Verhältnis zwischen Patentschutz für biotechnologische

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FRAGE 93
Biotechnologie
(Verhältnis zwischen Patentschutz für biotechnologische
Erfindungen und Schutz von Pflanzensorten;
Patentfähigkeit von Tierzüchtungen)
Jahrbuch 1988/II, Seiten 237 - 239
Geschäftsführender Ausschuss von Sydney, 10. - 15. April 1988
Q93
FRAGE Q93
Verhältnis zwischen Patentschutz für biotechnologische Erfindungen und
Schutz von Pflanzensorten; Patentfähigkeit von Tierzüchtungen.
Entschliessung
Unter Berücksichtigung der Arbeitsrichtlinien und nach Kenntnisnahme der Berichte der
Landesgruppen (Jahrbuch IVfgR 1987/V) sowie nach erneuter Überprüfung der
Resolution von Rio de Janeiro zu Frage 82 (Jahrbuch IVfgR 1985/III, S. 348) bestätigt die
IVfgR
erneut den Grundsatz, dass Erfindungen, die sich auf lebende Organismen beziehen, sei
es Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere oder deren Teile, oder auf anderes biologisches
Material, oder auf Verfahren zu deren Herstellung oder Anwendung, unter der einzigen
Bedingung patentierbar sein sollten, dass sie die üblichen Patentierungsvoraussetzungen
erfüllen. Die Resolution von Rio de Janeiro, die diesen Grundsatz niedergelegt hat, ist allgemein anerkannt worden und hatte positiven Einfluss auf die laufenden Arbeiten der
WIPO.
Drei Jahre nach Rio de Janeiro gibt es keinen Grund an diesem Grundsatz, der
allgemeine Anwendung finden sollte, irgendwelche Einschränkungen vorzunehmen.
Insbesondere sollte der Begriff der „biotechnologischen Erfindung“ nicht auf gewisse
spezifische Methoden beschränkt sein.
Unter Berücksichtigung der positiven Wirkungen des Patentschutzes für den technologischen, wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und auf Grund der bestehenden Erfahrungen mit dem Patentschutz für chemische Stoffe, Pharmazeutika, Lebensmittel und
Mikroorganismen, ist die IVfgR der Überzeugung, dass der Patentschutz gleichermassen
nützlich sein wird für die überaus notwendige Innovation in den Bereichen der Pflanzenund Tierproduktion. Die in den nationalen Gesetzen gegen Missbräuche des Patentrechts
vorgesehenen Rechtsmittel werden als ausreichend und zufriedenstellend angesehen.
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Das Bedürfnis nach Patentschutz in diesem Bereich wird bestärkt durch die grossen
Unterschiede hinsichtlich der Anzahl der geschützten Arten von Pflanzen in einzelnen
UPOV-Mitgliedsländern, die dazu führen, dass in bestimmten Ländern für viele Arten
keine Sortenschutzrechte erhältlich sind.
Moralische und ethische Probleme, die im Zusammenhang mit der Anwendung der neuen
Techniken in der Biotechnologie entstehen können, sollten in erster Linie durch
gesetzliche Bestimmungen gelöst werden, die sich speziell mit diesen Fragen befassen
und auf die sich die Patentgesetze fast aller Staaten beziehen, indem sie Erfindungen,
die gegen Moral und öffentliche Ordnung verstossen, von der Patentierbarkeit
ausschliessen.
Die IVfgR
bringt den Wunsch zum Ausdruck, dass alle sich aus diesem fundamentalen Grundsatz
ergebenden Schlussfolgerungen gezogen werden, insbesondere:
a) Alle Verbote der Patentierbarkeit von Lebewesen, sei es von Pflanzen, Tieren oder
anderen Organismen oder von deren Herstellungsverfahren, die in den nationalen Gesetzen oder internationalen Verträgen, insbesondere im Europäischen Patentübereinkommen bestehen, sollten so bald wie möglich beseitigt werden. Da die notwendigen
Änderungen einige Zeit beanspruchen werden, sollten in der Zwischenzeit die bestehenden Bestimmungen so ausgelegt werden, dass der Patentschutz möglichst wenig eingeschränkt wird. Die IVfgR unterstützt die Vorschläge der WIPO in den „Vorgeschlagenen
Lösungen“ (suggested solutions) 1 und 9 des Dokuments BIOT/III/2, vom 8. April 1987,
wonach der Patentschutz erlaubt sein soll für alle durch patentierbare Verfahren hergestellten Pflanzen oder Tiere und für Pflanzen, pflanzliches Material oder Tiere, die als
solche keine Pflanzensorten oder Tierrassen darstellen. Das bedeutet, dass die
Wirkungen solcher Patente nicht durch den bestehenden Ausschluss von Pflanzensorten
und Tierrassen vom Patentschutz beeinträchtigt werden.
