Topologie Zusammenfassung

Werbung
Topologie
Zusammenfassung
Stephan Tornier
ETH Zürich — FS ’10
26. Februar 2011
Zusammenfassung
In diesem Skript sind die Definitionen und Aussagen der TopologieVorlesung des FS ’10, gehalten von Herrn Prof. M. Burger, zusammengefasst.
Inhaltsverzeichnis
1 Topologische Räume und stetige Abbildungen
1.1 Topologische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
3
1.2
1.3
1.4
Basis einer Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Stetige Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Produkträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
6
9
1.5
Metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
2 Kompaktheit
17
2.1 Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2.2
2.3
Der Satz von Tychonoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kompaktheit und metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
22
2.4
Lokalkompakte Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
3 Räume stetiger Abbildungen, Ascoli’s Theorem
28
3.1 Topologie der punktweisen Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . 28
3.2
3.3
Topologie der gleichmäßigen Konvergenz . . . . . . . . . . . . . .
Topologie der kompakten Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . .
28
29
3.4
Das Theorem von Ascoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
4 Zusammenhang
34
4.1 Allgemeine Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
4.2
4.3
Zusammenhängende Untermengen von R. Wege . . . . . . . . . .
Zusammenhangskomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
35
5 Die Quotiententopologie
37
6 Die Fundamentalgruppe
40
6.1
6.2
Homotopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Fundamentalgruppoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
42
6.3
Ueberlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
7 Die Galois-Korrespondenz für Ueberlagerungen
47
7.1 Aequivalenz von Ueberlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Montag, 22.02.10
1
Topologische Räume und stetige Abbildungen
1.1
Topologische Räume
Definition 1.1. Topologie auf einer Menge X.
Definition 1.2. Topologischer Raum.
Definition 1.3. Offene Mengen, abgeschlossene Mengen.
Beispiel 1.4. Eine Menge X kann stets mit den folgenden Topologien versehen
werden:
(i) Triviale Topologie: T triv = {∅, X}.
(ii) Diskrete Topologie: T dis := P(X).
(iii) Kofinite Topologie: T f := {A ⊂ X | |Ac | < ∞} ∪ {∅}.
Beispiel 1.5. Auf X = R definiert man mithilfe der üblichen Ordungsrelation
die euklidische Topologie
T eukl := {U ⊂ X | ∀x ∈ U ∃ε > 0 : (x − ε, x + ε) ⊂ U }.
Satz 1.6. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum. Dann gelten die folgenden
Aussagen:
(i) ∅, X sind abgeschlossen.
(ii) Ein beliebiger Durchschnitt abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.
(iii) Eine endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen.
Definition 1.7 (Feinheit). Es seien T 1 , T 2 Topologien auf einer Menge X.
Dann heißt T 1 feiner als T 2 beziehungsweise T 2 gröber als T 1 , falls T 1 ⊃ T 2 .
Beispiel 1.8. Auf R gilt: T triv ⊂ T f ⊂ T eukl ⊂ T dis .
Definition 1.9 (Umgebung). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und x ∈ X.
Eine Menge V ⊂ X heißt Umgebung von x, falls eine offene Menge U ⊂ V mit
x ∈ U existiert.
Beispiel 1.10.
(i) Jede offene Menge ist Umgebung jeder ihrer Punkte.
3
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
(ii) Im Fall X = R und T = T eukl ist (0, 1] Umgebung der Punkte aus (0, 1),
jedoch keine Umgebung von 1.
Definition 1.11. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Wir definieren:
(i) x heißt Berührpunkt von A, falls jede Umgebung V von x gilt: V ∩ A 6= ∅.
(ii) x heißt innerer Punkte von A, falls x eine in A enthaltene Umgebung
besitzt.
T
(iii) Die Menge A := {F ⊂ X | F ist abgeschlossenen und F ⊃ A} heißt
abgeschlossene Hülle von A und ist die kleinste abgeschlossene Menge, die
A enthält.
S
(iv) Die Menge Å := {U ⊂ X | U ist offen und U ⊂ A} heißt das Innere von
A und ist die größte offene Menge, die in A enthalten ist.
Beispiel 1.12. Betrachte den topologischen Raum (R, T eukl ):
(i) Definiere A := (0, 1] ⊂ R. Es gilt A = [0, 1] und Å = (0, 1).
(ii) Definiere A = Q. Dann gilt A = R und Å = ∅.
Satz 1.13. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Dann gilt
(i) A = {x ∈ X | x ist Berührpunkt von A}.
(ii) Å = {x ∈ X | x ist innerer Punkt von A}.
4
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Donnerstag, 25.02.10
1.2
Basis einer Topologie
Definition 1.14 (Basis). Ist (X, T ) ein topologischer Raum, so heißt B ⊂ T
Basis von T , falls jede offene Menge Vereinigungsmenge von Elementen aus B
ist.
Beispiel 1.15.
(i) Es sei X eine Menge. Dann ist B = {{x} | x ∈ X} eine Basis der disktreten
Topologie auf X.
(ii) Betrachte (Rn , T eukl ). Die folgenden Mengen sind Basen:
(α) B := {B(p, r)) | p ∈ Rn , r > 0}
(β) B′ := {B(p, r) | p ∈ Qn , r > 0, r ∈ Q}
Satz 1.16. Es sei X eine Menge. Eine Menge B ⊂ P(X) ist genau dann eine
Basis einer Topologie auf X, falls
(i) X =
S
Y ∈B
Y
(ii) Falls B1 , B2 ∈ B und x ∈ B1 ∩ B2 , so existiert B ∈ B, sodass x ∈ B ⊂
B1 ∩ B2 .
