Institut für Grundlagen der Elektrotechnik und Elektromagnetische Verträglichkeit Lernprogramm Induktionsvorgänge Skript: Teil Grundlagen Version: 07.12.2003 http://www.Uni-Magdeburg.de/iget/multimedia Inhalt Seite Über das Programm 3 1 Lernziel 4 2 Problemstellung 5 3 Grundlagen 7 3.1 Induktionsgesetz und Ursachen für Induktionsvorgänge 7 3.2. Ruheinduktion 10 3.2.1 Erläuterungen zum Gesetz der Ruheinduktion 10 3.2.2. Zusammenfassung und Handhabung des Gesetzes der Ruheinduktion 21 3.2.3 Schritte bei der Anwendung des Gesetzes der Ruheinduktion 23 3.3 Bewegungsinduktion 26 3.3.1 Erläuterungen zur Bewegungsinduktion 26 3.3.2 Zusammenfassung und Handhabung des Gesetzes der Bewegungsinduktion 32 3.3.3 Schritte für die Anwendung des Gesetzes der Bewegungsinduktion 35 3.4 Der allgemeine Induktionsvorgang 37 3.4.1 Erläuterungen zum allgemeinen Induktionsvorgang 37 3.4.2 Schritte bei der Anwendung des Induktionsgesetzes in allgemeiner Form 40 Anhang 43 2 Über das Programm Herzlich willkommen zum Skript des Grundlagenteils, der auch im interaktiven Programm Induktionsvorgänge integriert ist, das Sie unter http://www.uni-magdeburg.de/iget/multimedia finden können. Dort können Sie die im Skript enthaltenen Bilder auch interaktiv in 3D-Darstellung betrachten. In dem Skript sind die theoretischen Grundlagen der Induktionsvorgänge und die Lösungsmethodik für ihre Berechnung dargestellt. Es dient der Vertiefung oder Auffrischung der Kenntnisse aus der Vorlesung Grundlagen der Elektrotechnik. Auf der Webseite des Institutes finden Sie weitere webbasierte Lernmodule und Downloads zu Themen aus dem Bereich Grundlagen der Elektrotechnik. Diese bieten Ihnen die Möglichkeit, ihr Wissen zu vertiefen und sich detailliert auf die Prüfung in den Grundlagen der Elektrotechnik vorzubereiten. 3 1 Lernziel Lernziel des Programms INDUKTIONSGESETZ ist die Vermittlung bzw. Vertiefung und Festigung der Kenntnisse zu einem der wichtigsten Gesetze der Elektrotechnik, dem Faradayschen Induktionsgesetz (engl.: Faraday’s Law). Ausgehend von der mathematischen Formulierung des Gesetzes in Integraldarstellung1 soll erreicht werden • • • ein physikalisches Verständnis für die Induktionsvorgänge in ihrer Wechselwirkung zwischen magnetischem und elektrischen Feld, für die Ursachen der Induktionsvorgänge sowie die zahlreichen Anwendungen, die uns im täglichen Leben begegnen (z.B. Spulen und Transformatoren, Generatoren, Motoren und vieles mehr), die Fähigkeit zur Berechnung induzierter Feldstärken, Urspannungen und Ströme durch formale Anwendung des Induktionsgesetzes unter notwendiger Beachtung von Richtungs- und Vorzeichenfestlegungen, die Fähigkeit, die im elektromagnetischen Feld ablaufenden Induktionsvorgänge im Kontext elektrischer Netzwerke zu behandeln (Netzwerkinterpretation). Darüber hinaus soll erkannt werden, dass die über das Induktionsgesetz erzeugten elektrischen Felder einen anderen Charakter haben (sie sind so v genannte Wirbelfelder, E -Linien sind stets in sich geschlossen) als die v durch Ladungen erzeugten Felder (wirbelfreie Felder oder Quellenfelder, E -Linien beginnen in positiven Ladungen und enden in negativen Ladungen). 1 Im Sinne einer Behandlung des Induktionsgesetztes im Rahmen der Grundlagen der Elektrotechnik wird in diesem Lernmodul bewusst auf die differentielle, etwas abstrakte Betrachtungsweise anhand des Kalküls der Vektoranalysis verzichtet. 4 2 Problemstellung Während das Amperesche Durchflutungsgesetz beschreibt, dass und wie ein elektrischer Strom ein Magnetfeld erzeugt, beschreibt das Faradaysche Induktionsgesetz die Erzeugung eines elektrischen Feldes durch ein magnetisches Feld. Ein statisches (zeitlich konstantes Magnetfeld) kann in einer ruhenden Umgebung niemals ein elektrisches Feld oder einen elektrischen Strom induzieren. Voraussetzung dazu ist immer eine Änderung, entweder ein zeitlich sich änderndes Magnetfeld oder eine Bewegung. Symbolische Anordnungen, die sich an die Faradayschen Experimente anlehnen, zeigen die Bilder 2.1 und 2.2 . Dieser sehr allgemeine Sachverhalt zeigt, dass das Phänomen der Induktion, das im Induktionsgesetz mathematisch exakt formuliert ist, in der Realität bei den zeitveränderlichen elektromagnetischen Vorgängen nahezu "allgegenwärtig" ist. Dies betrifft nicht nur die typischen konventionellen Anwendungen wie Spulen, Transformatoren, elektromechanische Generatoren und Motoren, sondern auch, um nur einige weitere Anwendungen zu nennen, das Entstehen von Wirbelströmen, den Skineffekt, elektromagnetische Schirmung, das Übersprechen auf Leitungen sowie Erzeugung, Ausbreitung und Empfang elektromagnetischer Wellen. Bild 2.1 Bild 2.2 Bewegt man einen Leiter im Magnetfeld des Permanentmagneten, wird in der geschlossenen Leiterschleife ein Strom erzeugt. Eine vom Strom durchflossenen Spule erzeugt in der zweiten Spule einen elektrischen Strom, wenn eine der Spulen bewegt wird oder wenn sich der Strom in der ersten Spule ändert (z.B. Ein- oder Ausschalten des Stromes) 5 Die exakte Beschreibung der genannten realen Anwendungen ist im Allgemeinen dadurch gekennzeichnet, dass das Induktionsgesetz mit dem Durchflutungsgesetz wechselwirkt (geschlossener Wirkungsmechanismus, s. Bild 2.3). Bild 2.3 Da bei der Behandlung des Induktionsgesetzes das Durchflutungsgesetz aus den Betrachtungen der Magnetfelder stationärer Ströme bereits bekannt ist, wird die Rückwirkung induzierter Ströme auf das Magnetfeld in die Betrachtungen zur Anwendung des Induktionsgesetzes eingeschlossen. Dann kann man auch erkennen bzw. Bedingungen formulieren, wenn eine solche Rückwirkung nicht stattfindet oder vernachlässigbar ist. Diese Betrachtungsweise entspricht vielen realen Anwendungen. Denn die mit dem Induktionsgesetz verbundenen Umwandlungen magnetischer Energie in elektrische Energie erfordern einen Stromfluss auf der elektrischen Seite. 