Ernst Bloch – Philosoph der Hoffnung - nn

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Ernst Bloch – Philosoph der Hoffnung
philosophisches Cafe mit Prof. Michael Weingarten und Dr.Thomas Oser
12. Juli 2015 von 11 bis 13 Uhr , Alte Seegrasspinnerei, Nürtingen, Plochinger Straße 14
Der Name der nn-akademie leitet sich u.a. von einer Begrifflichkeit ab, die bei Ernst Bloch eine zentrale
Bedeutung hat: „ noch nicht“ . Mit diesen Worten verweist Bloch immer wieder auf die zentrale Bedeutung
der Kategorie des Möglichen für den Menschen, der „noch nicht ist“ und zugleich für die Natur, die ebenfalls
eine permanent werdende ist. In der konkreten Utopie, vor allem aber in der Kunst kann dieses „noch nicht“
als Vorschein des Möglichen erfahrbar werden.
Bekannt geworden ist Ernst Bloch vor allem durch sein Buch „Das Prinzip Hoffnung“, in dem er eine
philosophische Landkarte konkreter Utopien entworfen hat. Der Stuttgarter Philosoph Prof. Michael
Weingarten beleuchtet im Café denk-art am Sonntag, 12. Juli um 11 Uhr in der Nürtinger Alten
Seegrasspinnerei, Plochingerstraße 14, das Leben und Werk dieses Denkers, dessen Geburtstag sich in
diesem Monat zum 130. Mal jährt. Besonders besprochen wird Blochs Konzept einer Allianztechnik, in
welcher menschliches Wirken und die sich selbst organisierende Kräfte der Natur im Einklang sind.
Veranstaltet wird das Café denk-art vom Forum zukunftsfähiges NT, der nn-akadmie e.V. und der Alten
Seegrasspinnerei. Das Café öffnet um 10.30 Uhr.
„Naturliebe und prometheischer Furor“ (von Dr. Thomas Oser)
Beim denk-art Café ging es um Ernst Bloch und seine Idee einer Allianztechnik
„Das ist doch alternativlos.“ Diesen Ausspruch hört man in letzter Zeit oft – allzu oft, meinte Michael
Weingarten am vergangenen Sonntag beim siebten denk-art Café über den Philosophen Ernst Bloch
("Prinzip Hoffnung") anlässlich dessen 130. Geburtstages. Damit hatte der Professor aus Stuttgart den
philosophischen Gewährsmann im Gepäck, für den es immer einen offenen Möglichkeitsraum gab.
Denn für Bloch, so führte Weingarten aus, seien wir Menschen noch unfertige Wesen, die in eine prinzipiell
offene Zukunft blickten und diese auch weitgehend frei gestalten könnten. Die Möglichkeiten, die in uns
angelegt seien, seien keine fixen, vorgegebenen Muster, sondern vielmehr offene Spielräume.
Zum speziellen Thema dieses Vormittags – Blochs Konzeption einer Allianztechnik – gelangte Weingarten,
als er auf den Naturbegriff des Denkers der konkreten Utopie zu sprechen kam: Dieser habe ab Mitte der
1920er-Jahre die Natur in seine Philosophie einbezogen: Im Unterschied zu damals vorherrschenden
mechanistischen Theorien habe Bloch diese als etwas Lebendiges und Wirkendes begriffen und damit an
die Lehren Goethes und Schellings angeknüpft.
Doch Bloch sei über diese beiden noch hinausgegangen, indem er auch die Natur als etwas gesehen habe,
das noch in Möglichkeit sei: Die Evolution sei Bloch zufolge nicht abgeschlossen, sondern hätte ähnlich wie
die menschliche Geschichte eine offene Zukunft vor sich. Diese hänge aber, so interpretierte Weingarten
Bloch, wesentlich von der Mitwirkung des Menschen ab.
Damit war nun das Gespräch bei der Frage nach der Technik angelangt, denn vor allem mittels ihrer
verwandle beziehungsweise korrumpiere der Mensch tatkräftig seine natürlichen Voraussetzungen. In
diesem Zusammenhang zitierte Weingarten ein scharfes Diktum des kapitalismuskritischen Bloch: „Unsere
bisherigen Technik steht in der Natur wie eine Besatzungsarmee im Feindesland und vom Landesinnern
weiß sie nichts.“
Demgegenüber ziele Bloch, so Weingarten, auf ein neues Verständnis von Technik – eine, die innerlich mit
der Natur vermittelt sei, indem sie mit den selbst organisierenden natürlichen Kräften verbündet sei und mit
diesen in einen Dialog trete. Diese ehrenwerte Vision verhinderte aber nicht, dass sich Bloch mit einigen
seiner diesbezüglichen Ansichten gewaltig verstiegen hat. So wies Weingarten darauf hin, dass der Denker
aufgrund seines allzu prometheischen Furors so hochriskante Technologien wie die Atomkraft begeistert
begrüßt habe – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass diese nicht Profitinteressen diene, sondern
sozialistisch verwaltet würde.