Bemerkung 1.17. Im vorherigen Satz ist T durch B eindeutig bestimmt.
Definition 1.18 (Subbasis). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum: S ⊂ P(X)
heißt Subbasis von T , wenn das aus allen endlichen Durschnitten von Elementen
von S gebildete Mengensystem eine Basis von T bildet.
Bemerkung 1.19. Es sei X eine Menge und S ⊂ P(X) nicht leer. Dann ist
S eine Subbasis einer wohldefinierten Topologie auf X, die mit (S) bezeichnet
wird.
Beispiel 1.20 (Produkttopologie). Es seien (X1 , T 1 ), (X2 , T 2 ) topologische
Räume und B := {U1 × U2 | U1 ∈ T 1 , U2 ∈ T 2 }. Dann ist B eine Basis einer
Toplogie auf X1 × X2 , die Produkttopologie genannt wird.
5
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Montag, 01.03.10
Beispiel 1.20 (Fortsetzung). Es sei p eine Primzahl. Definiere für alle z ∈ Z
und n ∈ N0
Un (z) = {z + kpn | k ∈ Z}.
Dann bildet B := {Un (z) | z ∈ Z, n ∈ N} eine Basis einer Topologie auf Z,
genannt p-adische Topologie.
1.3
Stetige Abbildungen
Definition 1.21 (Stetige Abbildung). Es seien X, Y topologische Räume. Eine
Abbildung f : X → Y heißt stetig, falls f −1 (U ) für jede offene Menge U ⊂ Y
offen ist.
Bemerkung 1.22.
(i) Je nach Kontext werden wir „es sei X ein topologischer Raum“ sagen
anstellen von „es sei (X, T ) ein topologischer Raum“.
(ii) Es seien X, Y Mengen und f : X → Y eine Abbildung. Dann ist f −1 :
P(Y ) → P(X) die zugehörige Abbildung zwischen den Potenzmengen. Sie
erhält alle mengentheoretischen Operationen, insbesondere gilt:
T
T
−1
(Uα ).
(α) f −1
α∈A f
α∈A Uα =
S
S
−1
(Uα ).
(β) f −1
α∈A f
α∈A Uα =
(iii) Falls X, Y topologische Räume sind und S eine Subbasis der Topologie auf
Y , dann ist eine Abbildung f : X → Y genau dann stetig, falls f −1 (U )
für jedes U ∈ S offen ist.
Beispiel 1.23.
(i) Es sei X ein topologischer Raum. Dann ist die Abbildung idX : X → X
stetig.
(ii) Es seien X = Rn und Y = Rm mit euklidischen Topologien. Dann ist
f : Rn → Rm genau dann stetig, wenn ∀p ∈ Rn ∀ε > 0 ∃δ > 0 : ||x−p|| <
δ ⇒ ||f (x) − f (p)|| < ε.
(iii) Es sei X eine Menge mit diskreter Topologie und Y ein topologischer
Raum. Dann ist jede Abbildung X → Y stetig.
(iv) Es seien X, Y topologische Räume und y0 ∈ Y . Die konstante Abbildung
x 7→ y0 ist stetig.
6
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Satz 1.24 (Stetigkeit). Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine
Abilldung. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) f ist stetig.
(ii) Für jede Untermenge A ⊂ X gilt f (A) ⊂ f (A).
(iii) Für jede abgeschlossene Untermenge F ⊂ Y ist das Urbild f −1 (F ) abgeschlossen.
(iv) Für jeden Punkt x ∈ X und jede Umgebung V von f (x) gibt es eine
Umgebung U von x ∈ X, sodass f (U ) ⊂ V .
Definition 1.25. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine
Abilldung; f heißt im Punkt x ∈ X stetig, falls die Bedingung (iv) von Satz
1.24 erfüllt ist.
Beweis. Zeige etwa (1) ⇒ (2) ⇒ (3) ⇒ (1) und (1) ⇔ (4).
Satz 1.26. Es seien X, Y, Z topologische Räume und f : X → Y, g : Y → Z
stetige Abbildungen. Dann ist auch g ◦ f : X → Z stetig.
Definition 1.27 (Homöomorphismus). Eine stetige Abbildung f : X → Y
heißt Homöomorphismus, falls f bijektiv und f −1 ebenfalls stetig ist.
Bemerkung 1.28. Eine stetige Abbildung f : X → Y ist ein Homöomorphismus, falls es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt, sodass g ◦ f = idX und
f ◦ g = idY .
Definition 1.29 (Teilraumtopologie). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum
und Y ⊂ X. Die Teilraumtopologie auf Y ist gegeben durch T Y := {U ∩ Y |
U ∈ T } ⊂ P(Y ).
Bemerkung 1.30. Die Teilraumtopologie im Kontext von Definition 1.29 ist
die gröbste Topologie für welche die Inklusion Y ֒→ X stetig ist.
Beispiel 1.31.
(i) Betrachte (R, T eukl ) und Y = [0, 1]. Hier ist ( 12 , 1] offen in Y bzgl. der
Teilraumtopologie jeoch nicht offen im R.
(ii) Betrachte (R, T eukl ) und das Intervall (−1, 1) ⊂ R mit Teilraumtopologie.
Die Abbildung
(−1, 1) → R, x 7→
ist ein Homöomorphismus.
7
x
1 − x2
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
(iii) Betrachte die Mengen [0, 1) ⊂ R und S 1 := {z ∈ C | |z| = 1} ⊂ C mit
Teilraumtopologien. Die Abbildung
[0, 1) → S 1 , s 7→ e2πis
ist stetig, bijektiv, jedoch kein Homöomorphismus, da die Umkehrabbildung im Punkt z = 1 nicht stetig ist.