b) Es ist notwendig, die in der Resolution von Rio de Janeiro zum Ausdruck gebrachte
Meinung eindeutig zu bestätigen, dass das Verbot des Doppelschutzes durch Patente
und Sortenschutzrechte, dort wo es noch besteht, insbesondere im Artikel 2 Abs. 1 des
UPOV-Übereinkommens und in den Gesetzen der UPOV-Mitgliedsländer, beseitigt
werden sollte. Es sollte die volle Freiheit wieder hergestellt werden, nicht nur die
Schutzform, das Patent oder das Sortenschutzrecht, zu wählen, sondern die Möglichkeit
zu haben, denselben Gegenstand sowohl durch ein Patent als auch durch ein
Sortenschutzrecht zu schützen, wenn und insoweit die jeweiligen Schutzvoraussetzungen
erfüllt sind.
Die Möglichkeit des Schutzes sowohl durch Patente als auch durch Sortenschutzrechte
kann zu verschiedenen Schutzrechtsinhabern an demselben Gegenstand führen. Sollte
es notwendig sein Lizenzen zu erwerben, um Verletzungen von Rechten zu vermeiden,
sei es durch die Beteiligten selbst, sei es durch andere Interessierte, ist die IVfgR der
Ansicht, dass die üblichen Verträge zwischen den Beteiligten das geeignete Mittel zur
Lösung von Lizenzfragen sind.
c) Die Bedeutung und der Wert des Schutzes von Pflanzensorten nach dem UPOV-Übereinkommen sind anerkannt. Dieser Schutz soll verstärkt werden, um sowohl jene
Innovationen besser schützen zu können, die die Patentierungsvoraussetzungen nicht erfüllen, als auch die Verhandlungsposition der Sortenschutzinhaber im Geschäftsverkehr
zu stärken. Insbesondere sollte Artikel 5 Abs. 3, der die freie Nutzung geschützter Sorten
als Ausgangsmaterial für die Züchtung neuer Sorten erlaubt, geändert werden. Zumindest
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sollte für die kommerzielle Nutzung der neuen Sorte die Zahlung von Lizenzgebühren vorgesehen werden. Besonders zu erwähnen ist die schon bestehende Bestimmung des
Artikel 5 Abs. 4, die die Möglichkeit des Schutzes für Endprodukte einräumt. Die IVfgR
möchte die Mitgliedsländer ermutigen, von dieser Bestimmung in ihren nationalen Gesetzen zumindest in bezug auf Zierpflanzen Gebrauch zu machen.
Die IVfgR
ist, was den Patentschutz für selbstvermehrbares Material angeht, der Auffassung, dass
die Frage der Erschöpfung des Patentrechts bezüglich der Replikation oder Differenzierung des patentierten Erzeugnisses oder dessen Derivate in vielen Ländern ungewiss ist.
Die IVfgR ist der Meinung, dass sich die Lösung dieses Problems erst in der Entwicklung
befindet und möglicherweise sowohl durch den Gesetzgeber als auch durch die Gerichte
zu entscheiden sein wird. In der Zwischenzeit unterstützt die IVfgR, die im WIPODokument BIOT/III/2 vom 8. April 1987 vorgeschlagenen Lösungen Nr. 12, 13 und 14,
wonach sich der gewährte Schutz grundsätzlich auf Erzeugnisse der Replikation und der
Differenzierung sowie deren Derivate erstrecken soll.
Die IVfgR
beschliesst die Untersuchung von Verbesserungen und Änderungen des UPOV-Übereinkommens fortzusetzen und lädt den Ausschuss 51 ein, einen entsprechenden Bericht zur
Vorlage anlässlich des Kongresses von Amsterdam im Juni 1989 zu erstellen.