6 3 Grundlagen 3.1 Induktionsgesetz und Ursachen für Induktionsvorgänge Wir gehen aus von der Integralform des Faraday’schen Induktionsgesetzes: ui = r r d r v dψ E d s = − BdA = − Ñ∫s ∫ dt A dt (3.1.1) Dabei ist ui die in einer Schleife s induzierte Urspannung, die sich gemäß ui = Ñ∫ r r Eds (3.1.2) s als das Wegintegral der induzierten elektrischen Feldstärke entlang der Schleife s ergibt. Weil ui an den geschlossenen Umlauf gebunden ist, wird sie auch als induzierte Umlaufspannung bezeichnet. Der mit der Schleife s verkettete magnetische Fluss ψ ergibt sich gemäß r r ψ = ∫BdA , (3.1.3) A r wobei die magnetische Flussdichte B über die von der Schleife s aufgespannte Fläche A zu integrieren ist. v r Die mathematische Zuordnung von ds und dA erfolgt entsprechend dem Stokesschen Satz gemäß der Rechtsschraubenregel (Bild 3.1.1). r ds r en Wegelement Normaleinheitsvektor r Flächenelementes dA des Bild 3.1.1 7 In Übereinstimmung damit treffen wir eine Richtungsfestlegung für die integralen Größen ui und ψ entsprechend Bild 3.1.2. Bild 3.1.2 Das Induktionsgesetz gemäß Gl. (3.1.1) kann folgendermaßen formuliert werden: Ist eine beliebige offene Fläche A mit einem sich zeitlich ändernden magnetischen Fluss ψ verkettet, so wird in der Berandung s dieser Fläche eine elektrische Urspannung u i= r r E Ñ∫ d s induziert, deren s Wert der negativen zeitlichen Änderung − dψ dt des verketteten magnetischen Flusses entspricht. Wichtige Bemerkung: Das Induktionsgesetz gilt unabhängig von der physischen Beschaffenheit der Kontur s . Diese kann eine fiktive Berandung oder eine reale Leiterschleife sein. Im Falle einer realen Leiterschleife würde die induzierte Urspannung ui dann in Umlaufrichtung einen Strom i antreiben. Ist zum Beispiel der Widerstand der Stromschleife R, so gilt u i= r r dψ E Ñ∫ d s = − dt = R i (3.1.4) Die Richtung für i > 0 stimmt mit der Richtung für ui > 0 überein (s. Bild 3.1.2). Bei Bezug auf die vereinbarten positiven Richtungszuordnungen gemäß Bild 3.1.2 kann in Abhängigkeit davon, ob sich der verkettete magnetische 8 Fluss ψ bezüglich der positiv definierten Richtung vergrößert ( dψ > 0 ) oder dt dψ < 0 ), die Richtung der induzierten Urspannung ui und dt damit die Stromrichtung ermittelt werden (s. Bild 3.1.3). verkleinert ( Flusszunahme dΨ Gl.(3.3.1) Ψ > 0; > 0 → u i< 0 dt d.h. Stromfluss in negativer Richtung Bild 3.1.3a Flussabnahme Ψ > 0; dΨ Gl.(3.1.1) < 0 → u i> 0 dt d.h. Stromfluss in positiver Richtung Bild 3.1.3b Aus Bild 3.1.3 ist zu entnehmen, vdass der durch den induzierten Strom selbst hervorgerufene Fluss (als B selbst –Linien im Bild 3.1.3 angedeutet; r B -Linien sind gemäß Durchflutungsgesetz immer nach einer Rechtsschraube dem Strom zugeordnet) stets der ursächlichen Flussänderung entgegenwirkt. Dieser Sachverhalt ist als Lenzsche Regel bekannt. Die gemäß Gl. (3.1.1) für einen Induktionsvorgang erforderliche zeitliche Änderung des mit einer Schleife s verketteten magnetischen Flusses Ψ kann auf verschiedene Weise erreicht werden: v 1. durch eine ruhende Schleife in einem zeitveränderlichen B -Feld (Ruheinduktion), r 2. durch eine bewegte Schleife in einem zeitlich konstanten B -Feld (Bewegungsinduktion), r 3. durch eine bewegte Schleife in einem zeitveränderlichen B -Feld (Ruhe- und Bewegungsinduktion gleichzeitig). Diese Fälle werden nachfolgend getrennt betrachtet. 9 3.2 Ruheinduktion 3.2.1 Erläuterungen zum Gesetz der Ruheinduktion • Erweiterung der Vorstellungen zur elektrischen Feldstärke r Ein zeitlich sich änderndes Magnetfeld B( t) induziert ein elektrisches Feldr stärkefeld, das wir mit E i bezeichnen wollen, dessen Feldlinien geschlosr sen sind und die B -Linien umwirbeln (s. Bild 3.2.1). Bild 3.2.1 Für das Umlaufintegral auf einem geschlossenen Weg s gilt dann r r dψ E Ñ∫s i d s = u i= − dt ≠ 0 (3.2.2) r Diese induzierte elektrische Feldstärke Ei erweitert unsere bisherigen Vorstellungen über die elektrische Feldstärke, die wir von den statischen elektrischen Feldern kennen. Diese r r wird stets von Ladungen erzeugt. Wir nennen sie hier deshalb E q . Die E q -Linien beginnen in positiven Ladungen (Quellen) und enden in negativen Ladungen (Senken). Es gilt stets r r E Ñ∫ q d s = 0 , (3.2.3) s was identisch ist mit der Unabhängigkeit des Linienintegrals vom Weg. Ein allgemeines elektrisches Feld setzt sich aus beiden Anteilen zusamr men, einem wirbelfreien Feld (reines Quellenfeld) E q und einem reinen, r