8
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Donnerstag, 04.03.10
1.4
Produkträume
Definition 1.32 (Produkttopologie). Es sei X eine Menge und A eine Indexmenge. Eine Abbildung x : A → X heißt A-Tupel von Elementen von X. Wir
notieren die α-Koordinate von x durch xα := x(α). Weiterhin bezeichnet X A
die Menge der A-Tupel über X. Es sei nun {Xα : α ∈ A} eine Familie von
S
Q
Mengen. Definiere X = α∈A Xα . Das kartesische Produkt α∈A Xα ⊂ X A ist
die Untermenge aller A-Tupel x : A → X, sodass x(α) ∈ Xα ∀α ∈ A. Für jedes
β ∈ A bezeichnen wir außerdem mit
πβ :
Y
α
Xα → Xβ , (xα )α∈A 7→ xβ
die Projektionsabbildung auf den Faktor Xβ .
Axiom. Falls alle Xα nicht leer sind, so ist auch ihr kartesisches Produkt nicht
leer.
Es seien nun Xα , α ∈ A topologische Räume. Dann gibt es mindestens zwei
Möglichkeiten das kartesische Produkt mit einer Topologie zu versehen:
Q
(i) Box-Topologie: Als Basis einer Topologie auf α∈A Xα wählen wir
B=
(
Y
α∈A
)
Uα | Uα ⊂ Xα offen, ∀α ∈ A .
Diese Wahl bringt jedoch das folgende Problem mit sich: Für A = N und
Xα = R ∀α ∈ A ist die Abbildung f : R → RN , t 7→ (t, t, . . .) nicht stetig:
Es gilt etwa f −1 (U ) = {0} für
U=
(xn )n∈N | xn ∈
1 1
− ,
n n
Y 1 1
, n ≥ 1 = R×
.
− ,
n n
n≥1
(ii) Produkt-Topologie: Diese werde durch die Subbasis
S = {πβ−1 (Uβ ) | Uβ ⊂ Xβ offen, β ∈ A}
erzeugt. Indem wir endliche Durchschnitte von Elementen aus S bilden,
erhalten wir eine Basis
)
(
Y B=
Uα Uα = Xα für fast alle α ∈ A und Uα offen in Xα .
α
9
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Satz 1.33. Es seien Xα , α ∈ A topologische Räume. Dann gilt:
(i) Die Produkttopologie ist die gröbste Topologie für welche alle ProjektiQ
onsabbildungen πβ :
α Xα → Xβ stetig sind.
(ii) Es sei Y ein topologischer Raum und fα : Y → Xα , α ∈ A eine Familie
von Abbildungen. Die Abbildung
f :Y →
Y
α
Xα , y 7→ (fα (y))α∈A
ist genau dann stetig, wenn für alle α ∈ A die Abbildung fα : Y → Xα
stetig ist.
Q
Satz 1.34. Es sei Xα , α ∈ A eine Familie topologischer Räume, α Xα das mit
Produkttopologie versehene kartesische Produkt sowie Aα ⊂ Xα ∀α ∈ A. Dann
gilt
Y
Aα =
α
Y
α
10
Aα
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Montag, 08.03.10
1.5
Metrische Räume
Definition 1.35. Metrik, metrischer Raum, Bälle.
Definition 1.36. Die von d auf X induzierte Topologie ist gegeben durch die
Basis B = {B(x, ε) | x ∈ X, ε > 0}. (Verifiziere mit Satz 1.16, dass B tatsächlich
eine Basis ist.).
Beispiel 1.37.
(i) Es sei X beliebig. Die diskrete Metrik auf X ist definiert durch

0
d(x, y) :=
1
x=y
x 6= y
und induziert die diskrete Topologie.
(ii) Es seien X = Rn , x = (x1 , . . . , xn ) sowie y = (y1 , . . . , yn ). Aus Analysis
sind die p-Normen, die ∞-Norm sowie die davon induzierten Metriken
bekannt. Es gilt d∞ ≤ d2 ≤ d1 ≤ nd∞ .
(iii) Definiere l1 (N) = {(xn )n≥0 | xn ∈ R,
P∞
n=0 |xn |
1
< ∞}. Es gilt etwa
c00 (N) := {(xn )n∈N | xn = 0 für fast alle n} ⊂ l (N). Auf l1 definiert man
die Metrik
∞
X
|xn − yn |.
d1 (x, y) =
n=0
Definiere weiterhin l2 (N) = {(xn )n≥0 |
Metrik
d2 (x, y) :=
∞
X
n=0
P∞
n=0
|xn |2 < ∞} und darauf die
|xn − yn |2
! 21
(Dies ist ein Beispiel eines Hilbertraums.). Letztlich definieren wir noch
l∞ (N) = {(xn )n≥0 | supn∈N |xn < ∞} mit Metrik
d∞ (x, y) = sup |xn − yn |
n∈N
Hier gelten die Inklusionen l1 (N) ⊂ l2 (N) ⊂ l∞ (N) und auf l1 gilt d∞ ≤
d2 ≤ d1 .
(iv) Es sei nun X eine Menge und d eine Distanz auf X. Dann ist auch d′ =
min{d(x, y), 1} eine Distanz auf X definiert, welche dieselbe Topologie wie
d induziert.
