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3. ENTWICKLUNG IN DEN EINZELNEN OECD- UND IN AUSGEWÄHLTEN NICHT-OECD-VOLKSWIRTSCHAFTEN
DEUTSCHLAND
Das Wirtschaftswachstum wird den Projektionen zufolge solide bleiben, da ein robuster
Arbeitsmarkt und niedrige Ölpreise den privaten Verbrauch stützen, während die niedrigen
Zinsen und der Bedarf an Wohnraum für Flüchtlinge den Wohnungsbauinvestitionen Auftrieb
verleihen. Die Unternehmensinvestitionen werden sich unter dem Einfluss der zunehmenden
Kapazitätsauslastung und Beschäftigung etwas beleben. Die Nachfrage nach deutschen Exporten
in den aufstrebenden Volkswirtschaften und den Euroländern wird sich voraussichtlich
allmählich erholen. Die Flüchtlinge werden nach und nach in den Arbeitsmarkt eintreten. Das
robuste Wachstum der Inlandsnachfrage wird den Leistungsbilanzüberschuss reduzieren,
der aber dennoch sehr hoch bleiben wird.
Der haushaltspolitische Kurs ist leicht expansiv ausgerichtet, was angemessen ist, weil
Ausgabenspielraum vorhanden ist, um die Integration der Flüchtlinge zu verbessern und die
aktiven Arbeitsmarktmaßnahmen für die Personen mit Schwierigkeiten bei der Arbeitsuche zu
stärken. Zudem bestehen weiterhin Lücken im Angebot an frühkindlicher Betreuung, Bildung und
Erziehung, bei der Ganztagsbeschulung im Primarbereich und in der Verkehrsinfrastruktur. Das
Bildungssystem sollte Jugendliche mit ungünstigem sozioökonomischem Hintergrund stärker
unterstützen. Entsprechende Maßnahmen würden die gegenwärtige wirtschaftliche Expansion
inklusiver gestalten und sind eine Investition zur Steigerung des Wachstums in der Zukunft.
Die Produktivität ist in den letzten Jahren nur geringfügig gestiegen und ist im Dienstleistungssektor relativ niedrig. Eine Beschleunigung des Arbeitsmarktzugangs von Flüchtlingen
und eine weitere Erhöhung ihrer Kompetenzen würde die gesamtwirtschaftliche Produktion
steigern, die Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung reduzieren und die Flüchtlinge schneller
in die Gesellschaft integrieren. Eine Verringerung der hohen Steuerbelastung für Zweitverdiener
würde Hindernisse für die Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen beseitigen, womit ihnen produktivere
Arbeitsplätze und bessere Karrierechancen offen stünden. Reformen zum Abbau der Marktzutrittsund Wettbewerbsbeschränkungen in den freien Berufen und den Netzindustrien würden die
Produktivität und die Investitionstätigkeit stärken und könnten den Leistungsbilanzüberschuss verringern.
Germany
Exports are projected to recover slowly
Construction of housing is accelerating
Y-o-y % changes
10
Real house prices¹, s.a.
Housing permits² ³
8
Seasonally adjusted, in nominal terms
Y-o-y % changes
60
Y-o-y % changes
35
Exports of goods and services
Merchandise exports to China³
50
28
40
6
21
4
14
2
7
0
0
30
20
-2
2012
2013
2014
2015
-7
10
0
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
-10
1. Prices for owner-occupied apartments in 7 cities.
2. Construction of new dwellings.
3. Average of growth in January and February 2016 for 2016Q1.
Source: OECD Economic Outlook 99 database; OECD Analytical House Price database; and Statistisches Bundesamt.
