Anhang D Ergänzungen zum Begriff des elektrischen Feldes D.1 Elektrische Kräfte in der bisherigen Betrachtungsweise Die ursprüngliche Beschreibung der Coulombkraft, also der elektrischen Kraft zwischen zwei Ladungen, ist für uns relativ anschaulich: Zwei Punktladungen Q1 und Q2 im Abstand r ziehen sich an oder stossen sich ab, wobei die Stärke dieser elektrischen Kraftwirkung durch das Coulombgesetz gegeben ist: Fel = k · |Q1 | · |Q2 | r2 mit k = 9.0 · 109 N · m2 C2 Ladungen gleichen Vorzeichens stossen sich ab, solche mit verschiedenen Vorzeichen ziehen sich an (vgl. Abb. D.1). Dieses bisherige Bild der elektrischen Kraft ist zwar einfach, aber auch nicht besonders vollständig. Z.B. wird nicht beantwortet, wie denn der Mechanismus der Kraftübertragung zustande kommt. Es fehlen also Antworten auf Fragen wie: • Wie kommt es, dass eine solche Kraft über eine Distanz hinweg wirken kann? • Wirkt diese Kraftübertragung eigentlich instantan? D.h., nimmt der Betrag der Coulombkraft bei Veränderung der Entfernung zwischen den Ladungen sofort ab oder zu, oder gibt es dabei eine Verzögerung? Weitere – für die Physik sehr wesentliche – Überlegungen und Konzepte helfen uns Antworten auf solche Fragen zu geben. Ein solches Konzept ist das elektrische Feld, welches im Kapitel 11 eingeführt wird. Abbildung D.1: Coulombkräfte zwischen elektrischen Ladungen. D.2 Die Definition der elektrischen Feldstärke E Eine positive elektrische Ladung +q befinde sich am Ort A in einem elektrischen Feld. Der Ladungsbetrag von q soll möglichst gering sein, damit sie selber das Feld nur ganz unwesentlich beeinflusst. Wir sprechen von einer Probeladung. Das E-Feld ruft eine elektrische Kraft mit Betrag Fel auf die Probeladung q hervor. Es ist sinnvoll davon auszugehen, dass der Kraftbetrag Fel und der Ladungbetrag q am Ort A proportional zueinander sind.1 Es gilt also: Fel ∼ q Sobald zwei physikalische Grössen proportional zueinander sind, können wir sie mittels einer Proportionalitätskonstanten durch eine Gleichung miteinander verknüpfen. Diese Proportionalitätskonstante soll hier den Namen elektrische Feldstärke E erhalten. Wir schreiben: Fel = E · q Kraftbetrag Fel und Ladungsbetrag q sind im Prinzip einzeln ausmessbar. D.h., die elektrische Feldstärke E kann ebenfalls aus Messungen bestimmt werden, indem man umstellt: E := Fel q Diese Umstellung fassen wir als Definition der elektrischen Feldstärke E auf. Aus ihr ergibt sich eine unmittelbare Bedeutung dieser neuen Grösse: die elektrische Feldstärke E am Ort A beschreibt, welchen Kraftbetrag Fel das Feld pro Ladungsbetrag q am Ort A hervorruft. Allerdings bezieht sich diese Aussage nur gerade auf einen einzigen Ort A. An einem anderen Ort im Raum wird die Feldstärke E einen anderen Wert aufweisen. Die Feldstärke E ist also eine Funktion des Ortes. Die Definition der elektrischen Feldstärke Erfährt eine Probeladung q am Ort A eine elektrische Kraft mit Betrag Fel , so ist die elektrische Feldstärke am Ort A gegeben durch: E := Fel q Die Feldstärke E beschreibt somit, wie gross die elektrische Kraft Fel ist, welche am Ort A pro Ladungsmenge q hervorgerufen wird: “Elektrische Feldstärke = Kraft pro Ladung” Aus dieser Definition folgt die Zusammensetzung der SI-Einheit der elektrischen Feldstärke: [E ] = N [F ] = [q] C “Newton pro Coulomb” Allerdings trifft man diese Einheit im Alltag kaum an. Wenn im Zusammenhang mit Elektrosmog von V Grenzwerten für elektrische Feldstärken die Rede ist, wird diese in der Regel in “Volt pro Meter” m angegeben. Dass diese Einheitenkombination mit der eben eingeführten identisch ist, verstehen wir rein rechnerisch ohne Probleme, denn V = CJ und J = N · m: J N·m N V = = = m C·m C·m C 1 Überlegen Sie sich, was anschaulich mit dem Kraftbetrag passieren sollte, wenn ich zwei oder drei genau gleiche Probeladungen q an diesem Ort platziere. Jede einzelne dieser Probeladungen sollte unabhängig von den anderen an diesem Ort dieselbe Kraft erfahren. Dann sollte doch die Kraft aller drei Ladungen zusammen eben dreimal so gross sein wie diejenige, welche auf eine einzelne Ladung q wirkt. Diese Aussage kann man durch Messungen verifizieren. Sie ist auch im Coulombgesetz enthalten.