11
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
(v) (p-adische Distanz auf Q). Es sei p eine Primzahl. Jedes r ∈ Q kann
eindeutig wie folgt dargestellt werden:
a
r = pn , a ∈ Z, b ∈ N −{0}, gcd(a, b) = 1, n ∈ Z, p ∤ ab
b
Damit definiert man die p-adische Norm ||r||p := p−n auf Q. Für a ∈
N −{0} gilt etwa: Falls p ∤ a, so ist ||a||p = 1. Außerdem gilt: ||pn ||p = p−n .
Wir definieren nun die p-adische Distanz auf Q: d(x, y) := ||x − y||p .
Definition 1.38 (Aequivalente Distanzen). Zwei Distanzen d1 , d2 auf X sind
äquivalent, falls es Konstanten c > 0, k > 0 gibt, sodass
cd1 (x, y) ≤ d2 (x, y) ≤ kd1 (x, y) ∀x, y ∈ X
Bemerkung 1.39.
(i) Aequivalente Distanzen induzieren dieselbe Topologie.
(ii) Im Beispiel 1.37 (ii) sind d∞ , d1 , d2 äquivalente Distanzen.
(iii) Auf c00 (N) sind die Distanzen d∞ , d1 , d2 paarweise nicht äquivalent.
Definition 1.40 (Metrisierbarkeit). Ein topologischer Raum (X, T ) heißt metrisierbar, falls es eine Distanz gibt, die T induziert.
(Problem: Kriterium (Urysohn, Nogata-Smirnov))
Beispiel 1.41.
(i) Die cofinite Topologie auf unendlichem X ist nicht metrisierbar.
(ii) (Serie 3, Aufgabe 6). RN mit Boxtopologie ist nicht metrisierbar.
Definition 1.42 (Hausdorffsche Trennungseigenschaft). Ein topologischer Raum
heißt Hausdorff (auch T2 (T wie „Trennung“)), falls je zwei verschiedene Punkte
disjunkte Umgebungen besitzen.
Bemerkung 1.43. Metrisierbarkeit impliziert Hausdorff.
Damit lässt sich die Behauptung in Beispiel 1.41 (i) zeigen: Falls U und
V nicht leere, offene Mengen sind, deren Schnitt die leere Menge ist, so folgt
X = (U c ) ∪ (V c ) im Widerspruch zur Unendlichkeit von X.
Definition 1.44 (Konvergenz). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum. Eine
Folge (xn )n∈N von Punkten in X konvergiert gegen einen Punkt x ∈ X, falls
gilt: ∀U ∈ U(x) ∃N ≥ 0 : xn ∈ U, ∀n ≥ N . In diesm Fall notieren wir
limn→∞ xn = x.
12
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Satz 1.45. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Falls x ∈ X und
(an )n∈N eine Folge in A mit limn→∞ an = x ist, so gilt x ∈ A. Die Umkehrung
gilt, falls (X, T ) metrisierbar ist.
Beweis. Wir beweisen die zweite Aussage: Es sei d eine Distanz, die T induziert
und x ∈ A. Für jedes n ≥ 1 sei an ∈ A ∩ B(x, n1 ). Dann ist (an )n∈N eine Folge
in A, die gegen x konvergiert.
Beispiel 1.41 (ii) lässt sich damit wie folgt angehen: Betrachte
A := {(xn )n∈N | xn > 0} ⊂ RN
und beweise die folgenden, für die Box-Topologie gültigen Bemerkungen:
(i) 0 = (0) ∈ A.
(ii) Es gibt keine Folge in A, die gegen 0 = (0) konvergiert.
Satz 1.46. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine Abbildung.
Falls f stetig und (xn )n≥0 eine gegen x ∈ X konvergente Folge ist, so konvergiert
(f (xn ))n≥0 gegen f (x) ∈ Y . Die Umkehrung gilt im Falle der Metrisierbarkeit
von X.
Beweis. Wir beweisen die zweite Aussage: Es sei d eine Distanz, welche die
Topologie auf X induziert, und A ⊂ X. Wir zeigen: f (A) ⊂ f (A) (s. Satz 1.24
(ii)). Es sei x ∈ A. Aus Satz 1.45 folgt die Existenz einer Folge (an )n≥0 in A
mit limn→∞ an = x. Nach Voraussetzung gilt damit limn→∞ f (an ) = f (x) und
somit wiederum nach Satz 1.45 f (x) ∈ f (A).
Es seien X, Y topologische Räume. Dann bezeichnet C(X, Y ) die Menge der
stetigen Abbildungen f : X → Y . Im Fall Y = C notieren wir C(X) := C(X, C).
Satz 1.47. Es seien f, g ∈ C(X) und λ ∈ C. Dann sind auch f + g, f g und λf
stetig. Falls g(x) 6= 0 ∀x ∈ X so ist auch der Quotient f /g stetig. Weiterhin gilt
f ∈ C(X). Damit ist C(X) eine kommutative C-Algebra.
13
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Donnerstag, 11.03.10
Definition 1.48 (Cauchy-Folge). Es sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge
(xn )n≥0 heißt Cauchy-Folge, falls ∀ε > 0 ∃N ≥ 0 sodass d(xn , xm ) < ε ∀n, m ≥
N.
Bemerkung 1.49. Eine konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge.
Definition 1.50 (Vollständigkeit). Ein metrischer Raum heißt vollständig, falls
jede Cauchy-Folge konvergiert.
Beispiel 1.51. (In Anlehung an Beispiel 1.37).
(i) Jede Cauchy-Folge ist letztlich konstant, also konvergent.
(ii) X = Rn ist für die Metriken d1 , d2 , d∞ vollständig.
(iii) Die Räume (l1 , d1 ), (l2 , d2 ), (l∞ , d∞ ) sind vollständig. (Vgl. Maß-Theorie.).
