ein Bewusstsein darüber entwickeln, ob sie in der Tendenz zu den Personen mit einer emotionalen Unterregulierung gehören oder ob sie eher der Kategorie der überregulierten Personen zuzuordnen sind (Greenberg, 2000, 2004; Greenberg & Paivio, 2000). Andererseits sollten sie erkennen, in welchem Mass und auf welchen Ebenen sie sich in einem Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten befinden. IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT 153 Die ausführliche Diagnostik (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.) bei Eintritt der Patienten/innen kann wichtige Hinweise in Bezug auf diese Einschätzungen vermitteln. Es ist davon auszugehen, dass das Messmittel EMOREG-B mindestens sowohl bei Patientinnen mit einer Borderlinestörung als auch bei Patientinnen mit einer MDE eine Orientierung darüber vermittelt, ob diese emotional eher unter- oder überreguliert sind. Zudem kann der EMOREG-B eine Aussage darüber treffen, auf welchen Ebenen die Patientinnen ihre Emotionen habituell regulieren. Dementsprechend bildet sich in diesen Befunden auch das Gleichgewicht bzw. Ungleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten ab. Es ist anzunehmen, dass bei den Patientinnen, die ihre Emotionen vorwiegend mit Vermeidung regulieren, der Bereich der Kognition prioritär ist. Wenn die Patientinnen den Gehalt ihrer Emotionen mit Verringerung reduzieren, kann davon ausgegangen werden, dass sie stark von ihren Emotionen (ab)gelenkt sind. Falls die Patientinnen unter einer mangelnden Impulskontrolle leiden, zeigt sich in der klinischen Praxis, dass sie oft am stärksten durch ihr Verhalten bestimmt werden. Im Weiteren ist in Betracht zu ziehen, dass sich bei den Patientinnen mit einer Borderlinestörung mindestens auf einer der drei maladaptiven Regulationsebenen ein ausgeprägter Wert zeigt. In der Behandlung der drei maladaptiven Regulationsebenen des EMOREG-B kann vom Standpunkt der Adaptivität her gesehen eine Hierarchie aufgestellt werden: Wenn die Adaptivität einer Regulationsstrategie darüber definiert wird, dass sich eine Verbesserung in der psychischen Gesundheit und/oder im sozialen Funktionieren einstellt (Lazarus, 1993a), dann ist die mangelnde Impulskontrolle diejenige Regulationsebene, deren Verbesserung höchste Priorität in der Behandlung haben sollte. Diese Einschätzung wird durch die Befunde gestützt, dass Menschen mit einer Borderlinestörung aufgrund ihres impulsiven Verhaltens grosse Probleme mit ihrem Umfeld bekommen können (Bohus, 2001). Oder aber sie erhalten von ihren Bezugspersonen (zu)viel Aufmerksamkeit, die in der Folge das dysfunktionale Verhalten aufrechterhält. Wenn die Betroffenen jedoch das impulsive Verhalten gegen sich selber richten, kann es zu parasuizidalen Handlungen oder Suizidversuchen kommen. Diese sind als lebensbedrohend einzuschätzen und sollen deshalb oberste Priorität in der Behandlung haben (Bohus, 2002; Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b). 154 IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT Die Emotionsregulation durch Vermeidung ist in der Behandlung als die Ebene mit der zweiten Priorität anzusehen. Die Resultate dieser Studie zeigen, dass Patientinnen häufig zu kognitiven Verzerrungen neigen, wenn sie ihre Emotionen mit Vermeidung kontrollieren. Die Resultate dieser Studie weisen zudem eine hohe Korrelation zwischen der Emotionsregulation durch Vermeidung und selbstverletzendem Verhalten auf. Es kann angenommen werden, dass durch die Vermeidung maladaptive Schemata aktiviert werden, die emotional hoch besetzt sind und die Vielfältigkeit der Reaktionsmuster auf Umweltereignisse einschränken (Bohus, 2001; Newman, 1998; Young, 1994). Dies wiederum löst bei den Betroffenen oft eine hohe innere Spannung aus, oder sie entwickeln starke Gedanken des Selbsthasses. Durch Selbstverletzungen können diese unangenehmen Zustände und der hohe innere Druck rasch reduziert werden. Wie oben erwähnt sind Selbstverletzungen als parasuizidale Handlungen zu verstehen und sollen deshalb in der Behandlung eine hohe Priorität erhalten (Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b). Die Ebene der Verringerung von emotionalen Reizen ist als die Ebene mit der dritten Priorität in der Behandlung einzuschätzen. Es hat sich im EMOREG-B gezeigt, dass die Patientinnen bei der Emotionsregulation durch Verringerung teilweise in einen leicht dissoziativen Zustand geraten. Wenn ein dissoziativer Zustand eintritt, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich Patientinnen selber verletzen, indem sie oft mit diesem Verhalten den unangenehmen Zustand der Dissoziation unterbrechen (Sachsse, 2000). In dieser Studie wiesen indes die Resultate der Regulationsebene der Verringerung kaum Korrelationen mit dem selbstverletzenden Verhalten auf. Dieser Befund kann dahingehend interpretiert werden, dass die Patientinnen in dem leicht dissoziativen Zustand, den sie möglicherweise in der Regulation durch Verringerung erleben, nicht zwingend an selbstverletzendes