Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern mit Entwicklungsstörungen

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50 Jahre Haslachmühle!!
• Die Arbeit mit den betroffenen Kindern
und Jugendlichen sowie ihren sozialen
Systemen folgte immer schon einem
interdisziplinären Ansatz, unter besonderer
Beteiligung von Fachkräften der
Pädagogik (Erziehern, Lehren,
Sozialpädagogen, Heilpädagogen) und
von Spezialtherapeuten (Logopäden,
Ergotherapeuten, Musiktherapeuten,
Physiotherapeuten etc.).
Epidemiologie
• Schon im Kindergarten zeigen 20% aller Kinder, meist
Jungen, Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität,
Hyperaktivität oder Aufmerksamkeitsschwäche.
• Dazu finden sich bei über 25% der Vorschulkinder
Entwicklungsstörungen im Sinne motorischer
Entwicklungsrückstände, Sprachentwicklungsstörungen
oder anderer Wahrnehmungsverarbeitungsstörungen.
• Sozio-ökonomische, psychische und somatische
Bedingungsfaktoren lassen diese Zahl in besonders
benachteiligten gesellschaftlichen Subgruppen auf bis zu
40 % ansteigen
Bella‐Studie
• Ca. 21% aller Kinder und Jugendlichen von 7 bis
17 sind in Deutschland psychisch auffällig.
• Es überwiegen Angststörungen (10%),
gravierende Störungen des Sozialverhaltens
(7,6%) und depressive Störungen (5,4%).
• Es besteht ein erheblicher sozialer Gradient,
zugleich werden gerade Kinder aus
bildungsfernen und ökonomisch benachteiligten
Milieus deutlich seltener behandelt.
Prävalenz
geistiger Behinderung
• Prävalenz: 0.6 % pro Geburtsjahrgang
• d.h. 4800 Kinder pro Geburtsjahrgang
• Entspricht ca. 85000 Kinder in der BRD
Belastungen durch zusätzliche
Erkrankungen
• Motorische Schwächen,Cerebralparesen
und andere Bewegungsstörungen
• Sprachentwicklungsstörung
• Sinnesbeeinträchtigungen (Sehen/Hören)
• Epilepsien
• Genetische Erkrankungen
• Stoffwechselstörungen
• Wachstumsstörungen etc.
Prävalenz von emotionalen
Störungen und
Verhaltensauffälligkeiten
• 30- 50% der Kinder mit geistiger Behinderung
oder anderen
Entwicklungsbeeinträchtigungen zeigen
emotionale Störungen und
Verhaltensauffälligkeiten
• Risiko um 3 – 4 mal erhöht bei geistiger
Behinderung
Kooperationsnetz bei
Entwicklungsstörungen und
Verhaltensproblemen
JA/ Eingliederung
Logopädie
Kinderarzt
Soz-.med.
SPZ
Nachsorge
Kind
Familie
FUD
Heilpädagogen
KJP
Frühförderung
Kinder
Physiotherapie
garten
Ergotherapie
Schule
Psychologie
Tagesstätte
Heim
Verhaltensstörung oder
psychische Erkrankung?
• Genetische Erkrankungen mit „typischen“
Verhaltensbesonderheiten (z. B. Prader- Willi
mit grenzenlosen Essverhalten, Zwängen,
Autoaggression)
• Frühkindlicher Autismus (Autoaggression,
Fremdaggression, Brummen“, Rituale,
Lichtschalter betätigen…)
• Autoaggression bei syndromaler Erkrankung
z.B. Smith Magenis (Mikrodeletion Ch 17) mit
Kopfschlagen, Beißen…
Emotionale Beeinträchtigung bei
geistiger Behinderung
• Erfahrungen von mangelnder Annahme und
Wertschätzung, emotionale Verlassenheit,
Verluste, Abwertung, Ausgrenzung, Kontrolle,
Perspektivlosigkeit, Fremdbestimmung und
Anpassungsdruck sind ursächlich.
Diese drücken sich in, für Außenstehende, oft
unverständlichen Verhaltensweisen aus.
• Weitere Ablehnung und Verständnislosigkeit
gegenüber dem behinderten Menschen
folgen und verstärken so störendes und
problematisches Verhalten.
