Sonderdruck aus: Taschenbuch für den Tunnelbau 1997, 21., Dt. Ges. für Geotechnik e.V., Essen (Glückauf), 63-106. Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit beim konventionellen Sprengvortrieb1 In den letzten Jahren ergaben sich bei einer Reihe von Tunnelbauprojekten immer wieder Probleme wegen erschwerter Bohrbarkeit aufgrund unvorhergesehener geologischer Verhältnisse. Der 12,7 km lange Inntaltunnel bei Innsbruck ist sicher das bekannteste Beispiel in jüngster Zeit (SPAUN & THURO 1994). Es wurde deshalb auf der Basis einer Dissertation der Versuch unternommen, den Zusammenhang zwischen Bohrgeschwindigkeit, Bohrkronenverschleiß, felsmechanischen Kennwerten und einigen geologisch signifikanten Parametern deutlich zu machen (THURO 1995, 1996). Die Erarbeitung einer praxisnahen Methode stand dabei im Vordergrund und sollte es ermöglichen, die bei der täglichen Arbeit auf der Baustelle anfallenden Informationen zu verwerten und dabei hinreichend genau zu sein. 1 Bohrbarkeit im konventionellen Sprengvortrieb Bei einem konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb im Tunnel- und Stollenbau kommt der Bohrbarkeit des Gebirges eine erhebliche Bedeutung zu. Sie ist nicht nur ausschlaggebend für den Verschleiß der Bohrgeräte, sondern bildet auch einen maßgeblichen Faktor für die Vortriebsleistung. Da die Einschätzung der Bohrbarkeit der in einem geplanten Tunnelvortrieb prognostizierten Gesteine ein beträchtliches Kostenrisiko in der Kalkulation darstellt, ist eine möglichst sichere Prognose der Bohrgeschwindigkeit sowie des Bohrkronenverschleißes in den vorgegebenen Gesteinen vorteilhaft. Unter dem Begriff Bohrbarkeit - der nicht streng definiert ist - verbirgt sich ein komplexes Wirkungsgefüge aus Ursachen und Wirkungen. Er soll deshalb im folgenden speziell für den Bohr- und Sprengvor1 Autoren: Dipl.-Geol. Dr. Kurosch Thuro, Universitätsprofessor Dr. Georg Spaun, Technische Universität München. Geologische Faktoren Gestein & Gebirge Maschinentechnische Faktoren beeinflußt Auswahl Ausbildung des Gesteins im Gebirgsverband felsmechanische Kennwerte Bohrausrüstung Bohrhammer (-leistung) Kraftübertragung Bohrkrone Bohrgeschwindigkeit Vortriebsgeschwindigkeit Bohrbarkeit Verschleiß der Bohrgeräte Bohrkronenverschleiß Bauablauf & Logistik Wartung & Bedienung der Bohrgeräte Baubetrieb & Mensch Bild 1: Schaubild zum Begriff „Bohrbarkeit“. trieb beschrieben werden. Bohrbarkeit läßt sich als Eigenschaft umschreiben, dem Eindringen des Bohrwerkzeugs Widerstand entgegenzusetzen. Üblicherweise wird deshalb unter Bohrbarkeit eines Gesteins oder Gebirges der Bohrfortschritt, d.h. die erzielbare Bohrgeschwindigkeit beim Bohren der Sprenglöcher an der Ortsbrust, und der Verbrauch von Bohrstahl, meist der Bohrkronenverschleiß, verstanden. Dazu können noch Erschwernisse kommen, die sich durch das Gebirge beim Bohrvorgang selbst oder erst beim Besetzen der Bohrlöcher ergeben, z. B. in gestörtem oder quellfähigem Gebirge. Diese Erschwernisse werden häufig bei der Diskussion der Bohrbarkeit außer acht gelassen, können jedoch unter ungünstigen Bedingungen ausschlaggebend sein für die aufzuwendende Zeit beim Bohren und Besetzen der Sprenglöcher. Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Es lassen sich drei Hauptfaktoren unterscheiden (Bild 1), welche die Bohrbarkeit bestimmen: Bohrausrüstung, Gestein und Gebirge sowie Der menschliche Faktor. Die erzielbare Bohrgeschwindigkeit und ebenso der Verschleiß ist zunächst von der verwendeten Bohrausrüstung abhängig: von System und Leistung des Bohrhammers, von Materialgüte und Auslegung der Kraftübertragung und schließlich ganz besonders von Material und Bauform der Bohrkrone. Die Auswahl der Bohrausrüstung wird entscheidend von den geologischen Gegebenheiten beeinflußt. Gestein und Gebirge - sozusagen die geologischen Faktoren - bestimmen durch ihre spezifischen Materialeigenschaften (Mineralzusammensetzung, felsmechanische Eigenschaften, Ausbildung des Gesteins im Gebirgsgefüge) entscheidend die Bohrleistung, den Verschleiß und eventuelle Probleme beim Bohren und Besetzen der Bohrlöcher. Der dritte Faktor ist der Mensch, dem bei Betrachtungen der Bohrbarkeit oft zu wenig Beachtung zukommt, obwohl es schließlich die Mineure sind, welche die Bohrgeräte bedienen und instand halten. Ohne eine eingespielte Mannschaft können trotz modernster und effektivster Bohrverfahren keine hohen Vortriebsleistungen erzielt werden von unsachgemäßer oder nachlässiger Bedienung der Bohrgeräte gar nicht zu reden. Überlegungen dieser Art können im Rahmen vorliegender Arbeit jedoch nicht weiter verfolgt werden. Der hier verfolgte Ansatz ist deshalb, sich mit dem Zusammenhang zwischen den Parametern Bohrkronenverschleiß und Bohrgeschwindigkeit einerseits und den geologischen Gegebenheiten und spezifischen Materialeigenschaften der Gesteine andererseits zu befassen. Dabei kann bei gleichbleibenden geologischen Verhältnissen die Effektivität von Teilen der Bohrausrüstung - welche üblicherweise vorgegeben ist - untersucht werden (z.B. Bohrstahltests). Ein Beispiel soll den Verbrauch an Bohrkronen verdeutlichen: Für den ca. 60 m² großen Kalottenquerschnitt im Inntaltunnel/Innsbruck mußten in Gesteinen des Innsbrucker Quarzphyllits in der Ausbruchsklasse III im Durchschnitt etwa 130 Sprenglöcher pro Abschlag gebohrt I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit werden. Bei einer typischen Tagesleistung von 3,7 Abschlägen à 3,0 m Angriffstiefe (Bohrtiefe; Abschlag 2,7 m) ergeben sich ca. 1450 Bohrmeter pro Tag (ohne Ankerbohrlöcher). Dies liegt bereits 60% über der mittleren Standzeit einer einzelnen Bohrkrone von 900 Metern pro Krone im Innsbrucker Quarzphyllit des Inntaltunnels. Mit anderen Worten, es wurden bei den vier dreiarmigen Bohrwägen im Durchschnitt innerhalb von zwei Tagen alle 12 Bohrkronen ausgetauscht. Mehr noch als reine Materialkosten interessiert meist der Zeitfaktor, d. h. wie stark die Vortriebsarbeiten durch das Bohren der Sprenglöcher (und untergeordnet auch der Ankerlöcher) beeinflußt werden. Beispielsweise können sich - durch unvorhergesehene geologische Verhältnisse - verlängerte Nettobohrgeschwindigkeiten und Erschwernisse beim Bohren und Besetzen der Sprenglöcher äußerst negativ auf die Vortriebsleistung auswirken. Durch den Einfluß eines schwer sprengbaren Gebirges kann die Anzahl der benötigten Sprenglöcher in der Kalotte um über 30% steigen. Eine Verringerung der Nettobohrgeschwindigkeit kann im gleichen Maße die Dauer der Bohrzeit pro Abschlag verlängern. Eine verringerte Bohrlochstabilität kann die Nachlaufzeit beim Laden der Sprenglöcher um ein Vielfaches erhöhen. So kann es zu einer Verdoppelung der Arbeitszeit pro Abschlag gegenüber der Kalkulation und damit zu einer Reduzierung der Vortriebsleistung auf die Hälfte kommen. Mit diesen zwei Beispielen sollte illustriert werden, daß die Bohrbarkeit des Gebirges einen enormen Kostenfaktor darstellt. Sie wirkt sich vornehmlich auf folgende Faktoren aus: Materialkosten von Verschleißteilen wie Bohrkronen, Drifterstangen, Einsteckenden und Hydraulikschläuchen, Betriebskosten der Bohrgeräte, wie Energie (Strom und Dieselkraftstoff), Wasser, sowie frühzeitige Abnutzung des Bohrgeräts, zusätzliche Lohnkosten bei Verzögerung des Vortriebs, sowie die sich daraus ergebenden, längeren Bauzeiten. 2 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Bei ungenügender Vorerkundung sind die Folgen eine Unsicherheit in der Kalkulation sowie ein beträchtliches Kostenrisiko für den Bauherrn und das ausführende Unternehmen. 