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Differenzierte Therapie von
gastro-entero-pankreatischen neuroendokrinen Tumoren
Allgemeine Tumorbiologie der NETs
moren werden zufällig im Rahmen einer Blinddarmentfernung detektiert und erfordern nur
Die neuroendokrinen Tumoren (NETs) umfassen
selten eine Nachresektion unter onkologischen
eine sehr heterogene Gruppe von Tumoren und
Gesichtspunkten oder gar eine systemische (z.B.
können in ihrem klinischen Verlauf sehr stark va-
Chemo-)Therapie. Die NETs des Rektums (End-
riieren. Die Spanne reicht vom eher benignen,
darms) werden oft durch eine Polypektomie, also
gutartigen, gut differenzierten neuroendokrinen
Polypenentfernung, im Gesunden komplett ent-
Tumoren ohne invasives Wachstum oder Metas-
fernt, allerdings ist zu beachten, dass sobald der
tasen bis zum rasch wachsenden, bösartigen, ge-
Tumor tiefer in die Darmwand eingewachsen ist
ring differenzierten neuroendokrinen Karzinom,
und die sogenannte Submukosa, die nächst tie-
das sich biologisch ähnlich wie ein kleinzelliges
fergelegene Schicht der Darmwand infiltriert hat,
Lungenkarzinom verhält. Diese letztgenannten
oft bereits Lymphknotenmetastasen vorhanden
Tumoren sind sehr aggressiv und führen trotz ei-
sind. Dagegen ist die Erkrankung bei NETs an-
ner starken Chemotherapie fast immer sehr bald
deren Ursprungs bei Diagnosestellung meist ge-
zum Tod.
neralisiert, und es liegen häufig Fernmetastasen
(am häufigsten in der Leber oder im Knochen)
vor. Die konservative Therapie muss sich daher
Grundlegende Überlegungen zur Therapie
meist auf einen palliativen Ansatz beschränken,
das heißt, man kann die Erkrankung nicht hei-
Die Therapie der NETs muss somit sehr diffe-
len, aber die Lebensqualität deutlich verbessern
renziert betrachtet werden und richtet sich nach
und die Erkrankung oft sogar über Jahre stabil
Tumorstadium, Differenzierungsgrad, Ursprung,
halten. Eine derartige Therapie erfordert jedoch
funktioneller Aktivität und (Somatostatin-) Rezep-
ein abgestuftes und differenziertes Vorgehen
torbesatz. Idealerweise werden die NETs in ei-
unter der Beachtung der Lebenssituation des
nem frühen Stadium der Erkrankung chirurgisch
Patienten. Die außerordentliche Variabilität des
komplett entfernt und dadurch geheilt. Dies ist
Tumorwachstums im Verlauf der Erkrankung
jedoch nur bei den NETs der Appendix (des Blind-
kann bedeuten, dass die Tumoren auch im Spon-
darms) regelhaft der Fall, die meisten dieser Tu-
tanverlauf mehrere Jahre (!) stabil bleiben, sehr
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selten sogar spontane (partielle) Remissionen
„Biotherapie“ mit Somatostatin-Analoga
aufweisen (also kleiner werden), um dann wieder zu wachsen. Diese Beobachtungen führten
Die Expression von Somatostatinrezeptoren
dazu, dass einige Behandler am Anfang der Er-
durch neuroendokrine Tumoren ist die Grundla-
krankung den Spontanverlauf über drei bis sechs
ge für eine „Biotherapie“ mit Somatostatin-Ana-
Monate abwarten und erst bei einer nachgewie-
loga. Somatostatinrezeptoren (SSR) werden in
senen Progression, also einem Fortschreiten der
fünf Isoformen von NETs und anderen Tumoren
Erkrankung, therapeutisch intervenieren. Nach
exprimiert (SSR1-SSR5). Diese Rezeptoren sind
unseren Erfahrungen und den Empfehlungen
G-Protein-gekoppelt und bewirken eine Abnah-
anderer großen Zentren sollte eine gezielte The-
me an sekundären Transmittern wie cAMP oder
rapie möglichst frühzeitig beginnen, solange die
Calcium in der Zelle und damit eine Verminde-
Tumorlast noch gering ist, da mit jeder Progres-
rung der Sekretion. Diese Eigenschaft macht sie
sion der Erkrankung weniger Therapiemodalitä-
insbesondere zur Therapie sog. „funktionell ak-
ten zur Verfügung stehen. Prinzipiell sollte sich
tiver“ NETs sehr nützlich. Zur Zeit stehen zwei
jeder Therapeut (und auch der Patient mit einer
Somatostatin-Analoga zur Verfügung; Octreotide
NET-Erkrankung) bewusst sein, dass der Krank-
(Sandostatin®) und Lanreotide (Somatoline®).