durch den Induktionsvorgang erzeugtes Wirbelfeld (quellenfreies Feld) E i : 10 r r r E = E i+ E q (3.2.4) Für das Umlaufintegral gilt dann unter Beachtung von Gl. (3.2.3) r r E Ñ∫ d s = s r r r (E + E ) d s Ñ∫ i q = s r r E Ñ∫ i ds , (3.2.5) d.h. in das Induktionsgesetz geht nur die induzierte elektrische Feldstärke r E i ein. Wegen Gl. (3.2.5) kann aber die Indizierung entfallen. r r Das Umlaufintegral ∫ E ds ≠ 0 bedeutet, dass das Wegintegral der elektrischen Feldstärke zwischen zwei Punkten, also die Spannung zwischen diesen Punkten, nicht mehr wegunabhängig ist, sondern vom gewählten Integrationsweg abhängt. Bild 3.2.2 veranschaulicht den Sachverhalt an einer Schleife s, die aus zwei Teilen s1 und s2 zwischen den Punkten a und b besteht und die mit einem zeitveränderlichen magnetischen Fluss verkettet ist. Bild 3.2.2 Für den geschlossenen Umlauf gilt 11 r r br r br r dψ E d s = E d s − E d s = − Ñ∫s ∫a ∫a dt , ( s1 ) ( s2 ) dψ ≠0 dt d.h. für r r br r = ∫ E d s ≠ ∫ E d s = Ua b gilt: b ua b Weg s1 a ( s1 ) a Weg s 2 (3.2.6) ( s2 ) Dieser durch die Gl. (3.2.6) ausgedrückte Sachverhalt ist fundamental und sagt aus: in Anordnungen mit zeitlich veränderlichen Feldern (wo das Induktionsgesetz wirksam ist) ist eine Spannungsangabe nur sinnvoll in Verbindung mit der Angabe des Integrationsweges. Dies muss bei Spannungsmessungen in Wechselstromkreisen beachtet werden, wo die Anordnung des Messkreises (die den Integrationsweg bestimmt) Einfluss auf das Messergebnis haben. 12 • Netzwerkinterpretation der induzierten Urspannung Eine weitere wichtige Feststellung ist, dass die induzierte elektrische Urspannung ui eine verteilte, an den geschlossenen Umlauf gebundene Urspannung ist und keinem Ort der Schleife fest zugeordnet werden kann. Um dennoch die von den Netzwerken bekannten Vorstellungen konzentrierter Elemente weiterhin nutzen zu können, ist es sinnvoll, die induzierte Urspannung ui mit dem bekannten Symbol einer Spannungsquelle darzustellen und in die Stromkreisberechnung einzubeziehen. Wir betrachten zunächst eine unendlich gut leitende, mit einem Fluss ψ verkettete Schleife mit einem kleinen Spalt zwischen den Punkten 1 und 2 (s. Bild 3.2.3a). Bild 3.2.3a Bild 3.2.3b Für diese Anordnung gilt das Induktionsgesetz Gl. (3.2.1): 1 r r r 2r r dψ u i = Ñ∫ E d s = ∫ E d s + ∫Eds = − dt 1 2 { { =0 U21 r weil E = 0 (idealerLeiter) (3.2.7) 13 Damit erscheint die induzierte Urspannung ui = − an den Klemmen: u 21 = u i (= − dψ als Spannungsfall u21 dt dψ ) . dt (3.2.8) Gl. (3.2.8) wird erfüllt, wenn wir ui als Urspannungsquelle bzw. als Quellenspannung uqi in die Schleife gemäß Bild 3.2.3b einführen. Der Maschensatz in dieser Schleife lautet dann u21 − uqi = 0 (u qi als Quellenspannung) u21 = ui mit uqi = ui = − (u i als Urspannung) (3.2.9) dψ dt Schließt man den Stromkreis durch Überbrücken des Spaltes an den Punkten 1-2 mit einem Widerstand R (s. Bild 3.2.4), so wird ein Strom i angetrieben. Bild 3.2.4 Dieser Sachverhalt wird später genauer untersucht. Zu beachten ist, dass aufgrund des Stromflusses in Bild 3.2.4 ein magnetischer Fluss erzeugt wird, der gemäß der Lenzschen Regel dem ursprünglichen Fluss (wie im Bild 3.2.3) entgegenwirkt. Das Induktionsgesetz bezieht sich stets auf den gesamten (resultierenden) Fluss, der mit der Schleife verkettet ist, so dass die induzierte Quellenspannung uqi im Bild 3.2.4 sich von der im Bild 3.2.3 b unterscheiden wird. 14 Führt man für eine Leiterschleife nach Bild 3.2.3 eine Zuordnung von Klemmenstrom und Klemmenspannung nach dem Verbraucherzählpfeilsystem ein, d.h. orientiert man den Spannungsabfall u12>0 in Richtung des Stromes, so ergeben sich die im Bild 3.2.5 dargestellten Verhältnisse. Bild 3.2.5 Der Maschensatz lautet: u12 + uqi = 0 d.h. u12 = - uqi = + dψ dt (3.2.10) 15 • Ruheinduktion ohne magnetisches Fremdfeld (Selbstinduktion) Eine Induktionswirkung entsteht auch ohne den bisher angenommenen gewissermaßen "externen" oder "fremden" magnetischen Fluss. Wir betrachten den Fall, dass die Schleife an den Klemmen 1-2 mit einem aktiven Zweipol beschaltet wird, der eine zeitveränderliche Quellenspannung uq und einen Innenwiderstand Rq besitzt. Ein fremdes magnetisches Feld soll nicht vorhanden sein. Bild 3.2.6 Das vom Strom i erzeugte Magnetfeld ist im Bild 3.2.6 dargestellt. Die r B -Linien sind gemäß dem Durchflutungsgesetz über eine Rechtsschraubenregel dem Strom i zugeordnet. Dadurch entsteht ein mit der Leiterschleife verketteter Fluss ψ > 0 , mit der für das Induktionsgesetz vereinbarten positiven Zuordnung. Diesen Fluss, der nur vom Strom selbst erzeugt wird, bezeichnen wir als ψ selbst . Zwischen dem Strom i und dem von ihm erzeugten und mit der Spule verketteten magnetischem Fluss gilt die Beziehung ψ selbst = L i , (3.2.11) wobei L als Induktivität (auch Selbst- oder Eigeninduktivität) bezeichnet wird. 2 Ersetzen wir entsprechend Bild 3.2.6 in Gl. (3.2.10) u12 durch u12 = uq − iR q 2 Die komplizierte Aufgabe der Berechnung des magnetischen Flusses ψ selbst ist hier verlagert in die ebenfalls komplizierte Aufgabe der Induktivitätsberechnung, die aber nicht Gegenstand dieses Lernmoduls ist. 16 und benutzen Gl. (3.2.11) für die zeitliche Flussänderung − dψ selbst dψ di =− = −L , dt dt dt so folgt uq − iR q = dψ selbst di = L = uL . dt dt (3.2.12) Die Netzwerkinterpretation gemäß Bild 3.2.7a und b zeigt, Bild 3.2.7a Interpretation als stromgesteuerte Spannungsquelle (Gegenspannung) Bild 3.2.7b Interpretation als Spannungsabfall an einer Induktivität dass der Selbstinduktionsvorgang zu einer von der Stromänderung abhängigen Gegenspannungsquelle beziehungsweise bei Einführung der Induktivität L als Zweipol zu der bekannten Strom-Spannungsbeziehung uL = L di dt führt. Sowohl die in der Netzwerkinterpretation gewählte Spannungsquelle als auch die Induktivität sind verteilte Elemente und keiner Stelle der Schleife fest zuordenbar. 