2 Bohrverfahren und Bohrgeräte Der Ausgangspunkt für die untersuchten Größen ist das Bohrverfahren: Das hydraulische Drehschlagbohren besitzt als Bohrverfahren im konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb heute Standardcharakter. In Bild 2 ist der Aufbau eines Bohrgeräts bestehend aus Bohrhammer, Einsteckende, Lafette, Bohrstange und Bohrkrone schematisch dargestellt. Das wesentliche Leistungsmerkmal für die Untersuchungen zur Bohrbarkeit ist die Schlagenergie des verwendeten Bohrhammers. Die vier wichtigsten Parameter zu seiner Charakterisierung sind Drehzahl, Vorschub, Schlagzahl und Spüldruck. Bild 2: Schematische Illustration des hydraulischen Drehschlagbohrens. Die wichtigsten Parameter sind als Piktogramme dargestellt. Für Vergleiche unterschiedlicher Tunnelvortriebe müssen diese Größen weitestgehend identisch sein - d. h. neben der Kontrolle der Einstellungen am Bohrwagen selbst muß darauf geachtet werden, daß möglichst nur gleiche Bohrhämmer und Spülwasserdrücke miteinander verglichen werden. I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Zum Einsatz kommen unter Tage in der Regel gummibereifte, dieselangetriebene, elektro-hydraulische Bohrwägen verschiedener Ausführungen mit zwei bis drei Bohrarmen und meist zusätzlich einer Hebebühne. Die untersuchten Bohrhammertypen sind die sehr weit verbreiteten Bohrhämmer COP 1238 (15 kW Schlagleistung) und COP 1440 (20 kW Schlagleistung) der Firma ATLAS COPCO. Zusammen mit den Parametern Schlagfrequenz, Drehzahl, Drehmoment und Vorschub welche auf die jeweilige Hammerleistung abgestimmt sind - bildet die Schlagleistung den maßgeblichen maschinentechnischen Faktor neben dem Bohrkronentyp. 2.1 Bohrkronen Die Bohrkrone ist der Teil der Bohrausrüstung, der die Zerkleinerungsarbeit ausführt. Sie besteht aus einem Werkzeugträger aus Werkzeugstahl, in den die eigentlichen Werkzeugeinsätze aus Hartmetall (W IDIA, MOHS' sche Härte 9,5) eingelassen sind (Bild 3). Bild 3: Typische im Tunnelbau verwendete Stiftbohrkronen mit 6, 7, 8 und 9 Widia-Einsätzen. Stifte schwarz, Spüllöcher weiß, Abfuhrkanäle zwischen den „Flügeln“. Die im modernen Tunnelbau üblicherweise verwendeten Hartmetalleinsätze sind in Form von Stiften hergestellt und können runde, parabelförmige oder kegelförmige Form aufweisen. Die Stiftform beeinflußt wesentlich die Bohrgeschwindigkeit und das Verschleißverhalten (vgl. auch FEISTKORN 1988). 3 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Eigenschaften Anwendung 105 Gesteine mit hohen Druckfestigkeiten und hoher Abrasivität typ.: Granite, Gneise, Amphibolite, Quarzite 100 rund (sphärisch) "nicht aggressive" Form geringe Bohrgeschwindigkeiten geringer Verschleiß Lösevorgang hs. schlagend durch Kerbwirkung (semi-) ballistisch "aggressive" Form mittlere Bohrgeschwindigkeiten mittlerer Verschleiß Lösevorgang hauptsächlich scherend - spanend Gesteine mit mittleren Druckfestigkeiten und geringer Abrasivität typ.: kristalline Schiefer, Sandsteine, Kalke, verwitterte Gesteine konisch (ballistisch) "sehr aggressive" Form höchste Bohrgeschwindigkeiten höchster Verschleiß Lösevorgang hauptsächlich scherend - spanend Gesteine mit geringen Druckfestigkeiten und geringer Abrasivität typ.: Tonschiefer, mürbe Sandsteine, Phyllite Bohrgeschwindigkeit [%] Stifttform 95 90 85 80 75 70 6 x 45 s 7 x 45 s 8 x 45 s 8 x 45 b 9 x 45 s 9 x 45 b Stiftbohrkronen Bild 5: Relative Bohrgeschwindigkeiten in Abhängigkeit des Bohrkronentyps am Beispiel von Quarzphyllit (Zeichenerklärung: z.B. 9 x 45 b = 9-Stiftkrone, ∅ 45 mm, b - ballistisch; s - sphärisch; 100% = 2,6 m/min). Bild 4: Stiftformen von Hartmetalleinsätzen in Bohrkronen und ihre Eignung in verschiedenen Gesteinen 105 Muschelkalk 100 Bohrgeschwindigkeit [%] Die Bohrkronen für die Sprenglöcher weisen im allgemeinen - abhängig vom Durchmesser der Sprengstoffpatronen - einen Durchmesser von 45 mm auf; Kronen mit 48 mm Durchmesser werden üblicherweise für SN-Ankerlöcher verwendet, kurze und daher schlanke Swellexanker erfordern einen Durchmesser von 43 mm. Die verschiedenen Bauformen der Bohrkronen unterscheiden sich durch Anzahl und Form der Stifte sowie die Anzahl und Anordnung der Spüllöcher. Dabei gibt es - wie aus Bild 4 ersichtlich - keine für jedes Gestein gleich optimale Bohrkrone. Vielmehr muß für das jeweils zu bohrende Gestein ein Kompromiß aus Bohrkronenstandzeit und erzielbarer Bohrgeschwindigkeit gewählt werden, wobei dem höheren Bohrfortschritt immer häufiger der Vorzug gegeben wird. Beispielsweise zeigten die ballistischen 9-Stiftkronen in den zähen Quarzphylliten den höchsten Bohrfortschritt gegenüber sphärischen 9-, 8-, 7-, oder 6-Stifttypen (Bild 5). Das liegt sicher an der eher schneidend-scherenden Wirkungsweise der relativ spitzen Stifte. Quarzphyllit 95 90 85 80 75 70 6 x 45 s 7 x 45 s 8 x 45 s 8 x 45 b 9 x 45 s 9 x 45 b Stiftbohrkronen Bild 6: Relative Bohrgeschwindigkeiten in Abhängigkeit des Bohrkronentyps am Beispiel von Muschelkalk (100% = 2,4 m/min). 4 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit 2.2 Schlagen Weniger ausgeprägt ist das Bild bei spröden Gesteinen wie bei Kalken aus dem Muschelkalk: Die höchsten Bohrgeschwindigkeiten wurden hier mit einer lediglich mit 8 Stiften besetzten Bohrkrone erreicht, da bei dieser Bauform offensichtlich ein Optimum zwischen Spitzendruck und angreifender Spitzenfläche gegeben ist (Bild 6). Bohrvorgang Ausgehend vom Bohrverfahren soll hier - soweit es sich für das Verständnis notwendig ist - ganz kurz auf den physikalischen Bohrvorgang eingegangen werden. Er liefert wichtige Hinweise für die Auswahl der Untersuchungsmethoden. Bei Studien mit Hochgeschwindigkeits-Fotografie und Auswertung von Dünnschliffen von Gestein aus dem Bereich unter den Diskenmeißeln von Tunnelbohrmaschinen wurden drei wichtige Zerstörungsmechanismen festgestellt (OZDEMIR et al. 1977, W ANG et al. 1978). Diese Ergebnisse dürften weitestgehend auch auf den Zerstörungsmechanismus unterhalb einer Stiftbohrkrone übertragbar sein (vgl. BLINDHEIM 1979). Im Gestein wird um den Berührungspunkt des Bohrkronenstifts ein Spannungszustand aufgebaut, bei dem vier wichtige Zerstörungsmechanismen zu unterscheiden sind (Bild 7): Unter einem Kronenstift entsteht eine Zermalmungszone aus feinem Bohrstaub (Druckbeanspruchung). Ausgehend von dieser Zermalmungszone bilden sich Radialrisse im Gestein (induzierte Spaltzugbeanspruchung). Ist die Spannung im Gestein hoch genug bzw. existieren genügend Risse parallel zur Bohrlochsohle, so werden größere Splitter vom Gestein abgeschert (Scherbeanspruchung). Zusätzlich ist diese Beanspruchung zyklisch-dynamisch. Durch den Bohrvorgang wird deutlich, daß neben der Druck- und Zugfestigkeit (schlagende Beanspruchung) und der Scherfestigkeit (drehende Beanspruchung, untergeordnet dabei Zugbeanspruchung) auch die Elastizitätseigenschaften des zu bohrenden Materials eine wichtige Rolle spielen. Streng genommen durchbohrt die Krone immer bereits vorgebrochenes Gestein, so daß man sich auch hier wieder im Sinne von Leopold MÜLLER mit der Frage beschäftigen muß: Wie bricht gebrochener Fels? Konkret heißt dies, daß es notwendig sein wird, sich auch mit dem Post-failure-Bereich beim Bruchvorgang Rotation Bohrkrone 3 Stift 1 Rotation Stift 3 2 2 2 0 1 Zermalmungszone 2 Radialrisse 5 10 mm 3 losgelöste Gesteinssplitter Bild 7: Schematische Illustration des physikalischen Bohrvorgangs beim