Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) WS0809 - Einführung in die theoretische Philosophie (Prof. Pulte) Zusammenfassung der Folien Table of Contents Vorlesung 1 (21.10.08)...........................................................................................................................................2 Was hieß und was heißt Philosophie?..................................................................................................2 Vier Typen des Philosophierens..........................................................................................................2 Vorlesung 2 (28.10.2008).......................................................................................................................................3 Kritische Philosophie als Fragen nach den Voraussetzungen.................................................................3 Was will die theoretische Philosophie?.................................................................................................3 Was heißt Erkenntnistheorie? ............................................................................................................3 Vorlesung 3 (4.11.2008).........................................................................................................................................4 Einführungsliteratur zur Erkenntnistheorie...........................................................................................4 Was heißt Erkenntnistheorie? Definition und Aufgaben.........................................................................4 Genese und Geltung (nach Reichenbach)............................................................................................5 Rationalismus und Empirismus............................................................................................................5 Empirismus.......................................................................................................................................6 Rationalismus....................................................................................................................................6 Vorlesung 4 (11.11.2008): Klassischer und moderner Begriff des Wissens ................................................................6 Realismus und Idealismus..................................................................................................................6 Drei Arten des Wissens......................................................................................................................7 Die klassische Wissenskonzeption.......................................................................................................7 Vorlesung 5 (18.11.2008): Der moderne Begriff des Wissens bzw. der Erkenntnis .....................................................7 Kritik des traditionellen Wissensbegriffs: Gettierprobleme.....................................................................7 Internalismus und Externalismus........................................................................................................8 Vorlesung 6 (25.11.2008): Wissenssysteme.............................................................................................................9 Fundamentalismus und Kohärentismus...............................................................................................9 Vorlesung 7 (2.12.2008): Wissen und Wahrheit....................................................................................................10 Skepsis und Skeptizismus.................................................................................................................10 Zwei Grundunterscheidungen der Wahrheitsauffassungen..................................................................10 Die wichtigsten ‚Wahrheitstheorien‘...................................................................................................10 Vorlesung 8 (9.12.2008): Einführung in die Logik...................................................................................................11 Einleitende Überlegungen & Beispiele................................................................................................11 Psychologismus-Kritik.......................................................................................................................12 Logische Elementarlehre...................................................................................................................12 Vorlesung 9 (6.1.2009): Logische Elementarlehre und Anfänge der modernen Aussagenlogik...................................13 Logische Elementarlehre...................................................................................................................13 Moderne Aussagenlogik (Junktorenlogik)...........................................................................................14 Vorlesung 10 (13.1.2009): Moderne Aussagenlogik (Junktorenlogik)......................................................................14 Aussagenlogische Verbindungen.......................................................................................................15 Vorlesung 11 (20.1.2009): Zur Begründung der modernen Logik (nach G. Frege)....................................................17 Gottlob Frege..................................................................................................................................17 Natürliche Sprache und Logik...........................................................................................................17 Der Begriff als Funktion....................................................................................................................18 Sinn und Bedeutung.........................................................................................................................19 Vorlesung 12: Enführung in die Wissenschaftstheorie.............................................................................................19 Was heißt Wissenschaftstheorie?......................................................................................................19 Induktion, Naturgesetzlichkeit und Kausalität.....................................................................................20 Vorlesung 13: Wissenschaftstheorie......................................................................................................................21 Induktion, Kausalität und Naturgesetz bei Hume, Kant und Popper.....................................................21 Kants Begründung von Kausalität (und ‚rationaler‘ Induktion).............................................................21 Poppers Antwort auf das Induktionsproblem......................................................................................21 Das Abgrenzungsproblem (bei Popper)..............................................................................................22 Page 1 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Vorlesung 1 (21.10.08) Organisatorisches und Kreditierung Was hieß und was heißt Philosophie? Vier Typen des Philosophierens Was hieß und was heißt Philosophie? „Philosophen sind diejenigen, die das Ewige, Sichgleichbleiben-de zu erfassen vermögen, die das wahre Wesen der Dinge erkennen und stets mit gan-zem Herzen der geistigen Tätigkeit nachhangen, die ihnen etwas von jenem Sein offenbart, das ewig und von jedem Wandel unberührt bleibt. (…) Daher ist auch die Philosophie für die große Mas-se ein Ding der Unmöglich-keit“. (Platon) „Mit dem Namen Philoso-phie bezeichnen wir das Streben nach Weisheit. Durch sie erlangen wir nicht nur das rechte Wis-sen von allem Tun, son-dern auch die Erkenntnis all der Dinge, die der Mensch erkennen kann. Und ein solches Wissen dient dem Leben“. (R. Descartes) „Was für eine Philosophie man wähle, hängt davon ab, was man für ein Mensch ist; denn ein philosophisches System ist nicht ein toter Hausrat, den man ablegen oder abnehmen könnte, wie es uns