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FRAGE 93
Biotechnologie
(Verhältnis zwischen Patentschutz für biotechnologische
Erfindungen und Schutz von Pflanzensorten;
Patentfähigkeit von Tierzüchtungen)
Jahrbuch 1992/II, Seite 355
Präsidentenrat von Luzern, 15. - 19. September 1991
Q93
FRAGE Q93
Verhältnis zwischen Patentschutz für biotechnologische Erfindungen und
Schutz von Pflanzensorten; Patentfähigkeit von Tierzüchtungen.
Entschliessung
Der Präsidentenrat beschliesst, dass das Studium der Frage Q 93 betreffend Biotechnologie und Sortenschutz namentlich auf folgende Punkte Bezug haben sollte:
1. Die vollständige Beseitigung des Verbotes des Doppelschutzes für Pflanzensorten in
der nationalen Gesetzgebung betreffend die Rechte der Inhaber von
Sortenschutzrechten.
2. Die Beseitigung der Nichtpatentierbarkeit von Pflanzensorten und Lebewesen in den
Patentgesetzen.
3. Die Ausdehnung des Schutzbereiches von Erfindungspatenten für Erzeugnisse und
Verfahren betreffend selbstreproduzierendes Material auf nachfolgende Generationen
und Material, in welchem sich die Charakteristiken der Erfindung wiederfinden, ausser
wenn die Reproduktion die unvermeidbare Folge des angestrebten Gebrauchs des
Materials ist, das der Patentinhaber auf den Markt gebracht hat.
4. Eine Erfindung wird nicht als Entdeckung betrachtet, noch deren Neuheit verneint, aus
dem einzigen Grund, dass die Erfindung Teil von Material ist, das vorbestand.
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FRAGE 93
Biotechnologie
(Verhältnis zwischen Patentschutz für biotechnologische
Erfindungen und Schutz von Pflanzensorten;
Patentfähigkeit von Tierzüchtungen)
Jahrbuch 1992/III, Seiten 297 - 299
Geschäftsführender Ausschuss von Tokio, 5. - 11. April 1992
Q93
FRAGE Q93
Verhältnis zwischen Patentschutz für biotechnologische Erfindungen und
Schutz von Pflanzensorten; Patentfähigkeit von Tierzüchtungen.
Entschliessung
Unter Berücksichtigung der Arbeitsrichtlinien (Jahrbuch AIPPI 1992/I S. 119) und nach
Kenntnisnahme der Berichte der Landesgruppen (Jahrbuch AIPPI 1991/III) und nachdem
sie die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet und insbesondere die Revision des
UPOV-Uebereinkommens zum Schutz von Pflanzenzüchtungen und gewisse Vorschläge
für die nationale und internationale Gesetzgebung überprüft hat,
bestätigt die AIPPI
erneut ihre Resolutionen von Rio de Janeiro von 1985 (Jahrbuch AIPPI 1985/lll S. 348)
und Sydney von 1988 (Jahrbuch AIPPI 1988/ll S. 237) und ruft unter ausdrücklicher
Berücksichtigung der Möglichkeit, dass Erfindungen im Bereich der Biotechnologie
moralische oder ethische Probleme verursachen könnten, ihre Aussage in der Resolution
von Sydney in Erinnerung, wonach:
„Moralische und ethische Probleme, die im Zusammenhang mit der Anwendung der
neuen Techniken in der Biotechnologie entstehen können, in erster Linie durch
gesetzliche Bestimmungen gelöst werden sollten, die sich speziell mit diesen Fragen
befassen und auf die sich die Patentgesetze fast aller Staaten beziehen, indem sie
Erfindungen, die gegen Moral und öffentliche Ordnung verstossen, von der
Patentierbarkeit ausschliessen“.