Drehschlagbohren. Zerstörungsmechanismus unterhalb eines Bohrkronenstifts. zu beschäftigen, um dem Zerstörungsmechanismus beim Bohrvorgang näher zu kommen. Der Bohrvorgang ist dabei als Problem des Energietransfers zwischen Bohrhammer (Krafterzeugung), Bohrstange (Kraftübertragung) und Bohrkrone (Schnittstelle Maschine-Gebirge = Lösearbeit) zu betrachten. Untersuchungen an Tunnelbohrmaschinen haben gezeigt, daß nur ein Bruchteil der aufgewendeten Energie (2 - 3%) in Zerspanungsarbeit umgesetzt wird. Der Rest wird reflektiert und überwiegend in Wärme umgewandelt. Analog muß dies auch für das drehschlagende Bohren gelten, da sich z.B. auch die Beanspruchungsgeschwindigkeit in ähnlichen Dimensionen bewegt. Die Belastungsgeschwindigkeit eines Bohrhammers (Schlagfrequenz 40 - 70 Hz, d. h. Abstand der Schläge 25 - 14 msec) liegt in der gleichen Größenordnung wie diejenige einer - eher statisch belastenden - TBM (430 mm Diske, Span5 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit nungsaufbau in 33 msec, GEHRING 1995). Eine Optimierung der Energieübertragung in das Gebirge wird dabei durch eine optimale Einstellung des Verhältnisses zwischen Anpreßdruck (Vorschub), Schlagzahl und Geometrie der Ausrüstung (Länge der Bohrstange, Ausführung des Einsteckendes) erreicht. Es ist daher nur schlüssig, auch bei den Bohrbarkeitsparametern ein Äquivalent zu suchen, das einer „Energie“ (physikalisch gleich Arbeit) in diesem System entspricht: Die spezifische Zerstörungsarbeit beim einaxialen Druckversuch wurde als ein gesteinsphysikalischer Parameter ausgewählt, der ebenfalls in der Lage ist, die aufgewendete Energie beim Zerstörungsvorgang einer Probe zu beschreiben. Der obigen Darstellung des physikalischen Bohrvorgangs ist zunächst der Fall eines isotropen Gesteins zugrundegelegt. Bei inhomogenem, anisotropem Gestein hat die Orientierung eines Trennflächengefüges d. h. die Anisotropie, einen großen Einfluß auf die Lösbarkeit des Gebirges an der Bohrlochsohle (THURO & SPAUN 1996). Als wichtigster Leitwert der Bohrbarkeit gilt der Bohrfortschritt in einem bestimmten Gebirge. Die Bohrgeschwindigkeit (DIN 20301) wird aus der Nettobohrzeit ermittelt, die benötigt wird, um ein Sprengloch herzustellen. Demgegenüber haben sich die Bohrzeit (Zeit, um einen Abschlag zu bohren) und die Vortriebsleistung als weniger günstig erwiesen, um die Zusammenhänge mit gesteinstechnischen Parametern nachzuweisen. Der Bohrkronenverschleiß läßt sich quantitativ als Standzeit der Bohrkrone bis zum notwendigen Auswechseln erfassen. Die Standzeit berechnet sich aus den gebohrten Laufmetern (Spreng- und Ankerlöcher), die durch die Anzahl der verbrauchten Bohrkronen geteilt werden. Richtiger müßte dieser Parameter nach DIN 20301 Gesteinsbohrtechnik als Gesamtstandlänge bezeichnet werden. Dieser Ausdruck hat sich jedoch im allgemeinen Sprachgebrauch auf der Baustelle nicht durchgesetzt. 3 Um direkte Zusammenhänge zwischen Bohrgeschwindigkeit, Bohrkronenverschleiß und den gesteinsspezifischen Parametern herauszuarbeiten, müssen einige wenige aus der großen Zahl von möglichen Kennwerten für die Untersuchungen herausgesucht werden. Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit 3.1 Baustellenuntersuchungen An Untersuchungen vor Ort haben sich zwei Leitparameter als besondes aussagekräftig erwiesen: Die (Netto-) Bohrgeschwindigkeit für den Bohrfortschritt und die Standzeit der Bohrkronen stellvertretend für den Verschleiß in einem Gestein oder Gebirge. Bohrfortschritt Bohrkronenverschleiß Bohrlochtiefe Meter Nettobohrzeit Minute 3.2 Untersuchungen im Labor Mineral Mineralbestand Mikrogefüge äquvalenter Quarzanteil Porosität Gestein plastische Eigenschaften felsmechanische Kennwerte Zerstörungsarbeit Druckfestigkeit Elastizitätsmodul Spaltzugfestigkeit Verhältnis UCS/SPZ Trockenrohdichte Gebirge Gebirgskennwerte Trennflächengefüge Anisotropie Durchtrennungsgrad Verwitterung hydrothermale Veränderung Bohrgeschwindigkeit = Gesamt-Bohrmeter Meter Anzahl Bohrkronen Krone Standzeit = Bild 8: Formeln zur Bestimmung von Bohrgeschwindigkeit und Bohrkronenverschleiß. Bild 9: Geotechnische Paramter zur Untersuchung der Bohrbarkeit. 6 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Legende der Gesteine zu Bild 10 auf der nächsten Seite. Sandsteine Konglomerate & Fanglomerate Kalk- & Mergelsteine Innsbrucker Quarzphyllit: Phyllite & Gneise kristalline Gesteine hydrothermal zersetzt Marmore sehr gering gering hoch mittel lei ch t no rm al sehr hoch hoch 3 sc hw er 2 se hr ex sc trem hw er 1 it ke mittel sc hw er r ve ht c i n rk wi h lic t gering Bohrgeschwindigkeit h nic t ich rkl i e rw tv h Bo r rba sehr gering Bohrhammer COP 1440 - 20 kW 0 5 500 1000 1500 2000 Bohrhammer COP 1238 ME - 15 kW lei ch t cht irkli erw v t nich 4 2500 [m/Krone] sehr hoch no rm al hoch 3 mittel 2 ex tr 1 sc hw er em sc hw er 0 0 500 se hr sc hw er 1000 1500 Standzeit [m/Krone] gering rwir t ve nich 2000 klich t Bohrgeschwindigkeit 0 Statistik und Klassifikation Nach der Baustellenerfahrung wurde zunächst eine Einteilung der in der Praxis vorkommenden Bohrkronenstandzeiten durchgeführt. Die gemessenen Standzeiten liegen dabei zwischen 50 und 2500 Laufmetern pro Krone. Bild 10 zeigen die in dieser Arbeit verwendete Einteilung, die unabhängig von Bohrkronentyp oder Bohrhammer angewandt wird. Analog zum Bohrkronenverschleiß wurde auch für die erzielten Bohrgeschwindigkeiten eine Einteilung aufgestellt. 4 sehr hoch extrem hoch 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] 4 Verschleiß Bohrgeschwindigkeit [m/min] Die dem vorliegenden Bericht zugrundeliegenden geotechnischen Parameter sind in Bild 9 aufgelistet. Dabei wird der Bereich ausgehend vom Mikrogefüge bis in den Gebirgsbereich umfaßt. Bewußt wurden keine neuen Bohrbarkeitstests, wie beispielsweise Verschleißtests oder Versuche zum Bohrfortschritt (Modellbohrversuche) entwickelt oder durchgeführt. Es ging vor allem darum, grundlegende Zusammenhänge mit geologischen und felsmechanischen Kennwerten aufzuzeigen und dabei die gängigen Laborversuche weiterzuentwickeln. Die geologischen Verhältnisse liefern die wesentlichen Auswahlkriterien für die Untersuchungs- bzw. Homogenbereiche und die Diskussionsgrundlage für eine integrierte Betrachtung der Bohrbarkeit. Den geologisch-felsmechanischen Untersuchungen zur Bohrbarkeit liegen sieben Tunnelprojekte in Deutschland und Österreich zugrunde (THURO 1995, 1996). Alle Tunnel wurden im konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb aufgefahren. Der Vortrieb erfolgte jeweils mit vorauseilender Kalotte, halbseitig ausgeführter Strosse und fallweise darauf folgendem halbseitigen Sohl- bzw. Bankettenausbruch. Verwendung fanden dabei nur die Daten aus dem Kalottenvortrieb. I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit sehr gering 2500 Bild 10: Klassifikationsschema aller untersuchten Gesteine für den Bohrhammer COP 1238 ME (15 kW) und für den Bohrhammer COP 1440 (20 kW). 