Verhalten denken. Nicht nur die Diagnostik kann Hinweise in Bezug auf die Emotionsregulation der Patienten/innen liefern. Ebenso sollte das Therapiekonzept der PTK dahingehend erweitert werden, dass vermehrt gemeinsam mit den Patienten/innen Anhaltspunkte in Bezug auf ihre Emotionsregulation erarbeitet werden. Dies kann in der Einzeltherapie, im therapeutischen Coaching durch die psychiatrischen Pflegefachfrauen und -männer sowie im verantwortlichen Behandlungsteam (fallverantwortliche Psychotherapeutin und Bezugspflege) stattfinden. Eine hilfreiche Möglichkeit in der Einzel- IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT 155 therapie z.B. kann sein, den in dieser Studie entwickelten Interviewleitfaden (Gross, 1998b, 1999a, 1999b) einzusetzen, um mit den Patienten/innen anhand konkreter Situationen ihre situative Emotionsregulation zu eruieren. Die Ergebnisse in dieser Studie haben Korrelationen zwischen der situativen und der habituellen Emotionsregulation der Patientinnen ausgewiesen (Korrelationen zwischen der situativen Regulationsstrategie der Aufmerksamkeitslenkung und der habituellen Art der Vermeidung sowie Korrelationen zwischen der situativen Regulation der Reaktionsmodulierung und der habituellen Vermeidung und der Verringerung). Indem schliesslich Resultate in Bezug auf die habituelle und die situative Emotionsregulation der Patienten/innen vorliegen, vergrössert sich einerseits der Handlungsspielraum der Patienten/innen. Andererseits können die Befunde aber auch dazu dienen, mit den Patienten/innen konkrete Lösungsansätze für bestimmte emotional intensive Situationen zu erarbeiten. Um in der Emotionsregulation ein grösseres Gleichgewicht zwischen Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten zu erreichen, ist ein dritter Schritt notwendig, der zugleich als fünfte Therapieimplikation im inhaltlichen Therapiekonzept der PTK (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.) einfliessen sollte: Mit den Patienten/innen müsste ein Bewusstsein darüber erarbeitet werden, dass Emotionen ihnen auf verschiedenen Ebenen Informationen geben und jeweils unmittelbar mit einem Handlungsimpuls verbunden sind (Cole et al., 2004; Frijda, 1986; Greenberg, 2004; Izard & Kobak, 1991; Lazarus, 1993b). Nicht in jedem Fall soll aber dieser Handlungsimpuls auch in ein entsprechendes manifestes Verhalten münden. Vielmehr müssen mit den Patienten/innen während der zweiten Phase des Aufenthaltes im Programm der PTK – der eigentlichen Therapiephase – in den verschiedenen Therapieangeboten Möglichkeiten gefunden werden, wie die Betroffenen ihren Emotionen einen adaptiven Ausdruck geben können. Zum einen muss das therapeutische Team der individuell unterschiedlichen emotionalen Unter- bzw. Überregulierung der Patienten/innen Rechnung tragen. Das heisst, dass die emotional unterregulierten Patienten/innen in allen Therapieangeboten darin gefördert werden, Mittel zu finden, um sich selber beruhigen zu können. Im Weiteren sollen diese Patienten/innen aber auch darin unterstützt werden, den emotionalen Gehalt von Reizen oder Situationen überhaupt zuzulassen. Für diese Patienten/innen bewährt sich neben den Therapien im Einzelsetting die Emotions- 156 IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT regulationsgruppe. Dieses Gruppenangebot konstituierte sich in Anlehnung an das Skillstraining, einem der Bausteine der Dialektisch-Behavioralen Therapie (Linehan, 1993a, 1993b, 1996a, 1996b). Die Patienten/innen lernen anhand unterschiedlicher Signale, das Ansteigen der inneren Spannung frühzeitig zu erkennen. Zudem erarbeiten sie individuell unterschiedliche, hilfreiche Fertigkeiten, mit denen sie den Anstieg des inneren Drucks unterbrechen können. Ausserdem hat sich in der klinischen Praxis gezeigt, dass gerade emotional unterregulierte Patienten/innen eher in desolateren finanziellen oder sozialen Verhältnissen leben (Bohus, 2002; Bohus et al., 2001), was in der Folge die emotionale Instabilität fördert und die Patienten/innen in ihrem Vorwärtskommen behindert (Stone, 2000). Im sozialen Coaching mit den Patienten/innen werden finanzielle und berufliche Schwierigkeiten geklärt und erste Schritte eingeleitet. Diese Unterstützung erhöht bei vielen Patienten/innen das Gefühl der Kontrolle und trägt in der Folge massgeblich zur emotionalen Stabilität bei. Die emotional überregulierten Patienten/innen hingegen sollten darin gefördert werden, ihre Emotionen überhaupt zuzulassen und ihnen in hohem Masse Ausdruck zu verleihen. Dafür leisten verschiedene Gruppenangebote wie das soziale Kompetenztraining, die Gestaltungs- und Musiktherapie, die Körper- und Bewegungstherapie sowie die psychoedukative Gruppe Körper-Gewicht-Ernährung wichtige Beiträge. In einem geschützten Rahmen können die Patienten/innen neues Verhalten ausprobieren, üben und in der Folge korrektive Erfahrungen machen. Nicht nur die emotionale Unter- bzw. Überregulierung der Patienten/innen sollte bei der Förderung des adaptiven emotionalen Ausdrucks