12http://dx.doi.org/10.1787/888933367820
OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/1 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE
115
3. ENTWICKLUNG IN DEN EINZELNEN OECD- UND IN AUSGEWÄHLTEN NICHT-OECD-VOLKSWIRTSCHAFTEN
Germany: Employment, income and inflation
3HUFHQWDJHFKDQJHV
(PSOR\PHQW
8QHPSOR\PHQWUDWH
&RPSHQVDWLRQSHUHPSOR\HH
8QLWODERXUFRVW
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*'3GHIODWRU
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&RUHKDUPRQLVHGLQGH[RIFRQVXPHUSULFHV
3ULYDWHFRQVXPSWLRQGHIODWRU
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+DUPRQLVHGLQGH[RIFRQVXPHUSULFHVH[FOXGLQJIRRGHQHUJ\DOFRKRODQGWREDFFR
6RXUFH 2(&'(FRQRPLF2XWORRNGDWDEDVH
12http://dx.doi.org/10.1787/888933368998
Die Binnennachfrage stützt die Konjunktur, die Produktivität wird jedoch durch
Diskrepanzen zwischen Kompetenzangebot und -nachfrage gebremst
Die Wirtschaftstätigkeit expandierte im ersten Quartal kräftig, insbesondere im
Baugewerbe, das durch den ungewöhnlich milden Winter begünstigt wurde. Die Löhne und
die Beschäftigung sind gestiegen, und die niedrigen Ölpreise haben die Verbraucherpreise
gedämpft, wodurch der Konsum der privaten Haushalte angekurbelt wurde. Die Beschäftigung
im öffentlichen Dienst wurde ausgeweitet, um die mit den Flüchtlingen verbundenen
Anforderungen zu bewältigen. 2015 kamen rd. eine Million Flüchtlinge nach Deutschland
(was 1¼% der Bevölkerung entspricht). Die meisten von ihnen haben noch nicht mit der
Germany
The labour market has tightened further
Real wages are rising
Seasonally and working-day adjusted
%
8.0
Seasonally adjusted
%
1.6
Unemployment rate¹
Job vacancy rate²
7.5
Wage rate³
Inflation4
Core inflation4
1.5
7.0
Y-o-y % changes
4.0
3.5
1.4
3.0
1.3
2.5
1.2
2.0
1.1
1.5
1.0
1.0
4.0
0.9
0.5
3.5
0.8
0.0
6.5
6.0
5.5
5.0
4.5
3.0
2010
2011
2012
2013
2014
2015
0.7
2012
2013
2014
2015
2016
2017
-0.5
1. Population aged 15-74 years. Based on the German labour force survey.
2. Percentage of unfilled job vacancies relative to total employment.
3. Average nominal wage per employee. Projection from 2016Q1.
4. Harmonised consumer price index (HICP). Core HICP excludes energy, food, alcohol and tobacco.
Source: OECD Economic Outlook 99 database; and Statistisches Bundesamt.
12http://dx.doi.org/10.1787/888933367835
116
OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/1 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE
3. ENTWICKLUNG IN DEN EINZELNEN OECD- UND IN AUSGEWÄHLTEN NICHT-OECD-VOLKSWIRTSCHAFTEN
Germany: Financial indicators
+RXVHKROGVDYLQJUDWLRQHW
*HQHUDOJRYHUQPHQWILQDQFLDOEDODQFH
*HQHUDOJRYHUQPHQWJURVVGHEW
*HQHUDOJRYHUQPHQWGHEW0DDVWULFKWGHILQLWLRQ
&XUUHQWDFFRXQWEDODQFH
6KRUWWHUPLQWHUHVWUDWH
/RQJWHUPLQWHUHVWUDWH
$VDSHUFHQWDJHRIGLVSRVDEOHLQFRPH
$VDSHUFHQWDJHRI*'3
PRQWKLQWHUEDQNUDWH
\HDUJRYHUQPHQWERQGV
6RXUFH 2(&'(FRQRPLF2XWORRNGDWDEDVH
12http://dx.doi.org/10.1787/888933369002
Arbeitsuche begonnen, weil die Asylverfahren und die Erstqualifizierungsmaßnahmen
noch nicht abgeschlossen sind. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf historisch niedrigem
Niveau. Allerdings sucht nahezu die Hälfte der Arbeitslosen seit mehr als einem Jahr
eine Stelle, während der Fachkräftemangel zugleich die Zahl der offenen Stellen steigen
lässt. Vom Steuersystem ausgehende Hindernisse und ein begrenztes Angebot an Ganztagsbetreuungsmöglichkeiten und Ganztagsschulen bremsen die Vollzeitbeschäftigung
von Frauen, wodurch deren Karriereentwicklung und Produktivität beeinträchtigt wird.