beliebte, sondern es ist beseelt durch die Seele des Menschen, der es hat“. (J.G. Fichte) „Philosophie besteht nur in einer gegenseitigen kritischen Ergänzung, Durchdringung und Vereinigung der Spezialwissenschaften zu einem einheitlichen Ganzen“. (Ernst Mach) „Das System des Seins ist unbekannt und vermutlich im weitesten Umkreise unerkenn-bar; das System der Philosophie aber, welches jenes abbilden will, ist Idee und kann nie etwas anderes als Idee werden. (…) Über das konstruktive Systemden-ken geht die Geschichte hinweg. Es wird widerlegt, überwunden und lebt schließlich nur noch als geschichtliches Kuriosum fort, als Zeugnis einstiger Geistes-art“. (N. Hartmann) 2. Durchgang: „Dieses und nichts anderes ist der Ursprung aller Philosophie, das Staunen“. (Platon, Theaitet 155d 2-5) „Das Staunen und Sichverwundern hat die Menschen früher und noch jetzt zum Philosophieren veranlasst, indem sie zuerst über die offenkundigen Rätsel sich verwundern und dann allmählich weiter vordringend auf tiefere Probleme stoßen“. (Aristoteles, Metaphysik I, 2, 938b 10-18) „(…) so werden wir durch viele Vorurteile an der Erkenntnis der Wahrheit gehindert und es scheint kein anderes Mittel – keine andere Methode – dagegen zu geben, als einmal im Leben sich zu entschließen, an allem zu Zweifeln, wo der geringste Verdacht einer Ungewissheit angetroffen werden kann. (…) Daher ist die Erkenntnis: cogito – ergo sum: Ich bin mir meiner bewusst, also bin ich, die erste und gewisseste Erkenntnis, welche sich in einem ordnungsgemäßen Philosophen zeigt“. (R. Descartes, Discours de la Méthode, IV, 3) „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung Ehrfurcht, je öfter und anhaltender das Nachdenken sich damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt oder im Überschweng-lichen, außer meinem Gesichtskreis suchen und bloß vermuten, ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewusst-sein meiner Existenz“. (I. Kant, Kritik der praktischen Vernunft, Beschluss) Vier Typen des Philosophierens 1. Die dogmatische Philosophie 2. Die artistische Philosophie 3. Die wissenschaftliche Philosophie 4. Die philologisch-hermeneutische Philosophie Page 2 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Vorlesung 2 (28.10.2008) Kritische Philosophie als ein Fragen nach den Voraussetzungen Was will theoretische Philosophie? Was heißt Erkenntnistheorie? Vorläufige Bestimmung und Einwände Erkenntnis, Wissen und Wahrnehmung (Der traditionelle Wissensbegriff) Kritische Philosophie als Fragen nach den Voraussetzungen Das kritische (und selbstkritische) Fragen der Philosophie Das analytische Fragen der Philosophie Das transzendentale Fragen der Philosophie Was will die theoretische Philosophie? „Alles Interesse meiner Vernunft (das spekulative, sowohl, als das praktische) vereinigt sich in folgenden drei Fragen: 1. Was kann ich wissen ? 2. Was soll ich tun ? 3. Was darf ich hoffen ?“ (I. Kant: Kritik der reinen Vernunft, A805/B833) Die theoretische Philosophie im weitesten Sinne handelt vom Menschen als erkennendem und wissendem Wesen. Sie will erforschen, welchen Umfang, welche Grenzen und welche Qualität (Gewissheit), sein Wissen überhaupt haben kann. Die praktische Philosophie im weitesten Sinne hat den Menschen als handelndes Wesen zum Gegenstand. Sie will den Sinn und die Verbindlichkeit von Direktiven (Normen, Regeln, Werten) erforschen, die menschliches Handeln leiten sollten. Theoretische Philosophie in Bochum: a. „Erkenntnis und Grund“ a1 Ontologie/Metaphysik a2 Logik a3 Erkenntnistheorie a4 Sprachphilosophie a5 Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte Praktische Philosophie in Bochum: b. „Handlung und Norm“ b1 Allgemeine Ethik b2 Medizin- und Bioethik b3 Rechts-, Staats- und Sozialphilosophie b4 Geschichtsphilosophie b5 Handlungstheorie ‚Bereichsphilosophien‘ in Bochum: c. „Kultur und Natur“ c1 Kultur-, Technik- und Medienphilosophie c2 Religionsphilosophie c3 Kunstphilosophie/Ästhetik c4 Philosophische Anthropologie c5 Naturphilosophie Was heißt Erkenntnistheorie? Einige typische Fragen Was ist Erkenntnis bzw. Wissen? Beziehung von Wissen zu bloßer Meinung, oder zum Glauben? Erkenntnis und Wahrheit? Was ist Wahrheit? Gewissheit der Erkenntnis? Fruchtbare Erkenntnisprozesse? Page 3 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Zwei Einwände 1. Überflüssigkeit der Erkenntnistheorie als philosophischer Disziplin neben der naturwissenschaftlichen Forschung (Naturalismus). 2. Unmöglichkeit der Erkenntnistheorie als einer eigenen und ‚vorgängingen‘ philosophischen Disziplin (L. Nelson u. a.). Erkenntnis, Wissen und Wahrnehmung „Kippbild“ (1) – Entenhase „Kippbild“ (2) – Treppe (Wittgenstein, Ludwig: Philosophische Untersuchungen. Teil 2, Abschnitt XI.) Gibt es ‚unmittelbare‘ Wahrnehmung? „Wenn Aristoteles und Galilei schwingende Steine betrachteten, sah ersterer einen gehemmten Fall und letzterer ein Pendel“. (T. S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen) Gibt es eine Richtigkeit oder Falschheit sinnlicher Wahrnehmung? „Denn Wahrheit oder Schein sind nicht im Ge-genstande, so fern er angeschaut wird, sondern im Urteile über denselben, so fern er gedacht wird. Man kann also zwar richtig sagen: daß die Sinne nicht irren, aber nicht darum, weil sie je-derzeit richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen. Daher sind Wahrheit sowohl als Irrtum […] nur im Urteile, d. h. nur in dem Verhältnisse des Gegenstandes zu unserm Verstande anzutreffen.“ (I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A293/B350) Vorlesung 3 (4.11.2008) (Einführungsliteratur zur Erkenntnistheorie) Was heißt Erkenntnistheorie? Definition und Aufgaben Erkenntnis, Wissen und Wahrnehmung (Fortsetzung) Genese und Geltung (Rechtfertigung) von Wissen Rationalismus und Empirismus Einführungsliteratur zur Erkenntnistheorie Audi, Richard: Epistemology. Contemporary Introduction to Theory of Knowledge. London 1998. Baumann, Peter: Erkenntnistheorie. Stuttgart 2002. Detel, Wolfgang: Grundkurs Philosophie, Bd. 4: Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie. Stuttgart 2007. Ferber, Rafael: Philosophische Grundbegriffe, Bd. 1. 6. Aufl., München 1996. Gabriel, Gottfried: Grundprobleme der Erkenntnistheorie. Von Descartes zu Wittgenstein. Paderborn 1993. Russell, Bertrand: Probleme der Philosophie. 5. Aufl., Frankfurt a. M. 1973. Schnädelbach, Herbert: Erkenntnistheorie zur Einführung. Hamburg 2002. Was heißt Erkenntnistheorie? Definition und Aufgaben Definition Erkenntnistheorie ist diejenige Teildisziplin der theoretischen Philosophie, die nach der Natur, den Bedingungen, der Ent-stehung und den Grenzen von Erkenntnis bzw. Wissen im allgemeinen fragt. Ihre Aufgaben sind explikativer, normativer und deskriptiver Art: 1. explikativ: Klärung des Begriffs ‚Erkenntnis‘ bzw. ‚Wissen‘ und seine Beziehung (und Abgrenzung) zu Nachbarbegriffen wie ‚Gewissheit‘, ‚Meinung‘, ‚Überzeugung‘, ‚Glauben‘ (im weiten Sinne), Verstehen und Wahrnehmen. 2. normativ: Formulierung von Kriterien für Erkenntnis (d. h. Festlegung von Geltungsbedingungen, was Erkenntnis sein soll). 3. deskriptiv: Untersuchung und Darstellung wirklicher Erkennt-nisprozesse. Gibt es eine Wahrheit oder Falschheit sinnlicher Wahrnehmung? „Denn Wahrheit oder Schein sind nicht im Ge-genstande, so fern er angeschaut wird, sondern im Urteile über denselben, so fern er gedacht wird. Man kann also zwar richtig sagen: daß die Sinne nicht irren, aber nicht darum, weil sie je-derzeit richtig urteilen, sondern weil sie gar nicht urteilen. Daher sind Wahrheit sowohl als Page 4 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Irrtum […] nur im Urteile, d. h. nur in dem Verhältnisse des Gegenstandes zu unserm Verstande anzutreffen.