7 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen 5 5.1 Bohrgeschwindigkeit Zerstörungsarbeit Neben den konventionellen felsmechanischen Kennwerten einaxiale Druckfestigkeit, Elastizitätsmodul und Spaltzugfestigkeit wurde ein neuer Kennwert eingeführt: die spezifische Zerstörungsarbeit W z. Die Zerstörungsarbeit stellt ein neues Maß für die Zähigkeit bezüglich der Bohrbarkeit von Gesteinen dar. Anders als das Verhältnis von Druckzur Zugfestigkeit ergibt die Zerstörungsarbeit einen mechanischen Parameter für die Arbeit, die aufgewendet werden muß, um einen Prüfkörper vollständig zu zerstören. sprödes σ zähes Bruchverhalten Pre-failure-Bereich einaxiale Druckspannung σ Die beiden linearen Einteilungen von Verschleiß und Bohrgeschwindigkeit spannen eine Matrix auf, die auch andere Kombinationen der beiden Größen erlaubt. Deshalb wurden die Felder in den Abbildungen derart verlängert, daß beispielsweise auch sehr hohe Bohrgeschwindigkeiten und ein mittlerer Verschleiß bzw. mittlere Bohrgeschwindigkeiten und geringer Verschleiß ebenfalls als normal bohrbar bezeichnet werden. Die zusätzlich eingezeichnete Korrelationskurve gibt einen Trend der verknüpften Parameter an: Er besagt, daß in der Regel hoher Verschleiß auch mit einer geringen Bohrgeschwindigkeit verbunden ist, niedriger Verschleiß mit hoher Bohrgeschwindigkeit. Diese Regel wird dabei überwiegend von Kalken durchbrochen, die durch ihren geringen bis sehr geringen Verschleiß und ebenfalls durch ihre mittleren bis geringen Bohrgeschwindigkeiten auffallen. Keine der aufgetretenen Gesteinsgruppen kann pauschal als schwer oder leicht bohrbar bezeichnet werden. Die logarithmische Trendkurve des Bohrhammers COP 1440 ist gegenüber derjenigen des Bohrhammers COP 1238 deutlich parallel nach oben verschoben: Die erreichbaren Bohrgeschwindigkeiten liegen beim COP 1440 um 30-40% höher - das entspricht etwa dem Leistungsunterschied der beiden Bohrhämmer. Oftmals stellt sich in der Baupraxis die Frage, welche Bohrgeschwindigkeiten oder Bohrkronenstandzeiten auf eine erschwerte Bohrbarkeit hindeuten. Die vorgeschlagene Klassifizierung mit den enthaltenen Vergleichswerten könnte helfen, die Gesteine von künftigen Vortrieben und die in ihnen erreichbaren Bohrgeschwindigkeiten und Bohrkronenstandzeiten zu beurteilen. Allerdings müßten noch weitere Werte ermittelt und in die Diagramme aufgenommen werden, um das Klassifizierungsschema repräsentativer zu machen. Auch birgt diese Einteilung noch nicht die Möglichkeit einer Vorhersage, da Bohrversuche vor Ort bei Voruntersuchungen praktisch nicht durchgeführt werden. I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Post-failure-Bereich Hüllkurve Einaxialer Druckversuch Zerstörungsarbeit Wz = σ d ε εmax ε Längsdehnung ε εmax Bild 11: Spannungs-Verformungs-Kurven eines spröden und eines zähen Prüfkörpers. Eingezeichnet sind die Belastungszyklen, die Hüllkurve über die Bruchscheitel und das Kurvenintegral über die grau unterlegten Flächen. Während der Verformungs- oder Elastizitätsmodul die Steigung des lineraren Kurvenabschnitts im Spannungs-Verformungsdiagramm beim einaxialen Druckversuch angibt, berechnet sich die die Zerstörungsarbeit aus der zugehörigen Fläche unter der Arbeitslinie (Bild 11). Als Produkt von Druckfestigkeit und Längenänderung stellt sie gewissermaßen die Formänderungsarbeit bis über den Post-failureBereich dar. Die maximale Längsdehnung εmax ist dabei diejenige maximale Längsdehnung des Prüfkörpers, die noch bei einem Bruch, also bei Entstehung einer freien Oberfläche, entstand. Die Restfestigkeit eines mehr oder weniger zerbrochenen Materials, welches nur noch über Reibung mit einem Druckanstieg reagiert, soll damit von der Bestimmung der Zerstörungsarbeit ausgeschlossen werden. 8 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] COP 1238 ME - 15 kW sehr hoch 4 hoch 3 Standardabweichung mittel 2 gering 1 sehr gering y=a+b·ln x yσ(n-1)=0,25 m/min n=45 R2=79% 0 0 100 200 300 Zerstörungsarbeit Wz [kJ/m3] 400 500 Bild 12: Bohrgeschwindigkeit, aufgetragen gegen die Zerstörungsarbeit (Einzelwerte). 15 kW-Bohrhammer COP 1238 ME. 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] COP 1440 - 20 kW sehr hoch 4 Die Zerstörungsarbeit hat sich in vorliegender Studie als hochsignifikantes Maß für die Korrelation mit der Bohrgeschwindigkeit herausgestellt. Sie bildet deshalb den wichtigsten Parameter zur Untersuchung der Bohrgeschwindigkeit. Die Auswertung der Bohrgeschwindigkeiten erfolgte getrennt für jeden Bohrhammertyp (Bild 12 und Bild 13). Die Diagramme zeigen die Einzelwerte. Für jeden Abschlag, bei dem eine Bohrzeitenmessung stattfand, wurde ein Mittelwert der Zerstörungsarbeit im Labor ermittelt. Die hohen Bestimmtheitsmaße von R²=79% (COP 1238 ME) bzw. R²=85% (COP 1440) weisen die Korrelationen als hochsignifikant aus. Dabei ist deutlich zu sehen, daß mit dem leistungsstärkeren COP 1440 Bohrhammer um ca. 30 - 40% höhere Bohrgeschwindigkeiten erreicht werden. Die Kurven können deshalb auch als Leistungskurven der Bohrhämmer in den Gesteinen betrachtet werden. Mit beiden Bohrhämmern wurden die höchsten Bohrgeschwindigkeiten in wenig festen, mürben Sandsteinen (3,5 m/min) und Tonschluffsteinen (5 m/min) gemessen. Der geringste Bohrfortschritt wurde in QuarzitFanglomeraten (1,3 m/min, COP 1238) und kieseligem Hallstätter Dolomit (1,4 m/min, COP 1440) erzielt. Die Gesteine wiesen auch die höchsten Werte der Zerstörungsarbeit auf. 5.2 hoch 3 mittel 2 gering Standardabweichung 1 sehr gering y=a+b·ln x yσ(n-1)=0,33 m/min n=64 R2=85% 0 0 100 200 300 400 500 3 Zerstörungsarbeit Wz [kJ/m ] Bild 13: Bohrgeschwindigkeit, aufgetragen gegen die Zerstörungsarbeit (Einzelwerte). 20 kW-Bohrhammer COP 1440. Weitere felsmechanische Kennwerte In den folgenden Diagrammen (Bild 14) sind die Mittelwerte der Bohrgeschwindigkeit und ausgewählten felsmechanischen Parametern für den Bohrhammer COP 1440 aufgetragen. Der am häufigsten verwendete Parameter zur Korrelation mit der Bohrgeschwindigkeit stellt die einaxiale Druckfestigkeit dar. Die einaxiale Druckfestigkeit hat den Vorteil, daß sie auch über indirekte Versuche, insbesondere den Point-Load-Test, ermittelt werden kann. Die deutlichen Ausreißer zeigen an, daß die Druckfestigkeit alleine nicht geeignet ist, die Bohrgeschwindigkeit vorherzusagen. Der Zusammenhang ist wesentlich weniger signifikant als beim Diagramm der Zerstörungsarbeit (Bild 13). Da offensichtlich die elastischen Eigenschaften für den Zerstörungsvorgang eine große Rolle spielen, wurde der Elastizitätsmodul gegen die Bohrgeschwindigkeit aufgetragen. Der geringe Wert des Be9 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit stimmtheitsmaßes (R²= 26%) zeigt jedoch keine Signifikanz des Zusammenhangs (Bild 14, oben rechts). 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] Bohrgeschwindigkeit [m/min] 5 4 3 2 1 y=a+b·ln x yσ(n-1)= 0,50 m/min R2=63% n=24 0 4 3 2 1 y=a+b·ln x 0 25 50 75 100 125 150 0 10 20 einaxiale Druckfestigkeit UCS [MPa] n=23 R2=26% 30 40 50 60 Elastizitätsmodul [GPa] 5.3 5 4 3 2 1 y=a+b·ln x yσ(n-1)= 0,50 m/min R2=63% n=24 0 Bohrgeschwindigkeit [m/min] 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] ys(n-1)= 0,72 m/min 0 4 3 2 1 y=a+b·ln x yσ(n-1)= 0,82 m/min n=24 R2=2,5% 0 0 2 4 6 8 10 Spaltzugfestigkeit SPZ [MPa] 12 0 2 4 6 8 10 12 14 igkeit der Spaltzugfestigkeit sein, die in der Regel deutlich unter derjenigen der Druckfestigkeit liegt. Auch die „Zähigkeit“, definiert als Verhältnis von Druck- und Zugfestigkeit, wird von verschiedenen Autoren (BECKER & LEMMES 1984, SCHIMAZEK & KNATZ 1970) als Parameter der „Schnittgeschwindigkeit“ genannt. Allerdings wird die Vermutung durch das Diagramm nicht bestätigt: Bei dem geringen Wert des Bestimmtheitsmaßes kann nicht von einer signifikanten Abhängigkeit der Größen gesprochen werden (Bild 14, unten rechts). Die sogenannte „Zähigkeit“ läßt also keinerlei Aussagen über die Bohrgeschwindigkeit beim hydraulischen Drehschlagbohren zu. 16 18 20 "Zähigkeit" Z=UCS/SPZ [ - ] Bild 14: Bohrgeschwindigkeit (COP 1440), aufgetragen gegen die einaxiale Druckfestigkeit, das Elastizitätsmodul, die Spaltzugfestigkeit und gegen das Verhältnis von Druck zur Zugfestigkeit („Zähigkeit“, jeweils Mittelwerte). Zusätzlich angegeben sind einige statistische Parameter (yσ(n-1) = Standardabweichung, n = Anzahl der Werte, R² = Bestimmtheitsmaß). SCHIMAZEK & KNATZ (1970) berichten, daß unter anderem die Zugfestigkeit ein signifikantes Maß für den Bohrfortschritt darstellt. Auch die Betrachtung des physikalischen Bohrvorgangs erlaubt diese Schlußfolgerung. Deshalb wurde die Spaltzugfestigkeit mit der Bohrgeschwindigkeit korreliert. Die Regressionskurve weist ein Bestimmtheitsmaß von R²= 63% auf, was einer eher mäßigen Signifikanz der Korrelationen entspricht (Bild 14, unten links). In Bezug auf die statistische Aussagekraft liegt der Parameter Spaltzugfestigkeit knapp hinter dem Parameter einaxiale Druckfestigkeit. Der Grund für die höhere Streuung könnte allerdings die Meßgenau- Diskussion der felsmechanischen Parameter zur Untersuchung der Bohrgeschwindigkeit Von den fünf Parametern Zerstörungsarbeit, Elastizitätsmodul, einaxiale Druckfestigkeit, Spaltzugfestigkeit und „Zähigkeit“ weisen also nur drei einen signifikanten Zusammenhang mit der Bohrgeschwindigkeit auf: Die Zerstörungsarbeit kann als hochsignifikanter Parameter, einaxiale Druckfestigkeit und Spaltzugfestigkeit können jedoch lediglich als signifikante Parameter bezeichnet werden Die Begründung der guten Korrelation der beiden Parameter Bohrgeschwindigkeit und Zerstörungsarbeit liegt in einer Energiebetrachtung des Bohrvorgangs: Ein Teil der Energie, die vom Bohrhammer aufgebracht wird, wird ins Gebirge übertragen (die restliche Energie wird reflektiert und vom Bohrgerät - Einsteckende, Bohrstange - resorbiert und in Wärme umgewandelt). Diese übertragene Energie führt im Gebirge - neben einer Erwärmung - zur Verformung des Gesteins bis zum Bruch, wobei die Zerbrechung bis zur Bohrschmantgröße hinunter stattfinden muß. Aufgewendete Verformung und Bruchlast müssen aus Gründen der Energieerhaltung eine Funktion der Verformung und Bruchlast im Laborversuch sein. Da die Leistung der Arbeit (oder Energie) pro Zeiteinheit entspricht, muß bei einer höheren spezifischen Zerstörungsarbeit W z die notwendige Zeit zur Zerstörung des Gesteins an der Bohrlochsohle ansteigen, d.h. die Bohrgeschwindigkeit sinken. Dies kommt den Überlegungen von Leopold MÜLLER nahe, der die Eigenschaft der Zähigkeit mit der Fähigkeit umschreibt, Formänderungsarbeit aufzunehmen (MÜLLER-SALZBURG 1963: 104). 10 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Geologische Faktoren üben großen Einfluß auf die Bohrgeschwindigkeit aus. Zu den wichtigsten Einflüssen gehören Die Klüftigkeit bzw. der Durchtrennungsgrad, Die Auflockerung des Gebirgsverbandes, Die Lage der Schieferung und Schichtung zur Bohrrichtung und Veränderungen im Gebirge, wie Verwitterung, hydrothermale Zersetzung oder Verkieselung. 180 4 sehr hoch 160 Kluftabstände groß gegen die Dimension des Bohrlochs 140 3 hoch 120 Zufallen von Bohrlöchern die Regel 100 2 80 200 cm mittel gering sehr weit 63 cm weit 20 cm mittel 6,3 cm eng 2 cm dicht 0,6 cm sehr dicht Geologische Einflüsse 200 Störung 5.4 Der Gesichtspunkt der Anisotropie und der Einfluß der Ausbildung des Mikrogefüges wurde bereits bei THURO & SPAUN (1996, vgl.a. SPAUN & THURO 1994) eingehend behandelt. Aufgrund der gebotenen Kürze soll hier lediglich der Einfluß der Kluftabstände exemplarisch vorgestellt werden. Der Durchtrennungsgrad oder die Klüftigkeitsziffer lassen sich in der kurzen Zeit, die für die Ortsbrustkartierung üblicherweise zur Verfügung steht, nicht exakt ermitteln. Deswegen wurde als Indiz für den räumlichen Durchtrennungsgrad der mittlere Kluftabstand zum Vergleich mit der Bohrgeschwindigkeit verwendet. Zur Untersuchung des Einflusses der Kluftabstände bot sich ein sehr homogen ausgebildeter Muschelkalk an. [%] 5 Bohrgeschwindigkeit [m/min] Eine weitere Überlegung könnte den Bohrvorgang auch bei spröde reagierenden Gesteinen verdeutlichen: Die der Bohrkrone vorauseilende Zerstörungsfront (vgl. Bild 7) ist ein wesentlicher Faktor beim Zerstörungs- bzw. Lösungsmechanismus. Sie reicht bei spröden Gesteinen sicher wesentlich tiefer ins Gebirge und wird das Gestein deutlich stärker „vorbrechen“ als dies bei zähen Gesteinen der Fall sein kann. Die Folge sind deutlich höhere Bohrgeschwindigkeiten bei spröden Gesteinen, niedrige bei zähen, deformierbaren Gesteinen. Die einaxiale Druckfestigkeit und die Spaltzugfestigkeit müssen deshalb als Kennwerte immer schlechtere Korrelationen mit dem Bohrfortschritt bei zähen und deformierbaren Gesteinen liefern als die Zerstörungsarbeit. Die hier vorgestellte Zerstörungsarbeit ist ein neues Maß, um die Zähigkeit bezüglich der Bohrbarkeit besser als bisher zu beschreiben bzw. um die aufzuwendende Bohrarbeit abzuschätzen. Diese Arbeitsund Argumentationsweise ist jedoch noch relativ jung und bedarf weiterer Verbesserungen. Insbesondere wäre eine Vereinheitlichung der Meßmethode der Zerstörungsarbeit sinnvoll (Eine Aufnahme in die Empfehlung Nr.1 - Einaxiale Druckversuche an zylindrischen Gesteinsproben - wird gerade diskutiert). Auch sind die Rahmenbedingungen wie Formfaktoren (Längen-Durchmesserverhältnis) und Maßstabseffekt sowie der Einfluß der Zeit noch nicht genügend bekannt. Wir sind davon überzeugt, daß nicht nur bei der Gebirgslösung sondern vermehrt auch bei den allgemeinen Problemen der Versuchstechnik im Fels sowohl im Labor als auch im Feld die aufzuwendende Energie in die Überlegungen zum Zerstörungsmechanismus aufgenommen werden muß. I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Kluftabstände Bild 15: Bohrgeschwindigkeit, aufgetragen gegen den Kluftabstand (Muschelkalk). Das Diagramm (Bild 15) zeigt, daß die Bohrgeschwindigkeiten im Bereich zwischen mittel- und sehr weitständigen Kluftabständen in etwa konstant sind. Der Einfluß wird erst bei engständiger Klüftung überhaupt spürbar und ab dichtständiger Klüftung deutlich; in Störungszonen konnten sich die Bohrgeschwindigkeiten sogar verdoppeln. Cha11 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen rakteristisch ist die Zunahme der Streuung mit enger werdenden Kluftabständen. Die Ursache ist sicher darin zu suchen, daß die Einschätzung der Kluftabstände an der gerade aktuellen Ortsbrust vorgenommen wurde, die Verteilung der Kluftscharen vor der Ortsbrust jedoch nicht zu sehen ist. Als Ergebnis ist zu erkennen, daß ein Einfluß des Durchtrennungsgrades erst deutlich wird, wenn die Kluftabstände in die Dimension des Bohrlochdurchmessers rücken (45 mm, dichtständige Klüftung). Der weitaus größte Einfluß ist in Störungsnähe zu verzeichnen. Ungewöhnlich hohe Bohrgeschwindigkeitenweisen zum Beispiel in einem Gestein auch auf einen hohen Durchtrennungsgrad beziehungsweise eine Störungszone hin. War der Durchtrennungsgrad zu groß, kam es oft zum Verklemmen der Bohrstange im instabil gewordenen Bohrloch. Dieser Effekt war jedoch dem der Geschwindigkeitszunahme quantitativ unterlegen. Allerdings kam es in gestörtem Gebirge immer wieder vor, daß die Sprenglöcher bis zum Besetzen bereits zugefallen waren, so daß sie nachgebohrt werden mußten. Diese unangenehme Störung des Betriebsablaufs machte den Zeitgewinn durch die Beschleunigung des Bohrvorgangs wieder zunichte. Hohe Bohrgeschwindigkeiten sind daher eher als Warnsignal vor Störungszonen und den damit üblicherweise verbundenen Stabilitätsproblemen im ausgebrochenen Hohlraum zu werten. 