Germany: Demand and output
7RWDOGRPHVWLFGHPDQG
([SRUWVRIJRRGVDQGVHUYLFHV
,PSRUWVRIJRRGVDQGVHUYLFHV
1HWH[SRUWV
0HPRUDQGXPLWHPV
*'3ZLWKRXWZRUNLQJGD\
DGMXVWPHQWV
)RXUWKTXDUWHU
3HUFHQWDJHFKDQJHVIURPSUHYLRXV\HDU
YROXPHSULFHV
&XUUHQWSULFHV
(85ELOOLRQ
*'3DWPDUNHWSULFHV
3ULYDWHFRQVXPSWLRQ
*RYHUQPHQWFRQVXPSWLRQ
*URVVIL[HGLQYHVWPHQW
3XEOLF
5HVLGHQWLDO
1RQUHVLGHQWLDO
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6WRFNEXLOGLQJ
1RWH 'HWDLOHGTXDUWHUO\SURMHFWLRQVDUHUHSRUWHGIRUWKHPDMRUVHYHQFRXQWULHVWKHHXURDUHDDQGWKHWRWDO2(&'LQWKH
6WDWLVWLFDO$QQH[
&RQWULEXWLRQVWRFKDQJHVLQUHDO*'3DFWXDODPRXQWLQWKHILUVWFROXPQ
6RXUFH 2(&'(FRQRPLF2XWORRNGDWDEDVH
12http://dx.doi.org/10.1787/888933369011
OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/1 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE
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3. ENTWICKLUNG IN DEN EINZELNEN OECD- UND IN AUSGEWÄHLTEN NICHT-OECD-VOLKSWIRTSCHAFTEN
Steigende Einkommen der privaten Haushalte und die hohe Zahl von Flüchtlingen
haben die Nachfrage nach Wohnraum erhöht, was die Mieten und Immobilienpreise in
städtischen Zentren steigen lässt und dem Wohnungsbau Auftrieb gibt. Die Kreditvergabe
an private Haushalte verharrt jedoch auf mäßigem Niveau. Die Auftragseingänge aus dem
Ausland für Investitionsgüter – d.h. Produkte, auf die die deutsche Industrie spezialisiert
ist – sind gesunken. Die Exporte nach China, auf das 7% der deutschen Warenexporte
entfallen, haben abgenommen.
Zuwanderung und höhere öffentliche Ausgaben stärken die Inlandsnachfrage
Viele Flüchtlinge werden in der zweiten Jahreshälfte 2016, wenn ihr Asylantrag bearbeitet wurde, nach und nach in den Arbeitsmarkt eintreten. Da es ihnen an Deutschkenntnissen fehlt und die meisten von ihnen keine formalen Qualifikationen besitzen, werden
viele länger brauchen, bis sie eine Stelle finden. Die Bundesregierung hat eine Evaluierung
der Kompetenzen der Neuzuwanderer eingeleitet, die Schulungsangebote ausgeweitet
und den Zugang zum Bildungssystem erleichtert. Sie plant, die rechtlichen Hürden für die
Arbeitsuche von Asylbewerbern zu senken. Angesichts des jungen Alters vieler Zuwanderer
dürften solche Maßnahmen eine hohe langfristige Rendite bringen.
Die öffentlichen Ausgaben für die Aufnahme und Integration von Zuwanderern
dürften sich 2016 und 2017 jeweils um ¼% des BIP erhöhen. Die Ausgaben für Kindergeld,
Kinderfreibeträge und Pflegeversicherungsleistungen werden um 0,2% des BIP steigen.