17 Gl. (3.2.12) kann in der Form L di + R q i = u q (t) dt (3.2.13) geschrieben werden. Wir erkennen, dass der Selbstinduktionsvorgang im Zeitbereich zu einer Differentialgleichung für den Strom führt (s. Lernmodul Ausgleichsvorgänge). Im Frequenzbereich (stationärer Zustand bei sinusförmiger Erregung, Anwendung der komplexen Rechnung) entsteht dadurch eine Phasenverschiebung zwischen Strom und der Quellenspannung. 18 • Ruheinduktion im allgemeinen Fall Ist außer ψ selbst ein fremder magnetischer Fluss ψ Fremd mit der Schleife verkettet, so gilt ψ = ψFremd + ψselbst (3.2.14) und das Induktionsgesetz erhält die Form dψ Fremd di uR − uq = − −L dt 3 { dt 1424 Fremdin− duktion (3.2.15) Selbstin − duktion Der Selbstinduktionsterm, der Ausdruck für den geschlossnen Wirkungskreis von Induktions- und Durchflutungsgesetz ist, kann unterdrückt werden (d.h. der geschlossene Wirkungskreis kann aufgetrennt werden), wenn gilt L di =0 . dt (3.2.16) Da die Induktivität L einer Schleife theoretisch nicht Null werden kann, wird Bedingung (3.2.16) erfüllt, wenn entweder i = 0 (offene Schleife) oder di/dt = 0 ist (i = I = const). In praktischen Fällen kann der Selbstinduktionsterm vernachlässigt werden, wenn sein Beitrag am Induktionsvorgang hinreichend klein gegenüber dem Fremdinduktionsanteil ist. 19 • Von der Stromschleife zur Spule In vielen praktischen Anordnungen haben wir es nicht mit einfachen Leiterschleifen zu tun, sondern wir haben Anordnungen, die aus vielen Leiterschleifen bestehen (z.B. Spulen). Wir betrachten ein rSpule aus N Windungen, die alle den gleichen magnetischen Fluss φ = v B d A umfassen (s. Bild 3.2.8) ∫ A' N Flächen A´, die alle gleichsinnig umlaufen und in gleicher Richtung von φ durchsetzt werden Bild 3.2.8 Das Umlaufintegral u i = r r E Ñ∫ d s entlang der N Windungen bildet eine n- blättrige Fläche, wobei jedes der N Blätter mit der Fläche A’ vom magnetischen Fluss φ durchsetzt wird. Der gesamte, mit der Spule verkettete und im Induktionsgesetz wirksame magnetische Fluss ist damit r ψ = N ∫ BdA = Nφ (3.2.17) A' Anmerkung: Da nicht jede Windung einer Wicklung mit dem gleichen magnetischen Fluss verkettet sein muss und sich auch der Umlaufsinn der Windungen einer Spule umkehren kann (z.B. bifiliare Windungen zur Herstellung induktivitätsarmer Widerstände), gilt in allgemeinerer Form: N ψ = ∑ φi (3.2.18) i =1 vzb (vzb: vorzeichenhaft bezüglich des positiven Umlaufsinns) 20 3.2.2. Zusammenfassung und Handhabung des Gesetzes der Ruheinduktion Wir betrachten eine geschlossene Leiterschleife, in die konzentrierte Schaltelemente wie Spannungsquellen, Spannungsabfallstrecken, passive Bauelemente einschließlich des ohmschen Widerstandes der Schleife selbst eingeschaltet sind. Die Bauelemente mögen vernachlässigbare geometrische Abmessungen haben, damit Fläche A und Rand s der Schleife eindeutig definierbar sind. Schleifenumlauf und positive Richtung für den verketteten magnetischen Fluss ψ werden nach der Rechtsschraubenregel zugeordnet (s. Bild 3.2.9) Bild 3.2.9 Das Gesetz der Ruheinduktion Gl. (3.2.1) sei hier nochmals angegeben: r r r d r r ∂B r dψ u i = Ñ∫ E d s = − B d A = −∫ dA = − ∫ dt A ∂t dt s A Für den Fall, dass keine Induktionswirkung stattfindet, d.h. ( (3.2.1) dψ = 0 ), gilt dt r r E Ñ∫ d s = 0 . Dies ist die Aussage des Maschensatzes, der, angewendet auf die in die Schleife eingeschalteten Elemente, die bekannte Form hat: N ∑u n =1 vzb n =0 (3.2.19) vzb: vorzeichenbehaftet bzgl. des vorgegebenen Umlaufs 21 Wirkt das Induktionsgesetz, dann liefert dieser Maschensatz nicht den Wert Null, sondern N ∑u n =1 vzw n =− dψ dt . (3.2.20) Die negative zeitliche Flussänderung (- dψ/dt) ist entsprechend Gl. (3.2.1) aus der zeitlich veränderlichen Flussdichte zu ermitteln. Im allgemeinen Fall setzt sich die gesamte mit der Schleife verkettete Flussänderung aus einer Fremdflussänderung ( dψFremd / dt ) und einer Flussänderung zusammen, die durch den in der Schleife fließenden Strom i(t) selbst erzeugt wird ( dψ selbst / dt ) dψFremd dψ selbst dψ = + dt dt4 dt4 1 42 3 1 42 3 (3.2.21) dψ selbst di = L dt dt (3.2.22) Fremdinduktion mit Selbstinduktion Damit können die Schritte für die Anwendung des Gesetzes der Ruheinduktion für allgemeine Anwendungen angegeben werden. 