6 6.1 Bohrkronenverschleiß Qualitativer Bohrkronenverschleiß Auch wenn die Bohrstahlkosten häufig gegenüber den Zeit- und Arbeitskosten deutlich zurücktreten, ist es immer noch von großem Interesse, den Bohrkronenverschleiß zu untersuchen. Verschleißteile wie Bohrstangen, Muffen oder Einsteckenden besitzen die 5 bis 10fache Lebensdauer einer Krone und kommen als Kennwert der Abrasivität eines Gesteins nicht in Frage. Deshalb wurde nur der Verschleiß von Stiftbohrkronen untersucht. I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Tabelle 1: Klassifizierung der Verschleißtypen von Bohrkronen. Verschleißbild typische Ursache 1 Verschleiß der Hartmetallstifte (Normaler Verschleiß) Bohrkronen, die bis auf eine normale Stifttiefe abgenutzt sind. Die Stifte liegen noch in unbeschädigter, wenn auch stumpfer Form vor. Das Trägermaterial weist keine größere Beschädigung auf. stark abrasive Gesteine mit hoher Druckfestigkeit 2 Verschleiß des Trägermaterials (Kaliberverschleiß) Das Trägermaterial der Bohrkrone ist gegenüber den Stiften wesentlich stärker heruntergeschliffen. Bei einem weiter heruntergeschliffenen Kronenschaft fallen einzelne Stifte aus dem Werkzeugträger, was zum Totalverschleiß („Bruchkatastrophe“) führen kann (ähnlich Klasse 4, jedoch mit deutlich verjüngtem Schaft). abrasive Gesteine mit niedriger Druckfestigkeit 3 Sprödbruch von Stiften Reste von Stiften liegen noch vor, haben aber keine „normalen“ Stiftoberflächen mehr. Die Oberflächen eines oder mehrerer Stifte sind uneben bis muschelförmig. Sie zeigen das Bild von vielen kleinen Sprödausbrüchen des Hartmetalls aufgrund hoher Scherbelastung. Diese sind entstanden, ohne das Hartmetall aus dem Trägermaterial herauszulösen. Bei größeren Ausbrüchen kann dies jedoch zum Totalverschleiß führen. Gesteine mit (lokal) sehr hoher Druckfestigkeit, klüftigem Gebirge, die Abrasivität spielt eine untergeordnete Rolle 4 Totalausbruch von Stiften Gesteine wie Das Hartmetall ist völlig - und meist als Ganzes - aus Klasse 3 dem Trägermaterial herausgerissen. Führt üblicherweise zum Totalverschleiß („Bruchkatastrophe“) 5 Totalverschleiß Die Bohrkrone wurde bis zur Basis des Hartmetallstiftes abgenutzt. Eine Zuordnung zu den Typen 1 - 4 ist meist nicht mehr möglich. Gesteine mit sehr hoher Druckfestigkeit und/oder abrasive Gesteine 6 Kronenschaftbruch Gewaltschaden Bruch des Schafts unterhalb des Stiftbereichs wegen Materialdefekt oder völlig ungeeignetem Trägermaterial der Bohrkrone. 12 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Einen wichtigen Hinweis auf die Abrasivität eines Gesteins stellt die Analyse der abgenutzten Bohrkronen dar. Der Verschleiß der Bohrkronen tritt in drei Grundformen auf, die je nach Ausbildung des Gebirges miteinander kombiniert sind: Verschleiß der Hartmetallstifte (Höhenverschleiß) Verschleiß des Bohrstahls (Kaliber- oder Durchmesserverschleiß) Abbrechen von Stiften als Folge zu hoher Scherbelastung Bei stark abrasiven und sehr harten Gesteinen, z. B. bei Quarziten, Gangquarzen, verkieselten Gesteinen, frischen Graniten und Gneisen, kommt es durch den hohen Quarzgehalt zur verstärkten Abnutzung der Hartmetallstifte der Bohrkrone. Die randlichen WidiaEinsätze werden dabei entsprechend der Form der Bohrlochwandung bzw. Bohrlochsohle zugeschliffen . Bei abrasiven, aber wenig harten Gesteinen, z. B. bei verwitterten/hydrothermal zersetzten Graniten oder bei Sandsteinen, wird der Bohrstahl (Werkzeugträger) durch den Quarzgehalt weit stärker abgenutzt als die Hartmetallstifte (Werkzeugeinsätze). Als Folge der Schleifwirkung des Bohrschmants nimmt der Kronendurchmesser (Kaliber) rasch ab, was bis zum Herausfallen oder -brechen der Stifte führen kann, wenn die Bohrkrone nicht rechtzeitig ausgewechselt wird. Kommt es des öfteren zum Festbohren oder Verklemmen der Bohrkrone an der Bohrlochsohle oder zum Anschlagen gegen harte Komponenten, so entstehen durch diese Scherbelastung Risse im Hartmetall, die bis zum Bruch des Einsatzes führen können. Typischerweise tritt dies aufgrund klaffender oder tonig-schluffig gefüllter Klüfte und aufgrund besonders harter Quarzit- und Gangquarzgerölle in Konglomeraten und Fanglomeraten (mit weicher Matrix) auf. Dieser Verschleiß kann auch „selbst“ verursacht werden. Wird die bereits eingebaute Sicherung durchbohrt (Spritzbeton mit Baustahlmatten, Entlang/Vorbeibohren an Stahlbögen) oder werden Anker mit der Bohrlafette eingeschoben, so kann dies zur gleichen Verschleißform der Bohrkrone (Stiftbruch) führen. Eine Folge von Kaliberverschleiß oder Stiftbruch kann der Totalverschleiß sein: Ist die Krone bereits stark abgenutzt, so reißt das herausgebrochene Hartmetallstück, das nicht zermahlen und mit dem I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Bohrschmant herausgefördert werden kann, durch die Rotation noch weitere Stifte aus dem Werkzeugträger. Das Ergebnis ist die sehr rasche und vollständige Zerstörung der Bohrkrone. Da der Bohrfortschritt fast schlagartig auf Null absinkt, muß die restliche Energie des Anpreßdrucks von Einsteckende und Bohrstange absorbiert werden, die ein solches Ereignis oft nicht ohne Bruch überstehen (Bruchkatastrophe). Diese Grundtypen lassen sich noch weiter spezifizieren und in insgesamt 6 Verschleißklassen unterteilen (Tabelle 1). Um den Schadensursachen bzw. qualitativen Zusammenhängen zwischen Verschleiß und Gestein auf den Grund zu gehen, werden in der Regel die ausgewechselten Bohrkronen (jeweils etwa 100 Stück) gemäß ihrer Verschleißform nach den Kriterien der Tabelle 1 klassiert und der prozentuale Anteil jeder Klasse für die untersuchten Gesteine ermittelt. 6.2 Standzeit der Bohrkronen in Abhängigkeit vom äquivalenten Quarzgehalt Als wichtigster Parameter für die Standzeit der Bohrkronen wurde der äquivalente Quarzanteil bestimmt. Im Gegensatz zum Quarzgehalt stellt er die Gesamtheit aller Minerale, bezogen auf die Schleiffestigkeit von Quarz, dar. Diese Berechnungsmethode wird von Bohrstahlherstellern und Ingenieurbüros gleichermaßen verwendet und auch von SCHIMAZEK & KNATZ (1970) vorgeschlagen (nähere Ausführungen in THURO & SPAUN 1996 bzw. THURO 1996). Diese Betrachtung ist nicht unproblematisch, da die Standzeit in einem Bereich des Gebirges, der äquivalente Quarzanteil jedoch an Gesteinen ermittelt wird. Deshalb sind als Bohrkronenstandzeiten Mittelwerte über Homogenbereiche des Gebirges ermittelt worden, in denen nur das jeweilige Gestein vorkam. Inhomogene Bereiche mit wechselnden Gesteinszusammensetzungen oder Zonen mit ungewöhnlich hohen Durchtrennungsgraden (Störungszonen) wurden nach Möglichkeit ausgespart. Für die ausgewählten Homogenbereiche mußten Mittelwerte des äquivalenten Quarzanteils bestimmt werden. 