beachtet werden. Vielmehr muss das therapeutische Team die Patienten/innen auch dazu ermutigen, das im EMOREG-B diagnostizierte maladaptive emotionale Regulationsverhalten konkret zu verändern. Alle Mitarbeiter/innen des therapeutischen Teams haben mittels der Behandlungsplanung Kenntnis über die Emotionsregulation der einzelnen Patienten/innen. Bei mehreren maladaptiven Regulationsebenen sollte als erste Ebene diejenige bearbeitet werden, die gemäss der oben aufgestellten Hierarchie die höchste Priorität in der Behandlung hat. Der Fokus könnte jeweils darauf gelegt werden, dass die Patienten/innen einen Schritt in Richtung Ausgeglichenheit von Emotion, Vernunft/Kognition und Verhalten gehen können. IMPLIKATIONEN FÜR DIE KLINISCHE ARBEIT 157 Die Förderung und der Ausbau der persönlichen Fähigkeiten der Patienten/innen beinhalten in der PTK einen Schwerpunkt (Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie DSGP, n.d.). Es müssten jeweils Überlegungen angestellt werden, wie das therapeutische Team die Ressourcen der Patienten/innen aktivieren kann. Diese Interventionen könnten in der Folge die Patienten/innen darin stärken, ihre Fertigkeiten gezielt einzusetzen, um ebenfalls ihre maladaptiven Regulationsmuster in die Richtung des emotionalen Gleichgewichtes zu verändern. Die zweite Phase der Behandlung in der PTK beträgt circa acht Wochen, was speziell für Patienten/innen mit einer Borderlinestörung oder depressiven Störungen ein kurzer Zeitraum für die Etablierung von nachhaltigen psychischen Veränderungen ist (Grawe, 2004). Das bedeutet, dass den Patienten/innen während dem Aufenthalt in der PTK nur zentrale Inputs vermittelt werden können, die nach dem Austritt aus der PTK in einer ambulanten Psychotherapie vertieft werden sollten. Trotzdem ist ein grosser Schritt getan, wenn es gelingt, die Patienten/innen darin zu unterstützen, vermehrt in ein Gleichgewicht nunft/Kognitionen und Verhalten zu kommen. zwischen Emotionen, Ver- 158 LITERATUR 159 Literatur APA. (1980). Diagnostic and statistical manual of mental disorders (DSM-III). (3rd ed.). Washington, DC: APA. APA. (1994). Diagnostic and statistical manual of mental disorders - DSM-IV. (4th ed.). Washington, DC: APA. APA. (1996). Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen. DSM-IV. Deutsche Übersetzung und Bearbeitung von Sass, H., Wittchen, H.U. & Zaudig, M. Göttingen: Hogrefe. APA. (2001). Practice guideline for the treatment of patients with borderline personality disorder. The American Journal of Psychiatry, 158(10). Bateman, A. & Fonagy, P. (1999). Effectiveness of partial hospitalization in the treatment of borderline personality disorder: A randomized controlled trial. American Journal of Psychiatry, 156, 1563-1569. Beck, A. 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Bitte geben Sie im Folgenden an, inwieweit diese Sätze Ihrer Erfahrung entsprechend auf Sie selbst zutreffen (nicht was Sie denken, was man in solchen Fällen tun sollte). Falls eine Strategie immer auf Sie zutrifft, kreuzen Sie bitte die sechs (6) an, falls sie überhaupt nicht zutrifft, die eins (1). Wenn Sie Ihre Antwort irgendwo zwischen diesen beiden Extrempolen sehen, kreuzen Sie einfach die Zahl (2, 3, 4, 5) an, die Ihrer Beurteilung am ehesten entspricht. Bevor Sie jetzt die Fragen beantworten, nehmen Sie sich 1 - 2 Minuten Zeit und versuchen Sie, sich an eine Situation zu erinnern, in der Sie selbst intensive Gefühle erlebt haben. Antwortformat: 6-stufiges Antwortformat: „stimmt überhaupt nicht“ – „stimmt genau“ Wenn ich intensive Gefühle habe, 1) probiere ich neue Wege des Denkens und Handelns aus 2) vermeide ich Gedanken, die mich in Spannung versetzen 3)˚ breche ich wichtige soziale Beziehungen ab, um Scham- oder Peinlichkeitsgefühle zu vermeiden ANHANG 4) mache ich Witze über Themen, mit denen ich schlecht umgehen kann 5) drücke ich meine starken Gefühle klar aus 6) wäge ich sorgfältig alles ab, bevor ich eine schwere Entscheidung fällen muss 7) spreche ich ausführlich über emotional wichtige Themen 8) reagiere ich übertrieben emotional 9) spüre ich, wann ich mir wirklich Sorgen machen muss 10) habe ich die Nase schnell mal voll 11) spüre ich, wann ich eine Sache auf sich beruhen lassen kann 12) spreche ich mit einem engen Freund / einer engen Freundin über Themen, die sehr stressvoll für mich sind 13)˚ breche ich eine Beziehung / Bekanntschaft ab, wenn mich was ärgert 14) versuche ich mich abzulenken, um schmerzhafte Gefühle zu vermeiden 15) nehme ich Dinge falsch und verzerrt wahr 16) kann ich mich sowohl entspannen, als auch harten Einsatz leisten 17) behandle ich wichtige Bezugspersonen gleichberechtigt 18) vermische ich Gedanken oder Erinnerungen aus der Vergangenheit mit der Gegenwart oder Gedanken aus der Gegenwart mit solchen aus der Vergangenheit 19) arbeite ich hart, gönne mir aber auch genügend Ruhe 20) bin ich ruhelos und beschäftige mich ständig, damit keine Gefühle und Gedanken aufkommen 21) muss ich mich selbst ständig beobachten 22) fühle ich