22 3.2.3 Schritte bei der Anwendung des Gesetzes der Ruheinduktion • Schritt 1: Zuordnung von Schleifenumlauf und positiver Richtung des verketteten Magnetflusses ψ gemäß einer Rechtsschraube • Schritt 2: Aufstellen des Maschensatzes für die geschlossene Schleife unter der Annahme, dass keine Induktionswirkung stattfindet (Annahme: dψ = 0) dt N ∑u n =1 vzb n =0 23 • Schritt 3: Ermittlung von Flussrichtung dψ dt bezüglich der positiv definierten Schritt 3.1: Fremdinduktion r d ψ Fremd d r v ∂B r BdA = ∫ dA , = dt d t ∫A ∂ t A r ∂B wobei die vom fremden Magnetfeld erzeugte Fluss∂t dichteänderung darstellt. Schritt 3.2: Selbstinduktion d ψ selbst di =L = uL dt dt L: Induktivität der Leiterschleife • Schritt 4: Einsetzen der Ergebnisse von Schritt 2 und 3 in den erweiterten Maschensatz und Ermittlung der gesuchten Größen (Strom, Spannungen über den Elementen): N ∑ un = − n =1 vzb 24 d ψ Fremd di −L dt dt Ergänzung Netzwerkinterpretation der durch Fremd- und Selbstinduktion induzierten Spannungen und Einbeziehung in einen erweiterten Maschensatz: N ∑u n =1 vzb mit Bemerkung: L n +L uqifremd di − uqifremd = 0 dt d ψfremd = − = − dt v ∂B v ∫A ∂ t dA di ist stets positiv in Richtung des Stromflusses dt (kein Vorzeichenproblem!) 25 3.3 Bewegungsinduktion 3.3.1 Erläuterung zur Bewegungsinduktion Ausgehend von der allgemeinen Form des Induktionsgesetzes gemäß Gl. (3.1.1) betrachten wir jetzt die Möglichkeit der Spannungsinduktion, d.h. eine zeitliche Änderung des mit einer Schleife verketteten magnetischen Flusses ( dψ / dt ) zu erreichen, wenn die geschlossene Kontur nicht ruht. Um den im Abschn. 3.2 betrachteten Anteil der Ruheinduktion zunächst auszuschließen, muss der Ausdruck r ∂B r ∫A ∂ t dA = 0 (3.3.1) r r werden, d.h. das Magnetfeld B muss zeitlich konstant sein ((∂B / ∂t) = 0) . Die sich so ergebende Möglichkeit zur Induktion nennen wir Bewegungsinduktion (auch motorische Induktion, engl.: motional induction) und kennzeichnen dies durch den Index m. Wegen r r r r dψ d = B ∫ dA = dt dt A(t) ∂B r ∫A ∂ t dA (t) 1 424 3 + r ∂(dA) B ∫ ∂t A( t ) (3.3.2) = 0,wegen Gl. (3.3.1) und der Gültigkeit r r ∂(dA) r r r = − B (v ∫A Ñs∫ × B ) d s ∂ t (t) (t) (3.3.3) (der mathematische Beweis für Gl. (3.3.3) wird im Anhang erbracht; für elektrisch leitende Konturen (Leiterschleifen) wird nachfolgend Gl. (3.3.3) sehr einfach und anschaulich über die Lorentzkraft hergeleitet) erhält das Gesetz der Bewegungsinduktion die Form r r u im= Ñ∫ Emd s = − s( t ) r r ∂(dA) v r r dψ ∫A B ∂ t = +sÑ∫ (v × B ) d s = − d t . (t) (t) (3.3.4) Dabei bedeuten: uim in der bewegten Kontur s auftretende induzierte Urspannung r Em in der bewegten Kontur s gemessene elektrische Feldstärke, 26 wobei gilt: r r r Em = Eq + Eim (3.3.5) r Dabei ist Eim die in der bewegten Kontur sm induzierte elektrische Feldstärke, für die gilt r r r Eim = v × B (3.3.6) r Eq ist eine auch ohne Bewegungsinduktion vorhandene (wirbelfreie) Feldr r stärke, für die gilt Ñ E ∫ qds = 0 , wie dies bereits im Zusammenhang mit der s( t ) Ruheinduktion ausführlich erläutert wurde. r r v ist die Geschwindigkeit des Elements ds der bewegten Kontur relativ zum Magnetfeld, die im Allgemeinen orts- und zeitabhängig ist. Hieraus ergeben sich verschiedene Möglichkeiten, wie Bewegungen zu einer zeitlichen Veränderung der Flussverkettung und damit zur Bewegungsinduktion führen können: § § eine starre Kontur bewegt sich mit einer Geschwindigr keit v im Magnetfeld, eine Kontur verändert ihre Form oder ihre gestreckte Länge. (Der Vollständigkeit halber soll hier erwähnt werden, dass r stets die Bedingung v << c , wenn c die Lichtgeschwindigkeit ist, gelten muss.) Ist die bewegte Kontur s eine Leiterschleife, Bewegungsinduktion aus der Lorentzkraft v r r Fm = Q(v × B) , erklären und ableiten. 27 so kann man (3.3.7) die r Fm ist die Kraft, die auf die Ladung Q auf Grund ihrer Bewegung mit der r r r Geschwindigkeit v relativ zum Magnetfeld B wirkt. Die Richtung von Fm ist über das Kreuzprodukt eindeutig definiert (s. Bild 3.3.1) Bild 3.3.1 In einem mit der Ladung Q bewegten Koordinatensystem ist die Geschwindigkeit der Ladung Null und die Kraftwirkung ist erklärbar als Kraftwirkung im elektrischen Feld r r Fm = QEim , (3.3.8) r wobei Eim eine auf Grund der Bewegung induzierte elektrische Feldstärke ist, für die aus dem Vergleich von Gl. (3.3.7) und (3.3.8) gelten muss r r r Eim = v × B . (3.3.9) r r Wird rein differentielles Leitstück ds mit der Geschwindigkeit v im Magnetfeld B bewegt, so wirkt auf die freien Ladungsträger eine Kraft in Richtung r E im , die zur Ladungstrennung führt und Ursache der induzierten elektrischen Urspannung duim ist: r r r r r du im = E imd s = (v × B) d s . Die in der gesamten Leiterschleife auf Grund der Bewegung der einzelnen Elemente induzierte Urspannung beträgt dann u im= Ñ∫ s(t) (vergl. Gl. (3.3.4)) 28 v v Eim ds = Ñ∫ s(t) r r r (v × B)ds . (3.3.10) Zur Unterstützung des elementaren physikalischen Verständnisses der Bewegungsinduktion betrachten wir einen geradlinigen Stab der Länge l , r der sich mit konstanter Geschwindigkeit v relativ zu einem homogenen Magnetfeld bewegt (Bild 3.3.2a). σ Bild 3.3.2a Anordnung Bild 3.3.2b Verhältnisse ohne Stromfluss 29 Bild 3.3.2 Verhältnisse bei Stromfluss Auf r die mitr dem Leiterstück bewegten Ladungen wirkt