(iv) Es sei (X, d) ein metrischer Raum und d′ (x, y) := min{d(x, y), 1}. Es gilt:
(X, d) ist genau dann vollständig, wenn (X, d′ ) vollständig ist.
(v) Die rationalen Zahlen sind mit der p-adischen Distanz nicht vollständig.
(S. Uebung).
(vi) Vollständigkeit eines metrischen Raumes ist keine topologische Eigenschaft. Etwa ist R homöomorph zu (0, 1).
Definition 1.52 (Dichte Teilmenge). Eine Untermenge A ⊂ X in einem topo-
logischen Raum X heißt dicht in X, falls A = X.
Beispiel 1.53.
(i) Die rationalen Zahlen sind dicht in R.
(ii) Die Menge c00 (N) = {(xn )n≥0 | xn = 0 für fast alle n} ist dicht in (l1 , d1 )
und (l2 , d2 ).
Satz 1.54. Es sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann existiert ein vollständiger
metrischer Raum (CX, dC ) und eine distanzerhaltende Abbildung h : X → C(X)
mit dichtem Bild.
(Das Tripel (C, dC , h) charakterisiert die Vervollständigung.).
Beweis. Es sei CF(X) := {(xn )n | xn Cauchy-Folge in X} die Menge der CauchyFolgen in X. Für zwei Cauchy-Folgen (xn )n , (yn )n ist (d(xn , yn ))n eine CauchyFolge in R. (Es gilt nämlich |d(xn , yn ) − d(xm , ym )| ≤ d(xn , xm ) + d(yn , ym ).).
Es sei nun D(x, y) := limn→∞ d(xn , yn ) ∈ R≥0 . Die assoziierte Abbildung
D : CF(X) × CF(X) → R≥0 hat folgende Eigenschaften:
14
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
(i) cod(D) = R≥0
(ii) Symmetrie: Es gilt D(x, y) = D(y, x) ∀x, y ∈ CF(X).
(iii) Die Abbildung genügt der Dreiecksungleichung:
D(x, y) ≤ D(x, z) + D(z, y) ∀x, y, z ∈ CF(X).
Damit wird x ∼ y :⇔ D(x, y) = 0 zu einer Aequivalenzrelation. Es sei nun
C X := CF(X)/ ∼ die Menge der Aequivalenzklassen und [x] die zu x gehö-
rige Aequivalenzklasse. Für [x], [y] ∈ C X definieren wir dC ([x], [y]) := D(x, y)
(wohldefiniert: [x′ ] = [x], [y ′ ] = [y] ⇒ D(x, y) ≤ D(x, x′ ) + D(x′ , y ′ ) + D(y ′ , y)
und D(x′ , y ′ ) ≤ D(x, y) per Symmetrie). Damit wird dC zu einer Distanz auf
C X und man definiert h : X → C X, p 7→ f (p) := [(pn )n ]. Diese Abbildung ist
distanzerhaltend: D(f (p), f (q)) = lim d(p, q) = d(p, q). Es verbleibt zu zeigen,
dass C X vollständig ist.
Dazu zeigen wir zunächst: Es sei z ∈ C X, d.h. z = [(xn )n ]. Dann gilt
limk→∞ h(xk ) = z. Insbesondere ist h(X) dicht in C X.
Es sei ε > 0 und N ∈ N, sodass d(xk , xn ) < ε ∀k ≥ N, ∀n ≥ N . Für jedes
k ≥ N gilt D(h(xk ), (xi )i≥0 ) = limn→∞ d(xk , xn ) ≤ ε. Also gilt dC (h(xk ), z) ≤ ε,
was die Behauptung beweist.
Wir zeigen noch die folgende Eigenschaft: Ist (Z, ρ) ein metrischer Raum
und A ⊂ Z, für den gilt, dass (i) A = Z und, dass (ii) jede Cauchy-Folge in A
in Z konvergiert, so folgt, dass Z vollständig ist:
Es sei (zn )n eine Cauchy-Folge in Z. Für alle n ≥ 1 existiert ein an ∈ A mit
d(an , zn ) < n1 . Dann ist auch (an )n eine Cauchy-Folge. Ist nun p ∈ Z der Limes
von (an )n≥1 , d.h., limn→∞ d(an , p) < n1 , so folgt limn→∞ d(zn , p) = 0.
Anwenden dieser Tatsache auf (Z, ρ) = (C X, dC ) zeigt die Behauptung des
Satzes.
15
1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN
Montag, 15.03.10
Definition 1.55 (Gleichmäßige Stetigkeit). Es seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische
Räume. Eine Abbildung f : X → Y heißt gleichmäßig stetig, falls ∀ε ∃δ > 0,
sodass dX (x, y) < δ ⇒ dY (f (x), f (y)) < ε.
Lemma 1.56. Es seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische Räume, A ⊂ X und f : A →
Y . Falls (i) f gleichmäßig stetig und (ii) Y vollständig ist, so gibt es eine stetige
Fortsetzung F : A → Y von f .
Beweis. Es seien x ∈ A und (an )n , (a′n )n Folgen in A mit limn an = x = limn a′n .
Allgemein ist das Bild einer Cauchy-Folge unter einer gleichmäßig stetigen Abbildung wieder eine Cauchy-Folge. Insbesondere sind (f (an ))n und (f (a′n ))n
Cauchy-Folgen in Y . Es sei also l = limn f (an ) und l′ = limn f (a′n ). Wegen
d(an , a′n ) → 0 und der gleichmäßigen Stetigkeit von f folgt l = l′ . Damit ist
die folgende Abbildung wohldefiniert: F : A → Y, x 7→ limn f (an ). Aus der
gleichmäßigen Stetigkeit von f folgt die Stetigkeit von F .