heitsverlauf sich über Jahre bis Jahrzehnte, oft
Die Somatostatin-Analoga sind zugelassen für
mit wenig Einschränkungen in der Belastbarkeit,
die Therapie funktioneller NETs zur Verminde-
hinziehen kann und häufig multiple verschiedene
rung der Sekretion von Hormonen und Boten-
Therapiemodalitäten abgestuft erforderlich sind,
stoffen und führen hier bei der Mehrzahl der Pa-
um die Tumorlast zu begrenzen. Dieses Vorge-
tienten zu einer Verminderung der Beschwerden
hen erfordert eine hohe Individualisierung der
wie Flush oder Diarrhoe. Zusätzlich werden die
Therapie einerseits und umfangreiche Erfahrung
Somatostatin-Analoga häufig zur Kontrolle des
vonseiten der behandelnden Ärzte andererseits
Tumorwachstums eingesetzt. Zwei große Studi-
(Abstimmung des Vorgehens im interdisziplinä-
en (PROMID und CLARINET) konnten die antipro-
ren Tumorboard !), da hier die üblichen „standar-
liferative Wirkung der Somatostatinanaloga auf
disierten“ Vorgehensweisen, z. B. in der onkologi-
das Wachstum von neuroendokrinen Tumoren
schen Therapie häufiger solider Tumoren, nicht
des Gastrointestinaltraktes zeigen. Die derzeit
angewandt werden können.
verfügbaren Somatostatin-Analoga binden vor
allem an den Somatostatinrezeptor 2 (SSR2) und
weniger stark an den SSR5 und SSR3. Ein in Prü-
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fung befindliches Somatostatin-Analogon, ge-
kleinzelligen Lungenkarzinome.
nannt SOM230 (Pasireotide) bindet an alle fünf
Von den gut differenzierten neuroendokrinen
SSRs und kann damit eine stärkere Wirkung bei
Karzinomen sprechen nur die NETs des Vorder-
funktionellen Syndromen entfalten als die kon-
darms (Lunge, Magen, Zwölffingerdarm, Bauchs-
ventionellen Somatostatin-Analoga. Eine Prüfung
speicheldrüse) auf eine Polychemotherapie an,
der antiproliferativen Aktivität von SOM230 bei
hierzu werden auf Streptozotozin basierende
NETs steht noch aus. Eine Kombination der So-
Kombinationen mit Doxorubicin oder 5-Fluoro-
matostatin-Analoga mit Interferon bringt für die
uracil eingesetzt. Das Ansprechen auf eine Che-
meisten Patienten keinen zusätzlichen Nutzen,
motherapie (stabile Erkrankung bei zuvor nach-
so dass diese Kombination zunehmend seltener
gewiesener Progression oder partielle Remission)
eingesetzt wird. Vor dem Einsatz von Somatosta-
bei diesen Tumoren liegt bei circa 50 Prozent.
tin-Analoga in antiproliferativer Absicht sollte der
Rektumkarzinome sind ebenfalls eingeschränkt
nuklearmedizinische Nachweis von Somatosta-
empfindlich für eine Chemotherapie, während
tinrezeptoren erfolgen (siehe Abschnitt „Diagnos-
die häufigen Dünndarm-NETs nur ein Anspre-
tik von gastroentero-pankreatischen Tumoren“),
chen von weniger als 20 Prozent zeigen, weshalb
bei funktionellen Syndromen ist ein Therapiever-
eine Chemotherapie für diese Tumorentität nicht
such auf jeden Fall gerechtfertigt.
empfohlen wird.
Einsatz der Chemotherapie
Einsatz der Radionuklidtherapie
Die Chemotherapie spielt eine entscheidende Rol-
Die Expression von SSRs auf den NETs ist auch
le bei den schnell wachsenden, entdifferenzier-
die Grundlage der Peptidrezeptor-vermittelten
ten neuroendokrinen Karzinomen (WHO-Klasse
Radionuklidtherapie (PRRT) oder kurz Radio-Re-
III oder G3). Hier kommen vor allem Kombinati-
zeptortherapie. Bei diesem Verfahren wird über
onen aus einem Platinpräparat (Cisplatin oder
einen Chelator (= DOTA) ein Betastrahlen emittie-
neuerdings vermehrt Carboplatin) mit Etoposid
rendes Therapienuklid an ein Somatostatin-Ana-
zum Einsatz. Diese Tumoren sprechen in der
logon gebunden (Octreotate = DOTA-TATE oder
Regel gut auf die initiale Chemotherapie an, die
Tyrosin-Octreotid = DOTA-TOC). Je nach Tumor-/
Tumoren wachsen aber schnell wieder nach und
Metastasengröße wird 90Yttrium (Betastrahler
werden als Zweitlinientherapie behandelt wie die
mit einer Reichweite von ca. 12 mm im Gewebe)
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oder 177Lutetium (Betastrahler mit niedriger
Jahren zeigen eine Ansprechrate (Kombination
Reichweite von ca. 2 mm) als Therapienuklide
von kompletter und partieller Remission sowie
eingesetzt. Dabei wird 90Yttrium präferentiell für
Stabilisierung bei zuvor bestehender Progressi-
größere Tumoren und 177Lutetium häufig für
on) von deutlich über 80 Prozent. Ein primäres
kleinere Tumoren eingesetzt. Beide Radiophar-
Fortschreiten der Erkrankung trotz PRRT tritt bei
maka können auch mit Erfolg nacheinander ein-
weniger als 15 Prozent der Patienten auf und ist
gesetzt werden, ein Vorgehen, das erstmalig in
mit einer sehr schlechten Prognose verbunden.
unserer Klinik zur Anwendung kam. Wegen der
Wenn die Patienten auf die Therapie ansprechen,
höchsten Affinität zum SSR2 erscheint DOTA-TA-
ist die Zeit bis zur nächsten Progression im Mittel
TE derzeit als optimales Peptid für die Therapie.