Entwicklungsstörung
und emotionale Beeinträchtigung
•
Der Säugling, der in seiner Entwicklung die Erwartungen seiner Mutter
erfüllt, verstärkt ein positives Erziehungsbemühen und die Zuwendung der
Mutter.
• Reagiert das Kind nicht hinreichend, z. B. wegen einer muskulären
Hypotonie oder einer Hörschwäche, kommt es zunächst nochmals
zu einer Intensivierung der Erziehungs- und
Zuwendungsanstrengungen, dann gibt die Mutter häufig auf, und
vermindert ihre Bemühungen.
• Damit wirken das Kind wie die Mutter steuernd auf die eigene
Entwicklung, in diesem Beispiel allerdings auf eher ungünstige
Weise. Das Nicht-Reagieren eines Kindes wird aber von Eltern
meist als Kränkung und Zurückweisung verarbeitet, ebenso wie
Kinder ein Erleben von fehlender Selbstwirksamkeit häufig
depressiv verarbeiten.
• An einem solchen Punkt setzt dann häufig ein Problembewusstsein
ein, das im günstigen Fall zu professioneller Hilfe bei der Gestaltung
der Mutter-Vater-Kind-Beziehung führt.
Regulationsstörung
Entwicklungsstörung
und emotionale Beeinträchtigung
• Eine Schädigung, z. B. im Sinne einer
emotionalen Vernachlässigung, seelischen
oder körperlichen Traumatisierung oder
einer längerfristigen
Entwicklungsbehinderung hat nicht bei
jedem Individuum in jeder Familie und zu
jedem Zeitpunkt die gleiche Symptomatik
zur Folge.
Bio-psycho-soziales
Entwicklungsmodell
• Menschliche Entwicklung ist ein
mehrdimensionales Geschehen auf den Ebenen
der biologischen, psychologischen und
sozialen Abläufe.
• Psychische Störungen zeigen sich immer auch auf
allen genannten Ebenen, wenn auch mit jeweils
unterschiedlicher Ausprägung.
• Entwicklung ist ein zirkuläres Wechselspiel
zwischen Individuum und Umwelt, das nichtlinearen Kausalitäten folgt. Heute spricht man von
systemischen Erklärungsmodellen
Allgemein können vier Dimensionen
unterschieden werden:
• biologische Faktoren: Geschlecht, genetische
Ausstattung, konstitutionelle Faktoren, somatische
Vorerkrankungen, Unfälle, Behinderungen, Ernährung
• psychosoziale Faktoren: individuelle psychosoziale
Entwicklung, familiäre, schulische und PeergruppenSozialisation
• soziokulturelle Faktoren: sozioökonomische
Bedingungen, epochale, historische und politische
Bedingungen wie Migration, Krieg etc., kulturelle
Bedingungen wie Medieneinflüsse, religiöse
Prägungen etc.
• aktuelle Lebensumstände: situative Faktoren und
Belastungen wie Trennung, Scheidung, Schulwechsel,
akute Krisen
Einfluss der vier Dimensionen
• Es leuchtet unmittelbar ein, dass z. B. eine
Entwicklungsverzögerung aufgrund von
Geburtskomplikationen einen jeweils anderen Verlauf
nimmt, abhängig von
• Dimension1: den funktionellen
Förderungsmöglichkeiten wie Physiotherapie,
Ergotherapie, Logopädie
• Dimension 2: der Ausgestaltung der
Bindungsbeziehungen, und der psychischen
Sicherheit
• Dimension 3: der Zugehörigkeit zu einer sozialen und
kulturellen Gruppe
• Dimension 4: den situativen Belastungen bzw.
Ressourcen
Bedingungsgefüge psychischer
Erkrankungen
• Sozio-ökonomische
Bedingungen, epochale,
historische und politische
biologische Faktoren: Bedingungen, Migration,
Geschlecht, genetische
Krieg..
