1 Physikalische Grundlagen 1.1 Atome und ihre Eigenschaften Ein Atom besteht aus einem Atomkern und ihn umgebenden Elektronen (negativ geladen). Der Atomkern besteht aus Protonen (positiv geladen) und Neutronen (ungeladen). Elementarteilchen (Protonen, Neutronen, Elektronen) haben einen Eigendrehimpuls = Spin (die Achse kann beliebig im Raum orientiert sein), woraus ein magnetisches Moment resultiert. eN P NP N N P N P N Neutron P Proton N Aufbau eines Atoms P N N P Aufbau eines Atomkernes Eigenrotation des Protons Zum Beispiel hat Wasserstoff nur ein Proton im Kern, während Helium zwei Protonen und zwei Neutronen im Kern besitzt. Wasserstoff ist somit einfach aufgebaut, kommt sehr häufig vor und ist sehr empfindlich. Wenn sowohl die Protonenzahl als auch die Neutronenzahl gerade ist, so entsteht eine Auslöschung der von den Kernteilchen erzeugten Magnetfelder. Dementsprechend haben nur Kerne mit einer ungeraden Protonenzahl oder einer ungeraden Neutronenzahl (= ungerade Massenzahl) ein äußeres magnetisches Moment. 1 Für die MR-Bildgebung werden die Protonen des Wasserstoffs H genützt, weil der Wasserstoff die stärksten magnetischen Eigenschaften besitzt, somit am empfindlichsten ist und am häufigsten im menschlichen Körper vorkommt. Andere Ker19 31 13 129 23 ne, wie Fluor , Phosphor , Kohlenstoff , Xenon und Natrium , werden für die MR-Spektroskopie verwendet. Das aufgrund der Eigenrotation des Atomkerns entstehende kleine Magnetfeld kann mit einem kleinen Stabmagneten verglichen werden. N Stabmagnet S 7 Tab. 2: Elemente und ihre Häufigkeit 1 19 Phosphor P Xenon Xe 42,58 Biologische Häufigkeit in Prozent 63 Relative MREmpfindlichkeit 1 bezogen auf H 100 40,1 100 In Spuren 83,34 17,24 100 0,24 6,63 11,8 26,4 In Spuren 5,6 x 10 11,3 100 0,041 9,25 10,7 1,11 9,4 1,59 (Frequenz in MHz pro 1 T) Wasserstoff H Fluor F Natürliche Häufigkeit in Prozent 99,99 Ȗ Element 31 129 Natrium Na 23 13 Kohlenstoff C -3 Larmorfrequenz Die Protonen im Magnetfeld besitzen noch eine weitere Bewegung: Präzession = kegelförmige Ausgleichsbewegung entlang einer Hauptmagnetfeldachse, die abhängig von der Stärke des äußeren Magnetfeldes ist (Magnetfeld ↑, Präzessionsfrequenz ↑). Diese wird mittels der Larmorfrequenz definiert und in Megahertz MHz angegeben: ȦLarmor = Ȗ x B0 ȦLarmor ........... Larmorfrequenz oder Präzessionsfrequenz in MHz Ȗ .................. Proportionalitätskonstante = gyromagnetisches Verhältnis (charakteristische Konstante eines Atomkerns pro 1 T) B0.................. z-Komponente des externen Magnetfeldes (Stärke des Magnetfeldes) Anzahl der Rotationen bei 1 T: 42,58 Millionen/s B > Präzessionsbewegung eines H1-Protons 19 31 129 23 13 Die Protonen von Fluor , Phosphor , Xenon , Natrium , Kohlenstoff besitzen unterschiedliche Larmorfrequenzen (siehe Tabelle 3). Je höher die Magnetfeldstärke wird, umso höher ist die Larmorfrequenz des Protons. Die in der nächsten Tabelle angegebenen Larmorfrequenzen in MHz entsprechen der einzustrahlenden Frequenz des HF-Pulses (Einstrahlung eines elektromagnetischen Wechselfeldes), die der Protonenanregung dient. Einzuordnen ist die Larmorfrequenz im Bereich der Rundfunkwellen. 8 Tab. 3: Isotope und ihre Larmorfrequenzen bei unterschiedlichen Feldstärken Isotop Frequenz in MHz bei 0,5 T Frequenz in MHz pro 1T Frequenz in MHz bei 1,5 T Frequenz in MHz bei 3 T Frequenz in MHz bei 9 T 21,29 42,58 63,9 127,7 383,2 20,05 40,1 60,1 120,3 360,9 8,62 17,24 25,86 51,72 155,16 5,9 11,8 17,8 35,5 106,6 5,65 11,3 16,9 33,9 101,7 5,35 10,7 16,1 32,1 96,3 1 Wasserstoff H Fluor F 19 Phosphor P Xenon Xe 31 129 Natrium Na 23 13 Kohlenstoff C Frequenz in HZ Tab. 4: Frequenz in Hertz und Strahlungsart Frequenz in Hz Wellenlänge in m 10 22 10 20 10 18 10 16 10 -8 UV-Strahlung 10 14 10 -6 sichtbares Licht 