“ (I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, A293/B350) Parmenides‘ These „Dasselbe aber ist Denken und [des Gedankens] Gegenstand. Denn du kannst das Denken nicht ohne das Seiende an-treffen, in dem es [ja] ausgesprochen ist. Denn es gibt nichts außer dem Seienden und wird nichts außer ihm geben“. (Parmenides, nach Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker, 28 B4) Wissen, Erkennen und Wahrnehmen • „Ich weiß, dass dieser Tisch braun ist“. • „Ich weiß, dass alle Schwäne weiß sind“. • (1*) „Mir scheint , dass der Tisch braun ist“. • (2*) „Ich erwartete, nur weiße Schwäne zu sehen, aber da war plötzlich ein schwarzer Schwan“. Erkenntnis ist immer Erkenntnis von Etwas (Erkenntnisobjekt O) durch Etwas (Erkenntnissubjekt S). ‚Erkenntnissituation‘: S→O ‚Erkenntnistheoretische Situation‘: S → [ S → O] • • • • Ich weiß, dass dieser Tisch braun ist. Ich weiß, dass alle Schwäne weiß sind. Ich weiß, dass ich mich auf meinen Freund Joachim verlassen kann. Ich weiß, dass im rechtwinkligen Dreieck die Summe der Kathetenquadrate gleich dem Hypothenusenquadrat ist. • • • • (5) (5*) (5**) (5***) „Ich weiß, dass das Wesen eines Körpers in seiner Ausdehnung besteht“. „Ich kann mir keine Körper ohne Ausdehnung denken“. „Ich weiß, dass Körper notwendigerweise ausgedehnt sind“ „Alle vernunftbegabten Wesen wissen, dass Körper notwendig ausgedehnt sind“. Genese und Geltung (nach Reichenbach) • • Genese: Durch welche Erkenntnis-prozesse gewinnen wir Wissen bzw. Erkenntnis? (Deskriptive Aufgabe der Erkenntnistheorie) Geltung (Rechtfertigung): Was sind unsere Gründe dafür, bestimmte Aussagen/ Aus-sagenkomplexe als Wissen bzw. Erkenntnis anzuerkennen? (Normative Aufgabe der ET) Rationalismus und Empirismus • • Rationalismus:Erkenntnisrechtfertigung und -gewinnung sind primär Leistungen des menschlichen Denkens (der ‚ratio‘: Verstand, Vernunft, des Geistes) Empirismus:Erkenntnisrechtfertigung und -gewinnung sind primär Leistungen der sinnlichen Wahrnehmung (der ‚empeiria‘, Erfahrung) Page 5 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Empirismus Betonung des ‚Erfahrungsstand-punkts‘ (äußere sinnliche Erfahrung als oberstes Erkenntnisprinzip) ‚Empeiria‘: urspr. Kenntnis der (einzelnen) Tatsachen der Erfahrung, ohne Kenntnis von Gründen für diese Tatsachen Leugnung des Vorhandenseins (Eingegeben-seins) solcher oberster Denkprinzipien unabhängig von aller sinnlichen Wahrnehmung, die für die Erfahrungsgewinnung wesentlich sind. Hauptvertreter des (neuzeitlichen) Empirismus • Francis Bacon (1561 – 1626) • Thomas Hobbes (1588 – 1676) • John Locke (1632 – 1704): „Nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in senso“. • George Berkeley (1685 – 1753) • David Hume (1711 – 1776). Rationalismus Betonung des ‚Vernunftstandpunktes‘ (Verstand, Vernunft, Geist als oberstes Prinzip) ‚Ratio‘: Geist, Verstand, Vernunft, auch: Grund (Rechtfertigungs-, Seinsgrund) Vorhandensein (Eingegebensein) oberster Denkprinzipien unabhängig von aller sinnlichen Wahrnehmung (logisch-formaler und auch materialer Art). Hauptvertreter des (neuzeitlichen) Rationalismus • René Descartes (1596 – 1650) • Baruch de Spinoza (1632 – 1677) • Nicolas Malebranche (1638 – 1715) • Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716), • zu John Locke: „Nihil est in intellectu, quod non prius fuerit in senso, nisi intellectus ipse“. Historisches Beispiel zur Grundunterscheidung von Rationalismus und Empirismus Ein einfaches Naturgesetz (Trägheitsprinzip) • Rationalismus:Das Gesetz drückt aus, dass nichts ohne zureichenden Grund geschieht. Es beruht auf diesem Vernunftgrundsatz und einigen ‚rationalen‘ Zusatzannahmen. • Empirismus:Das Gesetz ist eine ‚idealisie-rende‘ Verallgemeinerung von Wahrnehmungstatsachen: Es beruht auf systematischer Erfahrung (an rollenden Kugeln etc.). Vorlesung 4 (11.11.2008): Klassischer und moderner Begriff des Wissens Realismus und Idealismus Drei Arten des Wissens bzw. der Erkenntnis Die traditionelle Konzeption des Wissens (Platon) Realismus und Idealismus Realismus: O→S Der Erkenntnisgegenstand bestimmt die wesentlichen Elemente der Erkenntnis. • Idealismus: S→O Das Erkenntnissubjekt bestimmt die wesentlichen Elemente der Erkenntnis. Erkenntnistheoretischer Realismus 1. Der Erkenntnisgegenstand O (allgemein: die ‚Außenwelt‘) existiert unabhängig vom Subjekt S und dessen Erkenntnisbedingungen. 2. Der Erkenntnisprozess verbürgt unmittelbar die Realität der erkannten Objekteigenschaften oder hat mindestens ‚Abbildungscharakter‘ bezüglich dieser Eigenschaften. 3. Daher gewöhnlich: Der Erkenntnisprozess führt zu einer Erfassung des ‚Wesens‘ oder der ‚Natur‘ des Erkenntnisgegenstandes. Erkenntnistheoretischer Idealismus (Namensgeber: Neuzeitlicher Begriff von Idee als Bewußtseinsinhalt oder -gegebenheit) 1. Der Erkenntnisgegenstand O wird durch das Erkenntnissubjekt S gesetzt. Er ist immer nur Gegenstand für das Erkenntnissubjekt, nichts unabhängig vom Erkenntnisprozess. 2. Sinnliche Wahrnehmung (Phänomene) liefert keinen Aufschluss über die ‚eigentliche‘ Reali-tät der Dinge. • Page 6 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) 3. Der Erkenntnisprozess ist ‚konstruktiv‘; er geht wesentlich über das ‚Gegebene‘ hinaus. Drei Arten des Wissens Propositionales Wissen (‚Wissen, dass‘): z. B.:„Ich weiß, dass Wasser nass ist“ • Praktisches Wissen (‚Wissen wie‘): z. B.: Wissen, wie man Fahrrad fährt. • (Phänomenales Wissen (Wissen, wie etwas ist), z. B.: Wissen wie es ist, einen Granatapfel zu kosten.) Im Folgenden geht es immer um propositionales Wissen! • Die klassische Wissenskonzeption Sokrates: „[…] Wenn nun jemand ohne Erklärung eine richtige Vorstellung von etwas empfinge, so sei zwar seine Seele darüber im Besitz der Wahrheit; sie erkenne aber nicht. Denn wer nicht ‚Rede stehen und Erklärung geben‘ könne, der sei ohne Erkenntnis über diesen Gegenstand. Wer aber die Erklärung auch dazu habe, der sei des allen mächtig, und habe alles vollständig zur Erkenntnis beisammen.“ (Platon, Theaitetos, 202 c; vgl. Menon 98c-99c; übers. F. Schleiermacher) Erkenntnis bzw. Wissen ist wahre gerechtfertigte Überzeugung. Das heißt: Damit ein Erkenntnissubjekt S eine Proposition ‚P‘ wissen kann, müssen diese drei Bedingungen erfüllt sein: 1. P muss wahr sein, 2. S muss glauben, dass P, und 3. S‘s Überzeugung, dass P, muss begründet (gerechtfertigt) sein. Mit anderen Worten, S weiß, dass P, genau dann, wenn: • P wahr ist. • S glaubt (ist überzeugt), dass P wahr ist. • S gerechtfertigt ist zu glauben, dass P wahr ist. [Wahrheitsbedingung] [Überzeugungsbedingung] [Rechtfertigungsbedingung] Vorlesung 5 (18.11.2008): Der moderne Begriff des Wissens bzw. der Erkenntnis Kritik der traditionellen Konzeption des Wissens (Gettier-Probleme) Die Antwort des Internalismus Die Antwort des Externalismus Vergleich und Zusammenfassung Kritik des traditionellen Wissensbegriffs: Gettierprobleme Angenommen, Smith und Jones haben sich im Betrieb für die gleiche Stelle beworben. Nehmen wir auch an, dass Smith gute Gründe hat, Folgendes zu glauben: 1. Jones ist der Mann, der den Job bekommen wird, und Jones hat zehn Münzen in seinem Geldbeutel (Smith Überzeugung für (1) könnte darin begründet sein, dass der Chef ihm versichert hat, dass er am Ende Jones auswählen würde, und dass er die Münzen in Jones‘ Geldbeutel gerade gezählt hat.) Aussage (1) zieht folgende Aussage nach sich: 2. Der Mann, der den Job bekommen hat, hat zehn Münzen in seiner Tasche. Nehmen wir an, dass Smith die Schlussfolgerungen von (1) nach (2) einsieht, und (2) aufgrund von (1) akzeptiert. Dann ist es für Smith sicherlich gerechtfertigt zu glauben, dass (2) wahr ist. Stellen wir uns nun vor, dass – ohne Smith Wissen – Smith den Job bekommt, und stellen wir uns weiterhin vor, dass – ebenfalls ohne sein Wissen – Smith auch zehn Münzen in seiner Tasche hat. Die Aussage (2) ist wahr, obwohl die Aussage (1) , von der aus Smith (2) gefolgert hat, nicht wahr ist. Es gilt also Folgendes: • (2) ist wahr, • Smith glaubt, dass (2) wahr ist • Für Smith ist es gerechtfertigt zu glauben, dass (e) wahr ist. Page 7 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Die Gettier-Beispiele laufen der klassischen Wissenskonzeption zuwider! Die moderne Wissenskonzeption S weiß, dass P, genau dann , wenn: P wahr ist [Wahrheitsbedingung ] S glaubt (ist überzeugt), dass P wahr ist [Überzeugungsbedingung ] S gerechtfertigt ist zu glauben, dass P wahr ist. [Rechtfertigungsbedingung ] X ? (Gewöhnlich in Verschärfung bzw. Abänderung der Bedingung 3) Internalismus und Externalismus Die Antwort des Internalismus Der Internalismus hält eine Meinung bzw. Überzeugung für echtes Wissen, wenn sie wahr und intern gerechtfertigt ist, d. h. S weiß, dass P, wenn gilt: • P ist wahr; • S hält gewisse (intern zugängliche) Gründe Gi für wahr; • S sieht die Gi als hinreichende Gründe an, um P zu rechtfertigen. Die Antwort des Externalismus 1. Wissen ist (auch für den Externalismus) wahre gerechtfertigte Überzeugung. 