Ausstattung,
• Elterliche Kompetenz
• situative Faktoren und
Belastungen wie
Trennung, Scheidung,
akute Krisen
Kognition
• Institutionelle
Bedingungen in
KG/Schule/Einrichtung
• situative Faktoren wie
Schulwechsel
Anpassungsfähigkeit
konstitutionelle
Faktoren, somatische
Vorerkrankungen,
Unfälle,
Behinderungen,
Ernährung
Emotionsregulation
• Interkulturelle
Haltung
• kulturelle
Bedingungen
• religiöse Prägungen
Bedingungsgefüge psychischer
Erkrankungen
• Der Ausgang einer solchen Problemlage hängt nur zum kleineren
Teil von der primären Ursache, sondern vielmehr vom
Zusammenwirken der Bedingungsfaktoren im Gesamtverlauf ab.
• So kann bei günstiger Konstellation die
Entwicklungsverzögerung vollständig behoben werden, im
ungünstigsten Fall jedoch in eine chronifizierte somatische,
emotionale, kognitive oder soziale Behinderung führen, mit dem
Ergebnis reduzierter Teilhabe und Selbstverwirklichung in vielen
Lebensbereichen.
• In allen Dimensionen werden protektive (=schützende) oder
Ressource-Faktoren und Risiko- (=Vulnerabilitäts-) faktoren
wirksam.
Risikofaktoren
• Jungen haben bis zur Pubertät ein 2-5-fach erhöhtes Risiko für
Entwicklungsstörungen, Teilleistungsschwächen, Hyperkinetische
Störungen und für aggressive Verhaltensauffälligkeiten. Sie gelten
als insgesamt verletzlicher durch äußere und innere Belastungen,
besonders im Zentralnervensystem. Ihr Entwicklungstempo und die
Stabilität der Reifung sind langsamer als bei Mädchen.
• Gleichzeitig konsumieren Jungen noch mehr als Mädchen Medien,
die Gewalt als alleinige Konfliktlösung propagieren, muten sich mehr
ihre Hirnentwicklung gefährdende Inhalte zu, und blockieren damit
tendenziell schulischen Lernerfolg (z. B. Spitzer 2003).
Risikofaktoren
• Kinder mit zerebralen Schädigungen haben je nach
Ausprägung und Lokalisation ein bis zu 10 x höheres Risiko
für psychische Störungen als gesunde.
• Familiäre Belastungen bei gesunden Kindern erhöhen dieses
Risiko um nahezu den gleichen Faktor. Dazu zählen u.a.:
psychische Erkrankung oder Delinquenz eines Elternteiles,
dauerhafte Streitatmosphäre, Elternverlust durch Scheidung,
körperliche und psychische Vernachlässigung und
Misshandlung.
• Eine problematische sozioökonomische Situation allein
vergrößert die Wahrscheinlichkeit einer psychischen Störung
bei einem Kind um den Faktor 2 – 3.
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
• Eine große angelegte US-amerikanische Studie, die Adverse
Childhood Experiences Study (ACE, Felitti et al., 2002, 2005) untersuchte
mehr als 17 000 Mitglieder einer Krankenversicherung bezüglich
negativer Kindheitserfahrungen und ihrer Auswirkungen im
späteren Leben.
• Das Ergebnis war eine gesicherte Dosis-Wirkungsrelation
von belastenden Lebenserfahrungen durch
Vernachlässigung, Misshandlung, länger andauernden
sexuellen Missbrauch, aber auch durch psychisch kranke
oder inhaftierte Elternteile mit allen sozialmedizinisch
bedeutsamen körperlich und psychischen Erkrankungen
in späteren Lebensaltern.
• Je früher, mehr und intensiver Belastungsfaktoren auf die
jungen Menschen einwirkten, umso wahrscheinlicher war
eine soziale, emotionale oder kognitive Beeinträchtigung
bis hin zu psychosozialer Behinderung, chronisch
körperlicher Erkrankung und einem früheren Tod
Vulnerabilitäts-Stress-Modell
Individuelle protektive Faktoren
• Kinder, die ein heiteres, fröhliches Grundtemperament mitbringen,
haben auch unter schwierigen Umweltbedingungen bessere
Entwicklungschancen
• Ebenso Kinder mit besonders guten Aufmerksamkeits- und
Reaktionsfähigkeiten und Kinder die weniger leicht zu irritieren sind
und bei ihren einmal gesteckten Zielen bleiben. Diese Kinder
können unangenehme Situationen relativ gut aushalten und ihr
Kern-Selbst vor Verletzungen schützen.