mich missverstanden 23) vermeide ich bestimmte soziale Ereignisse 24) fühle ich mich von andern beobachtet 25) entscheide ich sorgfältig, auch wenn die Situation komplex ist 26) kann ich mich mit jemandem streiten und trotzdem in der Beziehung bleiben 27) kann ich mich darauf verlassen, dass ich mit dem Gefühl umgehen kann 28) behandle ich wichtige Bezugspersonen mit Wertschätzung 29) versuche ich im Voraus zu erahnen, welches Verhalten die andern von mir erwarten 30) mache ich meine Handlungen vom (nachfolgenden) Urteil anderer abhängig 31) zeige ich vor allem keine Schwäche ANHANG 32) kann ich mich darauf verlassen, dass ich mit der Situation umgehen kann 33) reagiere ich oft, ohne zu überlegen 34) kann ich nicht mehr aufmerksam zuhören 35) kann ich genau spüren, was in mir vorgeht 36) gibt es oft für mich nur noch einen Weg, um die Spannung zu reduzieren 37) ist meine innere Anspannung sehr hoch 38) kann ich nicht mehr überlegen 39) stehe ich wie neben mir und schaue mir zu 40) kann ich nicht mehr aufnehmen, was andere mir sagen 41) gehe ich allen, die mir nahe sind, aus dem Weg 42)˚ bin ich ausgeglichen 43) versuche ich mich abzulenken, um schöne Gefühle zu vermeiden 44) reagiere ich aggressiv auf andere 45) verstehe ich, was andere meinen, nicht richtig ˚ = Kennzeichnung der Items, die bei den Berechnungen der Faktorenanalysen nicht luden ANHANG 2. Fragebogen: Borderline Symptom Liste (BSL) Instruktion: Bitte beachten Sie folgende Hinweise beim Ausfüllen des Fragebogens: In der unten stehenden Tabelle finden Sie Probleme und Beschwerden, die Ihr Befinden möglicherweise beschreiben. Bitte gehen Sie jede Beschreibung durch und entscheiden Sie, wie stark und ausgeprägt Sie unter den genannten Zuständen in der letzten Woche gelitten haben. Falls Sie derzeit keine Gefühle wahrnehmen, bitten wir Sie, die Aussagen so anzukreuzen, wie Sie denken, wie Sie sich fühlen. Bitte gehen Sie nicht danach, welche Antwort „den besten Eindruck“ machen könnte, sondern antworten Sie so, wie es für Sie persönlich zutrifft. Die Fragen beziehen sich auf den Gesamtverlauf der letzten Woche. Bitte beantworten Sie alle Fragen. Antwortformat: 5-stufiges Antwortformat: „überhaupt nicht“, „ein wenig“, „ziemlich“, „stark“ und „sehr stark“ Während der letzen Woche 1) fühlte ich mich überfordert 2) litt ich unter Schlafstörungen 3) fühlte ich mich von anderen nicht wahrgenommen 4) litt ich unter massiven Angstzuständen 5) konnte ich mich schlecht konzentrieren 6) wusste ich nichts mit mir anzufangen 7) erlebte ich mich als hilflos 8) zog sich in mir alles zusammen 9) fühlte ich mich innerlich zerrissen 10) hatte ich Angst, Fehler zu machen 11) glaubte ich, dass mir niemand helfen kann 12) war ich geistig abwesend und erinnerte nicht, was ich genau tat 13) stand ich anderen Menschen ablehnend gegenüber, die ich zuvor mochte 14) erlebte ich mich wie ein Objekt, nicht wie ein Mensch ANHANG 15) fühlte ich mich niedergeschlagen 16) erlebte ich mich wie erstarrt 17) konnte ich mich kaum artikulieren 18) hatte ich Todessehnsucht 19) war ich auf andere Menschen neidisch 20) litt ich unter Ekelgefühlen 21) war ich zuversichtlich 22) dachte ich an Selbstverletzungen 23) hatte ich Schwierigkeiten meine Gefühle wahrzunehmen 24) gab es niemanden, dem ich wichtig war 25) fand ich mich an einem Ort/Stelle wieder, ohne zu wissen, wie ich dahin gekommen war 26) war ich innerlich ruhig 27) traute ich anderen Menschen nicht 28) glaubte ich, keine Lebensberechtigung zu haben 29) fühlte ich mich einsam 30) stand ich innerlich unter Hochspannung 31) hatte ich Angst, die Nähe eines anderen Menschen vollständig zu verlieren 32) tauchten in mir Szenen auf, die mich stark ängstigten 33) spürte ich keine Lebendigkeit in mir 34) konnte ich die Nähe anderer Menschen nicht ertragen 35) hasste ich mich selbst 36) hatte ich das Gefühl, dass sich Teile meines Körpers auflösen 37) fielen mir alltägliche Entscheidungen schwer 38) hatte ich das Bedürfnis, mich selbst zu bestrafen 39) fühlte ich mich tatkräftig 40) war ich wütend 41) konnte ich meine Erinnerungen kaum steuern 42) hatte ich Schwierigkeiten mit dem Alleinsein 43) konnte ich Teile meines Körpers nicht spüren 44) fühlte ich mich bedroht 45) brach ich Beziehungen abrupt ab 46) hatte ich keine Vorstellung darüber, wie ich wirklich bin ANHANG 47) litt ich unter Schamgefühlen 48) fühlte ich mich von andern isoliert 49) wechselten meine Stimmungen in kurzen Abständen zwischen Angst, Ärger und Depression 50) fühlte ich mich unsicher 51) fühlte ich mich von anderen verlassen 52) spürte ich die Anwesenheit einer Person, die nicht wirklich anwesend war 53) war ich aggressiv 54) fühlte ich mich wie abgeschnitten von mir selbst 55) war ich froh 56) fand ich mich in einem „Gefühls - Wirrwarr“ wieder 57) wurde ich von inneren Bildern gequält 58) fühlte ich mich innerlich leer 59) konnte ich Teile meines Körpers nicht berühren 60) war ich ärgerlich 61) war ich wie versteinert 62) litt ich unter Selbstmordgedanken 63) fühlte ich