2. Eine Meinung bzw. Überzeugung ist auch dann Wissen, wenn Sie wahr ist, aber nicht intern gerechtfertigt werden kann, sondern wenn stattdessen zutrifft, dass es sich um eine wahre Meinung handelt, die durch ‚verursachende‘ Merkmale der Welt gestützt wird (d. h. i. w. S.e ‚gerechtfertigt‘ wird). 3. Der Externalismus sucht, Meinungsbildungs-prozesse als ‚privilegiert‘ auszuzeichnen, die Wissen generieren (Kausaltheorie der Wahrnehmung, Reliabilismus). Internalismus und Externalismus: Der wichtigste Differenzpunkt Dem Internalismus des Wissens zufolge muss, damit eine begründet wahre Meinung Wissen darstellt, das erkennende Subjekt wissen (oder begründeterweise glauben), dass es sich um eine begründete wahre Meinung handelt. Der Externalismus erklärt, dass eine Meinung zwar nur dann Wissen darstellt, wenn die Wissensbedingungen erfüllt sind, dass das erkennende Subjekt aber nicht wissen (bzw. glauben) muss, dass die betreffende Meinung die Wissensbedingung erfüllt. Die Beziehung beider zum Realismus S ist überzeugt, dass P. Internalismus Externalismus (1) der Rechtfertigung Alle für die Begründung von P relevanten Faktoren müssen S bewußt sein. Es können auch (ggf. Einige) für P relevante Faktoren S nicht bewußt sein. (2) des Wissens P ist Wissen, wenn S weiss, dass P eine begründete und wahre Überzeugung ist. S muß nicht wissen dass P eine begründete und wahre Überzeugung ist. Beziehung von (2) zum Realismus Ablehnung des erkenntnistheoretischen Realismus impliziert Internalismus (2). Externalismus (2) impliziert einen erkenntnistheoretischen Realismus. Einige Vorteile des Externalismus: • Rechtfertigung von ‚basalem‘ Wissen (beruhend auf sinnlicher Wahrnehmung) • Vereinbarkeit mit ‚Alltagsintuition‘ von Wissen (z. B. dem Wissen von Kindern: Problem der Rechtfertigungsgründe) • Vereinbarkeit mit geläufigen Wissens-formen (z. B. dem Erinnerungswissen oder dem ‚Testimonialen‘ Wissen) Einige Vorteile des Internalismus: • Rechtfertigung von ‚inferentiellem‘ Wissen (Ableitungswissen, z. B. der Mathematik) • Rechtfertigung von Sätzen durch (andere) Sätze und nicht durch externe ‚Tatsachen‘ (‚Faustschlag auf den Tisch‘) Page 8 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Rechtfertigung vieler Überzeugungen, denen keine ‚Tatsachen‘ der äußeren Realität zugeschrieben werden können. Internalismus und Externalismus: Einige Literaturhinweise Internalismus: • Chisholm, R. A.: Theory of Knowledge. 3rd ed., Englewood Cliffs (N J) 1989 Lehrer, K.: Theory of Knowledge. Boulder/San Francisco 1990 Danto, A. C.: Wege zur Welt. Grundbegriffe der Philosophie. München 1999. Externalismus: Armstrong, D. M.: Belief, Truth and Knowledge. Cambridge 1973. Goldman, A. I.: Epistemology and Cognition. Cambridge (Mass.) 1986. Charpa, U.: Wissen und Handeln. Grundzüge einer Forschungstheorie. Stuttgart/Weimar 2001. Vorlesung 6 (25.11.2008): Wissenssysteme Begründung von Wissenssystemen: Fundamentalismus und Kohärenztheorie ‚Klassischer‘ Rationalismus und Empirismus als erkenntnistheoretische ‚Fundametalismen‘ Wissenssysteme: Problem der zureichenden Begründung Ein ‚starker‘ Wissensbegriff bedarf der Rechtfertigung von Überzeugungen durch (möglichst: ‚bessere‘) Überzeugungen, z. B. bei L.: „ […] Prinzip des zureichenden Grundes, kraft dessen wir annehmen, daß sich keine Tatsache als wahr oder existierend, keine Aussage als richtig erweisen kann, ohne daß es einen zureichenden Grund dafür gäbe, weshalb es eben so und nicht anders ist – wenngleich uns diese Gründe in den meisten Fällen nicht bekannt sein mögen“ (G. W. Leibniz: Monadologie, §32) Problematik der Rechtfertigung von Überzeugungen durch Überzeugungen ‚Begründungstrilemma‘ oder auch 'Münchhausentrilemma' (nach J. F. Fries): 1. Unendlicher Regress: A ◄ B ◄ C ◄ D … 2. Logische Zirkelhaftigkeit: A ◄ B ◄ C ◄ D…◄ A ◄ B◄… 3. Abbruch des Verfahrens: A ◄ B ◄ … ◄ F. (Vgl. H. Albert: Traktat über kritische Vernunft,1968, 5. Aufl. 1991, S. 15) Fundamentalismus und Kohärentismus Fundamentalismus: • Unterscheidung zweier Klassen von Überzeugungen: selbstrechtfertigende und rechtfertigungsbedürftige Überzeugungen • Selbstrechtfertigende Überzeugungen bilden die ‚Basis‘ oder das ‚Fundament‘ des Überzeugungssystems und werden ‚erkenntnistheoretisch privilegiert‘. • Rechtfertigungsbedürftige Überzeugungen werden durch die ‘fundamentalen’ Überzeugungen gerechtfertigt. Kohärentismus (‘Kohärenztheorie’, ‘Rechtfertigungsholismus’): • Ablehnung selbstrechtfertigender Überzeugungen: Jede Überzeugung bedarf zur Rechtfertigung anderer Überzeugungen • Vermeidung unendlicher Begründungsregresse durch ‚geschlossene‘ und ‚verschlungene‘ Begründungsketten (Ablehnung ‚linearer‘ Begründung) • Bedeutung logischer Kohärenz und erklärender Ableitungsbeziehungen. Fundamentalismus (1): Klassischer Rationalismus (z. B. R. Descartes) 1. Fundament: Überzeugungen des ‚reinen Geistes‘ („allein dem Licht der Vernunft“ entsprungen). 2. Wahrheit, Evidenz und Gewißheit dieser Grundsätze der Vernunft 3. Übermittlung auf ‚niederstufiges‘ Wissen durch Deduktion. • Σ: Apriorisches (erfahrungsunabhängiges) Fundament des Gesamtsystems des Wissens (ohne prinzipielle Ablehnung von Erfahrungswissen). Fundamentalismus (2): Klassischer Empirismus (z. B. F. Bacon) 1. Fundament: Überzeugungen durch ‚verbes-serte‘ (Experiment) und ‚gereinigte‘ (Vorurteils-befreiung) Page 9 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) sinnliche Wahrnehmung. 2. Wahrheit, Evidenz und Gewißheit erster Beobachtungssätze 3. Übermittlung auf ‚höherstufiges‘ Wissen durch eine ‚quasi-logische‘ Induktion. • Σ: Aposteriorisches (empirisches) Fundament des Gesamtsystems des Wissens (ohne prin-zipielle Ablehnung von Vernunftwissen!). Gemeinsamkeiten beider ‚Fundamentalismen‘ 1. Anerkennung und Befolgung des Ideals zureichender Begründung 2. Ablehnung von unendlichen Begründungs-regressen und -zirkeln (‚Linearität‘ der Beg.) 3. Privilegierung der jeweiligen Erkenntnis-fundamente (durch ‚unmittelbare Wahrheit‘‚ Gewißheit‘, ‚Evidenz‘, z. T. ‚Notwendigkeit‘) 4. Zusammenfallen von Genese und Geltung der Erkenntnis im Erkenntnisursprung (Vernunft hier, sinnliche Wahrnehmung dort). Vorlesung 7 (2.12.2008): Wissen und Wahrheit Skepsis und Skeptizismus bzgl. des Wissens Wichtigste Wahrheitsbegriffe und –theorien Der erkenntnistheoretischer Fallibilismus und seine Konsequenzen für den Wahrheitsbegriff Schluss. Skepsis und Skeptizismus Skepsis (grch. ‚sképtomai‘:) das prüfende Umher-blicken (nicht nur der bloße ‚Zweifel‘); Grundhaltung und Methode der Philosophie (etwa bei Sokrates) • Skeptizismus: Erkenntnistheoreti-sche Position, die die Unmöglichkeit der Erlangung von Wissen behauptet. Differenzierung: uni-verseller und partieller Skeptizismus Skepsis und Skeptizismus:Kants Unterscheidung • „So schädlich nun aber auch dieser Skeptizism ist: so nützlich und zweckmäßig ist doch die skeptische Methode, wofern man darunter nichts weiter als nur die Art versteht, etwas als ungewiß zu behandeln und auf die höchste Ungewißheit zu bringen, in der Hoffnung, der Wahrheit auf diesem Wege auf die Spur zu kommen. […] Diese Methode ist dem kritischen Verfahren sehr nützlich […]. Der absolute Skeptizism gibt alles für Schein aus. Er unterscheidet also Schein von Wahrheit und muß mithin doch ein Merkmal des Unterschiedes haben; folglich eine Erkenntnis der Wahrheit voraussetzen, wodurch er sich selbst widerspricht.