• Kinder, die bereits eine Beziehung erlebt haben, die getragen hat;
wenn mindestens ein Jahr lang eine gute Mutter-Kind- Beziehung
bestanden hat. (selbst, wenn das Kind später von der Mutter
misshandelt wird!)
• Kinder, die es auch in schlechteren Verhältnissen schaffen, gut
durch zukommen, fallen in Heimen oft dadurch auf, dass sie sich
stärker für andere in der Gemeinschaft engagieren, und es
gleichzeitig fertigbringen, sich eine Privatsphäre zu schaffen.
Äußere protektive Faktoren
• Eine stabile und gute familiäre Atmosphäre, mit
emotionaler Verbundenheit, Förderung von
Autonomie der Familienmitglieder, eindeutiger
Kommunikation, konsequenter Erziehungshaltung
und klarer Aufgabenverteilung liefert beste
Entwicklungsbedingungen, auch bei ansonsten
belastenden Risikofaktoren.
• Früherkennung von medizinisch-neurologischen
Risikofaktoren und die Behandlung trägt zur
Verhinderung bzw. Begrenzung von körperlichen
Behinderungen (Sekundäre Schäden) bei.
Äußere protektive Faktoren
• Größere soziale Netze bieten mehr Sicherheit vor psychischer
Erkrankung. Eine isoliert lebende Zwei- oder Dreikopffamilie
birgt ein höheres Risiko als eine stärker sozial vernetzte
größere Familie. Wenn mehrere Erwachsene als
Bezugspersonen zur Verfügung stehen, kann das Kind
zwischen ihren Verhaltensweisen differenzieren lernen. Es ist
nicht nur einer Sichtweise ausgeliefert, und es kann sich bei
Schwierigkeiten mit dem einen auf den anderen stützen.
• Ein „wissender Zeuge“ (Alice Miller): ein Mensch, der nicht
direkt in die problematischen Umstände verwickelt ist, dem
das Kind aber als Vertrautem etwas davon erzählen kann
(entfernt wohnender Großvater, Lehrer, ältere Geschwister
etc.), der dem Kind das Gefühl vermittelt: Hier ist jemand, der
zu mir steht, mir ein Stück Wert gibt und der mir eine
Reflektion über das Erlebte ermöglicht.
Bedingungsgefüge
psychischer Erkrankungen
• Das Zusammenspiel von Risiko- und
Protektionsfaktoren, von Krankheits- und
Bewältigungsvariablen (Coping)
entscheidet wesentlich über Entstehung
und Verlauf einer psychischen Störung.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Die durch die Weiterentwicklung der modernen
bildgebenden Verfahren heute mögliche Erforschung
neurobiologischer Zusammenhänge mit psychischen
Prozessen kommt zu noch weitergehenden
Schlussfolgerungen:
• Hirnforscher wie Spitzer (2000), Hüther (2001) oder Roth
(2004) betonen heute immer stärker die psychischen
Voraussetzungen für eine adäquate somatische
Entwicklung des Gehirns.
• Ausgeprägter als bei anderen Primaten ist das
menschliche Gehirn angewiesen auf intensive,
angemessene und konstante Beziehungen, um
ausreifen zu können.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Neuere Erkenntnisse zeigen, dass biologische
Risiken sich primär in Beeinträchtigungen von
motorischen Entwicklungen bemerkbar machen,
während der Einfluss psychosozialer Risiken sich
stärker in der kognitiven und sozioemotionalen
Entwicklung niederschlägt.
• Dabei ändert sich auch die relative Bedeutung der
Risikofaktoren im Verlauf der Entwicklung:
während biologische Risiken mit zunehmendem
Alter an Bedeutung verlieren, wächst im
Gegenzug der Einfluss von psychosozialen
Risiken.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Hüther weist nach, dass „Liebe ein
Naturgesetz ist und das Gehirn ein
Sozialorgan“. Das menschliche Gehirn ist
vom Aufbau her optimiert für „psychosoziale
Kompetenz“.