die Lorentzkraft r Fm = Q(v × B) und führt zu einer Ladungstrennung. An den Enden des Stabes sammeln sich positive bzw. negative Ladungen an. In einem mit dem Leiterstück bewegten Koordinatensystem, in dem die Geschwindigkeit der Ladung Null ist, wird diese Kraftwirkung als die Wirkung einer elektrischen Feldstärke auf die Ladung Q wahrgenommen. Die elektrische Feldstärke im bewegten Koordinatensystem nennen wir induzierte elek- r trische Feldstärke Eim . Es gilt r r r r Fm = QEim = Q(v × B) und damit r r r Eim = v × B . Durch entsteht eine anziehende Coulombkraft r rdie Ladungstrennung r Fq = Q Eq , die der Kraft Fm entgegen wirkt. Der Gleichgewichtszustand (der sich nach sehr kurzer Relaxationszeit einstellt) ist dadurch gekennzeichnet, dass die resultierende Kraft auf die Ladungen Null ist (s. Bild 3.3.2b): r r r r r r F = Fm + Fq = Q E = Q Eim + QEq = 0 , also muss gelten r r r E = Eim + Eq = 0 ; 30 d.h. das Innere des Leiters ist im Falle ruhender Ladungen feldfrei (wäre das nicht der Fall, würden noch Kräfte wirken und der Gleichgewichtszustand wäre noch nicht erreicht). Wir bilden das Linienintegral über die elektrischen Feldstärken, um Spannungen zu erhalten: r r 2r r ∫ Eimds + ∫ Eqds = 0 2 1 bzw. 1 r r 1r r ∫ Eimds = ∫ Eqds . 2 1 Dabei ist 2 r r uim = ∫ Eimds 2 1 die im bewegten Leiterstück induzierte Urspannung und r r u21 = u = ∫ Eqds = uqim 1 2 der Spannungsabfall an den Klemmen, der bei Leerlauf (kein Stromfluss) identisch zur Quellenspannung uqim ist (Bild 3.3.2b). Wenn man den Stromkreis schließt, wird (wenn keine weiteren aktiven Elemente eingeschaltet sind) in Richtung der induzierten Urspannung uim ein Strom i angetrieben, d.h. das bisherige Gleichgewicht der Kräfte auf die Ladungen wird gestört und es muss eine resultierende Kraftwirkung bzw. Feldstärke auf die Ladungsträger geben (s. Bild 3.3.2c): r r r r J E = Eim + Eq = ≠ 0 . σ (3.3.11) Die resultierende Feldstärke muss im Differentiellen das Ohmsche Gesetz (s. Gl. (3.3.11)) erfüllen und verursacht am endlichen Widerstand des betrachteten Leiterstückes einen Spannungsabfall r 2 r r 2r r J ∫1 σ ds = ∫1 Eimds + ∫1 Eqds . 123 123 123 2 uR uim − u21 Diese Gleichung stellt den Maschensatz für die reale Spannungsquelle bei Stromfluss dar (s. Bild 3.3.2c). Die Darstellungen zeigen die elementaren Zusammenhänge, wie durch Bewegungsinduktion eine reale Spannungsquelle mit Urspannung/ Quellenspannung und Innenwiderstand entsteht. Diese repräsentiert einen 31 Energiewandler, in dem Bewegungsenergie (mechanische Energie) mit Hilfe des magnetischen Feldes in elektrische Energie umgewandelt wird (sog. Dynamoprinzip). 32 3.3.1 Zusammenfassung und Handhabung des Gesetzes der Bewegungsinduktion Das Gesetz für die Bewegungsinduktion lautet r ur r r ur u im = Ñ∫ E d s = + Ñ∫ (v × B ) d s = − s( t ) s( t ) Zur Berechnung der induzierten Umlaufintegral entlang der Berandung uim = r r ∂(dA) dψ B = − . (3.3.11) ∫ ∂t dt A( t ) Urspannung r r r dψ (v Ñs∫ × B) d s = − dt (t) ist entweder ein (3.3.12) oder das Flächenintegral über eine bewegte Fläche ur r ∂(dA) dψ uim = − ∫ B =− ∂t dt A( t ) (3.3.13) zu berechnen. Um dies zu berechnen, müssen der bewegten Schleife s ein Umlaufsinn r (Richtung von ds ) und gemäß Rechtsschraubenregel das Flächenelement ur dA zugeordnet werden. Zusätzlich ist ein ruhendes Koordinatensystem anzugeben, bezüglich dessen die Bewegung der Schleife beschrieben wird (Bild 3.3.3). Bild 3.3.3 Bild 3.3.3 33 In jedem Fall entspricht die induzierte Urspannung uim in der bewegten Kontur der negativen zeitlichen Änderung des mit der bewegten Kontur verketteten magnetischen Flusses (- dψ / dt ) unter Beachtung der Bedingung Gl. (3.3.1). Das Umlaufintegral entlang der bewegten Leiterschleife gemäß Gl. (3.3.10) kann (wenn im speziellen Fall sinnvoll) in Teilabschnitte zerlegt werden uim 1 r 2 r r r 3 r r r r r r r r = Ñ∫ (v × B) ⋅ ds = ∫ (v × B) ⋅ds + ∫ (v × B) ⋅ds + ... + ∫ (v × B) ⋅ ds s( t ) 1 = uim12 2 + n uim23 +...+ , (3.3.14) uimn,1 wobei die einzelnen Beiträge größer, kleiner oder gleich Null sein können. Sind in die geschlossene, bewegte Leiterschleife konzentrierte Elemente eingefügt (Spannungsquellen, Widerstände, offene Spannungsabfallstrecken, vergl. auch Ruheinduktion), so gilt N ∑ un = n =1 vzb Ñ∫ r r r (v × B) d s = uim (3.3.15) s( t ) mit uim als induzierte Urspannung bzw. N ∑u n =1 vzb n − uqim = 0 mit uqim als induzierte Quellenspannung. 34 (3.3.16) Die Netzwerkdarstellung zu den Gln. (3.3.15) bzw. (3.3.16) zeigt Bild 3.3.4. Bild 3.3.4 Dabei kann die Quelle uqim = uim gemäß Gl. (3.3.14) auch in mehrere Teilquellen zerlegt werden, die dann einzelnen Abschnitten der Leiterschleife wie auch die übrigen Bauelemente konkret zugeordnet werden können. Bemerkung: Da wir in diesem Abschnitt allein die Bewegungsinduktion r betrachten, darf keine Zeitabhängigkeit von B auftreten. Dies kann im strengen Sinne nur garantiert werden, wenn der Schleifenstrom i = 0 ist (Leerlauf) oder wenn der Schleifenstrom ein Gleichstrom ist: i=I=const. Andernfalls würde ein Selbstinduktionsvorgang stattfinden, den wir hier aber voraussetzungsgemäß s. Gl. (3.3.1) ausschließen und erst im Abschnitt 3.4 betrachten wollen. 