Mit der Schlüssellochtechnik operieren Im Medizindialog Bergisch Gladbach: Die minimal-invasive Chirurgie Welch enorme Fortschritte die Chirurgie in ihren technischen Möglichkeiten gemacht hat, zeigte Dr. Andreas Hecker, der Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie im Medizindialog auf. Er referierte über die minimal-invasive Chirurgie (MIC) und typische Krankheitsbilder, für welche die sogenannte Schlüssellochtechnik als Operationsmethode infrage kommt. Lange, große Schnitte in die Hautschicht, Narbeninfektionen oder gar spätere Narbenbrüche: All das spukt in den Alpträumen eines Patienten, der sich einer größeren Operation unterziehen muss. Und stellt gleichzeitig die Risiken seines Chirurgen dar, der ihn operiert. Da ist es nur verständlich, dass die Ärzte großes Interesse daran haben, ihre Techniken immer mehr zu verfeinern. So minimieren sie die Risiken und postoperativen Schmerzen für ihre Patienten heute, in dem sie immer kleiner Schnitte setzen. In den letzten 20 Jahren hat sich deshalb die sogenannte „Schlüssellochtechnik“, die minimal-invasive Chirurgie (MIC) in vielen medizinischen Fachbereichen durchgesetzt. Medizindialog-Referent Dr. Andreas Hecker beschreibt das Ziel so: „Wir Chirurgen wollen heute Eingriffe mit kleinstmöglichem Trauma, also einer möglichst geringen Verletzung von Weichteilen oder Haut. Dazu setzen wir nur noch drei bis vier kleine Schnitte. Dann führen wir Trokare (lange, dünne Schläuche) in den Körper. Durch sie schieben wir eine Videokamera, eine Lichtquelle und Spezialinstrumente zum Operieren.“ Waren zu Beginn nur Bereiche 16 StippVisite Informierte beim Medizindialog in Bergisch Gladbach über die Möglichkeiten und Grenzen der minimal-invasiven Medizin: Dr. Andreas Hecker, Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie am EVK mit natürlichen Körperhöhlen behandelbar, können die Mediziner mittlerweile auch an sehr engen Stellen tätig werden. Dazu pumpen sie ein steriles Gas (Kohlenstoffdioxid) in den Körper und schaffen sich so genügend Platz für ihre Instrumente. Vor- und Nachteile der minimalinvasiven Chirurgie (MIC) Der Vorteil der minimal-invasiven Methode liegt auf der Hand: Kleine Einschnitte verheilen besser als große. Kosmetisch von Vorteil sind außerdem die kleinen, kaum sichtbaren Narben, die zurückbleiben. Außerdem sind Verwachsungen oder Narbenbrüche bei diesem Verfahren sehr selten. Durch die relativ kleine Verletzungsfläche halten sich die Schmerzen nach dem Eingriff in Grenzen. Die Patienten erholen sich zügig und werden schnell wieder beweglich. Sie können mit einem kürzeren Krankenhausaufent­ halt rechnen und besonders wichtig für Berufstätige: Sie können schneller in den Job zurückkehren als nach offenen Operationen. „Aber keine Methode ist frei von Nachteilen“, erklärt Dr. Andreas Hecker seinem Publikum offen. „Die minimal-invasive Chirurgie ist technisch aufwendiger als offene Operationen und damit natürlich auch teurer.“ So mancher Medizindialog-Zuhörer äußert die Sorge, ob die Ärzte für so viel Technikanwendung überhaupt ausreichend ausgebildet sind. Hier kann Dr. Hecker beruhigen: „Für die­se Form der Chirurgie bedarf es einer spezifischen Ausbildung, die alle Operateure erst einmal durchlaufen müssen. Da wächst man ganz langsam mit viel Erfahrung rein. Und auch das Team muss perfekt aufeinander abgestimmt sein.“ Ein weiterer Aspekt, der problematisch sein kann: Das Operationsfeld ist bei laparoskopischen Eingriffen nicht ­immer übersichtlich. Auf dem Bildschirm sieht der Operateur nur zweidimensional. „Außerdem kann er bei diesem Verfahren nicht auf seinen gut ausgeprägten Tastsinn setzen, wie wir es bei einer offenen Operation tun, bei der wir in den Körper reingreifen,“ erklärt der erfahrene Mediziner. Für welche Krankheiten kommt eine minimal-invasive Operation in Frage? Bei allen Risiken überwiegen insgesamt aber die Vorteile, wie viele positive Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte zeigen, darin sind sich die Experten einig. Besonders Eingriffe im Bauchraum (Laparoskopien) und in den Leis­ten werden heute bevor­zugt minimal-invasiv durch- Für welche Krankheiten die minimal-invasive Methode infrage kommt, und wann besser konservativ operiert werden sollte, interessierte die Besucher des Medizindialogs ganz besonders. Viele Einzelfälle wurden im Gespräch geführt. Aber auch me- mit dem Referenten, Dr. Andreas Hecker, ausführlich diskutiert. dizinische Disziplinen wie die Brustkorb- und Unfallchirurgie oder • Narbenbruch-Operationen Spannungen in den Muskeln, weshalb die Gynäkologie setzen immer häuNarbenbrüche sind eine häufige Folge Schmerzen in der Phase der Netzstafiger auf dieses Verfahren. In seinem