Gesundheitsgespräch Die Schilddrüse - kleines Organ mit großer Wirkung Sendedatum: 11.02.2017 Expertin: Prof. Dr. C. Renate Pickardt, Internistin und Endokrinologin des Hormon- und Stoffwechselzentrums München Die Schilddrüse greift in praktisch alle Vorgänge des Wachstums, der Entwicklung, der Reifung und des Stoffwechsels ein. Ihre Fehlfunktion kann sowohl Müdigkeit und Abgeschlagenheit hervorrufen, als auch für Unruhe bis hin zum Herzrasen verantwortlich sein. Oft klagen die Patienten auch über Verdauungsschwierigkeiten und Konzentrationsprobleme. Schilddrüsenerkrankungen lassen sich heute bereits frühzeitig erkennen und gut behandeln - wenn auch nicht heilen. Dem Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. C. Renate Pickardt, Internistin und Endokrinologin des Hormon- und Stoffwechselzentrums München, zugrunde. Jod-Verwaltung im Körper: Aufbau und Funktion der Schilddrüse Ein unscheinbares Organ "redet" überall mit: Die Schilddrüse greift in praktisch alle Vorgänge des Wachstums, der Entwicklung, der Reifung und des Stoffwechsels ein. Steckbrief Schilddrüse Sie hat in etwa die Form eines Schmetterlings, dessen Körper vor und dessen Flügel beidseits der Luftröhre liegen. Bei Frauen hat sie ein Volumen von unter 18 ml, bei Männern unter 25 ml. Von außen ist eine gesunde Schilddrüse in der Regel nicht sichtbar. Nur bei langen, schlanken Hälsen bemerkt man sie beim Schlucken. Die Schilddrüse besteht aus kleinen Bläschen (Follikeln). Die Zellen in der Bläschen-Hülle produzieren Hormone. Die Bausteine dafür erhalten sie über das Blut. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 Schilddrüsenhormone Man unterscheidet zwei Schilddrüsenhormone: • Thyroxin: wegen seiner vier Jod-Atome T4 genannt. • Thrijodthyronin: wegen seiner der drei Jod-Atome T3 genannt. Diese Hormone machen ihren Einfluss im ganzen Körper geltend. Wenn sie in der richtigen Menge vorhanden sind, geht es dem Menschen gut. Überfunktion und Unterfunktion Die Hypophyse (Hirnanhangdrüse) ist verantwortlich dafür, dass nicht zu viele und nicht zu wenige Schilddrüsenhormone ausgeschüttet werden. Die Hirnanhangdrüse produziert das Hormon TSH, das die Schilddrüse steuert. • Steigt der TSH-Spiegel in der Schilddrüse an, so gibt das Organ vermehrt Hormone an den Blutkreislauf ab. • Sind ausreichend Schilddrüsenhormone im Blut vorhanden, drosselt die Hypophyse ihre TSH-Produktion, und damit verringert auch die Schilddrüse ihre Hormonausschüttung. Bei Schilddrüsenerkrankungen führt ein Zuviel an Schilddrüsenhormonen (Überfunktion) zu einer Unterdrückung der Signale der Hirnanhangdrüse, d.h. TSH sinkt ab. Ein Zuwenig (Unterfunktion) führt zu einer Zunahme der Signale der Hypophyse, d.h. TSH steigt an und regt die Schilddrüse an. So lassen sich Störungen der Schilddrüsenfunktion an dem TSH-Spiegel wie an einem Verstärker früh erkennen. Schilddrüsenunterfunktion • Sie kann zur Verzögerung von Wachstum und geistiger Entwicklung, schlimmstenfalls bis zum Kretinismus bei Ungeborenen und Kleinkindern führen. • Sie ist verantwortlich für die Verlangsamung der Bewegungsabläufe und geistigen Beweglichkeit, aber auch für Antriebsminderung und Konzentrationsstörungen. • Sie kann auch den Anstieg der Blutfette, die Verlangsamung der Kreislaufvorgänge, nicht selten spürbare Gewichtszunahme, verminderte Wärmeproduktion bzw. Kälteempfindlichkeit auslösen. Schilddrüsenüberfunktion • Sie beschleunigt die Stoffwechselvorgänge und verursacht dadurch motorische Unruhe, unkonzentrierte Hektik, ineffektive Antriebssteigerung. • Sie kann auch zur Gewichtsabnahme und beschleunigte Darmtätigkeit führen und gesteigerte Wärmeproduktion auslösen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 • Mit der Schilddrüsenüberfunktion