35 3.3.3 Schritte für die Anwendung des Gesetzes der Bewegungsinduktion Schritt 1: Zuordnung von Schleifenumlauf und positivem Flächenelement r (in Richtung von Bbzw. ψ ) nach einer Rechtsschraube und Zuordnung eines ruhenden Koordinatensystems r r Beschreibung von v , B , ds sowie dA zur Schritt 2: Aufstellen des Maschensatzes für die geschlossene Schleife unter der Annahme, dass keine Induktionswirkung stattfindet N ∑u n =1 vzb 36 n =0 Schritt 3: Ermittlung der induzierten Urspannung gemäß uim = Ñ∫ r r r (v × B) d s s(t) bzw. ur r ∂(dA) uim = − ∫ B ∂t A( t ) unter Bezug auf das gewählte Koordinatensystem und die vorgegebene Umlaufrichtung. Schritt 4: Einsetzen der Ergebnisse gemäß Schritt 2 und Schritt 3 in das Gesetz in den erweiterten Maschensatz und Ermittlung der gesuchten Größen (Strom, Spannungen). r r r + Ñ∫ (v × B ) d s s( t ) N un = uim = oder ∑ ur n =1 r ∂(dA) vzb − B A∫( t ) ∂t Ergänzung Netzwerkinterpretation der induzierten Urspannung/ Quellenspannung und Einbeziehung in den erweiterten Maschensatz (evtl. Aufteilung in mehrere Quellen und Zuordnung zu den entsprechenden Abschnitten) N ∑u n =1 vzb 37 n − u qim = 0 3.4 Der allgemeine Induktionsvorgang 3.4.1 Erläuterungen zum allgemeinen Induktionsvorgang In unseren bisherigen Betrachtungen zur Ruheinduktion (Abschn. 3.2) und zur Bewegungsinduktion (Abschn. 3.3) sind wir immer von Gl. (3.1.1) ausgegangen und haben bestimmte Bedingungen formuliert, um die jeweilige Induktionsform gewissermaßen zu separieren. Zusammenfassend kann man aber feststellen, dass die Gl. (3.1.1) das vollständige Induktionsgesetz darstellt, auch für den Fall, dass sich die Kontur s relativ zum Magnetfeld bewegt. Um dies bewusst auszudrücken, können wir s durch s(t) sowie A durch A(t) ersetzen: ui = r r r r d dψ E d s = − B dA = − ∫s(t) ∫ Ñ d t A(t) dt (3.4.1) In jedem Falle ist die auch in einer bewegten Leiterschleife s(t) induzierte Urspannung ui(t) gleich der negativen zeitlichen Änderung des zum Zeitpunkt t verketteten magnetischen Flusses ψ (t) . Mit Hilfe der Identität (Ableitung s. Anhang) r r r r r ∂(dA) d ∂B r ∫ B d A = − A(t) ∫ ∂ t d A − A(t) ∫ B ∂t dt A(t) r r r r ∂B r = −∫ d A + Ñ∫ v × B ds ∂t A(t) s(t) ( (3.4.2) ) können die im Allgemeinen gleichzeitig ablaufenden Vorgänge der Ruheund Bewegungsinduktion separiert dargestellt und berechnet werden. Dabei sind: s = s(t) A = A(t) ui (t) r r E (r , t ) ψ (t) = ∫ A(t) v v v (r,t) 38 bewegte, sich deformierende Kontur zeitveränderliche, von s berandete Fläche in der bewegten Kontur induzierte Urspannung in der bewegten Kontur auftretende elektrische r v v Feldstärke B(r,t)dA mit der bewegten Fläche A(t) zum Zeitpunkt t v v verkettete magnetische Fluss, wobei B(r,t) ein im Allgemeinen zeit und ortsabhängiges (inhomogenes) Magnetfeld darstellt. die Relativgeschwindigkeit eines Linienelements r ds der Kontur bezüglich des Magnetfeldes. Für den Fall, dass in der Kontur s kein Strom fließt, ist das die Induktion bewirkende Magnetfeld ein von der Kontur völlig unabhängiges Fremdfeld. Sobald in der Kontur s ein Strom fließt, wie es in sehr vielen praktischen Anwendungen der Fall ist, wird dieses Fremdfeld durch das vom Stromfluss selbst erzeugte Magnetfeld überlagert. Die gesamte zeitliche Änderung des im Induktionsgesetz wirksamen, verketteten magnetischen Flusses ergibt sich, wie bereits im Abschn. 3.2 dargelegt, zu dψ fremd dψ = dt dt + dψ selbst dt (3.4.3) mit dψ selbst d = (Li) dt dt (3.4.4) (L (Selbst-)Induktivität der Leiterschleife). Betrachten wir den ersten Term auf der rechten Seite, der die Induktionswirkung durch das vorgegebene magnetische Fremdfeld erfasst. Dieser v v Term wird gemäß Gl. (3.4.2) behandelt, wobei für B gewissermaßen B fremd einzusetzen ist, also das unabhängig vom Stromfluss in der Leiterschleife vorgegebene Magnetfeld. Der erste Term auf der rechten Seite von Gl. (3.4.2) ist die Berechnungsvorschrift für die durch transformatorische Induktion des Fremdfeldes induzierte Urspannung u it, fremd v ∂ Bfremd v = − ∫ dA . ∂ t A(t) (3.4.5) Der zweite Term auf der rechten Seite von Gl. (3.4.2) repräsentiert die Berechnungsvorschrift für die durch Bewegungsinduktion im Fremdfeld induzierte Urspannung u im,fremd v v ∂ ( ∂ A) = − ∫ B fremd = ∂ t A(t) Ñ∫ ( s(t) v v v v × B fremd d s ) (3.4.6) Je nach Aufgabenstellung können beide Ausdrücke auf der rechten Seite von Gl. (3.4.6) nützlich für die Berechnung sein. 39 Für den Fall eines Stromflusses in der Leiterschleife müssen wir entsprechend Gl. (3.4.4) auch den Selbstinduktionsvorgang betrachten. Ist die Leiterschleife starr, d. h. sie unterliegt keiner Deformation, ist die Induktivität L eine Konstante bezüglich der Zeit und Gl. (3.4.4) kann geschrieben werden in der Form dψ selbst di = L , dt dt (3.4.4a) was (wie bereits im Abschn. 