• Dabei ist die strukturelle Ausformung, die
Vernetzung einzelner Hirnareale zu
funktionellen Einheiten zu einem großen Teil
nutzungsabhängig, und nur in Grundzügen
genetisch bestimmt.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Nur unter dem einfühlsamen Schutz und der
kompetenten Anleitung durch erwachsene
„Vorbilder“ können Kinder vielfältige
Gestaltungsangebote auch kreativ nutzen und
dabei ihre eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten
erkennen und weiterentwickeln.
• Nur so kann im Frontalhirn ein eigenes, inneres
Bild von Selbstwirksamkeit stabilisiert und für die
Selbstmotivation in allen nachfolgenden
Lernprozessen genutzt werden.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Um die für funktionelle Netzwerke erforderlichen,
hochkomplexen Verschaltungen ausbilden zu
können, müssen Kinder möglichst viele und
möglichst unterschiedliche eigene Erfahrungen
machen.
• Dazu brauchen sie vielfältige stimulierende (ihre
emotionalen Zentren aktivierende) Angebote und
Herausforderungen und – um diese annehmen
und erfolgreich bewältigen zu können –
Sicherheit- und Orientierung- bietende
Bindungsbeziehungen.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Vertrauensvolle emotionale Bindungen sind für
Kinder die wichtigste Ressource zur Bewältigung
von Unsicherheit, Angst und Stress.
• Die Ausformung und Stabilisierung sicherer
Bindungsmuster hängt davon ab, ob ein Kind die
wiederholte Erfahrung machen kann, dass es in
der Lage ist, neue Anforderungen, die zu einer
Störung seines emotionalen Gleichgewichtes
führen, mit der Unterstützung einer primären
Bezugsperson bewältigen zu können.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Die im kindlichen Gehirn angelegten neuronalen und
synaptischen Verschaltungsmuster sind weitaus verformbarer als bisher angenommen.
• Die am stärksten durch die jeweiligen Nutzungsbedingungen
strukturierte Hirnregion ist der frontale Kortex. Die in dieser
Region während der Kindheit herausgebildeten
Verschaltungen sind für die Steuerung der wichtigsten
späteren Leistungen des menschlichen Gehirns zuständig:
•
•
•
•
•
Selbstwirksamkeit und Kontrollüberzeugungen
Motivation
Impulskontrolle
Handlungsplanung
soziale und emotionale Kompetenz
Gehirnentwicklung und Psyche
• Emotionale Verunsicherung führt zur Aktivierung
unbewusst reagierender limbischer und anderer
stress-sensitiver neuro-endokriner Regelkreise
und zwingt das Kind, nach Strategien zur
Wiederherstellung seines inneren Gleichgewichtes
zu suchen.
• Solche stressinduzierte, in der Regel
unbalancierten Bahnungsprozesse führen
zwangsläufig zu defizitären Entwicklungen in
anderen Bereichen: Wahrnehmung, Motorik,
Lernverhalten, Motivierbarkeit, Sozialverhalten
Gehirnentwicklung und Psyche
• Chronischer Stress, messbar am SerumCortisolspiegel, auch schon praenatal , zerstört
neuronale Strukturen des limbischen Systems, u.a.:
• im Hippocampus (Zentrum für Gedächtnis),
• in der Amygdala (Mandelkern, Zentrum für Emotionen,
v.a. Angst) und
• bremst die Hemisphärenvernetzung im Corpus callosum
(der „Balken“, die Faserstränge zwischen den
Hirnhemisphären)
• Damit werden organisch begründbare
Regulationsstörungen verursacht, die später in komplexe
Störungen von Lernen, Emotionen und Verhalten
münden können.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Wenn während der frühkindlichen Entwicklung
Erfahrungen aus der Umwelt vorenthalten werden,
beispielsweise durch mangelhafte Angebote an
Sinnesreizen, aber auch im Bindungsaufbau,
können Hirnfunktionen irreversible Schäden
erleiden.