Die Kinderfreibeträge haben wenig Effekt im Hinblick auf das Arbeitsangebot oder die
Armutsbekämpfung, wohingegen der Kinderzuschlag für einkommensschwache Familien
das Armutsrisiko verringert. Die staatlichen Investitionsausgaben für Verkehrsinfrastruktur,
Breitbandnetze, Energieeffizienz, Wohnungsbau, Kinderbetreuungseinrichtungen,
Hochschulen und sonstige Forschungseinrichtungen werden ebenfalls um 0,2% des BIP
zunehmen. Das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen wird ausgeweitet, was dazu beiträgt,
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern, es bestehen jedoch noch Lücken,
und die meisten Grundschulen bieten nach wie vor nur vormittags Unterricht an. Außerdem
hat die Bundesregierung die Fördermittel für kommunale Investitionen erhöht und Pläne
für die Einrichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft ausgearbeitet, der die Einnahmen
aus Maut-Gebühren zufließen sollen. Die meisten dieser zusätzlichen Ausgaben werden
zu einem inklusiveren Wirtschaftswachstum beitragen.
Die Inlandsnachfrage wird der wichtigste Wachstumsmotor sein
Das Wirtschaftswachstum wird dank der Nachfrage der privaten Haushalte und höherer
öffentlicher Ausgaben voraussichtlich robust bleiben. Die kräftige Binnennachfrage wird die
Verbraucherpreise etwas steigen lassen, weil der Effekt der niedrigen Ölpreise abklingt und
die Löhne stärker steigen als die Produktivität. Die Arbeitslosigkeit dürfte leicht zunehmen.
Der Welthandel und die Investitionstätigkeit bei den wichtigsten Handelspartnern werden
voraussichtlich verhalten bleiben, was die Exporte dämpften dürfte. Außerdem hat der
Euro aufgewertet, und der starke Lohnauftrieb wird Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit
schmälern. Dank des starken Wachstums der Steuereinnahmen und der rückläufigen
Schuldendienstkosten dürfte es möglich sein, trotz diskretionärer Ausgabenerhöhungen
weiter einen Haushaltsüberschuss auszuweisen.
Eine drastische Konjunkturverlangsamung in den aufstrebenden Volkswirtschaften
und ein Anhalten der Nachfrageschwäche im Euroraum würden die Ausfuhren und die
Investitionstätigkeit beeinträchtigen. Eine Verschärfung der geopolitischen Spannungen
würde die exportorientierte deutsche Wirtschaft besonders stark treffen. Ein Austritt des
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OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/1 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE
3. ENTWICKLUNG IN DEN EINZELNEN OECD- UND IN AUSGEWÄHLTEN NICHT-OECD-VOLKSWIRTSCHAFTEN
Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union würde zudem die Unsicherheit über
die Handels- und Investitionsaussichten erhöhen. Diese Risiken hätten im Eintrittsfall
Ausstrahlungseffekte auf das Verbrauchervertrauen und die Finanzmärkte. Niedrigere
Ölpreise würden den Verbrauch der privaten Haushalte und die Rentabilität der Unternehmen steigern, könnten jedoch auch zu Turbulenzen an den globalen Finanzmärkten
beitragen. Die niedrigen Leverage Ratios systemisch wichtiger Banken könnten die Folgen
von Turbulenzen an den Finanzmärkten verschärfen. Demgegenüber könnten Maßnahmen
zur Umsetzung von Reformen zur Vollendung des Binnenmarkts in der Europäischen Union
und zur Schaffung einer umfassenden Bankenunion im Euroraum den Exporten Auftrieb
geben und die Attraktivität des Investitionsstandorts Deutschland erhöhen. Maßnahmen
zur Bewältigung langfristiger binnenwirtschaftlicher Herausforderungen, insbesondere
im Zusammenhang mit der Bevölkerungsalterung und den langfristigen Zielvorgaben für
die Verringerung der Treibhausgasemissionen, könnten die Investitionstätigkeit auf kurze
Sicht steigern.
OECD-WIRTSCHAFTSAUSBLICK, AUSGABE 2016/1 © OECD 2016 – VORLÄUFIGE AUSGABE
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