40 Monate und das Überleben mehr als 48 Mona-
Die kommerzielle Einführung von 90Yttrium-DO-
te im Schnitt. Die Ergebnisse der Peptid Rezeptor
TA-TOC ist geplant, erste Zulassungsstudien sind
vermittelte Radionuklidtherapie wurden kürzlich
europaweit geplant. Aufgrund der potentiellen
in einer großen Studie (NETTER-1) bestätigt. Es
Nebenwirkungen, die besonders die Nierenfunk-
kann erwartet werden, dass bald ein Radionuklid
tion und das blutbildende Knochenmark betref-
(177Lutetium-DOTATATE Luthatera®) für die
fen, ist es wichtig, die Patientengruppen genau zu
Peptid Rezeptor vermittelte Radionuklidtherapie
definieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von
gelassen werden wird.
einer Therapie profitieren. Die Menge der ap-
Am besten sprechen pankreatische NETs – insbe-
plizierten Radioaktivität („Therapiedosis“) hängt
sondere Glukagonome (Abb. 1) und – Gastrinome
dabei von der Somatostatinrezeptor-Expression,
sowie NETs des Mitteldarms („Karzinoide“) auf
der Tumorlast, der Nierenfunktion und dem hä-
eine PRRT an, aber auch andere neuroendokri-
matologischen Status ab. Die Toxizität der PRRT
ne Tumorentitäten mit einem hohen SS-Rezep-
kann durch mehrfache Applikation kleinerer
torbesatz wie z.B. Paragangliome /Phäochromo-
Mengen an Radioaktivität (anstatt einer großen
zytome, Aesthesioneuroblastome und invasive
Menge in einer Sitzung) abgemildert beziehungs-
Glomustumoren. Interessanterweise ist die Wirk-
weise weitgehend vermieden werden („Bad Ber-
samkeit der Radio-Rezeptortherapie nicht ein-
kaer PRRT“-Konzept). Die klinische Wirksamkeit
deutig abhängig von der Proliferationsrate, so-
der Radio-Rezeptortherapie konnte in großen
fern eine hohe SS-Rezeptor-Expression vorliegt.
Studien belegt werden. Unsere eigenen Ergeb-
Damit stellt die PRRT bei geeigneten Patienten
nisse bei über 1100 behandelten Patienten mit
die derzeit wirksamste palliative Tumortherapie
NETs (3500 Therapiekurse) in den letzten 12
dar. Beachtet werden muss die potentielle hä-
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matogene und nephrogene Toxizität (also Wir-
Regel gut verträglich und können bei erfolgrei-
kung auf Niere und blutbildendes Knochenmark)
cher Behandlung über mehrere Jahre eingenom-
der PRRT, vor allem bei durch eine Chemothe-
men werden. Für die Therapie (und Diagnose) der
rapie vorbelasteten Patienten. Eine klinisch be-
NETs existieren europäische Leitlinien, die gut
deutsame Funktionsverschlechterung der Niere
ausgearbeitet sind und eine Übersicht über die
kann durch geeignete Maßnahmen (Gabe von
verschiedenen Therapiemodalitäten und die Be-
basischen Aminosäuren zum Nierenschutz) wei-
handlung der einzelnen NETs bieten. Diese Leit-
testgehend vermieden werden, was eine fort-
linien können über www.neuroendocrine.net
dauernde Überwachung nach der Therapie er-
heruntergeladen werden.
fordert. Wegen der Wirkung auf das blutbildende
Knochenmark sind regelmäßige Blutbildkontrollen notwendig.
„Molekulare Therapie“
Eine gezielte Therapie der NETs durch molekular definierte Wirkstoffe wäre analog der Therapie der chronischen myeloischen Leukämie
oder den gastrointestinalen Stromatumoren
durch Imatinib eine wünschenswerte Option.
Der Nachweis einer Aktivierung der mTORKinase
und der VEGF-Rezeptoren in den NETs bietet die
Basis für eine Therapie mit Everolimus (Afinitor)
als mTOR-Inhibitor und Sunitinib (Sutent®) als
VEGF-Inhibitor, der auch andere potentiell aktivierte Tyrosinkinasen inhibieren kann. Diese Substanzen sind für pankreatische neuroendokrine
Tumore zugelassen, eine Zulassung von Everolimus (Afinitor®) für neuroendokriner Tumor des
Gastrointestinaltraktes und der Lunge wird für
2016 erwartet. Diese Medikamente sind in der
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