mich ausgeglichen 64) war ich mit anderen Menschen in Schwierigkeiten verwickelt 65) erkannte niemand, wie es mir wirklich ging 66) litt ich unter der Wahrnehmung von Stimmen oder Geräuschen von aussen 67) litt ich unter der Wahrnehmung von Stimmen oder Geräuschen von innen 68) fühlte ich mich unbeschwert 69) erlebte ich Kritik als vernichtend 70) fühlte ich mich auf die Anwesenheit einer anderen Person angewiesen 71) hatte ich den Eindruck, neben mir zu stehen 72) fühlte ich mich leistungsfähig 73) war ich leicht verletzbar 74) übte die Vorstellung vom Tod eine gewisse Faszination auf mich aus 75) erlebte ich mich wie gelähmt 76) kam ich mir unzulänglich vor 77) war ich verzweifelt 78) hatte ich Alpträume ANHANG 79) hatte ich Angst, durchschaut zu werden 80) fühlte ich mich ausgeruht 81) hatte ich den Eindruck, als ob es unterschiedliche Personen in mir gäbe 82) konnte ich meinen Körper – so wie er ist – überhaupt nicht akzeptieren 83) plagten mich Schuldgefühle 84) glaubte ich, dass mich niemand versteht 85) kam mir alles sinnlos vor 86) fühlte ich mich mir selbst gegenüber ausgeliefert 87) hatte ich Angst, die Kontrolle zu verlieren 88) fand ich mich widerlich 89) war ich nicht in der Lage, die Unterstützung anderer Menschen anzunehmen 90) war ich wie weit entfernt von mir selbst 91) wurde ich von meinen Gefühlen überflutet 92) erlebte ich mich wie taub 93) fühlte ich mich hoffnungslos 94) hielt ich mich für wertlos 95) fühlte ich mich zufrieden Instruktion: Nachdem Sie obige Fragen beantwortet haben, möchten wir Sie noch bitten, Ihre Befindlichkeit während der letzen Woche auf einer Skala von 0 - 100% insgesamt einzuschätzen. 0% bedeutet: ich war auf dem Nullpunkt; 100% bedeutet: ich fühlte mich ausgezeichnet. Bitte markieren Sie durch ankreuzen die Prozentzahl, die am ehesten Ihr subjektives Befinden über die letzte Woche hinweg widerspiegelt. Antwortformat: 11-stufiges Antwortformat: „0% („ganz schlecht“)“ – „100% („ausgezeichnet“)“ ANHANG BSL - Ergänzung: Items zur Erfassung des Verhaltens Instruktion: Zum Abschluss möchten wir Ihnen noch einige Fragen zu einzelnen Verhaltensweisen stellen. Bitte geben Sie bei den einzelnen Fragen, ob und wenn ja, wie häufig Sie die einzelnen Verhaltensweisen in der letzten Woche durchgeführt haben. Antwortformat: 5-stufiges Antwortformat: „gar nicht“, „ein mal“, „zwei mal“, „täglich“ und „mehrmals täglich“ Während der letzten Woche… 1) verletzte ich mich durch schneiden, brennen, würgen etc. Selbst 2) äusserte ich mich gegenüber anderen, dass ich mich umbringen würde 3) machte ich einen Suizidversuch 4) hatte ich Fressanfälle 5) hatte ich Brechanfälle 6) zeigte ich Hochrisikoverhalten, indem ich zu schnell Auto fuhr, auf Hochhäusern herum lief etc. 7) war ich betrunken 8) konsumierte ich Drogen 9) konsumierte ich Medikamente, die nicht verschrieben waren oder über die verschriebene Dosis hinaus 10) hatte ich unkontrollierbare Wutausbrüche oder wurde gegenüber anderen handgreiflich 11) hatte ich sexuelle Kontakte, die ich hinterher bereute ANHANG 3. Fragebogen: BDI Instruktion: Dieser Fragebogen enthält 21 Gruppen von Aussagen. Bitte lesen Sie jede Gruppe sorgfältig durch. Suchen Sie dann die eine Aussage in jeder Gruppe heraus, die am besten beschreibt, wie Sie sich in dieser Woche einschliesslich heute gefühlt haben und kreuzen Sie die dazugehörige Ziffer (0, 1, 2 oder 3) an. Falls mehrere Aussagen einer Gruppe gleichermassen zutreffen, können Sie auch mehrere Ziffern markieren. Lesen Sie auf jeden Fall alle Aussagen in jeder Gruppe, bevor Sie Ihre Wahl treffen. Antwortformat: 4-stufiges Antwortformat: 0 - 3 A 0 Ich bin nicht traurig. 1 Ich bin traurig. 2 Ich bin die ganze Zeit traurig und komme nicht davon los. 3 Ich bin so traurig oder unglücklich, dass ich es kaum noch ertrage. B 0 Ich sehe nicht besonders mutlos in die Zukunft. 1 Ich sehe mutlos in die Zukunft. 2 Ich habe nichts, worauf ich mich freuen kann. 3 Ich habe das Gefühl, dass die Zukunft hoffnungslos ist und dass die Situation nicht besser werden kann. C 0 Ich fühle mich nicht als Versager. 1 Ich hab das Gefühl, öfter versagt zu haben als der Durchschnitt. 2 Wenn ich auf mein Leben zurück blicke, sehe ich bloss eine Menge Fehlschläge. 3 Ich habe das Gefühl, als Mensch ein völliger Versager zu sein. ANHANG D 0 Ich kann die Dinge genau so geniessen wie früher. 1 Ich kann die Dinge nicht mehr so geniessen wie früher. 2 Ich kann aus nichts mehr eine echte Befriedigung ziehen. 3 Ich bin mit allem unzufrieden oder gelangweilt. E 0 Ich habe keine Schuldgefühle. 1 Ich habe häufig Schuldgefühle. 2 Ich habe fast immer Schuldgefühle. 3 Ich habe immer Schuldgefühle. F 0 Ich habe nicht das Gefühl, gestraft zu sein. 1 Ich habe das Gefühl, vielleicht bestraft zu werden. 2 Ich erwarte, bestraft zu werden. 3 Ich habe das Gefühl, bestraft zu werden. G 0 Ich bin nicht von mir enttäuscht. 1 Ich bin von mir enttäuscht. 2 Ich finde mich fürchterlich. 3 Ich hasse mich. H 0 Ich habe nicht das Gefühl, schlechter zu sein als alle anderen. 