• Fazit: Erfährt das kindliche Gehirn nicht genügend
auf seine Struktur hin angepasste Zuwendung,
wird es – bedingt kompensierbar – unter seinen
Möglichkeiten für kognitive und psychosoziale
Kompetenz, Liebes- und Lernfähigkeit bleiben.
Gehirnentwicklung und Psyche
• Bei Kindern, die aufgrund wiederholter emotionaler
Traumatisierungen oder chronischer Vernachlässigung
keine geeignete Strategie zur Wiederherstellung ihres
emotionalen Gleichgewichtes finden, kommt es zu
einer lang anhaltenden, unkontrollierbaren Aktivierung
ihres neuroendokrinen Stress-Systems mit
nachhaltigen destabilisierenden Auswirkungen auf
• psychischer (z. B. Angststörungen oder
Persönlichkeitsstörungen) Ebene und auf
• körperlicher Ebene (adaptive Veränderungen
endokriner und vegetativer Regelkreise, Umbau
neuronaler Netzwerke).
Gehirnentwicklung und Psyche
• Emotionale Prozesse stellen eine
wesentliche Komponente für die
Fokussierung von Aufmerksamkeit,
Verarbeitungstiefe von Ereignissen, für
Lernen und für Motivation dar.
• Jegliches Lernen – auch von Sprache,
motorischen Fertigkeiten und sozialer
Kompetenz – ist damit immer eingebettet
in emotionale Bewertung
Gehirnentwicklung und Psyche
• Man geht davon aus, dass diese Störungen abhängig
von der Art und Dauer der schädigenden
Einwirkungen reversibel sind, wenn das Beziehungsund Erziehungsmilieu entsprechend verbessert wird.
• Studien zu stark deprivierten rumänischen
Waisenkindern (Rutter 2006) haben gezeigt, dass nur
bei drastischer Milieuverbesserung vor dem 18.
Lebensmonat gute Aufholeffekte im Kognitiven,
Motivationalen und Sozialen zu erzielen sind.
• Andererseits wird aus dem Beschriebenen nochmals
deutlich, dass ernste psychische Störungen auf der
Grundlage andauernder früher Stressbelastungen
entstehen
Zusammenfassung
• Die ersten Lebensjahre sind entscheidend für
den ungestörten Aufbau eines gesunden
Gehirns, entscheidende Voraussetzung für
Selbstbewusstsein, angemessene
Selbstregulation und kompetentes Verhalten
auf allen Ebenen
• Zur Entwicklung gehört das Durchleben von
Krisen ebenso wie Perioden scheinbarer
Ruhe
• Der größte Teil der „normalen“ Krisen wird
vom Kind eigenständig bewältigt
Zusammenfassung
• Ein kleinerer Teil bedarf stützender Hilfe
seitens der sozialen Primärgruppen wie
Familien, Schule, Peers.
• Erst bei erheblichen Einschränkungen des
Erlebens von Autonomie und Selbstwert
mit entsprechender Symptombildung wird
professionelle Hilfe erforderlich.
Der gute Grund…. oder warum
verhält sich ein Kind nicht wie es soll?
Was tun bei……
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Rückzug
Weinen
Verweigern
Schreien
Unruhigem Verhalten
Autoaggression
Beißen
Treten
…………..
Fragen, die sie sich stellen sollten
• Bei welchen Aktivitäten tritt das unerwünschte
Verhalten typischerweise auf ?
• Was geschieht in der Regel, wenn es auftritt ?
• Gibt es bestimmte Ereignisse, die unmittelbar vorher
geschehen ?
• Gibt es Bedingungen, unter denen das Verhalten nie
auftritt?
• Gibt es einen Zusammenhang zu körperlichem
Befinden ?
• Spielen äußere Faktoren für das Auftreten eine Rolle?
• Haben Sie eine Vorstellung, was das Kind damit
mitteilen möchte ?