Aus Lemma 1.56 folgt:
Korollar 1.57. Es seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische Räume und f : X → Y eine
Abbildung. Falls (i) f gleichmäßig stetig ist und (ii) Y vollständig ist. Dann
gibt es eine stetige Abbildung F : C X → Y , sodass F ◦ h = f (kommutierendes
Diagramm).
16
2 KOMPAKTHEIT
2
Kompaktheit
2.1
Grundlegendes
Aus der Analysis ist bekannt, dass eine stetige Funktion f : [a, b] → R ihr
Maximum und ihr Minimum annimmt und gleichmäßig stetig ist. Dies ist eine
Aussage über das Intervall [a, b].
Definition 2.1 (Ueberdeckung).
(i) Eine Familie A ⊂ P(X) von Untermengen von X heißt Ueberdeckung, falls
S
X = A∈A A
(ii) Es sei X topologisch. Eine Ueberdeckung heißt offen, falls sie aus offenen
Mengen besteht.
(iii) Eine Teilüberdeckung von A ist eine Ueberdeckung B mit B ⊂ A.
Definition 2.2 (Kompakter Raum). Ein topologischer Raum X heißt kompakt,
falls jede offene Ueberdeckung eine endliche Teilüberdeckung enthält.
Beispiel 2.3.
(i) Betrachte (R, T eukl ) und A := {(n, n + 2) | n ∈ Z}. Es existiert keine
endliche Teilüberdeckung.
(ii) Betrachte R, T f , wobei T f = {A ⊂ R | |Ac | < ∞} ∪ {∅}. Diese Topologie ist die gröbste, die jedes Polynom stetig macht und R ist mit dieser
Topologie kompakt.
(iii) Es sei X := {0}∪{ n1 | n ∈ N∗ }. Mit der Teilraumtopologie ist dieser Raum
kompakt.
(iv) Das Intervall (0, 1] = {x ∈ R | 0 < x ≤ 1} ist mit der Teilraumtopologie
nicht kompakt. Wähle etwa die offene Ueberdeckung n1 , 1 | n ≥ 1}.
Bemerkung 2.4 (Kompakte Teilmenge). Es sei X topologisch. Eine Untermenge Y ⊂ X heißt kompakt, falls sie mit der Teilraumtopologie kompakt ist.
Lemma 2.5. Ein Teilraum Y ⊂ X ist genau dann kompakt, wenn jede Ueberdeckung von Y durch offene Mengen aus X eine endliche Teilüberdeckung von
Y besitzt.
Satz 2.6. Es sei X topologisch und Y ⊂ X.
(i) Falls X kompakt und Y abgeschlossen ist, ist auch Y kompakt.
(ii) Falls X Hausdorff und Y kompakt ist, so ist Y abgeschlossen.
17
2 KOMPAKTHEIT
Beweis.
(i) Es sei A eine Ueberdeckung von Y mit offenen Mengen von X, dann ist
A′ := A ∪{X − Y } eine offene Ueberdeckung von X, die eine endliche
Teilüberdeckung enthält.
(ii) Wir zeigen, dass X − Y offen ist: Es sei x 6∈ Y . Für jedes y ∈ Y sei
Vy eine offene Umgebung von y und Wy eine offene Umgebung von x,
S
welche Vy nicht schneidet. Die Menge y∈Y Vy enhält dann eine endliche
Tn
Sn
Teilüberdeckung i=1 Vyi ⊃ Y . Sodann ist W = i=1 Wyi disjunkt zu Y .
Der folgende Satz ist trotz seiner Einfachheit eines der wichtigsten Resultate
über Kompaktheit:
Satz 2.7. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine stetige
Abbildung. Falls X kompakt ist, folgt, dass f (X) kompakt ist.
18
2 KOMPAKTHEIT
Donnerstag, 18.03.10
Beweis. Mittels Definition durch Ueberdeckungen.
Korollar 2.8. Es sei f : X → Y eine bijektive, stetige Abbildung. Falls X
kompakt und Y Hausdorff ist, folgt, dass f ein Homöomorphismus ist.
Beweis. Verwende Satz 1.24 (iii): Man zeige, dass (f −1 )−1 (F ) = f (F ) ⊂ Y für
jede abgeschlossene Menge F ⊂ X abgeschlossen ist durch Benutzung vorangehender Sätze.
Definition 2.9 (Endlicher-Durchschnitt Eigenschaft). Eine Familie A ⊂ P(X)
besitzt die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft, falls für jede endliche Teilmenge
T
C ⊂ A der Durchschnitt C nicht leer ist.
Etwa hat A := {[n, ∞] | n ∈ N} die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft.
Satz 2.10. Es sei X ein topologischer Raum. Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent:
(i) X ist kompakt.
(ii) Für jede Familie C ⊂ P(X) bestehend aus abgeschlossenen Mengen, die
T
die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft hat, ist auch C nicht leer.
Beweis. Zeige: Aussage (i) impliziert (ii) per Widerspruch in (ii). Die Implikation (ii) ⇒ (i) folgt durch Konstruktion einer endlichen Teilüberdeckung zu einer
beliebigen offenen Ueberdeckung.
2.2
Der Satz von Tychonoff
Theorem 2.11 (Tychonoff). Ein beliebiges Produkt kompakter topologischer
Räume ist kompakt.
Definition 2.12. Strikte Ordnung: Irreflexivität, Transitivität. Es sei A strikt
geordnet, dann heißt A vollständig geordnet, falls ∀x 6= y ∈ A : entweder x < y
oder y < x.