“ (I. Kant: Logik Jäsche, A 131; WW 5, S. 515) Zwei Grundunterscheidungen der Wahrheitsauffassungen Epistemische – nichtepistemischeWahrheitsauffassung • Epistemische Wahrheitsauffassung: Das Wahrsein von Etwas hängt vom Führwahrhalten durch ein oder mehrere erkennenden Subjekte ab. • Nichtepistemische Wahrheitsauffassung: Die Wahrheit von Etwas ist unabhängig vom Führwahrhalten durch ein Subjekt. Seinswahrheit – Aussagenwahrheit: • Seinswahrheit (nicht relationale Auffassung):Wahrheit besteht in einer Eigenschaft (unabhängig von einer Aussage über diese Eigenschaft). • Aussagewahrheit (relationale Auffassung). Wahrheit besteht in einer Beziehung zwischen einer Sache und dem, was über die Sache (durch eine Proposition) ausgesagt wird. Die wichtigsten ‚Wahrheitstheorien‘ 1. Korrespondenztheorie: Wahrheit als Übereinstimmung einer Proposition mit dem von ihr ausgesagten Sachverhalt. (+) Redundanztheorie: Wahrheit als überflüssiges Prädikat der Korrespondenztheorie der Wahrheit. 2. Kohärenztheorie: Wahrheit als (ggf. logischer Ableitungs-) Zusammen-hang von Propositionen. 3. Konsenstheorie: Wahrheit zeigt sich in der Zustimmung aller Diskurspartner unter Bedingungen einer idealen ‚Sprechsituation‘. 4. Pragmatische Wahrheitstheorie: Wahrheit als Nützlichkeit (‚Bewahrheitung‘ durch den Prozess der Aneignung) 5. [Evidenztheorie:] Wahrheit zeigt sich in evidenter (unmittelbar einleuchtender, gewisser) Erkenntnis. Page 10 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Die „Semantische Wahrheitstheorie“ nach A. Tarski Klassische Korrespondenzauffassung nach Tarski: 1. „Eine wahre Aussage ist eine Aussage, welche besagt, dass die Sachen sich so oder so verhalten, und die Sachen verhalten sich eben so oder so“. 2. „x ist eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn p“.(x: „Anführungsname“)Beispiel: x stehe für „Es schneit“. Nach (2) gilt: 3. „Es schneit.“ ist eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn es schneit. • Wenn wir nun statt des Anführungsnamens x die Aussagenvariable „p“ verwenden, so ist die Aussage „p“ dann und nur dann wahr, wenn p. • Objektsprachliche Aussage: p, etwa: Der Schnee ist weiß. • Metasprachliche Aussage: „p“, etwa: „Der Schnee ist weiß“. • Wahrheit als „disquotation“ (W.V.O.Quine), d.h. als Zitattilgung. Der Fallibilismus und seine Konsequenzen für den Wahrheitsbegriff „Sichere Wahrheit erkannte kein Mensch und wird keiner erkennen. Über die Götter und alle die Dinge, von denen ich spreche. Sollte einer auch einst die vollkommenste Wahrheit verkünden, Wissen könnt’ er das nicht: Es ist alles durchwebt von Vermutung.“ (Xenophan, ca. 570-475 v. Chr., zit. nach Popper) Der Fallibilismus und seine Konsequenzen für den Wahrheitsbegriff • ‚Fallibel‘: neulat., ‚dem Irrtum unterworfen‘; • Bedeutung hier eher: Der Möglichkeit des Irrtums ausgesetzt; • Scharfe Abgrenzung vom Skeptizismus (nicht aber von der Skepsis als erk.th. Grundhaltung) • Scharfe Abgrenzung vom Fundamentalismus (‚Begründungsdogmatismus‘) Vorlesung 8 (9.12.2008): Einführung in die Logik Einleitende Überlegungen & Beispiele Logik als Lehre von den ‚Denkgesetzen‘? Kritik des Psychologismus (Frege, Husserl) Logische Elementarlehre (Beginn): Begriff, Urteil und Schluss Einleitende Überlegungen & Beispiele Beispiel 1 (nach W. Salmon, Logik, S. 11): • Dies ist ein großer Hut. • Jemand ist Eigentümer des Huts. • Die Eigentümer großer Hüte sind Menschen mit großen Köpfen. • Menschen mit großen Köpfen haben große Gehirne. • Menschen mit großen Gehirnen sind sehr intelligent. • Der Eigentümer dieses Hutes ist sehr intelligent. Beispiel 2 (ein logisch korrektes Argument): Alle Elefanten sind Säugetiere. Alle Säugetiere sind Wirbeltiere. Alle Elefanten sind Wirbeltiere. Beispiel 2‘ (ein logisch korrektes, aber ‚merkwürdiges‘ Argument): Alle Sparer sind Kapitalisten. Alle Kapitalisten sind Ausbeuter. Alle Sparer sind Ausbeuter. Beispiel 3 (ein logisch nicht korrektes, aber zunächst vielleicht unverdächtiges Argument): Alle Quadrate sind Vierecke. Alle Rechtecke sind Vierecke. Alle Quadrate sind Rechtecke. Page 11 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Beispiel 3‘ (ein logisch nicht korrektes und gleich verdächtiges Argument): Alle Hunde sind Säugetiere. Alle Katzen sind Säugetiere. Alle Hunde sind Katzen. Psychologismus-Kritik Zwei Begründer der modernen Logik: 1. Gottlob (!) Frege (1848-1925) 2. Edmund Husserl (1859-1938) Begriffsschrift (1879) Grundlagen der Arithmetik (1884) Prolegomena zur reinen Logik (1900) Logische Untersuchungen(1900/1901) Hauptpunkte der Psychologismus-Kritik: • Empirische Erforschung von ‚Denkge-setzen‘ kann die Notwendigkeit und Exaktheit der Logik nicht rechtfertigen. • Sie kann keine Allgemeinheit der Logik verbürgen (Entwicklungsaspekte etc.) • Notwendigkeit der Unterscheidung von Denkprozessen und der Beziehung von Denkinhalten (v. a. bei Husserl; ‚platonistische‘ Auffassung des Denkens). Logische Gesetze als Beziehungen von Gedankeninhalten (nach Husserl) Beziehung des Widerspruchs: A: Am Di., den 09.12.08 um 17.30 Uhr regnet es über dem HZO der Ruhr-Universität. B: Am Di., den 09.12.08 um 17.30 Uhr regnet es nicht über dem HZO der Ruhr Universität. Beziehung der Äquivalenz: A: Otto ist ein etwas verschrobener Junggeselle. B: Otto ist ein etwas verschrobener unverheirateter Mann. Beziehung der Implikation: A: Wenn 1453 eine Primzahl ist, so ist 1453 nicht durch 7 teilbar. B: 1453 ist nicht durch 7 teilbar. Beispiele für logisch wahre Aussagen nach Husserl 1. An der RUB findet heute ein Gastvortrag zur Wissenschaftstheorie statt oder an der RUB findet heute kein Gastvortrag zur Wissenschaftstheorie statt. 2. Jeder Mensch ist ein Mensch. 3. Keine Primzahl ist durch die Zahl 7 teilbar. Logische Elementarlehre Historische Differenzierung • Klassische Logik (i.W. nach Aristoteles) • Moderne (mathematische bzw. symbolische) Logik bzw. Logistik (G. W. Leibniz, G. Boole, G. Frege u.a.) Allgemeine Bestimmung von Logik Die Lehre vom (folgerichtigen) Schließen bzw. „die Wissenschaft der allgemeinsten Gesetze des Wahrseins“. (G. Frege: „Logik“, in: Nachgelassene Schriften. Hamburg 1969, S. 137-163, hier: S. 139.) Systematische Differenzierung Elementarlehre: Lehre vom • Begriff • Urteil • Schluß Methodenlehre: Lehre vom • Untersuchungsverfahren • Beweisverfahren besonders in den Wissenschaften (→Wissenschaftstheorie) Begriff Bestimmte Vorstellung (trad.) bzw. ‚Bedeutung’ eines Ausdrucks oder mehrerer (bedeutungs-gleicher) Ausdrücke. • Athener, Mensch, Säugetier; ... • sterblich, weise, geradzahlig; • größer, ... Page 12 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Unterscheidung von Begriff und Wort: • Verschiedene Wörter können den gleichen Begriff bezeichnen (z.B. „Junggeselle“, „unverheirateter Mann“) • Ein Wort kann mehrere Bedeutungen haben, also auf mehrere Begriffe hinweisen (z.B. „Wahrnehmung“; „Bachelor“; „Wasser“) Zwei grundlegende Charakteristika • Intension des Begriffs (Bedeutung i.e.S.): die Gesamtheit seiner Merkmale . • Extension (Referenz) des Begriffs: die Gesamtheit der Dinge , die unter ihn fallen. Häufig: ‚Inverses Verhältnis‘ von Intension und Extension. Begriffseinteilung • Gattungsbegriffe • Einstellige Begriffe (Prädikate): Eigenschaften • Artbegriffe […] • Zweistellige Begriffe (Prädikate): Beziehungen • Individualbegriffe (Nominatoren) • […] Vorlesung 9 (6.1.2009): Logische Elementarlehre und Anfänge der modernen Aussagenlogik Logische Elementarlehre b) Urteil c) Schluss Anfänge der modernen Aussagenlogik (Junktorenlogik): Die Verbindungen von Aussagen Logische Elementarlehre Urteil (Aussage, Satz) Die Verbindung von Begriffen und ‚Verbindungswörtern’ in solcher Weise, dass ein Sachverhalt behauptet (oder bestritten) wird und die Verbindung wahr oder falsch ist: 1. Behauptende Form. 2. Wahrheitswertfähigkeit (W / F). Einfachste Form des Urteils S: Subjektbegriff, P: Prädikatbegriff • „S ist P“ (‚Qualität‘: positiv) • „S ist