1 Ich kritisiere mich wegen meiner Fehler und Schwächen. 2 Ich mache mir die ganze Zeit Vorwürfe wegen meiner Mängel. 3 Ich gebe mir für alles die Schuld, was schief geht. I 0 Ich denke nicht daran, mir etwas anzutun. 1 Ich denke manchmal an Selbstmord, aber ich würde es nicht tun. 2 Ich möchte mich am liebsten umbringen. 3 Ich würde mich umbringen, wenn ich die Gelegenheit hätte. ANHANG J 0 Ich weine nicht öfter als früher. 1 Ich weine jetzt mehr als früher. 2 Ich weine jetzt die ganze Zeit. 3 Früher konnte ich weinen, aber jetzt kann ich nicht mehr, obwohl ich es möchte. K 0 Ich bin nicht reizbarer als sonst. 1 Ich bin jetzt leichter verärgert oder gereizt als früher. 2 Ich fühle mich dauernd gereizt. 3 Die Dinge, die mich früher geärgert haben, berühren mich nicht mehr. L 0 Ich habe nicht das Interesse am Menschen verloren. 1 Ich interessiere mich jetzt weniger für Menschen als früher. 2 Ich habe mein Interesse an anderen Menschen zum grössten Teil verloren. 3 Ich habe mein ganzes Interesse an anderen Menschen verloren. M 0 Ich bin so entschlussfreudig wie immer. 1 Ich schiebe Entscheidungen jetzt öfter als früher auf. 2 Es fällt mir jetzt schwerer als früher, Entscheidungen zu treffen. 3 Ich kann überhaupt keine Entscheidungen mehr treffen. N 0 Ich habe nicht das Gefühl, schlechter auszusehen als früher. 1 Ich mache mir Sorgen, dass ich alt oder unattraktiv aussehe. 2 Ich habe das Gefühl, dass Veränderungen in meinem Aussehen eintreten, die mich hässlich machen. 3 Ich finde mich hässlich. O 0 Ich kann so gut arbeiten wie früher. 1 Ich muss mir einen Ruck geben, bevor ich eine Tätigkeit in Angriff nehme. ANHANG 2 Ich muss mich zu jeder Tätigkeit zwingen. 3 Ich bin unfähig zu arbeiten. P 0 Ich schlafe so gut wie sonst. 1 Ich schlafe nicht mehr so gut wie früher. 2 Ich wache 1 bis 2 Stunden früher auf als sonst, und es fällt mir schwer, wieder einzuschlafen. 3 Ich wache mehrere Stunden früher auf als sonst und kann nicht mehr einschlafen. Q 0 Ich ermüde nicht stärker als sonst. 1 Ich ermüde schneller als früher. 2 Fast alles ermüdet mich. 3 Ich bin zu müde, um etwas zu tun. R 0 Mein Appetit ist nicht schlechter als sonst. 1 Mein Appetit ist nicht mehr so gut wie früher. 2 Mein Appetit hat sehr stark nachgelassen. 3 Ich habe überhaupt keinen Appetit mehr. S 0 Ich habe in letzter Zeit kaum abgenommen. 1 Ich habe mehr als 2 Kilo abgenommen. 2 Ich habe mehr als 5 Kilo abgenommen. 3 Ich habe mehr als 8 Kilo abgenommen. Ich esse absichtlich weniger, um abzunehmen: Ja / Nein T 0 Ich mache mir keine grösseren Sorgen um meine Gesundheit als sonst. 1 Ich mache mir Sorgen über körperliche Probleme, wie Schmerzen, Magenbeschwerden oder Verstopfung. ANHANG 2 Ich mache mir so grosse Sorgen über gesundheitliche Probleme, dass es mir schwer fällt, an etwas anderes zu denken. 3 Ich mache mir so grosse Sorgen über gesundheitliche Problem, dass ich an nichts anderes mehr denken kann. U 0 Ich habe in letzter Zeit keine Veränderung meines Interesses an Sex bemerkt. 1 Ich interessiere mich weniger für Sex als früher. 2 Ich interessiere mich jetzt viel weniger für Sex. 3 Ich habe das Interesse an Sex völlig verloren. ANHANG 4. Fragebogen: Berner Fragebogen zum Wohlbefinden (Erwachsenenform) (BFW/E) Instruktion: Beantworten Sie folgende Fragen so, wie Sie für Sie am ehesten stimmen. Gehen Sie bitte der Reihe nach und achten Sie darauf, dass Sie keine Fragen auslassen. Ihre Antworten werden selbstverständlich anonym behandelt. Kreuzen Sie dasjenige Kästchen an, das am ehesten auf Sie zutrifft. Antwortformat: 6-stufiges Antwortformat: „ist total falsch“, „ist sehr falsch“, „ist eher falsch“, „ist eher richtig“, „ist sehr richtig“ und „ist total richtig“ 1) Meine Zukunft sieht gut aus. 2) Ich habe mehr Freude am Leben als die meisten anderen Menschen. 3) Ich bin zufrieden mit der Art und Weise, wie sich meine Lebenspläne verwirklichen. 4) Ich komme gut zurecht mit den Dingen, die in meinem Leben nicht zu verändern sind. 5) Was auch immer passiert, ich kann die gute Seite daran sehen. 6) Ich freue mich zu leben. 7) Mein Leben scheint mir sinnvoll. 8) Mein Leben verläuft auf der rechten Bahn. Antwortformat: 6-stufiges Antwortformat: „keine Sorgen“, „kaum Sorgen“, „ein wenig Sorgen“, „mässig Sorgen“, „recht viele Sorgen“ und „grosse Sorgen“ Haben Sie sich in den vergangenen paar Wochen Sorgen gemacht… 9) wegen Leuten, mit denen Sie Probleme haben? 10) wegen Ihren Eltern? 11) wegen der Beziehung zu Ihren Freunden oder Freundinnen? 12) wegen der Arbeit? ANHANG 13) wegen Ihrer Gesundheit? 14) über das Älterwerden? 15) wegen Ihrem (Ehe-) Partner respektive Ihrer (Ehe-) Partnerin? 16) weil Sie finanzielle Schwierigkeiten hatten? Antwortformat: 4-stufiges Antwortformat: „häufig“, „manchmal“, „einmal“ und „nein“ Kam es in den letzten paar Wochen vor, dass… 17) Sie Magenschmerzen hatten? 18) Sie starkes Herzklopfen oder Herzstiche plagten? 19) Sie krank waren und Ihrer gewohnten Beschäftigung nicht nachgehen konnten? 20) Sie unter Appetitlosigkeit litten? 