Definition 2.13. Obere Schranke bzgl. einer Teilmenge einer strikt geordneten
Menge. Maximales Element einer strikt geordneten Menge.
Satz 2.14 (Zorn). Es sei A strikt geordnet. Falls jede vollständig geordnete Untermenge von A eine obere Schranke besitzt, so existiert ein maximales Element
in A.
19
2 KOMPAKTHEIT
Montag, 22.03.10
Bemerkung 2.15. Das Zornsche Lemma wird zum Beispiel benutzt, um zu
zeigen, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt.
Lemma 2.16. Es sei X eine Menge und A ⊂ P(X) eine Familie von Unter-
mengen von X, die die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft besitzt. Dann gibt
es ein D ⊂ P(X) mit den folgenden Eigenschaften:
(i) D ⊃ A.
(ii) D hat die endlicher-Durschnitt Eigenschaft.
(iii) Falls E ⊂ P(X) mit E ) D, dann besitzt E nicht die endlicher-Durchschnitt
Eigeschaft.
Beweis. Betrachte P(P(X)) mit strikter Inklusion. Dann gilt A ∈ P(P(X)).
Betrachte nun
A := {E ∈ P(P(X)) | E ⊃ A, E hat endlicher-Durchschnitt Eigenschaft} =
6 ∅
Hier erfüllt A die Voraussetzungen des Zorn’schen Lemmas: Es sei B ⊂ A vollS
ständig geordnet. Dann ist E∈B E eine obere Schranke für B. Gemäß dem Zornschen Lemma existiert also ein maximales Element D ∈ A.
Korollar 2.17. Es sei X eine Menge und D ⊂ P(X) eine Familie von Mengen,
welche die endlicher-Durschschnitt Eigenschaft besitzt und maximal bezüglich
dieser. (Eigenschaften (ii), (iii) von Lemma 2.16). Dann gelten folgende Aussagen:
(i) Aus {Y1 , . . . , Yn } ⊂ D folgt
Tn
i=1
Yi ∈ D.
(ii) Ist A ⊂ X, sodass A ∩ D 6= ∅ ∀D ∈ D. Dann folgt A ∈ D.
20
2 KOMPAKTHEIT
Wir beweisen nun den Satz von Tychonoff:
Beweis. Es sei (Xα )α∈A eine Familie von kompakten Räumen und X :=
mit der Produkttopologie versehen. Letztere hat
Q
α∈A
Xα
S = {πβ−1 (Uβ ) | Uβ ⊂ Xβ offen, β ∈ A}
als Subbasis. Wir zeigen: Falls A ⊂ P(X) die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft
T
hat, so ist A∈A A 6= ∅.
Es sei D ⊂ P(X) wie in Lemma 2.16, d.h. D ⊃ A, D hat die endlicher-
Durchschnitt Eigenschaft und D ist maximal. Für Obiges genügt es nun, zu
T
zeigen, dass D∈D D nicht leer ist.
Für jedes α ∈ A betrachten wir Dα := {πα (D) | D ∈ D}. Dann hat Dα die
T
endlicher-Durchschnitt Eigenschaft. Da Xα kompakt ist, gilt also D∈D πα (D) 6=
T
Q
∅. Es sei nun xα ∈ D∈D πα (D) und x = (xα )α∈A ∈ α∈A Xα .
Wir zeigen, dass x ∈ D ∀D ∈ D: Es sei πβ−1 (Uβ ) ∈ S und x ∈ πβ−1 (Uβ ), d.h.
xβ ∈ Uβ . Wegen xβ ∈ πβ (D) gilt Uβ ∩ πβ (D) 6= ∅ und somit D ∩ πβ−1 (Uβ ) 6= ∅.
Also folgt πβ−1 (Uβ ) ∈ D wegen Korollar 2.17 (ii).
Jedes Element der Subbasis, das x enthält liegt also in D. Nach Korollar
2.17 (i) ist dann auch jedes Basiselement, das x enthält in D enthalten. Also
hat jede offene Menge U , die x enthält, nichtleeren Durchschnitt mit D ∀D ∈
T
D : U ∩ D 6= ∅, woraus x ∈ D∈D D folgt.
Beispiel 2.18. Es sei (K, d) ein nichtleerer, kompakter, metrischer Raum und
T : K → K ein Homöomorphismus. Dann gibt es ein Wahrscheinlichkeitsmaß
µ ∈ M 1 (K), welches T -invariant ist, d.h. µ ist ein normiertes, reguläres σ-
additives Maß auf den Borel-Mengen von K, sodass µ(T −1 (B)) = µ(B) ∀B Borel.
21
2 KOMPAKTHEIT
Donnerstag, 25.03.10
2.3
Kompaktheit und metrische Räume
Es sei (X, d) ein metrischer Raum und B(x, R) := {y ∈ X | d(x, y) < R} der
offene Ball mit Radius R und Zentrum X. Den abgeschlossenen Ball mit Radius
R und Zentrum definieren wir durch Bc (x, R) := {y ∈ X | d(x, y) ≤ R}. Es gilt
B(x, R) ⊂ Bc (x, R). Gleichheit gilt im Allgemeinen nicht.
Im Fall (X, d) = (Qp , dp ) und R = pk ist etwa B(x, pk ) für alle x ∈ X offen
und abgeschlossen.
Für A ⊂ X, x ∈ X definieren wir d(x, A) = inf{d(x, y) | y ∈ A}. Dann gilt
|d(x, A) − d(y, A)| ≤ d(x, y) ∀x, y ∈ X und die Funktion x 7→ d(x, A) ist stetig.