13 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Einzelkurven aller Gesteine Verschleiß 2500 Bindemitteldefekte und Porosität in Sandsteinen Standzeit [m/Krone] 2000 hydrothermale Zersetzung 1500 I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit sehr gering gering mittel 1000 hoch "Hauptast" 500 sehr hoch extrem h. 0 0 20 40 60 80 100 äquivalenter Quarzanteil [%] Sandsteine Konglomerate & Fanglomerate Kalk- & Mergelsteine Innsbrucker Quarzphyllit: kristalline Gesteine Phyllite & Gneise hydrothermal zersetzt Marmore Bild 16: Standzeit der Bohrkronen, aufgetragen gegen die Mittelwerte der äquivalenten Quarzanteile. Die Werte sind in Gesteinsgruppen zusammengefaßt und in Einzelkurven gezeichnet. Im Diagramm sind Bohrkronenstandzeit und äquivalenter Quarzanteil aller untersuchten Homogenbereiche (Gesteine bzw. Gebirge) gegeneinander aufgetragen. Zur näheren Untersuchung der Gesteine wurden die erhaltenen Werte in „Gesteinsgruppen“ zusammengefaßt und mit eigenen Symbolen bzw. Kurven dargestellt. Dabei wird deutlich, daß sich das Diagramm genau betrachtet aus drei Zweigen zusammensetzt, die getrennt diskutiert werden müssen: einem Hauptast, der aus den Werten der Kalke, Konglomerate und der Gesteine des Innsbrucker Quarzphyllits besteht, einem dem Hauptast ± parallelen Nebenast, der aus den Werten der hydrothermal zersetzten Gesteine gebildet wird und einem steil stehenden Nebenast, der die Werte der Sandsteine repräsentiert. Betrachtet man nur den Hauptast, so ist die Korrelation bei einem Bestimmtheitsmaß von R²= 95% und einer Standardabweichung von knapp 150 m/Krone als hochsignifikant anzusehen. Am Trend kann also abgelesen werden, daß der Bohrkronenverschleiß mit steigendem äquivalenten Quarzgehalt exponentiell zunimmt. Dabei wurden in Kalken und Mergeln die höchsten Standzeiten (bis 2500 m/Krone), in quarzreichen Ganggesteinen und silikatisch gebundenen QuarzitFanglomeraten die geringste Lebensdauer von Bohrkronen ermittelt (108 m/Krone). Der steil stehende Nebenast der Sandsteine weicht vom allgemeinen Verschleißbild am meisten ab. Die Sandsteine weisen eine unterschiedliche Porosität und unterschiedliche Quarzgehalte auf. In hydrothermal zersetzten Arkosesandsteinen wurde mit 2130 m/Krone die höchste Standzeit gemessen, dicht gefolgt von einem mürben Sandstein mit offensichtlich defektem Bindemittel (1670 m/Krone); die höchste Abrasivität besaß ein harter, silikatisch gebundener Sandstein mit nur 325 m/Krone. Es kann also vermutet werden, daß der Verschleiß von Sandsteinen nicht allein vom Quarzgehalt, sondern auch vom Raumausfüllungsgrad des Bindemittels in den Poren abhängig ist. Bild 17 zeigt beispielhaft vier Gesteinsgruppen, die völlig unterschiedliche und charakteristische Verschleißformen verursachen. Der qualitative Verschleiß wurde in Form von Tortendiagrammen zusammengestellt. 14 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Quarzphyllite, Serizit- (4) Totalausbruch Kalk- & Mergelsteine (2) Kaliberverschleiß Chlorit-Phyllite & Gneise 36% (3) Sprödbruch 46% 24% 27% 24% 10% (5) Totalverschleiß 8% 4% (3) Sprödbruch (6) Schaftbruch 12% (4) Totalausbruch (2) Kaliberverschleiß (1%) (1) Normalverschleiß (5) Totalverschleiß (3) Sprödbruch (2) Kaliberverschleiß defekte Sandsteine Sandsteine (1) Normalverschleiß (6) Schaftbruch (2%) wenig feste, mürbe und (2) Kaliberverschleiß harte bis sehr harte 6% (4) Totalausbruch 23% 12% (3) Sprödbruch 7% 37% 16% 38% 33% 9% (4) Totalausbruch 13% (5) Totalverschleiß 9% (5) Totalverschleiß (1) Normalverschleiß (6) Schaftbruch (1%) (6) Schaftbruch (2%) (1) Normalverschleiß Bild 17: Qualitativer Verschleiß von Bohrkronen: Charakteristische Verschleißformen in vier beispielhaften Gesteinsgruppen. 15 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Bei den Kalk- & Mergelsteinen dominieren Totalausbrüche von Hartmetallstiften aus der Bohrkrone zusammen mit Totalverschleiß (als Folge von Totalausbruch) und Sprödbrüchen von Stiften gegenüber Normalverschleiß, Kaliberverschleiß und Schaftbrüchen. Dies kommt hauptsächlich daher, weil durch den geringen äquivalenten Quarzanteil die Bohrkronen fast nicht abgenutzt werden, sondern vor ihrer möglichen Lebensdauer durch Gewaltschäden zerstört werden. Diese Gewaltschäden wurden durch das Bohren in die bereits bestehende Sicherung entlang von Stahlbögen und durch Baustahlmatten hindurch verursacht sowie durch das Einschieben von Ankern mit der Bohrlafette. Ein Beispiel hierfür ist der Schrambachmergel, der mit ca. 20% äquivalentem Quarzgehalt nur eine durchschnittliche Standzeit von 960 m pro Krone aufwies. Der Kaliberverschleiß dominiert bei den Quarzphylliten, Serizit-ChloritPhylliten und -Gneisen des Innsbrucker Quarzphyllits gegenüber Normalausbruch, Sprödbruch, Totalausbruch und Totalverschleiß. Der Verschleiß des Bohrstahls ging soweit, daß bei manchen Bohrkronen der papierdünn gewordene Mantel durchriß und so seitliche „Fenster“ entstanden. In den Sandsteinen mußte zwischen den harten bis sehr harten Sandsteinen und den weniger festen, mürben und defekten Sandsteinen unterschieden werden. Während die harten Sandsteine einen charakteristisch hohen Normalverschleiß (bei niedrigen Standzeiten) erzeugen, tritt bei den mürben Sandsteinen eher der Kaliberverschleiß (bei hohen Standzeiten) auf. Der große Anteil von Totalverschleiß ist auf ein tendenziell zu spätes Auswechseln der Bohrkronen zurückzuführen. 7 Voruntersuchungen und Probleme einer Prognose Voruntersuchungen, die zu einer geologischen und geotechnischen Prognose für ein Tunnelprojekt führen, werden üblicherweise im Hinblick auf Probleme der Gebirgsstabilität und für die Größenordnung des auszubrechenden Hohlraums - in der Regel einige Meter Spannweite - durchgeführt. Die speziellen Bohrbarkeitsuntersuchungen müssen jedoch zusätzlich gezielt auf die Dimension des Bohrlochs (Durchmesser 45 mm)- also im Bereich von Zentimetern bis Dezimetern - zugeschnitten sein. I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Die Kenntnis der Zusammenhänge und Hintergründe der Einflußgrößen auf die Bohrbarkeit ist notwendig, um die Auswahl des Bohrgeräts zu erleichtern, den Arbeits- oder Bohrfortschritt abzuschätzen und vor allem die Bohrkosten zu kalkulieren. Die Unsicherheit in der Kalkulation stellt ein beträchtliches Kostenrisiko für den Bauherrn und das ausführende Unternehmen dar. Eine erschwerte Bohrbarkeit kann damit letztlich auch einen Teil zur Kostensteigerung bei manchen Großprojekten beitragen. Aus den Erfahrungen bei den untersuchten Tunnelprojekten wurde ein Untersuchungsprogramm zusammengestellt, welches bei Vorerkundungen für Tunnel- und Stollenprojekte helfen soll, Gestein und Gebirge im Hinblick auf die Bohrbarkeit besser einzuschätzen. Das Untersuchungsprogramm ist einfach anwendbar und kommt ohne spezielle Versuche aus, die in der Baupraxis in der Regel aus Kostenund Zeitgründen nicht zur Anwendung kommen. Es baut auf den üblichen Voruntersuchungen zu einem Tunnelprojekt auf und soll diese lediglich ergänzen. Die zusätzlichen Untersuchungen sind im allgemeinen nicht besonders kostenintensiv und können von jedem gut eingerichteten Prüflabor durchgeführt werden. Wesentlich ist, daß die Ergebnisse und die Versuchsmethodik transparent aufbereitet werden und sowohl für den Planer als auch für den Bieter nachvollziehbar sind. Eine Art Standard-Untersuchungsprogramm welches im Zuge von geotechnischen Voruntersuchungen im Vorfeld eines Tunnelprojekts zur Ausführung kommen sollte, wird in Tabelle 2 vorgestellt. Auf der Basis der ermittelten Parameter läßt sich bereits eine brauchbare Prognose für Bohrgeschwindigkeit und Bohrkronenverschleiß durchführen. Bei einer Prognose über die einaxiale Druckfestigkeit muß angemerkt werden, daß die Unsicherheit (große Standardabweichung) relativ groß ist. Allerdings hat die einaxiale Druckfestigkeit den Vorteil, daß sie auch über den Point-Load-Test ermittelt werden kann. Dadurch lassen sich auch in Bereichen, in denen keine Prüfkörper für Zylinderdruckversuche gewonnen werden können, Aussagen über die Festigkeit und den Bohrfortschritt in Gesteinen treffen. Analog zur Bohrgeschwindigkeit lassen sich Standzeiten anhand des äquivalenten Quarzanteils prognostizieren. 