10 12 10 -4 InfrarotStrahlung 10 8 10 0 Radiofrequenz UKW 10 6 10 2 Radiofrequenz KW 10 4 10 4 Radiofrequenz MW 10 6 LW 2 10 –10 8 10 -14 10 -12 10 -10 Strahlungsart 10 22 10 20 10 18 10 16 10 14 10 12 10 11 10 10 Röntgen- und Gammastrahlung MRT Röntgen- und Gammastrahlung Ionisierende Strahlung UV-Strahlung Sichtbares Licht IR-Strahlung Nicht-ionisierende Strahlung Mikrowelle 10 8 Radiofrequenz 10 6 10 4 10 2 z-Richtung Magnetfeld Präzessionsbewegung mit typischer Larmorfrequenz im statischen Magnetfeld Atom-/Protonenausrichtung im Magnetfeld Ist KEIN externes Magnetfeld angelegt, so richten sich die Protonen willkürlich im Raum/Körper aus. Wird ein externes Magnetfeld angelegt, richten sich die Proto- 9 nen entlang der Magnetfeldachse aus (parallel = mit dem Feld oder antiparallel = entgegengesetzt zum Feld). N S Willkürliche Raumausrichtung der Protonen Ausrichtung entlang der Magnetfeldachse In Summe präzedieren mehr Protonen parallel zum Magnetfeld ausgerichtet = Kernmagnetisierung. Die Protonen präzedieren nun mit der für das Magnetfeld typischen Präzessionsfrequenz (siehe Larmorfrequenzen) entlang der Feldlinien des statischen (= externen) Magnetfeldes. Ausrichtung der Protonen (Kernmagnetisierung) entlang der Feldlinien Die Summe aus der Differenz zwischen parallelen und antiparallelen Protonen = Longitudinalmagnetisierung, Nettomagnetisierung (Nord-Süd-Richtung). Diese ist der eigentliche Ausgangswert für die Bildgebung. Die Nettomagnetisierung kann jedoch nicht direkt gemessen werden, weil sie entlang der Magnetfeldlinien des äußeren Magnetfeldes verläuft. Nettomagnetisierung Wird nun Energie in Form eines auf die Larmorfrequenz abgestimmten Hochfrequenzimpulses zugeführt (eigentlich handelt es sich um ein elektromagnetisches Wechselfeld mit einer Larmorfrequenz Ȧ), kann eine Magnetisierung quer bzw. transversal zum externen Magnetfeld gemessen werden. Anregung Aufgrund der Energiezufuhr, die durch Einstrahlung von elektromagnetischen Wellen erreicht wird, wird die Nettomagnetisierung um einen definierten Winkel (90°, 180° oder < 90°, < 180° in Abhängigkeit von Sequenzart und SAR-Limits), je nach Dauer und Stärke der eingestrahlten Hochfrequenzenergie, ausgelenkt. Man spricht bei dieser Energiezufuhr vom HF-Impuls. 10 z z y y x x Nettomagnetisierung Nettomagnetisierung nach der HF-Anregung Aufgrund der Energiezufuhr wird also der Winkel der makroskopischen Magnetisierung geändert. 180°-Anregung 90°-Anregung Änderung der makroskopischen Magnetisierung Der eingestrahlte HF-Impuls muss die für das jeweilige Proton typische Frequenz haben, weil sonst keine Resonanz erreicht werden kann, d. h. es würde die Energieübertragung nicht funktionieren. Wenn man dies anhand von unterschiedlich gestimmten Stimmgabeln darstellt, können nach Anschlagen nur die Stimmgabeln gleicher Töne die Energie aufnehmen und mitschwingen. (( (( )) )) ( ( (( )))) (( (( )))) (( (( Energieübertragung bei gleicher Resonanzfrequenz Magnetisierung Wir unterscheiden zwei Magnetisierungsformen: Längsmagnetisierung oder Longitudinalmagnetisierung T1 und Quermagnetisierung oder Transversalmagnetisierung T2. Durch den HF-Impuls sind die Protonen in Phase und erzeugen eine Magnetisierung quer zum Magnetfeld = Transversalmagnetisierung. 