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Die AIPPI
nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Aenderungen in der neuen UPOV Akte von 1991 die
meisten ihrer in den Resolutionen von Rio de Janeiro und Sydney vorgebrachten
Wünsche erfüllen und
beschliesst:
1. Allgemein:
1.1
dass sämtliche nationalen oder internationalen Bestimmungen, wie Art. 53 b des
Europäischen Patentübereinkommens von 1973, die den Schutz von Pflanzensorten oder Tierarten oder im wesentlichen biologischen Verfahren zur Herstellung
von Pflanzen oder Tieren durch ein Patent verbieten, abgeschafft werden sollten;
1.2
dass es in der zukünftigen nationalen oder internationalen Gesetzgebung, wie dem
vorgeschlagenen Patent-Harmonisierungsvertrag oder der vorgeschlagenen
Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft über den Schutz biotechnologischer Erfindungen, keine Bestimmungen geben sollte, die die Wirkung von solchen und
ähnlichen Verboten haben würden;
1.3
dass insbesondere, und dem Vorbild der neuen UPOV Akte folgend, die vorgeschlagene Verordnung der Europäischen Gemeinschaft über Pflanzensortenschutzrechte keine Bestimmungen enthalten sollte, die mit der Möglichkeit des
Doppelschutzes oder mit der Möglichkeit des Schutzes von Pflanzensorten entweder durch ein Patent oder durch ein Sortenschutzertifikat im Widerspruch stehen;
1.4
dass es wünschenswert ist, dass Biotechnologie-Patente, die einen allgemeinen
technischen Fortschritt betreffen, und Pflanzensortenschutzzertifikate, die sich im
wesentlichen auf bestimmte Pflanzensorten beziehen, nebeneinander existieren
und die Möglichkeit eines starken, vollständigen und komplementären Schutzes
bieten sollten;
1.5
dass ein solcher Schutz im bestverstandenen langfristigen Interesse der Erfinder,
Züchter, Landwirte und Konsumenten gleichermassen liegt.
2. Betreffend den Schutzumfang biotechnologischer Patente:
2.1
dass solche Patente denselben Schutzumfang wie alle anderen Patente bieten
sollten;
2.2
dass sich der Umfang dieses Schutzes:
-
bei Produktpatenten auf Folgegenerationen des beanspruchten Materials erstreckt
und
-
bei Verfahrenspatenten die natürlich reproduzierten Folgegenerationen als
direkte Verfahrensprodukte erfasst;
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2.3
dass die bestehenden Erschöpfungslehren anzuwenden sind, jedoch im Hinblick
auf die Besonderheiten des patentierten Materials ein Bedürfnis für eine Anpassung
gegeben sein könnte; und insbesondere zur Zeit keine Rechtfertigung für ein
sogenanntes "Landwirteprivileg" besteht;
2.4
dass Vorkehrungen getroffen werden sollten für die Möglichkeit, dass die Hinterlegung von sich auf makrobiologische Erfindungen beziehenden biologischen
Materials gleich wie bei mikrobiologischen Erfindungen erfolgen kann.
3. Betreffend den Schutzumfang von Pflanzensortenschutzzertifikaten:
3.1
empfiehlt, dass die nationalen Gesetzgeber von der in Art. 15 (2) der neuen UPOV
Akte vorgesehenen Möglichkeit des "Landwirteprivilegs" unter dem Pflanzensortenschutzsystem nur in Ausnahmefällen Gebrauch machen sollten, und dass,
falls von einer solchen Option Gebrauch gemacht wird, dies unter strenger Wahrung
der legitimen Interessen der Züchter geschehen sollte, da ohne sie die
Verbesserungen nicht gemacht werden würden;
3.2
Im Hinblick auf den durch die neue UPOV Akte gewährten erweiterten Schutzumfang sollten auch verbesserte Mechanismen für öffentliche Verfügbarkeit der
geschützten Sorte untersucht werden.
4. Betreffend die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Rechten:
4.1
wird nochmals bekräftigt, dass die Möglichkeit des Schutzes sowohl durch Patente
als auch durch Sortenschutzrechte zu verschiedenen Schutzrechtsinhabern an
demselben Gegenstand führen kann. Sollte es notwendig sein, Lizenzen zu erwerben, um Verletzungen von Rechten zu vermeiden, sei es durch die Beteiligten
selbst, sei es durch andere Interessierte, so sind in erster Linie die üblichen Verträge zwischen den Beteiligten das geeignete Mittel zur Lösung von Lizenzfragen;
4.2
spricht sich zu Gunsten von Vorschriften aus, die es ermöglichen, dass die Anmeldung für ein Recht als Grundlage für die Beanspruchung der Priorität für die
Anmeldung des anderen Rechts dienen kann; insbesondere sollten Pflanzensortenschutzzertifikate in Art. 4 A der Pariser Verbandsübereinkunft von 1883 aufgenommen werden.
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