16 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Tabelle 2: Programm für die Untersuchung der wesentlichen Parameter, die die Bohrbarkeit beeinflussen. Untersuchungsprogramm für die "Bohrbarkeit" Geologische Voruntersuchung Geologisches "Inventar" Ingenieurgeologische Kartierung Gesteins- und Gebirgsbeschreibung quantitative Aufnahme des Trennflächengefüges nach den IAEG & ISRM-Empfehlungen Anisotropie Trennflächenabstände Störungszonen Verwitterung hydrothermale Zersetzung Hangbewegungen Wasserverhältnisse Primärspannungen sonstige Besonderheiten wie z.B. Quellvermögen Geotechnische Kennwerte Geotechnischer "Steckbrief" Probennahme aus Bohrkernen (Aufschlußbohrungen) wenn möglich, Kernentnahme aus der Laibung eines Sondierstollens Zerstörungsarbeit Einaxiale Druckfestigkeit Elastizitätsmodul Spaltzugfestigkeit Verhältnis Druck-/Zugfestigkeit Trockenrohdichte & Porosität Einfluß der Verwitterung, Anisotropie etc. evtl.: Verschleißtest CAI Petrographische Beschreibung Petrographischer "Steckbrief" Dünnschliffanalyse (in jedem Fall anderen Verfahren vorzuziehen) Mineralzusammensetzung Mikrogefüge Dünnschliffdokumentation Modalanalyse der Mineralanteile Äquivalenter Quarzanteil Beurteilung des Gefüges hinsichtlich Verzahnungsgrad Zu beachten ist dabei, daß eine Prognose lediglich für eine Bohrausrüstung gemacht werden kann, deren technische Daten mit den in dieser Arbeit vorgestellten maschinellen Parametern vergleichbar I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit sind. Dies gilt im besonderen Maße für die Leistung der Bohrhämmer und für die Bohrkronenformen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch in Zukunft die Entwicklung neuer Geräte und Bohrkronen weitergehen wird. Nicht zuletzt spielt die Qualifikation der Vortriebsmannschaften eine große Rolle. Eine Prognose von Bohrgeschwindigkeit und Bohrkronenverschleiß mit Hilfe der erhaltenen Korrelationskurven von Zerstörungsarbeit, Druckfestigkeit und äquivalentem Quarzgehalt ist prinzipiell nur im Bereich der bisher erhaltenen Werte sinnvoll. Für besonders zähe und als schwer bohrbar geltende Gesteine wie Amphibolite, Eklogite, Granulite fehlt bisher noch die Datenbasis. Besonders wichtig wäre es in diesem Zusammenhang, durch verstärkte Grundlagenforschung die theoretischen und praktischen Erkenntnisse über die spezifische Zerstörungsarbeit zu vertiefen und ihre Ermittlung im Versuch weiter zu verfeinern. Da es häufig problematisch ist, Proben für Zylinderdruckversuche mit einem Längen- Durchmesserverhältnis von 2:1 zu gewinnen, wäre es günstig, für Tests bezüglich der Bohrbarkeit auf ein Verhältnis von 1:1 herunterzugehen. Probleme geologischer Art, die einer direkten Vorhersage von Verschleiß und erreichbarer Bohrgeschwindigkeit entgegenstehen, könnten folgender Art sein: offene Klüfte im Verwitterungsbereich in Oberflächennähe, mit tonig-schluffigem Material gefüllte Klüfte, Material in Störungszonen, das zerbrochen, zerschert und mylonitisiert vorliegen kann, Material im aufgelockerten Bereich von Hangbewegungen, verwittertes Gestein, das in ganz unterschiedlichen Verwitterungszuständen nebeneinander vorliegen, hohe Festigkeitsunterschiede zwischen Gestein und Verwitterungsbildungen, Störungsmaterial oder Kluftfüllungen, hohe Wasserzuflüsse, hohe Primärspannungen im Gebirge, Besonderheiten im Gestein oder Gebirge wieQuellvermögen von Kluftfüllungen oder von verwitterten Komponenten. Diese geotechnischen Probleme können zu Bohrerschwernissen führen, die in einer Prognose nur sehr bedingt quantifizierbar sind. Unter 17 Ingenieurgeologische und felsmechanische Untersuchungen Bohrerschwernissen werden Faktoren zusammengefaßt, die sowohl den Bohrfortschritt reduzieren als auch das Besetzen von Bohrlöchern mit Sprengstoff behindern können. Deswegen sind die folgenden Ausführungen nur als Hinweise möglicher Probleme beim Bohren zu sehen. Zu Bohrerschwernissen können beim konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb gezählt werden: Festbohren in offenen oder mit einem Ton-Schluff-Gemisch gefüllten Klüften, Festklemmen durch zufallende Bohrlöcher in Gebirge geringer Stabilität z. B. in Störungszonen, stark verwitterten Zonen oder quellfähigen Tonen, Verstopfen von Spülöffnungen der Bohrkrone durch weiches Material zum Beispiel Verwitterungsbildungen, tonig-schluffige Mylonite in Störungszonen, Kluftfüllungen, schwieriges Beräumen der Sprenglöcher für das Besetzen mit Sprengstoff, Abklemmen oder Abreißen von Zündleitungen oder Zündschnüren, Unterbrechung der Ladung und dadurch unvollständige Zündung des geladenen Sprengstoffs, Verpuffung der Ladung in offenen Klüften, Probleme beim Besetzen und Zünden durch hohe, zufließende Wassermengen. Das Prognostizieren solcher Probleme lediglich anhand von Bohrungen ist schwierig und mit einer hohen Unsicherheit behaftet. In aller Regel dürften die Probleme, die durch das Gebirge hervorgerufen werden jedoch meist weniger relevant sein als diejenigen des zu bohrenden Gesteins. Solche Einflüsse werden in der Praxis aber dann mengenmäßig bzw. zeitmäßig relevant, wenn es sich um ungewöhnliche Umstände oder um ein Zusammentreffen ungünstiger Gebirgsverhältnisse handelt. Leider ist die Baugeologie - zumindest in Streitfällen - sehr oft eine Geologie der Besonderheiten. Weitere Fallstudien sind deshalb notwendig, um eine gesicherte Datenbasis einzurichten und so die Prognosemöglichkeiten zu erweitern. I. Geologisch-felsmechanische Parameter zur Erfassung der Bohrbarkeit Quellennachweis Becker, H. & Lemmes, F. (1984): Gesteinsphysikalische Untersuchungen im Streckenvortrieb. - Tunnel, 2, 71-76. BLINDHEIM, O.T. (1979): Drillability predictions in hard rock tunnelling. - Tunnelling 1979, London, Inst. Min. Metall., 284-289. DIN 20301 (1973): Gesteinsbohrtechnik. Begriffe, Einheiten, Formelzeichen. FEISTKORN, E. (1988): Bohr- und Sprengtechnik. Teil A: Bohrtechnik.- in: Taschenbuch für den Tunnelbau 1988, 12., 365 S., Dt. Gesellschaft für Erd- und Grundbau e.V., Essen, 217-273. GEHRING (1995): Leistungs- und Verschleißprognosen im maschinellen Tunnelbau. - Felsbau 13., 6, 439-448. MÜLLER-SALZBURG, L. (1963): Der Felsbau. Bd.I, Theoretischer Teil, Felsbau über Tage, 1. Teil. - 624 S., Nachdruck 1980, Stuttgart (Enke). OZDEMIR, L., MILLER, R. & W ANG, F.-D. (1977): Mechanical tunnel boring, prediction and machine design. - Annual report, CSM (Colorado School of Mines) APR 73-07776-A03. SCHIMAZEK, J. & KNATZ, H. (1970): Der Einfluß des Gesteinsaufbaus auf die Schnittgeschwindigkeit und den Meißelverschleiß von Streckenvortriebsmaschinen. - Glückauf, 106, 6, 274-278. SPAUN, G. & THURO, K. (1994): Untersuchungen zur Bohrbarkeit und Zähigkeit des Innsbrucker Quarzphyllits. - Felsbau, 12., 2, 111-122. THURO, K. (1995): Geologisch-felsmechanische Untersuchungen zur Bohrbarkeit von Festgesteinen beim konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb anhand ausgewählter Tunnelprojekte. - 156 S. Dissertation TU München. THURO, K. (1996): Bohrbarkeit beim konventionellen Sprengvortrieb. Geologisch-felsmechanische Untersuchungen an sieben ausgewählten Tunnelprojekten. - Münchner Geologische Hefte, Reihe B: Angewandte Geologie, B1., 1 - 145. THURO & SPAUN (1996): Drillability in hard rock drill and blast tunnelling. Felsbau 14., 2, 103-109. W ANG, F.-D., OZDEMIR, L. & SNYDER, L. (1978): Prediction and experimental verification of disk cutter forces in hard rock. - in: Eurotunnel '78 conference, Basle, 1978, 44 S. 18