11 Die zurückkehrenden Kernspins erzeugen ein Induktionsfeld, dessen Spannungsverlauf über eine Hochfrequenzspule gemessen wird. Es handelt sich also um ein elektrisches Signal mit einer messbaren Frequenz. Das elektromagnetische Feld = Induktionsfeld, das senkrecht zum stationären Magnetfeld steht, erzeugt in der Empfangsspule (= Oberflächenspule) ein Signal. Die große Sendespule (= body coil), die Extremitätenspulen, ebenso die Kopfspule bei älteren Geräten, können sowohl Signal senden als auch Signal empfangen. T1 und T2 Nach Beendigung des HF-Impulses präzedieren die Protonen kontinuierlich in ihre Ausgangsposition zurück. Die Longitudinalmagnetisierung Mz strebt wieder in Richtung ihres Ausgangswertes = Longitudinale Relaxationszeit = Spin-GitterRelaxation (weil die Energie der Protonen an ihre Umgebung = Gitter abgegeben wird) = T1 T1 ist definiert als die Zeitdauer, die 63 % der Protonen benötigen, um in die Ausgangsposition zurückzukehren. Längsmagnetiserung Quermagnetiserung Längsmagn. baut sich auf, Quermagnetisierung nimmt ab 0 ms 0 ms 50 ms Längsmagn. 100 ms 200 ms Aufgrund der Energieabgabe der Kerne an das Molekülgitter führt die T1Relaxation zur Erwärmung von Gewebe. Mz Magnetisierung 100 1 0,8 T1 = 300 ms 0,6 63 0,4 T1 = 1800 ms 0,2 Zeit in ms Längsmagnetisierung 200 400 600 T1-Relaxation von unterschiedlichen Geweben T1 dient der morphologischen Darstellung von Geweben. T1 = 300–2000 ms 12 800 Zeit in ms Die T1-Relaxationskurven ändern sich mit zunehmender Magnetfeldstärke. Je höher die Magnetfeldstärke, desto länger wird die Relaxationszeit. Beim Einschalten des HF-Pulses nimmt die Longitudinalmagnetisierung ab. Einige Protonen nehmen Energie auf und gelangen von einem niedrigeren auf ein höheres Energieniveau. Nach Abschalten der HF dephasieren die Protonen sehr schnell, weil die Protonen aufgrund der Stärke des Magnetfeldes unterschiedliche Frequenz haben, bzw. das Magnetfeld nicht ganz homogen ist! Zusätzlich werden die Protonen durch kleine Magnetfelder des umliegenden Gewebes gestört. T2 gibt die Zeitdauer an, in der die Transversalmagnetisierung auf 37 % ihres Ursprungs zurückgegangen ist. Die Magnetisierung Mxy verringert sich. T2 ist das Maß für die Wechselwirkung der Kerne untereinander = transversale Relaxation = Spin-Spin-Relaxation. Die präzedierenden Kerne verlieren mit der Zeit durch die Wechselwirkung untereinander ihre Phasengleichheit. T2 dient der Darstellung von Pathologien. Quermagnetisierung 0 ms beginnende Dephasierung 10 ms Querm. kaum mehr messbar 60 ms Das heißt, das in einer Spule aufgefangene Signal (FID = Free Induction Decay) wird mit der Zeit immer schwächer. Magnetisierung Mz 100 1 0,8 0,6 T2= 80 ms 0,4 37 0,2 T2 = 25 ms 20 Quermagnetisierung Zeit in ms 40 60 80 Zeit in ms T2-Relaxation von unterschiedlichen Geweben Die Relaxationszeiten sind gewebeabhängig. Die T1-Relaxation dauert in der Regel länger als die T2-Relaxation. T2 = 30–150 ms 13 Wasser: lange T1-Zeit und lange T2-Zeit Fett: kurze T1-Zeit und kurze T2-Zeit Pathologisch veränderte Gewebe haben einen erhöhten Wassergehalt und damit eine längere T1- und T2-Zeit. Tab. 5: Relaxationszeiten T1 und T2 von unterschiedlichen Geweben in Millisekunden Gewebe T1 in ms bei 0,5 T T1 in ms bei 1,5 T T2 in ms Protonendichte = Wassergehalt in Prozent Fett 210 260 80 - Muskel 500 800 45 80 Weiße Hirnsubstanz 500 780 90 70 Graue Hirnsubstanz 650 900 100 84 Flüssigkeit 1800 2400 160 98 (Liquor) T2 ist nahezu magnetstärkenunabhängig (frequenzunabhängig), das heißt, auch bei zunehmender Magnetfeldstärke bleibt die Relaxationszeit bestehen. Im Gegensatz dazu steigt mit zunehmender Magnetfeldstärke die T1-Relaxationszeit! 1.2 Signalentstehung Der transversale Magnetisierungsvektor präzediert von der xy-Ebene in Richtung z-Ebene. Da er sich ständig bewegt und verändert, induziert der Magnetvektor elektrischen Strom in einer Antenne. Dieser Strom wird als Signal zur Bilderstellung verwendet. Das empfangene FID (FID = Free Induction Decay = freier Induktionszerfall) besitzt konstante Frequenz, aber abfallende Signalstärke. FID ( (www.cis.rit.edu/htbooks/mri/chap-4/d1-3.htm) online am 28.3.2009 Um dennoch genügend Signal für die Bilddarstellung nützen zu können, benötigt man unterschiedliche Pulssequenzen (siehe Kapitel Sequenzen). 14