geht oft Atemnot, die Erhöhung der Herzfrequenz einher, die im Extremfall sogar zum Herzversagen führen kann. Überfunktion und Unterfunktion - Erkrankungen und ihre Ursachen Fast jeder dritte Deutsche hat eine Schilddrüsenerkrankung – das bedeutet aber nicht unbedingt, dass er darunter auch leidet. Ein Kropf (Struma) muss beispielsweise nicht zu einer Beeinträchtigung des allgemeinen Wohlbefindens führen. Die sogenannte Jodmangelstruma ist die häufigste Schilddrüsenerkrankung bei Erwachsenen, die älter als etwa 35 bis 40 Jahre sind. Die Gleichung Deutschland = Jodmangelgebiet = Kropfgebiet hat sich trotz der Jodierung von Speisesalz für heute ältere Erwachsene nicht grundlegend geändert. Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommt die verbesserte Jodversorgung aber bereits zugute, falls in den Familien konsequent Jodsalz verwendet wird. Die häufigste Schilddrüsenerkrankung ist die Struma (Kropf) Mit einem Kropfband läuft in Deutschland kaum noch jemand herum. Und dennoch macht sich der Jodmangel, der in den meisten Gebieten noch besteht, immer noch durch eine Jod-Unterversorgung der Schilddrüse bemerkbar. Da diese den Mangel durch vermehrtes Wachstum auszugleichen versucht, entsteht am Hals ein Kropf (Struma). Struma ohne Knoten: Wird der Kropf nicht allein durch seine Größe zu einer Belastung, bemerken ihn die Patienten oft nicht. Um ein weiteres Wachstum zu verhindern und Komplikationen zu vermeiden, sollte er aber dennoch behandelt werden. Struma mit sogenannten heißen Knoten: Darunter versteht man Knoten an der Schilddrüse, die unabhängig von der Hypophyse zu viele Schilddrüsenhormone produzieren und dadurch zu einer Überfunktion führen können. Sogenannte kalte Knoten: Sie sind kaum sichtbar und nicht aktiv, können jedoch in manchen Fällen einen Tumor enthalten und dadurch Auslöser eines Schilddrüsenkarzinoms werden. "In erster Linie gilt es abzuklären, ob sich im Kropf ein heißer oder kalter Knoten gebildet hat. Aber auch eine Struma ohne Fehlfunktionen sollte behandelt werden: Jod-Tabletten verhindern, dass der Kropf weiter wächst. Die Kombination mit Schilddrüsenhormontabletten gleicht eventuell darauf beruhende Unterfunktion aus." Prof. C. Renate Pickardt Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 Autoimmunerkrankungen Morbus Basedow: Die körpereigene Abwehr greift das Schilddrüsengewebe an und hat eine Überfunktion zur Folge. Manche Patienten werden zusätzlich durch Gewebeschwellungen an den Augen, Hautveränderungen und Gelenkschmerzen belastet. Hashimoto-Thyreoiditis: Auch bei dieser Krankheit führt der Körper einen Kampf gegen sein eigenes Organ. Die Schilddrüse wird chronisch entzündet und schrumpft. Es besteht die Gefahr einer Unterfunktion. (s. auch eigenes Dossier zu Hashimoto im Anschluss) Besondere Formen der Über- bzw. Unterfunktion Angeborene Fehlbildungen: Manche Menschen kommen mit einer verkleinerten oder ohne Schilddrüse zur Welt. Die dadurch ausgelöste Unterfunktion muss beim Neugeborenen sofort behandelt werden, um bleibende Schäden zu vermeiden. Entzündungen: Nach einer Geburt leiden viele Frauen vorübergehend unter einer Schilddrüsenüberfunktion. Andere Entzündungen äußern sich in einer Unterfunktion. Als häufigste Form der Entzündung gilt jedoch die Thyreoiditis de Quervain, bei der sich Riesenzellen in der Schilddrüse bilden. Eine vorübergehende Überfunktion kann entstehen. Jod in Schwangerschaft und Stillzeit Während der Schwangerschaft und der Stillzeit sollten Frauen genügend Jod zu sich nehmen, um den Bedarf von Mutter und Kind zu decken. Sonst besteht die Gefahr, dass sich die Schilddrüse der Frau dauerhaft vergrößert beziehungsweise das Kind mit einem Kropf und eventuell einer Schilddrüsenunterfunktion