21) es Ihnen schwindlig war? 22) Sie nicht einschlafen konnten? 23) Sie ungewohnt müde waren? 24) Sie sehr starke Kopfschmerzen hatten? Antwortformat: 6-stufiges Antwortformat: „ist total falsch“, „ist sehr falsch“, „ist eher falsch“, „ist eher richtig“, „ist sehr richtig“ und „ist total richtig“ 25) Ich bin fähig, Dinge ebenso gut wie die meisten anderen Menschen zu tun. 26) Ich fühle mich ebenso wertvoll wie andere. 27) Ich habe mir gegenüber eine positive Einstellung. 28) Ich fühle mich alleine gelassen, auch wenn ich das gar nicht will. 29) Manchmal habe ich das Gefühl, dass mit mir etwas nicht stimmt. 30) Ich habe keine Lust, etwas zu tun. 31) Ich habe das Interesse an anderen Menschen verloren und kümmere mich nicht um sie. 32) Nichts macht mir mehr richtig Freude. 33) Ich finde mein Leben uninteressant. ANHANG 34) Manchmal vergeude ich meine Zeit. Antwortformat: 4-stufiges Antwortformat: „häufig“, „manchmal“, „einmal“ und „nein“ Kam es in den letzten paar Wochen vor, dass… 35) Sie sich freuten, weil Ihnen etwas gelang? 36) Sie sich freuten, weil andere Sie gut fanden? 37) Sie sich rundum glücklich fühlten? 38) Sie das Gefühl hatten, dass Dinge im allgemeinen nach Ihren Wünschen ablaufen? 39) Sie Einflussmöglichkeiten hatten, wenn es Streitigkeiten irgendwelcher Art gab? ANHANG 5. Fragebogen: EMOREG-F Instruktion: Bitte stellen Sie sich bei der Bearbeitung folgender Fragen vor, wie Ihr Familienmitglied in der Auseinandersetzung mit emotional belastenden Ereignissen / Situationen (Konflikte, persönliche Verluste…) reagiert bzw. reagieren könnte. Bsp: In der Auseinandersetzung mit emotional belastenden Ereignissen / Situationen ist es Ihrer Einschätzung nach schon einmal vorgekommen bzw. es könnte vorkommen, dass ……….. andere beteiligte Personen unrealistisch abwertet. Antwortformat: 5-stufiges Antwortformat: „trifft ganz und gar nicht zu“ - „trifft voll und ganz zu“ Kann es schon einmal vorkommen, dass ………. in der Auseinandersetzung mit emotional belastenden Ereignissen / Situationen... 1) diese auf eine sehr allgemeine und abstrakte (nicht konkrete) Weise darstellt? 2) andere beteiligte Personen unrealistisch abwertet? 3) andere nicht richtig versteht bzw. Informationen nicht oder nur verzerrt aufnimmt? 4) oft von wichtigen Themen ablenkt? 5) bei der Darstellung viel überlegt, was sonst hätte sein können, anstatt nüchtern zu erzählen, was geschehen ist? 6) sich durch Bewegung zu beruhigen versucht? 7) extrem müde wird (bis zum Einschlafen)? 8) unrealistische Erwartungen an andere ausdrückt? 9) zu Unrast, Unruhe und Hektik neigt? 10) unvermittelt das Thema wechselt? 11) bedeutsame Beziehungen unrealistisch abwertet? 12) die Bedeutsamkeit des Geschehens abwiegelt? 13) unnötigerweise Verantwortung übernimmt? 14) sich nicht mehr an wichtige Aspekte erinnern kann? 15) Verantwortung realistisch wahrnehmen und zuschreiben kann? ANHANG 16) nicht auf wichtige Aspekte des Ereignisses eingeht? 17) viel herum „wirtschaftet“? 18) allgemeines Wissen bemüht, um ihr Verhalten zu erklären? 19) Verantwortung auf andere abschiebt? 20) die Darstellung dieser durch Albernsein und Witzeln abzuschwächen sucht? 21) dazu neigt, sich selbst zu rechtfertigen? 22) ihre Gefühle klar zeigen und verständlich machen kann? 23) ein Gespräch abrupt abbricht, wenn es ihr unangenehm wird? 24) während eines Gespräches gar nicht oder nur schwer ansprechbar ist? 25) sich an allgemein verbreiteten Regeln festhält? 26) sich bei der Darstellung mehr von „Wunschdenken“ als von Fakten leiten lässt? 27) bei der Beschreibung Details eine grosse Bedeutung beimisst? 28) sich stark in sich selbst zurückzieht? 29) misstrauisch-kontrollierend und unruhig reagiert? 30) sich bei der Beschreibung in Details verliert? 31) diesen eine neue (weniger belastende) Bedeutung gibt? 32) nicht-bedeutsame Beziehungen unrealistisch aufwertet? 33) andere beteiligte Personen unrealistisch aufwertet? 34) diese so darstellt, dass nicht deutlich wird, wann sie stattgefunden haben? 35) einer Auseinandersetzung konsequent aus dem Weg geht? 36) wichtige soziale Beziehungen abbricht? 37) häufig von selbstunsicherem zu selbstsicherem Verhalten wechselt (und umgekehrt)? ANHANG Fragebogen: SCL-90 Instruktion: Sie finden nachstehend eine Liste von Problemen und Beschwerden, die man manchmal hat. Bitte lesen Sie jede Frage einzeln sorgfältig durch und entscheiden Sie, wie stark Sie durch diese Beschwerden gestört oder bedrängt worden sind, und zwar während der vergangenen 7 Tage bis heute. Überlegen Sie bitte nicht erst, welche Antwort den „besten Eindruck“ machen könnte, sondern antworten Sie so, wie es für Sie persönlich zutrifft. Machen Sie bitte nach jeder Frage nur ein Kreuz in das Kästchen unter der für Sie am besten zutreffenden Antwort. Streichen Sie versehentliche Antworten bitte dick durch und kreuzen Sie danach das richtige Kästchen an. Bitte beantworten Sie jede Frage. Antwortformat: 5-stufiges Antwortformat: „überhaupt nicht“, „ein wenig“, „ziemlich“, „stark“ und „sehr stark“ Bsp.: Wie sehr litten Sie unter Rückenschmerzen? Wenn bei Ihnen als Antwort auf diese Frage am besten „sehr stark“ zutrifft, so kreuzen Sie das Kästchen „sehr stark“ an. Wie sehr litten Sie unter…? 