3.2 erläutert) als Spannungsabfall an der Induktivität L der Leiterschleife zu interpretieren ist. Ergänzung: Lassen wir im allgemeinen Fall auch eine Deformation der Leiterschleife zu, so wird L = L(t) und aus Gl. (3.4.4) ergibt sich dann dψ selbst d di dL = ( L i ) = L(t) + i(t) . dt dt dt dt (3.4.4b) Gl. (3.4.4b) lässt sich als Reihenschaltung zweier Spannungsabfälle interpretieren. Der erste Term auf der rechten Seite entspricht einem induktiven Spannungsabfall, allerdings im Unterschied zu Gl. (3.4.4a) jetzt an einer zeitveränderlichen Induktivität L(t). Der zweite Term auf der rechten Seite entspricht einem Spannungsabfall an einem im Allgemeinen zeitveränderlichen Widerstand der Größe i dL / dt ([ dL / dt ] = Ohm ) . Hier muss man sogar noch eine interessante Falluntersuchung vornehmen. Wird die Induktivität bei der Deformation vergrößert, d. h. es gilt (d L / d t ) > 0, dann ist der wirksame Widerstand positiv, was einen Verlust elektrischer Energie in der Leiterschleife bedeutet. Wird dagegen die Induktivität verkleinert, d. h. es gilt (d L / d t ) < 0, dann wird der Widerstand negativ. Über einen solchen „negativen“ Widerstand wird der Leiterschleife zusätzlich Energie zugeführt (der negative Widerstand wirkt wie eine Energiequelle). Die mathematische Behandlung für den Fall zeitveränderlicher Induktivitäten führt auf Differentialgleichungen mit zeitveränderlichen Parametern. Dieser Fall L=L(t) wird im Rahmen dieses Lernmoduls nicht weiter verfolgt. 40 3.4.3 Schritte bei der Anwendung des Induktionsgesetzes in allgemeiner Form Schritt 1: Zuordnung von Schleifenumlauf und positivem Flächenelement v (in Richtung von B bzw. ψ ) nach einer Rechtsschraube und Zuordnung eines ruhenden Koordinatensystems zur Beschreiv v v v bung von v , B , ds und dA Schritt 2: Aufstellen des Maschensatzes für die geschlossene Schleife unter der Annahme, dass keine Induktionswirkung stattfindet (Annahme (dψ / dt) = 0 ) N ∑u n =1 vzb 41 n =0 Schritt 3: Ermittlung der induzierten Urspannungsanteile gemäß Gl. (3.4.3) ... Gl. (3.4.6) Schritt 3.1: Fremdinduktion u i fremd = − u it,fremd uim,fremd v dψ fremd d v = − B d A dt d t ∫A fremd = u it,fremd + u im,fremd v ∂ B fremd r dA = −∫ t ∂ A v v ∂ (dA) − ∫ B fremd ∂t A = oder v v v + Ñ∫ v × B fremd d s s ( Schritt 3.2: ) Selbstinduktion u i selbst = − L: d di (Li) = − L = −u L dt dt Selbstinduktivität der Leiterschleife; L=const. Hinweis: Bei Leerlauf in der Leiterschleife i = 0 und bei di Gleichstrom = 0 findet keine Selbstinduktion statt. dt Schritt 4: Einsetzen der Ergebnisse von Schritt 2 und 3 in den erweiterten Maschensatz und Berechnung der gesuchten Größen (Strom, Spannungen) N ∑u n =1 vzb 42 n = ui = uit,fremd + uim,fremd + ui selbst Ergänzung Netzwerkinterpretation der durch die Induktionsvorgänge erzeugten Spannungen als Quellenspannungen bzw. Spannungsabfälle und Einbeziehung in einen erweiteten Maschensatz N d ∑+ dt (Li) − u n =1 vzb qit,fremd − uqim,fremd = 0 Elemente, die physisch in der Leiterschleife vorhanden sind und für die ohne Induktionsvorgang N der Maschensatz ∑u n =1 vzb n = 0 gilt Elemente, die die Induktionswirkung durch das von der Leiterschleife unabhängige magnetische Fremdfeld charakterisieren Elemente, die den nur bei Stromfluss möglichen Selbstinduktionsvorgang charakterisieren. 43 Anhang Beweis der Identität r r r r d r r ∂B r B dA dA (v = + − Ñ∫S × B)ds ∫A ∂ t dt ∫A Wir betrachten eine Bewegung und/oder eine Deformation der Kontur s und die durch diese berandete Fläche A. Das Magnetfeld sei zeitabhängig r r r und inhomogen, also B = B(r,t) . Auch für die Geschwindigkeitsvektoren der Linienelemente r r r Berandung gilt v = v(r,t) . r ds der Die Zeitänderung des verketteten magnetischen Flusses ist r r dΨ d r r 1 r r = B d A = lim B1 d A − ∫ B d A ∆ t → 0 ∆t ∫ dt dt ∫A A A1 (1) r dabei ist B1 die Flussdichte zum Zeitpunkt t1 = t + ∆t . Außerdem gilt stets (Quellenfreiheit der magnetischen Flussdichte) r r B Ñ∫ d A = 0 (2) für jede beliebige geschlossene Oberfläche. Die Verhältnisse für eine sich bewegende Kontur s sind im Bild dargestellt. 44 Gl. (2) nimmt zum Zeitpunkt t1 = t + ∆t die Form an r r r r − ∫ B1 d A + ∫ B 1 d A + A A1 r r B ∫ 1 dA = 0 . (3) ∆A r r Ein Linienelement ds der Kontur s bewegt sich mit der Geschwindigkeit v r in der Zeit dt um das Wegstück dr : r r dr v= . dt Dieses sich bewegende Linienelement überstreicht eine Fläche r r r r r dA = d s × d r = ds × v ∆t . (4) Damit kann der mit der Fläche ∆A verkettete Fluss berechnet werden: r r r r r B dA = B (ds ∫ 1 ∫ 1 × v ) ∆t . A1 (5) A1 Der Integrand kann identisch umgewandelt werden (Spatprodukt): r r r r r B1 (ds × v ) = (v × B)ds . Setzt man dies in Gl. (5) ein, bekommt man r r r r r =∆ × B d A t (v B ) d s . 1 1 ∫ Ñ∫ ∆A (6) s r Die magnetische Flussdichte B1 zur Zeit t1 kann für hinreichend kleine ∆t folgendermaßen dargestellt werden: r r r ∂B B1 = B + ∆t + L . ∂t (7) Setzt man Gl. (7) in Gl. (6) ein und berücksichtigt die Reihe nur einschließlich des linearen Gliedes, erhält man: r r r r r r r r ∂ B 2 B dA = ∆ t (v × B) d s + ( ∆ t) v × ds. 1 ∫ Ñ∫s Ñ∫s ∂t ∆A 45 (8) Nun kann man Gl. (3) folgendermaßen schreiben: r r r r r r r r r r r ∂B r ∂ B 2 B d A = B d A + ∆ t dA − ∆ t (v × B)ds − ( ∆ t) v × d s .(9) 1 ∫A ∫A ∫A ∂ t Ñ∫s Ñ∫s ∂ t 1 Diese Gl. (9) kann eingesetzt werden in Gl. (1), was zu der beweisenden Identität führt: r r r r r r ∂B r d r r 1 r r = − = − ×B ds B d A lim B dA B d A d A v 1 ∫ ∫ ∫ Ñ ∆t → 0 ∆t ∫ dt A∫ ∂ t A s A1 A ( 46 )