zur Welt kommt. Früher hatte der Jodmangel sogar Einfluss auf die geistige Entwicklung der Kinder. Heute lässt sich eine Unterfunktion mithilfe der Neugeborenenuntersuchung frühzeitig feststellen und gegebenenfalls ausgleichen. Jodierung von Speisesalz: Viel Nutzen, keine Gefahr Erst seit den achtziger Jahren hat sich die Jodversorgung der deutschen Bevölkerung verbessert. Durch jodiertes Speisesalz und Mineralstofffütterung an Nutztiere lässt sich der "natürliche" Jodmangel weitgehend ausgleichen. Eine Jodierung von Trinkwasser wurde zwar angedacht, ist aber in Deutschland nicht erlaubt. Kritiker befürchten negative Folgen durch zu hohe Jodkonzentrationen in Speisen. Um einen Jodüberschuss zu vermeiden, wurde Kochsalz als Jodträger gewählt. "Die Dosis, die durch jodiertes Speisesalz erreicht wird, kann die Entstehung eines Kropfes zwar verhindern, eine Überfunktion aber nicht verschlechtern. Im Gegenteil: Auch bei einer Überfunktion wächst eine jodverarmte Schilddrüse Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 schneller als notwendig. Auch bei der Immunthyreopathie Typ Hashimoto braucht die Schilddrüse Nahrungsjod, um aus den Hormonvorstufen die Hormone Thyroxin und Trijodthyronin zu bilden." Prof. C. Renate Pickardt Der TSH-Wert: Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen Fast alle Erkrankungen der Schilddrüse lassen sich heute diagnostizieren, bevor sie zu körperlichen Symptomen einer Fehlfunktion führen. Erstes Anzeichen dafür ist oft ein veränderter TSH-Wert. Nimmt der Hausarzt im Gesundheitscheck Blut ab, wird die TSH-Bestimmung meist mit veranlasst. "Alle anderen Untersuchungen der Schilddrüse sollte allerdings ein Fachmann vornehmen, da Fachkenntnisse zur Beurteilung des Schilddrüsengewebes und der spezielleren Blutbefunde notwendig sind." Prof. C. Renate Pickardt Wann sollte man seine Schilddrüse untersuchen lassen? Dank der Gesundheitsuntersuchung beim Hausarzt wird ein großer Teil der Schilddrüsenerkrankungen rechtzeitig erkannt und kann dann auch behandelt werden. Therapeutisch sollte man nur dann eingreifen, wenn sich die Schilddrüse sicht- und fühlbar vergrößert. "Natürlich könnte man vielleicht noch ein bisschen früher Erkrankungen feststellen. Aber wenn der Betroffene keine Beschwerden hat, hätte er von dieser Erkenntnis keinen Vorteil. Die einzige Ausnahme ist die Struma, der Kropf. Hier kann man zur Prävention Jod empfehlen." Prof. C. Renate Pickardt Hashimoto-Thyreoiditis Da heute die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis auch bei jungen Menschen häufiger wird (bei Frauen deutlich häufiger als bei Männern), ist es sinnvoll, die Schilddrüse während der Schwangerschaft zu untersuchen. Denn in der Frühschwangerschaft steigt der Schilddrüsenhormonbedarf sofort an, und Frauen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis können den erhöhten Bedarf nicht decken. Der dadurch neu auftretende Schilddrüsenhormonmangel ist für die Mutter und für Wachstum und Entwicklung des Föten nachteilig. So läuft die Diagnose ab Nachdem der behandelnde Arzt die medizinische Vorgeschichte abgefragt hat, betrachtet er die Halsregion und tastet die Schilddrüse ab. Dabei wertet er die Daten der Blutuntersuchung aus, die auch auf eine Autoimmunentzündung hindeuten können. Die Ultraschalluntersuchung dient der Feststellung eventueller Veränderungen der Gewebestruktur und Durchblutung der Schilddrüse bzw. Knotenbildung. Wenn sich im Ultraschall Knoten von mehr als 1 ml Volumen zeigen, wird ein Szintigramm notwendig. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 Szintigramm: Mit Strahlen den Knoten auf der Spur Im Rahmen eines Szintigramms werden dem Patienten schwach radioaktive Substanzen in den Körper gespritzt. Sie reichern sich in der Schilddrüse an und zwar umso stärker, je aktiver die jeweilige Region ist. Dadurch können die Ärzte zwischen normal funktionierenden, nicht funktionierenden "kalten" und überfunktionierenden "heißen" Knoten unterscheiden. Regelmäßige Szintigramme zur Verlaufskontrolle bei bestehenden Schilddrüsenknoten lehnt Prof. Pickardt ab: "Das ist eine Frage der Strahlenhygiene. Jährliche Untersuchungen sind bei den heutigen diagnostischen Möglichkeiten nicht notwendig. Ein weiteres Szintigramm ist nur dann sinnvoll, wenn sich daran eine Therapie, wie z.B. eine Radiojod-Behandlung anschließt und man vorher genau wissen will, mit welcher Dosis man arbeiten muss." Prof. C. Renate Pickardt Vorsicht bei Herzerkrankungen mit und ohne Herzrhythmusstörungen! Leidet ein Schilddrüsenpatient auch an einer schweren anderen Erkrankung, so tritt für manche Ärzte die Schilddrüsenfehlfunktion in den Hintergrund - mit möglicherweise fatalen Folgen. "Bei Herzrhythmusstörungen wird bei der Abklärung häufig ein jodhaltiges Kontrastmittel gespritzt. Dieses enthält mehr als die tausendfache Menge des täglichen Bedarfs an Jod. Hat der Patient bereits eine Schilddrüsenüberfunktion, verschlechtert sich sein Zustand dadurch, und er wird schwerer behandelbar." Prof. C. Renate Pickardt Tabletten, Operation oder Radiojod-Therapie? Therapiemöglichkeiten Die meisten Schilddrüsenerkrankungen lassen sich nicht im eigentlichen Sinne heilen. So müssen Menschen, die an einer Schilddrüsenunterfunktion leiden, für den Rest ihres Lebens täglich eine Tablette zu sich nehmen. Stimmt die Dosis, sind sie dadurch in ihrer Lebensqualität jedoch nicht beeinträchtigt. Menschen mit einem Kropf müssen ihr Leben lang täglich eine Tablette mit Jod zu sich nehmen, um eine Verschlimmerung zu verhindern. Liegt bereits eine Unterfunktion vor, so geben die Ärzte das Hormon L-Thyroxin. Es entspricht einem der körpereigenen Schilddrüsenhormone. "Bei einer Unterfunktion ist funktionsfähiges Schilddrüsengewebe verloren gegangen. Dieser Verlust lässt sich nicht heilen, nur ausgleichen. Da der Schilddrüsenhormonbedarf - außer während der Schwangerschaft - bei Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 stabilem Gewicht ziemlich konstant bleibt, kann man den Patienten durch die Substitution eine gute Lebensqualität ermöglichen." Prof. C. Renate Pickardt Nebenwirkung der Thyroxin-Behandlung Da die Hormon L-Thyroxin Behandlung für längere Zeit geplant ist, sollte die Tablette möglichst keine Nebenwirkung haben. Schilddrüsenhormone verursachen keinen Magensäureüberschuss, den gastro-ösophagealen Reflux. Er hat eigentlich eine anatomische oder andere Ursache. Aber: Manche Beistoffe können eine Beschwerdesymptomatik bei einem Einzelnen mit Reflux auslösen. Deswegen sollte der Patient den behandelnden Hausarzt oder Spezialarzt detailliert befragen. Die Grenzen der medikamentösen Therapie Auch Schilddrüsenüberfunktionen werden zunächst medikamentös behandelt in der Regel aber nicht länger als ein Jahr. Die Patienten erhalten dabei Mittel, die die Hormonproduktion hemmen. Nach dem Ende der Medikation müssen die Ärzte den weiteren Verlauf beobachten. Bei Überfunktionen vom Typ Morbus Basedow kommt es vor, dass die Krankheit während der medikamentösen Therapie zum Stillstand kommt. Therapie heißer Knoten "Heiße Knoten" jedoch bleiben ein dauerhaftes Risiko. Treten nach dem Ende der Medikamentengabe wieder Krankheitsschübe auf, müssen die entsprechenden Regionen entfernt beziehungsweise ausgeschaltet werden. Dazu hat der Arzt zwei Möglichkeiten: Operation oder Radiojod-Therapie. Radiojod-Therapie: Kurz und schmerzlos Bei der Radiojod-Therapie trinkt der Patient eine Flüssigkeit, die radioaktives Jod enthält. Es reichert