1) Kopfschmerzen? 2) Nervosität oder innerem Zittern? 3) immer wieder auftauchenden unangenehmen Gedanken, Worten oder Ideen, die Ihnen nicht mehr aus dem Kopf gehen? 4) Ohnmachts- oder Schwindelgefühlen? 5) Verminderung Ihres Interessens oder Ihrer Freude an Sexualität? 6) allzu kritischer Einstellung gegenüber anderen? 7) der Idee, dass irgend jemand Macht über Ihre Gedanken hat? 8) dem Gefühl, dass andere an den meisten Ihrer Schwierigkeiten schuld sind? 9) Gedächtnisschwierigkeiten? 10) Beunruhigung wegen Achtlosigkeit oder Nachlässigkeit? ANHANG 11) dem Gefühl, leicht reizbar oder verärgerbar zu sein? 12) Herz- und Brustschmerzen? 13) Furcht auf offenen Plätzen oder auf der Strasse? 14) Energielosigkeit oder Verlangsamung in den Bewegungen oder im Denken? 15) Gedanken, sich das Leben zu nehmen? 16) Hören von Stimmen, die sonst keiner hört? 17) Zittern? 18) dem Gefühl, dass man den meisten Leuten nicht trauen kann? 19) schlechtem Appetit? 20) Neigung zum Weinen? 21) Schüchternheit und Unbeholfenheit im Umgang mit dem anderen Geschlecht? 22) der Befürchtung, ertappt oder erwischt zu werden? 23) plötzlichem Erschrecken ohne Grund? 24) Gefühlsausbrüchen, denen gegenüber Sie machtlos waren? 25) Befürchtungen, wenn Sie allein aus dem Haus gehen? 26) Selbstvorwürfen über bestimmte Dinge? 27) Kreuzschmerzen? 28) dem Gefühl, dass es Ihnen schwer fällt, etwas anzufangen? 29) Einsamkeitsgefühlen? 30) Schwermut? 31) dem Gefühl, sich zu viele Sorgen machen zu müssen? 32) dem Gefühl, sich für nichts zu interessieren? 33) Furchtsamkeit? 34) Verletzlichkeit in Gefühlsdingen? 35) der Idee, dass andere Leute von Ihren geheimsten Gedanken wissen? 36) dem Gefühl, dass andere Sie nicht verstehen oder teilnahmslos sind? 37) dem Gefühl, dass die Leute unfreundlich sind oder Sie nicht leiden können? 38) der Notwendigkeit, alles sehr langsam zu tun, um sicher zu sein, dass alles richtig wird? 39) Herzklopfen oder Herzjagen? 40) Übelkeit oder Magenverstimmung? 41) Minderwertigkeitsgefühlen gegenüber anderen? ANHANG 42) Muskelschmerzen (Muskelkater, Gliederreissen)? 43) dem Gefühl, dass andere Sie beobachten oder über Sie reden? 44) Einschlafschwierigkeiten? 45) dem Zwang, wieder und wieder nachzukontrollieren, was Sie tun? 46) Schwierigkeiten, sich zu entscheiden? 47) Furcht vor Fahrten im Bus, Strassenbahnen, U-Bahn oder Zug? 48) Schwierigkeiten beim Atmen? 49) Hitzewallungen oder Kälteschauern? 50) der Notwendigkeit, bestimmte Dinge, Orte oder Tätigkeiten zu meiden, weil Sie durch diese erschreckt werden? 51) Leere im Kopf? 52) Taubheit oder Kribbeln in einzelnen Körperteilen? 53) dem Gefühl, einen Klumpen (Kloss) im Hals zu haben? 54) einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit angesichts der Zukunft? 55) Konzentrationsschwierigkeiten? 56) Schwächegefühl in einzelnen Körperteilen? 57) dem Gefühl, gespannt oder aufgeregt zu sein? 58) Schweregefühl in Armen oder Beinen? 59) Gedanken an den Tod und ans Sterben? 60) dem Drang, sich zu überessen? 61) einem unbehaglichen Gefühl, wenn Leute Sie beobachten oder über Sie reden? 62) dem Auftauchen von Gedanken, die nicht Ihre eigenen sind? 63) dem Drang, jemanden zu schlagen, zu verletzen oder ihm Schmerz zuzufügen? 64) frühem Erwachen am Morgen? 65) zwanghafter Wiederholung derselben Tätigkeiten, wie Berühren, Zählen, Waschen? 66) unruhigem oder gestörtem Schlaf? 67) dem Drang, Dinge zu zerbrechen oder zu zerschmettern? 68) Ideen oder Anschauungen, die andere nicht mit Ihnen teilen? 69) starker Befangenheit im Umgang mit anderen? 70) Abneigung gegen Menschenmengen, z.B. beim Einkaufen oder im Kino? ANHANG 71) einem Gefühl, dass alles sehr anstrengend ist? 72) Schreck- oder Panikanfällen? 73) Unbehagen beim Essen oder Trinken in der Öffentlichkeit? 74) der Neigung, immer wieder in Erörterungen und Auseinandersetzungen zu geraten? 75) Nervosität, wenn Sie allein gelassen werden? 76) mangelnder Anerkennung Ihrer Leistungen durch andere? 77) Einsamkeitsgefühlen, selbst wenn Sie in Gesellschaft sind? 78) so starker Ruhelosigkeit, dass Sie nicht stillsitzen konnten? 79) dem Gefühl, wertlos zu sein? 80) dem Gefühl, dass Ihnen etwas Schlimmes passieren wird? 81) dem Bedürfnis, laut zu schreien oder mit Gegenständen zu werfen? 82) der Furcht, in der Öffentlichkeit in Ohnmacht zu fallen? 83) dem Gefühl, dass die Leute Sie ausnutzen, wenn Sie es zulassen würden? 84) sexuellen Vorstellungen, die ziemlich unangenehm für Sie sind? 85) dem Gedanken, dass Sie für Ihre Sünden bestraft werden sollten? 86) schreckerregenden Gedanken und Vorstellungen? 87) dem Gedanken, dass etwas ernstlich mit Ihrem Körper nicht in Ordnung ist? 88) dem Eindruck, sich einer anderen Person nie so richtig nahe fühlen zu können? 89) Schuldgefühlen? 90) dem Gedanken, dass irgendetwas mit Ihrem Verstand nicht in Ordnung ist?