nicht P“ (‚Qualität‘: negativ) Bsp: Sieben ist eine Primzahl (S: Sieben, P: Primzahl) Bsp: Das Einhorn ist nicht grün (S: Einhorn, P: Grün) Quantitative Bestimmungen von Urteilen: Universelle Urteile (Alle S sind P ; Alle S sind nicht P ) Partikuläre Urteile (Einige S sind P ; Nicht alle S sind ...) Singuläre Urteile (Ein S ist P ; Kein S ist ...) Modale Bestimmungen von Urteilen: Notwendige (apodiktische) Urteile (z. B.: Kein rosa Auto ist grün). Wirkliche (assertorische) Urteile (z. B.: Dieses Auto ist grün). Mögliche (problematische) Urteile (z. B.: Dieses Auto könnte blau sein). Schluss Die Verbindung von (mindestens) zwei Urteilen in solcher Weise, dass sich aus ihnen ein weiteres Urteil mit formaler Notwendigkeit ergibt. Die vorausgesetzten Sätze heißen Prämissen , der gefolgerte Schlusssatz heißt Konklusion. Wichtiger Typus: Syllogismen Prämissen: Alle Menschen sind sterblich (w) Alle Athener sind Menschen (w) _______________________ Konklusion: Alle Athener sind sterblich (w) Page 13 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Alle Berliner sind Preußen (w) Kein Chinese ist ein Preuße (w) _______________________ Kein Chinese ist ein Berliner (w) Wahrheitsübertragung: Der logisch korrekte Schluss überträgt die Wahrheit der Prämissen auf die Konklusion. Allerdings sagt die Wahrheit der Konklusion allein nichts über die Korrektheit des Schlusses und auch nichts über die Wahrheit der Prämissen. Zusammenfassung der Elementarlehre Begriffe „bilden“ → Definitionsproblem Urteile „fällen“ → Wahrheitsproblem Schlüsse „ziehen“ → Wahrheitsübertragungsproblem (formal korrektes Schließen) Moderne Aussagenlogik (Junktorenlogik) Untersuchung komplexer Aussagen durch Zurückführung auf einfache (elementare) Teilaussagen Keine Untersuchung der ‚darunter‘ liegenden Struktur der Teilaussage selber (→ Prädikaten- bzw. Quantorenlogik) • Voraussetzung: Wahrheitswertfähigkeit der Teilaussagen im Sinne ‚traditioneller‘ Zweiwertigkeit (W / F). • Ziel: Aussagenlogische Verbindungen als ‚Wahrheitswertfunktionen‘ darzustellen. Verbindung von Aussagen Konjunktion (“und”) p∧q • • Adjunktion (nicht-ausschließendes “oder”) p∨q Disjunktion(ausschließendes “oder”) p∇q Implikation(bzw. Subjunktion, “wenn p, dann q”) p→q Äquivalenz(bzw. Bikonditional oder Bisubjunktion) p↔q Exklusion (Ausschliessung) p|q Negator (Verneinung) ¬p Wahrheitstafel p q ¬p ¬q p∧q p∨q p∇q p→q p↔q p|q 0 0 1 1 0 0 0 1 1 1 0 1 1 0 0 1 1 1 0 1 1 0 0 1 0 1 1 0 0 1 1 1 0 0 1 1 0 1 1 0 Die 16 grundsätzlich möglichen aussagenlogischen Verbindungen 0 0 0 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 0 0 1 1 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 0 1 Vorlesung 10 (13.1.2009): Moderne Aussagenlogik (Junktorenlogik) Ergänzungen: Aussagenlogische Verbindungen Logische Äquivalenz: Die ‚Wahrheitstafelmethode‘ Elementare logische Regeln Logische Wahrheit und logisches Schließen Logische Prüfung von Argumentationen Page 14 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Einige Einführungen in die Logik Churchill, P. R.: Logic. An Introduction. New York 1990. Gabriel, G.: Einführung in die Logik. 3. Aufl., Jena 2007. Kutschera, F. von: Elementare Logik. Wien/New York 1967 Menne, A.: Einführung in die Logik. 2. Aufl., München 1966. Salmon, W. C.: Logik. Stuttgart 1983. Aussagenlogische Verbindungen Adjunktion (nicht-ausschließendes ‚oder‘) vs Disjunktion (ausschließendes ‚oder‘ p q p∨q p∇q 0 0 0 0 0 1 1 1 1 0 1 1 1 1 1 0 Ergänzung 2: Die Exklusion ( | ) p q p|q 0 0 1 0 1 1 1 0 1 1 1 0 Äquivalenz aussagenlogischer VerbindungenBeispiel: ‚Weder p, noch q‘ p q “weder p noch q” 0 0 1 0 1 0 1 0 0 1 1 0 Äquivalenz aussagenlogischer Verbindungen:‚Ergebniskolonne‘ von ¬p∧¬q p q ¬p ¬q ¬p∧¬q 0 0 1 1 1 0 1 1 0 0 1 0 0 1 0 1 1 0 0 0 Äquivalenz aussagenlogische Verbindungen: Logische Schemata Beispiel : ‚Weder p, noch q‘ • Konjunktion zweier negierter Aussagen: ¬p, ¬q • Logische Form („Aussagenlogisches Schema“): ¬p∧¬q Aussagenlogische Schemata sind junktorenlogische Verbindungen von Aussagesymbolen (p, q). • Ergebnis: Die Ergebniskolonnen von ¬p∧¬q und von ‚Weder p, noch q‘ stimmen überein. • Allgemeine Festlegung: Zwei aussagenlogische Schemata sind logisch äquivalent (⇔) genau dann, wenn sie in ihren Ergebniskolonnen übereinstimmen. • Logisch äquivalente Schemata können wechselseitig durcheinander ersetzt werden. Beachte: Logische Äquivalenz (⇔) ist nicht gleichbedeutend mit Aussagenäquivalenz (↔) ! Page 15 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Anwendungsbeispiel zur ‚Wahrheitstafel-methode‘: Zeige p → q ⇔ ¬(p ∧ ¬q) p q p→q ¬q (p ∧ ¬q) ¬(p ∧ ¬q) 0 0 1 1 0 1 0 1 1 0 0 1 1 0 0 1 1 0 1 1 1 0 0 1 1 2 3 4(2,¬) 5(1,4,∧) 6(5,¬) Logische Regeln als Äquivalenzen Logische Regeln liefern äquivalente Umformungen von aussagenlogischen Schemata. Elementare Beispiele: R1 ¬¬p ⇔ p R2 p → q ⇔ ¬(p ∧ ¬q) R3 ¬(p ∧ q) ⇔ ¬p ∨ ¬q R4 ¬(p ∨ q) ⇔ ¬p ∧ ¬q Beispiel ((p → q) ∧ p) → q p q p→q (p → q) ∧ p ((p → q) ∧ p) → q 0 0 1 0 1 0 1 1 0 1 1 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 2 3 4(3,1,∧) 5(4,2,→) Tautologie • Ein logisches Aussagenschema, dessen Ergebniskolonnen nur den Wahrheitswert W aufweisen (das also allgemein wahr ist), heißt logisch wahr (tautologisch) bzw. ist eine logische Wahrheit. • Ein solches Schema heißt auch Tautologie (gr.: tauto , ‚dasselbe‘ und logos , ‚Wort‘), weil es keine inhaltliche Aussage beinhaltet. Logische Wahrheit und logisches Schließen Einige fundamentale logische Gesetze : Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch: Ein Satz und seine Verneinung können ¬(p ∧ ¬p) nicht zusammen wahr sein. p ∨ ¬p Satz vom ausgeschlossenen Dritten: Jede Aussage ist entweder wahr oder falsch. ((p → q) ∧ p) → q Abtrennungsregel: “Modus ponens” Logische Wahrheit und logisches Schließen • Logische Folgerung (⇒): Eine Aussage oder ein Aussageschema A impliziert logisch eine Aussage oder ein Aussageschema B, genau dann, wenn A → B logisch wahr ist (A impliziert logisch B). • Logische Äquivalenz (⇔): Zwei Aussagen bzw. Aussagenschemata sind logisch äquivalent (implizieren sich wechselseitig), genau dann, wenn A ↔ B logisch wahr ist (A und B sind logisch äquivalent). Hinweis: Anwendung der Terminologie der logischen Elementarlehre (Prämisse, Konklusion)! Page 16 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Logische Prüfung von Argumentationen „Wenn es regnet, wird die Straße naß. Nun regnet es. Also wird die Straße naß.“ p: “Es regnet.” q: “Die Straße wird naß.” • Wenn es regnet, wird die Straße naß. (p → q) • Es regnet. (p) • Die Straße wird naß. (q) Aussagenlogisches Schema: ((p → q) ∧ p) → q (Modus Ponens, logische Wahrheit!) „Schnee schmilzt in der Sonne. Nun scheint aber keine Sonne. Also schmilzt der Schnee nicht“. p: “Die Sonne scheint.” q: “Der Schnee schmilzt.” • Wenn die Sonne scheint, schmilzt der Schnee. (p → q) • Die Sonne scheint nicht. ( ¬p) • Der Schnee schmilzt nicht. (¬q) Aussagenlogisches Schema: ((p → q) ∧ ¬p) → ¬q (nicht logisch wahr, s.u.) p q p→q ¬p ¬q (p → q) ∧ ¬p ((p → q) ∧ ¬p) → ¬q 0 0 1 1 1 1 1 0 1 1 1 0 1 0 1 0 0 0 1 0 1 1 1 1 0 0 0 1 1 2 3 4(1,¬) 5(2,¬) 6(3,4,∧) 7(5,6,→) Vorlesung 11 (20.1.2009): Zur Begründung der modernen Logik (nach G. Frege) Natürliche Sprache und Logik Der Begriff als Funktion Sinn und Bedeutung Gottlob Frege Friedrich Ludwig Gottlob Frege * 8.11.1848 Wismar † 26.7.1925 Bad Kleinen Lehre von 1874 bis 1917 an der Universität Jena Wichtige Schriften G. Freges: Begriffsschrift. Eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens. Halle 1879. Die Grundlagen der Arithmetik. Einelogisch-mathematische Untersuchung über den Begriff der Zahl. Breslau 1884. „Funktion und Begriff“ (1891) „Über Sinn und Bedeutung“ (1892) Grundgesetze der Arithmetik. 