Analyse der sozialen Anforderungen
und Umgebungsbedingungen
•
•
•
•
•
•
Reizvielfalt und Bewegungsfreiraum
Angebot von Beschäftigungen
Tagesstruktur
Überschaubarkeit von Übergängen
Wahlmöglichkeiten und Selbstbestimmung
Schmerzen, Störungen des Wohlbefindens,
Diät
• Schlafstörungen
• Eindeutigkeit und Stabilität von
Betreuungspersonen
• Konflikte im sozialen System
Entwicklung einer
Arbeitshypothese
• Ereignisse, die dem Verhalten unmittelbar
vorausgehen
• Rahmenbedingungen, die sein Auftreten
wahrscheinlicher machen
• Konsequenzen, die das Verhalten aufrechterhalten
• Einschränkungen von sozial-kognitiven Fähigkeiten,
die zum Problem beitragen (Verstehen von
Anforderungen und Zusammenhängen)
• genetische Dispositionen (Einschränkungen der
Selbstregulation)
• Einschränkungen der Lebensqualität (Beziehungen
und Selbstbestimmung)
Der gute Grund…. oder warum
verhält sich ein Kind nicht wie es soll?
•
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•
Überforderung
Unterforderung
Lärm
Fehlende Struktur
fehlende Orientierung, viele Reize
Organische/Genetische Erkrankungen
Psychische Erkrankungen (Autismus,
Bindungsstörung, Traumatisierung?)
• Nicht verstehen
• Sich nicht mitteilen können
Förderung von Kommunikation
• Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis
und subjektiv für die Lebensqualität von
entscheidender Bedeutung.
• Sie ist eine wesentliche Bedingung für soziale
Partizipation und Selbstbestimmung und zudem eine
wichtige Grundlage für jede Entwicklung.
• Es besteht deshalb die Notwendigkeit, beeinträchtigten
Kindern sowohl frühe entwicklungsbegleitende Hilfen
zum Verstehen und zum Verständigen anzubieten als
auch Jugendlichen und Erwachsenen, die sich nur
unzureichend lautsprachlich verständigen können,
Möglichkeiten ergänzender und ersetzender
Kommunikationsformen zu vermitteln.
Interventionselemente
(Auswahl)
• Veränderung von sozialen Anforderungen
•
•
•
•
Reduzierung der Aufgabenschwierigkeit
Rhythmisierung und Gliederung von Aufgaben
Tagesstrukturierung und Visualisierungshilfen
Individuelle Assistenzen
• Veränderung von Konsequenzen
•
•
Verhaltensverträge (kontingenter Zugang zu bevorzugten Tätigkeiten)
Veränderung dysfunktionaler Interaktionsmuster
• Training adaptiver Verhaltensformen
•
•
•
•
Selbständige Beschäftigung
Alternative Kommunikation
Ärger-(Selbst-) Management
Soziales Kompetenztraining
Ziel der Unterstützung
Wertschätzende, ressourcenorientierte Beobachtung und Einschätzung
des Kindes, von Eltern-Kind-Interaktionen, oder auch Kind-Kind
Interaktion bei der die Perspektive des Kindes mit seinen
individuellen Möglichkeiten im Vordergrund steht.
Verhalten und Interaktionen des Kindes differenzierter beobachten
und erkennen:
SEHEN
Wahrgenommenes aus der Perspektive des Kindes mit dem Wissen
der medizinischen, entwicklungspsychologischen, pädagogischen und
therapeutischen Sicht zu interpretieren:
VERSTEHEN
Möglichkeiten zur Veränderung in die Wege leiten:
HANDELN
Interventionsplanung
• Einleitung der Unterstützung des Kindes mit
anschließendem Bemühen um Generalisierung
und Stabilisierung
• „Positive Verhaltensunterstützung“ Veränderung
von Bedingungen in Kombination mit
differentieller Verstärkung adaptiver
Kompetenzen.
• Anpassung der Umwelt an Kompetenz und
Hilfebedarf des Kindes („goodness of fit“)
• Förderung von Lebens- und Beziehungsqualität
vs. soziale Anpassung
LITERATUR
•
•
•
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Papouesek, Regulationsstörungen
Brisch, K.H.: Bindungsstörung u.a.
Roth Gerhard: Wie das Gehirn die Seele macht
Theunissen, G.: Heilpädagogik und soziale Arbeit
bei verhaltensauffälligen Kindern u.a.
• Herpertz-Dahlmann B.: Entwicklungspsychiatrie
• Hüther G.: Biologie der Angst, wie aus Stress
Gefühle werden
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