Public Relations als Gefahr fürs Radio LfM-Workshop über ein brisantes Thema Etwa achtzig Hörfunk-Experten diskutierten am 23. April bei einem Workshop der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) in Düsseldorf über Public Relations (PR) und unerlaubte Sonderwerbeformen im Hörfunk. Anlass waren die Ergebnisse einer von der LfM in Auftrag gegebenen qualitativen Studie über „Public Relations und werbliche Erscheinungsformen im Radio“. „Es wird mehr, es wird sublimer, es wird einfacher“, nannte der stellvertretende LfMDirektor Dr. Jürgen Brautmeier den Grund für die jüngste Studie der nordrheinwestfälischen Landesmedienanstalt. Gemeint waren als redaktionelle Inhalte getarnte Public-Relations-Beiträge im Hörfunk. Während für die Werbung klare Richtlinien gelten, bleibt der PR-Bereich eine Grauzone. Im Auftrag der LfM hatte der Medienwissenschaftler Prof. Dr. Helmut Volpers kritisch den Bereich von „Public Relations und werblichen Erscheinungsformen im Radio“ untersucht. Dabei entdeckte der Wissenschaftler der Kölner Fachhochschule und Leiter des Instituts für Medienforschung Göttingen&Köln (IMGÖ) eine „Entgrenzung von redaktionellem Programm, Werbung und Public Relations“, die den Kern journalistischer Kommunikation bzw. Unabhängigkeit im Radio und dauerhaft auch die Glaubwürdigkeit dieses Mediums gefährde. Volpers forderte, der Trennungsgrundsatz, der für Werbung und Journalismus gelte, müsse auch auf den Bereich der PR ausgedehnt werden. Während des LfMWorkshops präsentierte er Beispiele für die Integration von PR-Beiträgen in Programmelemente, die journalistisch anmuten, aber von externen Auftraggebern bezahlt wurden. Den Hörern bleibt die Quelle dabei meistens verborgen. So wurden von einem Energieversorger Beiträge über die EU-Energiepolitik zur Verfügung gestellt und von Hörfunkstationen gesendet. Oder es wurden die Vorzüge des Honigs in Berichten gelobt, die von Nahrungsmittelherstellern stammen. In anderen Fällen priesen Moderatoren beiläufig bestimmte Süßigkeiten oder Hustenbonbons. Indikatoren für solche PR-Kampagnen seien Produktnennungen ohne äußeren Anlass, ähnlich klingende Product Placements in unterschiedlichen HörfunkProgrammen oder Beiträge mit O-Tönen, die nur eine Perspektive abbildeten, warnte Volpers vor der Infiltration von journalistischen Inhalten durch Public Relations. Dass solche Beispiele gängige Praxis seien, mochten die Vertreter der privaten Hörfunkanbieter beim Düsseldorfer Workshop nicht bestätigen. Hans-Dieter Hillmoth, Geschäftsführer und Programmdirektor von Hit Radio FFH und HörfunkFachbereichsvorstand des VPRT, sagte, bei den von Volpers dokumentierten Fällen handle es sich inzwischen um Ausnahmen. Zwar seien vor etwa vier oder fünf Jahren deutlich mehr solcher PR-Beiträge in die Redaktionen geschickt worden. Mittlerweile aber herrsche kein massives Interesse der Werbewirtschaft mehr, „auch jenseits der Werbeblöcke zu erscheinen“. Vielmehr würden sich „mindestens 95 Prozent aller Radio-Stationen“ hundertprozentig an die Regeln halten. Eine „pauschale Diffamierung der Radio-Szene“ sei also „nicht angebracht“. Professor Horst Müller vom Fachbereich Medien der Fachhochschule Mittweida berichtete von anderen Erfahrungen. Nahezu alle seiner Studierenden berichteten nach ihren Praktika bei meist ost- oder süddeutschen Hörfunk-Programmanbietern, dass PR-Beiträge inklusive Moderationstexten unverändert gesendet würden. Schuld daran sei auch die schlechte finanzielle und personelle Ausstattung der Redaktionen. Uwe Wollgramm, Geschäftsführer der Bielefelder Produktionsgesellschaft Audio Media Service (AMS), nannte Volpers Studie „einseitig, unvollständig und fehlerhaft“. Im nordrhein-westfälischen Lokalfunk existierten keine als Journalismus getarnten PR-Beiträge. Georg Rose, Chefredakteur von Radio Wuppertal, versicherte, die angebotenen PR-Beiträge von Audio-Agenturen landeten zu „weit über neunzig Prozent“ in der Redaktionsmülltonne. In Einzelfällen seien allerdings O-Töne interessant und würden manchmal sogar von Journalisten gezielt bei Agenturen bestellt. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn heimische Firmen bei Messen neue Produkte präsentierten. Birgit Richter von der Esslinger Agentur All4Radio ergänzte, viele Themen würden wegen zu hoher Produktionskosten inzwischen gar nicht mehr im Hörfunk auftauchen, wenn Audio-PR-Agenturen nicht geeignete O-Töne beisteuern würden. Bezahlt würden die Dienste der Agenturen nicht von den Hörfunk-Stationen, sondern von Kunden, deren O-Töne ausgestrahlt werden. Der stellvertretende WDR-Hörfunkdirektor Jochen Rausch nahm für den Westdeutschen Rundfunk den Verzicht auf PR-Audio-Beiträge in Anspruch. Andernfalls gerate die journalistische Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Programme in Gefahr. Generell warnte Rausch vor der Kommerzialisierung von Inhalten, die zu sinkender journalistischer Qualität führe. Hörfunk sei zwar ein Nebenbei-Medium, dürfe aber keinen Nebenbei-Journalismus liefern. Die große Anfälligkeit einiger Programme für PR begründete Dr. Hans Paukens, Geschäftsführer der Deutschen Hörfunkakademie (Oberhausen), mit der „Durchkommerzialisierung von Gesellschaft und Medien“. Andreas Heine, Chefredakteur von Radio MK, kritisierte während der von Susanne Wankell geleiteten Diskussion, angehende Journalisten brächten heute kaum noch Sensibilität für die Trennung von Werbung und Programm mit. Darauf müssten Hochschulen und Akademien dringend reagieren. Paukens sah einen Grund für die Verwischung der Grenzen zwischen Journalismus und PR auch darin, dass an immer mehr Instituten beide Bereiche zugleich gelehrt werden. Für mehr Sensibilität im Umgang mit Audio-PR warb auch der stellvertretende LfMDirektor Brautmeier und wünschte sich, die Programmanbieter sollten sich selbst entsprechende Richtlinien geben. Dank der Studie werde das Thema nun wieder intensiver diskutiert. Darüber hinaus ermögliche die qualitative Untersuchung der neuen Studie für die LfM eine Konkretisierung von Richtlinien und Aufsichtspraxis im Umgang mit als Journalismus getarnter Public Relations in Radioprogrammen. Matthias Kurp Die Studie „Public Relations und werbliche Erscheinungsformen im Radio“ ist in der LfM-Schriftenreihe Medienforschung (Band 55) erschienen. Die Pressemitteilung der LfM mit den wichtigsten Ergebnissen wurde am 12. März veröffentlicht und ist unter „Pressemitteilungen“ abrufbar.