von großen offenen Eingriffen. Bei bilisierung keine Seltenheit sind. eigenen Bereich innerhalb der All­ge­ über 800.000 Bauchoperationen im mein- und Viszeralchirurgie behan­delt Jahr kommt es in 120.000 bis 150.000 • Gallenblasen-Entfernungen Chefarzt Dr. Hecker folgende Krank­­­ Fällen zu den gefürchteten Narben(Cholezystektomie) heitsbilder bevorzugt endoskopisch: hernien, das betrifft also zehn bis 20 Die Entfernung der Gallenblase geProzent der Patienten. In diesen Fälhörte zu den ersten Operationen, die • Leistenbruch-Operationen len bildet MIC eine sinnvolle Behandmit der minimal-invasiven Technik (TEPP) lungsalternative, da konventionelle durchgeführt wurde. Heute ist sie Beim klassischen Leistenbruch kann Nahtverfahren eine komplette Wiequasi die Standardmethode. mit dieser Technik die Bruchpforte dereröffnung der alten Narbe erforspannungsfrei verschlossen werden derlich machen. Laparoskopisch wird • Dickdarm-Operationen und durch das Einführen eines Netzes ein Netz in die Bauchhöhle eingeführt, (Divertikel­erkrankungen oder ein gutes Ergebnis erzielt werden. Bedas mit einer besonderen BeschichTumore) reits nach zwei bis drei Wochen sind tung versehen ist. Diese Operation ist Bei chronisch entzündlichen Darmdie Patienten in der Regel wieder beweniger belastend als herkömmliche beschwerden, gutartigen Verändelastbar. Es besteht nur ein geringes RiVerfahren. Allerdings verursacht das rungen oder bösartigen Erkrankungen siko für einen erneuten Leistenbruch. gewünschte Anwachsen des Netzes des Darms können mit der Schlüssellochmethode gute Ergebnisse erzielt werden. Mit modernsten Instrumenten, wie dem sogenannten „Stapler“, kann der Darm innerhalb des Körpers abgetrennt und sofort neu zusammengeführt werden. Ähnlich einem Tacker verbinden kleinste Titanklammern beide Endstücke miteinander und machen sie so wieder dicht. PolyFortsetzung auf Seite 20 StippVisite 17 Fortsetzung von Seite 17 pen oder Tumore können unblutig abgetrennt und mit einem sogenannten „Bergungssack“ sicher durch die Trokare aus dem Körper heraustransportiert werden. Chirurgie, da auch die gesamte Bauchhöhle beurteilt werden kann. Möglichkeiten und Grenzen der Operationstechnik Trotz vieler Vorteile der minimal-invasiven Operationsmethode gibt es auch darm oder Scheide, durch die sie ihre Instrumente ohne größere Verletzungen an das betroffene Operationsfeld heranführen. „Ob sich diese Methode durchsetzen wird, bleibt abzuwarten“, gibt der Referent zu bedenken. „NOTES ist ein sehr aufwen- Ein Beispiel für moderne Instrumente, die es den Chirurgen heutzutage ermöglichen, Operationen per Schlüssellochmethode mit nur minimalen Einschnitten durchzuführen. • Zwerchfellbrüche und Refluxkrankheiten (Fundoplicatio) Wer unter starken Beschwerden durch Sodbrennen leidet, die mit herkömmlichen Medikamenten nicht behandelt werden können, für den kommt ein minimal-invasiver Eingriff infrage. Auch schwere Entzündungen der Speiseröhre, bei denen ein Entartungsrisiko besteht, oder große Zwerchfellbrüche sind eine mögliche Indikation. Über diese Beispiele hinaus sind Operationen der Schilddrüse oder Magenbandbehandlungen bei krankhaftem Übergewicht klassische Fälle für MIC. Auch Milz- und Blindarmentfernun­ gen, Verwachsungen im Bauchraum oder diagnostische Eingriffe zur Entnahme von Gewebeproben sind klassische Zielfelder. Gerade Blinddarmentfernungen sind heutzutage eine Domäne der laparoskopischen 20 StippVisite Grenzen. Diese sind meist technischer Natur, denn es können nur sehr kleine Instrumente zum Einsatz kommen. Natürlich gibt es grundsätzlich auch Kontraindikationen bei bestimmten Patientengruppen oder Krankheiten, wie bei ausgeprägter Herzschwäche oder vorausgegangenen großen Bauch­operationen. diges Verfahren, und über eventuelle neue Risiken ist uns noch zu wenig bekannt.“ Gesichert ist aber die Erkenntnis, betont der Chefarzt zum Abschluss seines Vortrags, dass minimal-invasive Chirurgie die Patienten weniger traumatisiert als konventionelle chirurgische Vorgehensweisen. Wichtig ist ihm auch, zu vermitteln: „Nicht alles ist heute endoskopisch möglich und umgekehrt ist nicht alles Mögliche auch sinnvoll. Das gilt es immer, im Auge zu behalten.“ Aber die Chirurgen entwickeln ihre Technik beständig weiter. Mit der NOTES-Chirurgie (Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery) Natalie Brincks versucht man nun, den Traum vom (fast) narbenfreien Operieren Ihr Ansprechpartner zum Thema wirklich werden Minimal-invasive Chirurgie (MIC) am EVK: zu lassen, erklärt Dr. Hecker. Dr. Andreas Hecker Dazu nutzen die Chefarzt für AllgemeinChirurgen naund Viszeralchirurgie türliche Körperöffnungen wie Telefon: 02202 / 122-2300 Mund, Mast-