2 Bde., Jena 1893/ 1903. „Der Gedanke“ (1918), in: Ders.: Logische Untersuchungen. Hrsg. von Günther Patzig. Göttingen 1966. „Negation und Gedankengefüge“ (1923), in: Logische Untersuchungen Natürliche Sprache und Logik G. Frege: Zum Verhältnis von (natürlicher) Sprache und Logik: „Es kann nicht die Aufgabe der Logik sein, der Sprache nachzugehen und zu ermitteln, was in den sprachlichen Ausdrücken liege. Jemand, der aus der Sprache Logik lernen will, ist wie ein Erwachsener, der von einem Kinde denken lernen will. Als die Menschen die Sprache bildeten, befanden sie sich in einem Zustand des kindlichen bildhaften Denkens. Die Sprachen sind nicht nach dem logischen Lineale gemacht. Auch das Logische in der Sprache erscheint unter Bildern versteckt, die nicht immer zutreffen. Die Hauptaufgabe des Logikers besteht in einer Befreiung von der Sprache und in einer Vereinfachung.“ (G. Frege an E. Husserl, 1. Nov. 1906, in: F. Kutschera: Elementare Logik. Wien [u.a.] 1967, hier: S. 30) Page 17 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Eine Analogie: Die natürliche Sprache verhält sich zur Begriffsschrift wie das Auge zum Mikroskop „Als optischer Apparat betrachtet zeigt [das Auge] freilich viele Unvollkommenheiten, die nur in der Folge seiner innigen Verbindung mit dem geistigen Leben gewöhnlich unbeachtet bleiben. Sobald aber wissenschaftliche Zwecke große Anforderungen an die Schärfe der Unterscheidung stellen, zeigt sich das Auge als ungenügend. Das Mikroskop hingegen ist gerade solchen Zwecken auf das vollkommenste angepaßt, aber eben dadurch für alles andere unbrauchbar.“ (G. Frege: Begriffschrift (1879), S. V) Freges Programm zu einer ‚nicht-psychologistischen‘ Logikbegründung: • Aufbau einer Bedeutungstheorie, die zwischen den Ausdrücken der natür-lichen Sprache und Bestandteilen von Gedanken scharf unterscheidet. Philosophische Erklärung des Denkens und philosophische Analyse der Sprache: • Scharfe Trennung von Dingen und Zeichen, die auf Dinge verweisen • Gewisse ‚Spiegelung‘ des Denkens in der Sprache • Aufbau einer formalen Kunstsprache Konzept Denken, Vorstellung Wort Satz Symbol Referent Schrif t-, Lautzeichen Ding, Sachv erhalt Entität/Ereignis Situation Der Begriff als Funktion Freges Grundidee zum ‚Begriff des Begriffs‘: „Statt also das Urteil aus einem Einzeldinge als Subjecte mit einem schon vorher gebildeten Begriffe als Praedicate zusammen zu fügen, lassen wir umgekehrt den beurteilbaren Inhalt zerfallen und gewinnen so den Begriff“. (Nachgelassene Schriften, S. 18) Begriffe als Funktionen nach Frege Allgemeine Form der Aussageform: {f} (x) (Funktor f: z. B. ‚Rot-sein‘, ‚Süß-Sein‘, ‚Duftend-Sein‘, …) Beispiel (a): „Die Rose ist rot“. Aussageform F[a]: {ist rot} (x) (Argumente x: z. B. diese Rose, jener Frosch, Pultes Auto, …) Beispiel (b): Funktor f sei ‚Rot-sein‘. f: Rose → 1 f: Frosch → 0 f: Pultes Auto → 1 Ein Begriff ist eine Aussagefunktion mit einer Variablen, die für jedes Argument ihres Definitionsbereichs eine wahre oder falsche Aussage gibt (d. h. jedem Argument den Wahrheitswert 1 oder 0 zuordnet) Begriff {f} (x) : {ist eine skandinavische Monarchie} (x) Die Bedeutung von {f} ist die Klasse der Designate von {f} (hier: für x einsetzbar sind Dänemark, Schweden, Norwegen) (1) „Ein großer, maßgeblich von David Hume beeinflußter Königsberger Philosoph“. (2) „Autor der Kritik der reinen Vernunft“. (1) und (2) haben gleiche Bedeutung. Unterschied: „Art des Gegebenseins“, d. h. der Sinn von (1) und (2) ist verschieden. Page 18 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Sinn und Bedeutung Bedeutung im Allgemeinen „Be-Deutung“ im wörtlichen Sinne (Referent) und das, was an dem sprachlichen Ausdruck „Wert“ bzw. „Wichtigkeit“ hat. Name: Gegenstand, der durch ihn bezeichnet wird. Begriff: Klasse der Gegenstände, die unter den Begriff fallen. Satz: Wahrheitswert (w bzw. f) (d.h. alle wahren Sätze haben die gleiche Bedeutung, ebenso alle falschen). Sinn im Allgemeinen Die Art und Weise des ‚Gegebenseins‘ von Etwas (nämlich der Bedeutung). Kennzeichnung der gleichen Sache (auf u.U. verschiedene Weisen). Die Art der Kennzeichnung als (sprachlicher) Ausdruck eines Unterschiedes im Gedanken. • Sinn eines Satzes f(a): der Gedanke, dass f(a). Sätze: Ausdrücke des Gedankens (der an sich objektiv ist und durch den sprachlichen Ausdruck nur verschieden „gefärbt“ wird) Beispiele: 1. “Der Morgenstern ist ein von der Sonne beleuchteter Körper” 2. “Der Abendstern ist ein von der Sonne beleuchteter Körper” 1) und 2) haben gleiche Bedeutung (nämlich die Venus), bringen aber verschiedene Sinne (Gedanken) zum Ausdruck. Optische Metapher Freges zu Sinn und Bedeutung Mond Teleskop Bedeutung reelles Bild Auge Sinn Vorstellung Netzhautbild Vorlesung 12: Enführung in die Wissenschaftstheorie Was heißt Wissenschaftstheorie? Allgemeine Wissenschaftstheorie VS Spezielle (Bereichs-)Wissenschaftstheorien Induktion, Kausalität und Naturgesetz bei Hume, Kant und Popper Das Induktionsproblem Humes Kritik an Induktion und Kausalität Was heißt Wissenschaftstheorie? Allgemeine Wissenschaftstheorie • hat zum Ziel, Wissenschaft als spezifische Form neuzeitlichen Denkens in allen ihren Hinsichten zu begreifen und begreiflich zu machen; • ist als Metatheorie zunächst Philosophie, die auf den ‚Gegenstand‘ Wissenschaft angewandt wird; • kann daher differenziert werden nach (anderen) philosophischen Teildisziplinen (Wiss.ontologie, Wiss.erkenntnistheorie, Wiss.logik …Wiss.ethik). Spezielle (Bereichs-) Wissenschaftstheorien: • haben zum Ziel, Besonderheiten der jeweiligen Einzelwissenschaften zu konstatieren und zu analysieren; • orientieren sich dabei besonders an den Methodologien der Einzelwissenschaften; • können nach den Klassifikationskriterien der Allgemeinen Wissenschaftstheorie in Gruppen zusammengefasst werden (Theorie der Geistes- und Naturwissenschaften etc.) Page 19 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) Induktion, Naturgesetzlichkeit und Kausalität Induktion vs Deduktion Induktion (lat. inductio , griech. epagogé ): Heranführen, Hinführen zu etwas Besonderes →Allgemeinen Deduktion (lat. deductio , griech. apagogé): Wegführen, Herabführen von etwas. Allgemeines→Besonderen Bes Bes Allgemeines Induktion Induktion Allg Deduktion Deduktion Bes Bes Besonderes Die aufzählende Induktion Beispiel: „Alle Schwäne (dieses Teiches) sind weiß“ w(S1) ∧ w(S2) ∧ w(Sn) → ∀x w(x) Ausdehnung: „Alle Schwäne sind weiß“. (?) Der Klassische Induktivismus Begründer: Francis Bacon (1561 – 1626) • (‚Gereinigte‘) Beobachtungsaussagen sind wahr und gewiss; • Übertragbarkeit von Wahrheit und Gewissheit von Beobachtungsaussagen durch Induktion auf Gesetze und Theorien übertragen; • Induktion als Mittel sowohl der Auffindung als auch der Rechtfertigung der Gesetze und Theorien einer empirischen Wissenschaft; • Wissenschaftsfortschritt durch ‚Erfahrungskumulation‘ ‚Achillesferse‘ des älteren Induktivismus: Gibt es ‚wahrheitskonservierende‘ Erweiterungsschlüsse? (Problem der Induktion bzw. ‚Humesches Problem‘) ‚Prinzip der Induktion‘ als ‚Antwort‘ (?): Wenn eine (hinreichend) große Anzahl von A unter einer (hinreichend) großen Vielfalt von Bedingungen beobachtet wird, und wenn alle diese beobachteten A ohne Ausnahme die Eigenschaft B besitzen, dann besitzen alle A die Eigenschaft B. Der Klassische Naturgesetzbegriff Ein Naturgesetz ist eine wahre empirische All-Aussage, die weder räumlich noch zeitlich in ihrer Gültigkeit eingeschränkt und durch ‚natürliche Notwendigkeit’ gekennzeichnet ist: • Wahrheitsbedingung → Beobachtung • Allgemeinheitsbedingung → Induktion • Notwendigkeitsbedingung → Metaphysik (?) Klassisches Kausalitätsprinzip In der Natur gibt es zu jedem beobachtbaren Ereignis B eine bestimmte Ursache A, aus der B nach einer bestimmten Regel mit Notwendigkeit folgt (Prinzip der „Determination allen Naturgeschehens“): A→B (“aus A folgt B”) Humes Kritik an Kausalität und Induktion David Hume (1711 – 1776) „Humes fork“: Alle Sätze sind entweder • analytisch („relations of ideas“; Vernunftwahr-heiten, logische Wahrheiten), oder • synthetisch („matters of fact“, Tatsachen-wahrheiten, empirisch wahre Aussagen). (Treatise of Human Nature (1738/40) bzw. Enquiry Concerning Human Understanding (1748)). Kausalitätsprinzip: analytisch oder synthetisch ? • Nicht analytisch: Der Begriff der Ursache enthält nicht den der Wirkung! • Also synthetisch: Beruht auf Erfahrung, kann daher aber nicht der Begründung von Erfahrung dienen (Zirkelvorwurf!). • Ausdehung des Arguments auf Wahrscheinlichkeiten. Umformulierung des Prinzips: • Von zwei aufeinanderfolgenden Ereignissen A und B ist A die Ursache von B, wenn es unmöglich ist, Page 20 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) dass A eintritt, ohne dass B darauf folgt: A→B Humes Kritik: Ein unberechtigtes: „ post hoc, ergo propter hoc“ ! Das “Prinzip der Induktion” ist kein logischer Schluss (nicht analytisch); als synthetisches (Erfahrungs-) Urteil nicht geeignet, allgemeine Erfahrungsurteile zu begründen (Zirkelvorwurf!). Vorlesung 13: Wissenschaftstheorie Induktion, Kausalität und Naturgesetz bei Hume, Kant und Popper Kants Kritik an Hume und die Existenz synthetischer Prinzipien a priori Poppers Antwort auf das Problem der Induktion Das Abgrenzungsproblem (bei Popper): Erfahrungswissenschaften vs. Metaphysik, Logik und Mathematik Induktion, Kausalität und Naturgesetz bei Hume, Kant und Popper Humes Kritik des Kausalitätsprinzips Ein unberechtigtes: „ post hoc, ergo propter hoc“ . Humes eigenes Problem: Verteidigung einer psychologischen Gewohnheitstheorie von Kausalität und Induktion. Kants Begründung von Kausalität (und ‚rationaler‘ Induktion) Immanuel Kant (1724 – 1804): • Gegen Humes ‚Regularitätstheorie‘ von Naturgesetzen. • Kausalitätsprinzip als synthetisch-apriorisches Prinzip „Alle Veränderungen geschehen nach dem Gesetz der Verknüpfung von Ursache und Wirkung“ (Kritik der reinen Vernunft, 2. Aufl. 1788; B 232) „Diese vollständige [...] Auflösung des Humischen Problems rettet den allgemeinen Naturgesetzen ihre Gültigkeit, als Gesetzen des Verstandes, doch so, dass sie ihren Gebrauch nur auf Erfahrung einschränkt, darum, weil ihre Möglichkeit bloß in der Beziehung des Verstandes auf Erfahrung ihren Grund hat: nicht aber so, dass sie sich von Erfahrung, sondern dass Erfahrung sich von ihnen ableitet, welche ganz umgekehrte Art der Verknüpfung Hume sich niemals einfallen ließ.“ (I. Kant: Prolegomena, § 30) analytisch synthetisch (a) (?) (b) a priori a) Alle analytiscen Urteile sind a-priori. b) Alle synthetischen Urteile sind a-posteriori a posteriori Poppers Antwort auf das Induktionsproblem Hauptwerke von Karl R. Popper: Die beiden Grundprobleme der Erkennt-nistheorie (1930-1933, publ. 1979). Logik der Forschung. Zur Erkenntnis-theorie der modernen Naturwissen- schaften (1935). Objektive Erkenntnis (1973, engl. 1972) Vermutungen und Widerlegungen. 2 Bde., 1994/97, engl. 1973). Einige Grundzüge des Kritischen Rationalismus (Fallibilismus) von Karl R. Popper Hauptmerkmale (zur Wiederholung): • Ablehnung des ‚Prinzips der zureichenden Begründung‘ (gegen den ‚Fundamentalismus‘ des klassischen Empirismus und Rationalismus) • Einführung des ‚Prinzips der kritischen Prüfung‘ (Widerlegungs- statt Rechtfertigungsversuche) • Verzicht auf die traditionelle Forderung nach Wahrheitsgewissheit und Unfehlbarkeit Poppers Kritik an Hume „Die Antworten, die Hume auf das logische und das psychologische Induktions- problem gibt, führen direkt zu einem irrationalistischen Schluß. Nach Hume ist all unsere Erkenntnis, besonders all unsere wissenschaftliche Erkenntnis, irrationale Gewohnheit oder irrationaler Brauch, und sie ist rational vollkommen unvertretbar. Hume selbst hielt das für eine Form des Skeptizismus; jedoch war es, wie Bertrand Russell zeigte, eine unbeabsichtigte Kapitulation vor dem Irrationalismus. Es ist eine erstaunliche Tatsache, daß ein einzigartiges kritisches Genie, einer der rationalsten Köpfe aller Zeiten, nicht nur nicht mehr an die Vernunft glaubte, sondern Page 21 of 22 Inhalt WS08-09 “Einführung in die theoretische Philosophie” (Daniel Lommes) ein Verfechter der Unvernunft, des Irrationalismus wurde.“ (K. R. Popper: Das Problem der Induktion, 1953) Poppers Antwort auf das Induktionsproblem „Auf diese Weise kommen wir zu einer Neuformulierung des logischen Induktionsproblems Humes, etwa so: [… ] Die Antwort auf dieses Problem lautet: Wie Hume impliziert, ist es sicher nicht gerechtfertigt, von einem Einzelfall auf die Wahrheit des entsprechenden Gesetzes zu schließen. Aber man kann diesem negativen Resultat ein Zweites, ebenso negatives, hinzufügen: Es ist gerechtfertigt, von einem Gegenbeispiel auf die Falschheit des entsprechenden allgemeinen Gesetzes zu schließen (das heißt, eines jeden Gesetzes, für das es ein Gegenbeispiel ist). Mit anderen Worten: Von einem rein logischen Standpunkt aus impliziert das Akzeptieren eines Gegen-beispiels für ‘Alle Schwäne sind weiß’ die Falschheit des Gesetzes ‘Alle Schwäne sind weiß’ - das heißt, des Gesetzes, dessen Gegenbeispiel wir akzeptiert haben. Die Induktion ist logisch unhaltbar; aber die Widerlegung oder Falsifizierung ist ein logisch zulässiger Weg, von einem einzigen Gegenbeispiel auf das entsprechende Gesetz zu schließen (oder besser: es auszuschließen).“ (K. R. Popper: Das Problem der Induktion, 1953) Poppers methodologische Konsequenz: Spekulativer Charakter wissenschaftlicher Theoriebildung „Humes negatives Resultat weist ein für allemal nach, daß alle unsere allgemeinen Gesetze oder Theorien für immer Annahmen bleiben, Vermutungen, Hypothesen. Aber das zweite, das negative, die Kraft von Gegenbeispielen betreffende Resultat, schließt die Möglichkeit einer positiven Theorie keineswegs aus, wonach wir mit rein rationalen Argumenten einige konkurrierende Vermutungen anderen vor ziehen können. Unsere logische Analyse führt uns also direkt zu einer Theorie der Methode und besonders zu der folgenden methodologischen Regel. Du sollst kühne Theorien mit großem informativen Gehalt aus probieren und anstreben; und dann laß diese kühnen Theorien konkurrieren, indem du sie kritisch diskutierst und strengen Prüfungen unterziehst.“ (K. R. Popper: Das Problem der Induktion, 1953) Hypothetischer Charakter empirischer Theorien nach Popper „So ist die empirische Basis der objektiven Wissenschaft nichts ,Absolutes'; die Wissenschaft baut nicht auf Felsengrund. Es ist eher ein Sumpfland, über dem sich die kühne Konstruktion ihrer Theorien erhebt; sie ist ein Pfeilerbau, dessen Pfeiler sich von oben her in den Sumpf senken - aber nicht bis zu einem natürlichen, ,gegebenen' Grund. Denn nicht deshalb hört man auf, die Pfeiler tiefer hineinzutreiben, weil man auf eine feste Schicht gestoßen ist: wenn man hofft, daß sie das Gebäude tragen werden, beschließt man, sich vorläufig mit der Festigkeit der Pfeiler zu begnügen. „ (K. R. Popper: Logik der Forschung, S. 75f.) Das Abgrenzungsproblem (bei Popper) Abgrenzungskriterium nach Popper: Falsifizierbarkeit „Für mich ist also Wissenschaft folgendes. Ich versuche aus sehr guten Gründen nicht, sie zu definieren. Ich möchte nur ein einfaches Bild geben von der Art von Menschen, die ich meine, und von ihren Aktivitäten. Und das Bild wird eine grobe Vereinfachung sein: es sind Menschen mit mutigen Ideen, die aber ihren eigenen Ideen gegenüber höchst kritisch sind; sie versuchen herauszufinden, ob ihre Ideen richtig sind, indem sie versuchen herauszufinden, ob sie nicht vielleicht falsch sind. Sie arbeiten mit kühnen Vermutungen und strengen Widerlegungsversuchen ihrer eigenen Vermutungen. Mein Kriterium für die Abgrenzung zwischen Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft ist eine einfache logische Analyse dieses Bildes. Wie gut oder wie schlecht es ist, wird sich an seiner Fruchtbarkeit zeigen.“ (K. R. Popper: Das Abgrenzungsproblem, 1974) Zusammenfassung und Abschluss zu den ‚beiden Grundproblemen‘ nach Popper • ‚Auflösung‘ des (logischen) Problems der Induktion durch das Prinzip der Falsifikation . • Auszeichnung des Bereichs der (wissenschaftlichen) Erfahrungserkenntnis durch das Kriterium der Falsifizierbarkeit. • Favorisierung der Ideen der Wahrheits-annäherung und der Fallibilität (Fehlbarkeit) wissenschaftlicher Erkenntnis Page 22 of 22