sich in der Schilddrüse an und macht dort die überproduzierenden Areale funktionsunfähig. Für den restlichen Körper ist die Substanz ungefährlich. Zur Behandlung begibt sich der Patient für drei bis sieben Tage in die Strahlenstation einer Klinik. Besuch dort ist nicht möglich. Außerhalb Deutschlands wird die Radiojodtherapie ambulant durchgeführt. "Eigentlich ist dieses Vorgehen im Ausland nicht logisch, denn so sind unter anderem die Angehörigen und Kontaktpersonen in den ersten Tagen der Strahlung ausgesetzt. Aus diesen strahlenhygienischen Gründen bleibt es in Deutschland bei der stationären Radiojodbehandlung." Prof. C. Renate Pickardt Operation oder Radiojod-Therapie? Im Prinzip sind beide Behandlungsverfahren bei der Überfunktion gleichwertig. Für eine Operation spricht, wenn neben den 'heißen' auch 'kalte' Knoten in der Schilddrüse vorhanden sind. Diese lassen sich durch Radiojod nicht entfernen. Auch sehr große Schilddrüsen, die durch die Größe ihre Nachbarorgane (Luft- Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 und Speiseröhre oder den Stimmbandnerven) beeinträchtigen, sollten operativ behandelt werden. Durch die Radiojod-Therapie geht die Größe der Schilddrüse im Mittel nur um 30 Prozent zurück. „Besteht kein zwingender Grund zur Operation und sind die entsprechenden Einrichtungen vorhanden, kann der Patient frei mit entscheiden, welche Behandlung er vorzieht. In beiden Fällen muss er anschließend das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin in Tablettenform zu sich nehmen, und zwar lebenslang." Prof. C. Renate Pickardt Unterfunktion durch Therapie der Überfunktion Patienten mit Schilddrüsenüberfunktion tauschen mit der Therapie oft eine Funktionsstörung gegen die andere aus: Dann entsteht häufig eine Schilddrüsenunterfunktion, weil zu viel Schilddrüsengewebe zerstört werden musste. "Im Prinzip wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben, nur dass der Beelzebub sich besser im Zaum halten lässt. Wir können es schlicht nicht besser. Es gibt keine andere Möglichkeit, eine Überfunktion zu kurieren bzw. einen Rückfall komplett zu verhindern. Wir können also nur das kleinere Übel suchen. Und da die Überfunktion zu schwerwiegenden Nebenwirkungen an anderen Organen – wie dem Knochenapparat, und dem Herz-Kreislauf-System, aber auch der Persönlichkeit - führen kann, nimmt man die gut behandelbare Unterfunktion in Kauf." Prof. C. Renate Pickardt Hashimoto Thyreoiditis – wenn das Immunsystem die Schilddrüse angreift Experte: Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Autorin: Beate Beheim-Schwarzbach „Irrt“ sich das körpereigene Abwehrsystem und greift das gesunde, eigene Gewebe an, dann führt das zu einer chronischen Entzündung. So auch bei der Hashimoto-Erkrankung, bei der das Gewebe der Schilddrüse so stark Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 geschädigt werden kann, dass sie anschließend nicht mehr ausreichend Schilddrüsenhormon produziert – mit möglichen Konsequenzen für den gesamten Organismus. Dem folgenden Text liegt ein Interview mit Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München, zugrunde. Die Schilddrüse – ein Kleiner und komplexer Teil des Kehlkopfes Man spürt und sieht sie nicht, doch die Schilddrüse ist ein lebenswichtiges Organ und besteht aus vielen Zellen. Ihren Namen hat die Schilddrüse von dem Schildknorpel, der Teil des Kehlkopfes ist und der außen, etwas unterhalb des Kehlknorpels liegt. Rechter und linker Lappen der Schilddrüse sind in der Mitte verbunden, so wie der Körper eines Schmetterlings. Die Schilddrüse setzt sich aus vielen Schilddrüsenzellen zusammen, die in Follikeln (Bällchen) angeordnet sind. Im Inneren dieser Bällchen befindet sich Flüssigkeit, in der das Schilddrüsenhormon gespeichert wird, das die Schilddrüse produziert. „Die Schilddrüse schüttet ihr Hormon in Abhängigkeit vom Bedarf und der Regulation durch die Hirnanhangdrüse aus, das dann über das Blut im Körper verteilt wird und Effekte in fast allen Körperzellen erzeugt. Sowohl zu wenig Schilddrüsenhormon als auch zu viel kann zu Erkrankungen führen.“ Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Schilddrüsenhormon Der Körper braucht das Schilddrüsenhormon u.a. für Stoffwechsel, Kreislauf und Psyche, und in der Regel sorgen Schilddrüse und Hirnanhangdrüse dafür, dass der Schilddrüsenhormonwert immer im normalen Bereich liegt, ausgerichtet auf den Bedarf des Körpers. Dieses Gleichgewicht kann gestört sein. Größe der Schilddrüse Heute wissen Mediziner, dass die Größe der Schilddrüse - also entweder auffallend klein (atrophe Form) oder übermäßig vergrößert (hypertrophe Form) kaum etwas über die Funktion des Organs aussagt. Denn große und auch Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 kleine Schilddrüse können sowohl normal funktionieren, als auch eine Überbzw. Unterfunktion haben. Ärzte behandeln in jedem Fall nur die fehlgeleitete Schilddrüsenfunktion, unabhängig davon, wie groß die Schilddrüse ist. Struma (Kropf) Eine allgemeine Bezeichnung für eine vergrößerte Schilddrüse ist die Struma (umgangssprachlich: Kropf). Auslöser können Knoten sein, Jodmangel oder eine Entzündung. Bei einer Jodmangelstruma versucht die Schilddrüse möglichst viel des Jods aus dem Blut herauszufiltern, und das gelingt mit einer großen Schilddrüse leichter. Hashimoto Thyreoiditis - eine Autoimmunerkrankung der Schilddrüse Hashimoto ist eine Autoimmunkrankheit, bei der die Schilddrüse chronisch entzündet ist und weniger oder gar kein Hormon mehr produziert. Die Entzündung der Schilddrüse selbst führt nur in absoluten Ausnahmefällen zu Beschwerden und normalerweise wird sie heute durch erhöhte Antikörper (TPO-AK) im Blut nachgewiesen. Zur Abklärung ordnen Ärzte in der Regel eine genauere Diagnose an. Die Ursache der Hashimoto-Erkrankung liegt in einem „Irrtum“ des körpereigenen Abwehrsystems, das die Schilddrüse schädigt, was zu einer chronischen Entzündung führt. Letztlich verursacht die Krankheit eine Schilddrüsenunterfunktion, das heißt einen Mangel an Schilddrüsenhormon. Unklar ist, warum Frauen davon wesentlich häufiger betroffen sind als Männer. Begriffsklärung Benannt wurde die Erkrankung nach dem japanischen Arzt Hakaru Hashimoto (1881-1934), der sie Anfang des 20. Jahrhunderts als Erster beschrieb. Lange Zeit vertraten Ärzte die Auffassung, die Krankheit gehe vor allem mit einer Vergrößerung der Schilddrüse einher. Inzwischen verwenden sie eine erweiterte Definition und verstehen unter der Hashimoto-Erkrankung unterschiedliche autoimmune Schilddrüsenerkrankungen, alle können jedoch längerfristig und häufig zu einer Schilddrüsenunterfunktion führen. „Manche Schilddrüsenerkrankungen gehen eher mit einer Vergrößerung der Schilddrüse einher, bei anderen tut sich an der Größe wenig und wieder andere können sogar zu einem Verlust von Schilddrüsengewebe beitragen. Das nennt man dann manchmal eine atrophe Form der autoimmunen Schilddrüsenerkrankung.“ Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 10 Häufigste Autoimmunerkrankung Hashimoto ist in Deutschland häufiger als z.B. Rheuma, chronisch entzündliche Darmerkrankungen oder Jugend-Diabetes (Typ 1) - warum das so ist, weiß man noch nicht. Bekannt ist jedoch: Frauen sind ca. sechs- bis siebenfach häufiger betroffen als Männer, und da die Krankheit in manchen Familien häufiger auftritt als in anderen, spricht man außerdem von einem genetischen Hintergrund. Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer Bei Kindern und Jugendlichen tritt die Hashimoto-Erkrankung meistens erst in der Pubertät auf, davor sehr selten. Mit zunehmendem Alter allerdings wird sie immer häufiger beobachtet, bei 30-jährigen ist Hashimoto bereits verbreitet. Symptome Die Symptome einer Hashimoto-Erkrankung sind unspezifisch. Dazu zählen z.B.: • Gewichtszunahme • geringe Belastbarkeit • Verstopfung • ständiges Frieren • schuppige Haut • Haarausfall Deuten die Laborwerte auf eine Hashimoto-Erkrankung hin, verschwinden diese Symptome bei Behandlung der Schilddrüsenunterfunktion. Breites Spektrum Hashimoto-Patienten können sehr unterschiedlich betroffen sein, manche haben zwar erhöhte Antikörper, doch im Ultraschall sieht ihre Schilddrüse normal aus und funktioniert ohne weiteres. Bei anderen Patienten hat die Schilddrüse ihre Funktion aufgegeben und es liegt eine klare Schilddrüsenunterfunktion vor. Dazwischen gibt es jede Menge Zwischenstufen. Schmerzen Eine Entzündung der Schilddrüse verursacht zu 99% keine Schmerzen, denn die Schilddrüse selbst hat - wie auch Leber und Niere - keine Schmerzrezeptoren. Vergrößert sich jedoch in absoluten Ausnahmefällen die Kapsel der Schilddrüse, dann kann es zu Schluckbeschwerden oder einem Druckgefühl kommen. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 11 Auslöser für Hashimoto – wandernde Entzündungszellen Auslöser einer Hashimoto-Erkrankung kann eine bakterielle oder eine Virusinfektion sein, woraufhin das Immunsystem aktiviert wird. Möglicherweise hat auch eine Infektion von Körperzellen stattgefunden, die ähnliche Oberflächeneigenschaften hat wie die Schilddrüsenzelle. Dabei richtet sich das Immunsystem zunächst gegen das Virus und schwenkt dann um auf körpereigenen Zellen. „Möglicherweise sind es auch genetische Hintergründe, die dazu führen, dass das Immunsystem sich leichter dazu verleiten lässt, körpereigenes Gewebe anzugreifen - möglicherweise ist es auch eine Kombination.“ Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Schwangerschaft Bei einer Reihe von Frauen tritt die Hashimoto-Erkrankung nach einer Schwangerschaft auf. Der Hintergrund: Während einer Schwangerschaft ist eine gewisse Immunsuppression vorhanden, d.h. eine Unterdrückung des Immunsystems – sie verschwindet nach der Geburt. Stress Stress gilt als weiterer möglicher Auslöser für die Hashimoto-Erkrankung, doch Mediziner rätseln, um welche Form von Stress es sich handeln könnte. Denn oftmals kommen Patienten nach einem schwierigen, lebensverändernden Ereignis zum Arzt, weil es ihnen allgemein schlecht geht. Dann wird im Zuge der Untersuchung die Hashimoto-Erkrankung festgestellt, die möglicherweise jedoch schon jahrelang davor bestanden hat. Ernährung Auch hohe Mengen an Jod sollen Hashimoto auslösen können. Bekannt ist heute aber, dass Jod nur bei genetisch vorbelasteten Patienten tatsächlich eine Rolle spielt. „Das heißt, es spielt für die Hashimoto-Erkrankung keine Rolle, ob man jodiertes Speisesalz isst oder nicht. Und auch, ob man mal eine Weile an der See verbracht hat (Jodexposition) und hin und wieder Seefisch isst.“ Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 12 Parallelerkrankungen Hashimoto tritt oft zusammen mit anderen Erkrankungen wie z.B. Gürtelrose auf, bei der eine früher durchgemachte Varizella-Infektion reaktiviert wird. Ob ein direkter Kausalzusammenhang zwischen beiden besteht, ist noch nicht bekannt. Bei Verdacht auf Hashimoto – Zusatzuntersuchungen Da die Hashimoto-Erkrankung unspezifische Symptome auslöst, wird sie heute in der Regel im Rahmen einer Blutuntersuchung festgestellt, meistens folgen anschließend weiterführende Untersuchungen. Stellt man im Labor bei einer Blutuntersuchung erhöhte Antikörper fest, die auf eine Hashimoto-Erkrankung hinweisen, ordnen Ärzte in der Regel zusätzliche Untersuchungen an. Die Ultraschalldiagnostik gibt Hinweise auf die Größe der Schilddrüse. Ist die z.B. sehr klein und nur noch narbig vorhanden, wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern. „Man kann im Ultraschall die Durchblutungsstärke der Schilddrüse erkennen und daraus gute Informationen über die Aktivität der Entzündung ableiten. Für die Frage, ob der Patient Schilddrüsenhormone verordnet bekommt, oder nicht, spielt die Größe der Schilddrüse keine Rolle.“ Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Verändertes Diagnoseverfahren Während Ärzte früher Hashimoto auf Grund von Symptomen diagnostiziert haben und erst anschließend eine Differentialdiagnostik z.B. mit Blutabnahme und Ultraschall erfolgte, ist es heute meist genau umgekehrt. Auch ohne Beschwerden wird heute oft eine Blutuntersuchung durchgeführt. Ergibt die erhöhte Antikörper (als Hinweis auf eine Immunaktivierung gegen die Schilddrüse), rollt die Diagnostik an. „Es gibt immer zwei Möglichkeiten, warum eine Erkrankung häufiger wird. Entweder sie nimmt wirklich, zum Beispiel auf Grund von Umweltfaktoren zu, oder sie wird mit größerer Inbrunst gesucht. Bei der Hashimoto-Erkrankung ist in Deutschland heute sicher ein gerüttelt Maß an Überdiagnostik dabei und das ist aus meiner Sicht ein größeres Problem, als dass die Krankheit übersehen wird.“ Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 13 Was tun bei Hashimoto? – Therapiemöglichkeiten Da sich die Schilddrüse nur bedingt regenerieren kann, müssen Patienten damit rechnen, ihr Leben lang auf eine Ersatztherapie der Schilddrüsenhormone in Tablettenform angewiesen zu sein. In Deutschland wird eine Schilddrüsenunterfunktion nicht übersehen, denn der für die Hashimoto-Erkrankung entscheidende TSH-Wert (= Steuerhormon der Hypophyse, das zur Hormonproduktion anregt) wird im Rahmen fast jeder Blutuntersuchung erhoben. „In Deutschland wird viel Labordiagnostik gemacht, so dass ein – vielleicht auch nur leicht - veränderter TSH-Wert wahrscheinlich deutlich häufiger diagnostiziert als übersehen wird.“ Prof. Dr. med. Felix Beuschlein, Bereichsleiter Schwerpunkt Endokrinologische Forschung und Endokrinologische Ambulanz der Medizinischen Klinik und Poliklinik des Klinikums der Universität München Gefahr der Chronifizierung Allein die Laborwerte als Beweis für eine Hashimoto-bedingte Schilddrüsenunterfunktion heranzuziehen ist riskant, denn ungefähr in einem Drittel der Fälle sind bei einer wiederholten Untersuchung die Werte wieder normal. Eine wiederholte Untersuchung ist auch deswegen sinnvoll, weil eine zu rasche Therapie die Gefahr einer Festschreibung der Diagnose mit sich bringt, die Patienten im Zweifelsfall kränker als gesünder machen kann. Medikamente Patienten mit einer Hashimoto-Erkrankung müssen Medikamente nehmen, die identisch mit dem Hormon Thyroxin sind, das in der Schilddrüse produziert wird. Die Körperzellen können nicht unterscheiden, ob das Schilddrüsenhormon aus der Ersatztherapie stammt oder vom Körper selbst produziert worden ist. Wichtig: Das Medikament muss richtig dosiert sein, zu viel davon löst dieselben Symptome aus wie eine Schilddrüsenüberfunktion. Regelmäßige Kontrolle Da das Schilddrüsenhormon eine lange Halbwertszeit hat, dauert es eine ganze Weile, bis sich ein stabiler Zustand im Körper eingestellt hat. Deswegen sollten Patienten, die auf Schilddrüsenhormone angewiesen sind, eine Dosis mindestens vier Wochen ausprobieren, bevor sie zur nächsten Kontrolle gehen. Wer stabil eingestellt ist, braucht in der Regel nur einmal im Jahr zur Untersuchung gehen. Einer Hashimoto-Erkrankung vorbeugen kann man nicht. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 14