Der Referent versuchte diese und ähnliche Blochsche Irrtümer zu korrigieren, indem er einen anderen
Leitsatz des Philosophen in Erinnerung rief: Neue Technologien dürften die zukünftigen Möglichkeiten des
Menschen und der Natur nicht infrage stellen und schon gar nicht zunichtemachen. Damit führte Weingarten
den „Utopisten“ Bloch ein Stück weit an seinen Antipoden Hans Jonas heran, der in seinem Buch „Prinzip
Verantwortung“ etwas Ähnliches gefordert hatte.
Doch trotz dieser Abschwächung des utopischen Impetus von Blochs Technik-Philosophie waren nicht alle
der fast vierzig Gäste mit dem Philosophen der Hoffnung einig: Wenn auch die innere Vermittlung von
Mensch und Natur löblich sei, schieße Bloch aber über das Ziel hinaus, wenn er letztlich Mensch und Natur
in eins werfe. Die Folge sei, dass dann alles menschliche Tun als natürlich gerechtfertigt werden könne.
Wie immer bei einem denk-art Café gab es auch dieses Mal eine künstlerische Einstimmung: Andreas
Mayer-Brennenstuhl von der nn-akademie, die ihren Namen von Blochs Begriff des Noch-Nicht entliehen
hat, verteilte zu den Klängen der Oper „Fidelio“, Blochs Lieblingsoper, Fernrohre aus Pappe, mit denen man
schon mal Utopia anvisieren konnte.
Zitate zum Verhältnis des Menschen zu Natur-Allianztechnik
(Auswahl Dr. Erich Weinreuter) aus Ernst Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Suhrkamp Taschenbuch
Wissenschaft, 9. Aufl. 2013, Kap. 33 – 42
S. 807
„Die endgültig manifestierte Natur liegt nicht anders wie die endgültig manifestierte Geschichte im
Horizont der Zukunft, und nur auf diesen Horizont laufen auch die künftig wohlerwartbaren
Vermittlungskategorien konkreter Technik zu.“
S. 807
„Je mehr gerade statt der äußerlichen (Überlistungstechnik) eine Allianztechnik möglich werden
sollte, eine mit der Mit-produktivität der Natur vermittelte, desto sicherer werden die Bildekräfte einer
gefrorenen Natur erneut freigesetzt.“
S. 807
„Natur ist kein Vorbei, sondern der noch gar nicht geräumte Bauplatz, das noch gar nicht
adäquat vorhandene Bauzeug für das noch garnicht adäquat vorhandene menschliche Haus.“
S. 807
„Die Fähigkeit des problemhaften Natursubjekts, dieses Haus mitzubilden, ist eben das objektivutopische
Korrelat der human-utopischen Phantasie, als einer konkreten. Darum ist es sicher, daß das
menschliche Haus nicht nur in der Geschichte steht und auf dem Grund der menschlichen Tätigkeit,
es steht vor allem auch auf dem Grund eines vermittelten Natursubjekts und auf dem Bauplatz der
Natur.“
S. 813
„Und erst wenn das Subjekt der Geschichte: der arbeitende Mensch, sich als Hersteller der
Geschichte erfaßt, folglich das Schicksal in der Geschichte aufgehoben hat, könnte er auch dem
Produktionsherd in der Naturwelt nähertreten.“
S. 813
„Marxismus der Technik, wenn er einmal durchdacht sein wird, ist keine Philanthropie für mißhandelte
Metalle, wohl aber das Ende der naiven Übertragung des Ausbeuter- und Tierbändigerstandpunktes
auf die Natur.“
S. 814
„Unsere bisherige Technik steht in der Natur wie eine Besatzungsarmee in Feindesland, und
vom Landesinnern weiß sie nichts, die Materie der Sache ist ihr transzendent.“
S. 817
Verwandlung und Selbstverwandlung der Dinge zu Gütern, natura naturans….statt natura
dominata: Das also meinen die Grundrisse einer besseren Welt, was konkrete Technik angeht.
Gesetzt den Fall, das Herz der Erde wäre von Gold, so wurde dieses Herz noch keinesfalls als
solches gefunden und hat auch nur dann seine Güte, wenn es in den Werken der Technik endlich
mitschlägt“
Hier ein link zu einem Text, der Blochs Überlegungen zur Allianztechnik in einen zeitaktuellen
Zusammenhang stellt:
http://www.philosophie.tudarmstadt.de/media/institut_fuer_philosophie/diesunddas/nordmann/allianztechnik.pdf
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