Schließlich definieren wir noch den Durchmesser einer Menge A: diamA =
sup{d(x, y) | x, y ∈ A} ∈ [0, ∞]. Eine Menge A heißt beschränkt, falls diamA <
∞.
Lemma 2.19. Es sei (X, d) metrisch und A ⊂ X kompakt. Dann ist A abgeschlossen und beschränkt.
Beweis. Abgeschlossenheit folgt daraus, dass X Hausdorff ist. Wir zeigen noch,
S
dass A beschränkt ist: Für jedes x0 ∈ X ist X = n∈N B(x0 , N). Diese Ueberdeckung von A durch offene Mengen enthält eine endliche Teilüberdeckung.
Satz 2.20 (Heine-Borel). Eine Teilmenge A ⊂ Rn ist genau dann kompakt,
wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist.
Bemerkung 2.21. Es sei X diskret und kompakt. Dann ist X endlich.
Beispiel 2.22. Die Menge Bc (0, 1) = {(xn )n ∈ l2 (N) |
P∞
n=0
|xk |2 ≤ 1} ist
abgeschlossen und beschränkt in l2 (N). Sie ist jedoch nicht kompakt.
Wir kommen nun zur Verallgemeinerung des Satzes, dass eine auf [0, 1] stetige Funktion gleichmäßig stetig ist.
Lemma 2.23. Es sei A eine offene Ueberdeckung des metrischen Raumes
(X, d). Falls X kompakt ist, so gibt es ein δ > 0, sodass jede Untermenge
mit Durchmesser kleiner δ in einem Element von A enthalten ist.
Beweis. Es sei {A1 , . . . , An } ⊂ A eine endliche Teilüberdeckung von X. Wir
können annehmen, dass Ai 6= X, 1 ≤ i ≤ n. Definiere Fi := X − Ai und
betrachte die Funktion
n
f : X → R, x 7→
22
1X
d(xi , Fi )
n i=1
2 KOMPAKTHEIT
Hier ist f als Summe stetiger Funktionen stetig. und f (x) > 0 ∀x ∈ X. Nun ist
f (x) ⊂ R kompakt und daher abgeschlossen. Da 0 6∈ f (X) gibt es ein δ > 0,
sodass (−δ, δ) ∩ f (x) = ∅. Also ist f (x) > δ ∀x ∈ X. Insbesondere gibt es für
jedes x ∈ X ein Ai , sodass d(x, Fi ) < δ.
Im vorheringen Lemma heißt δ eine Lebesgue-Zahl für A.
Satz 2.24. Es seien (X, dX ), (X, dY ) metrische Räume und f : X → Y stetig.
Falls X kompakt ist, folgt, dass f gleichmäßig stetig ist.
23
2 KOMPAKTHEIT
Montag, 29.03.10
Definition 2.25.
(i) Ein topologischer Raum X heißt folgenkompakt, falls jede Folge (xn )n eine
konvergente Unterfolge besitzt.
(ii) Ein metrischer Raum (X, d) heißt total beschränkt, falls für jedes ε > 0
der Raum X mit endlich vielen ε-Bällen überdeckt werden kann.
Satz 2.26. Es sei (X, d) ein metrischer Raum. Folgende Eigenschaften sind
äquivalent:
(i) X ist kompakt.
(ii) X ist folgenkompakt.
(iii) (X, d) ist vollständig und total beschränkt.
(Es folgt unmittelbar der Satz von Heine-Borel).
Beweis. Die Implikation (i) ⇒ (ii) ist eine Uebung.
Wir zeigen: (ii) impliziert (iii): Es sei (xn )n eine Cauchy-Folge. Nach Voraussetzung gibt es natürliche Zahlen n1 < n2 < . . . , sodass (xnk )k konvergiert.
Definiere l = limk→∞ xnk . Dann konvergiert auch (xn )n gegen l, d.h., (X, d) ist
vollständig. Zu zeigen ist noch, dasss (X, d) total beschränkt ist: Es sei ε > 0
und S ⊂ X maximal, sodass {B(s, ε) | s ∈ S} aus paarweise disjunkten Bällen
besteht (Zorn). Da X folgenkompakt ist, folgt |S| < ∞. Aus der Maximalität
S
von S folgt X = s∈S B(s, 2ε); die Gegenannahme lieferte einen Widerspruch
zur Maximalität von S.
Schließlich ist (i) eine Folgerung von (iii): Es sei A eine offene Ueberdeckung
von X. Wir nehmen an, dass keine endliche Unterfamilie von A den Raum X
überdeckt. Für jedes n ≥ 1 sei Sn ⊂ X eine endliche Menge, sodass B s, n1 =
X. Konstruiere induktiv eine Folge sk ∈ Sk , k ≥ 1 mit folgenden Eigenschaften:
Tn
Falls In := k=1 B sk , k1 , so ist In 6= ∅ ∀n ≥ 1 und A enthält keine endliche
S
Teilüberdeckung von In : Es ist X = s∈S1 B(s, 1). Dann gibt es ein s1 ∈ S1 ,
sodass A keine endliche Teilüberdeckung
von
B(s1 , 1) enthält. Für den IndukS
1
tionsschritt In = s∈Sn+1 In ∩ B s, n+1 . Dann gibt es ein sn+1 ∈ Sn+1 ,
1
übersodass keine endliche Unterfamilie von A die Menge In ∩ B sn+1 , n+1
1
deckt. Definiere In+1 durch In ∩ B sn+1 , n+1 . Dann ist (In )n eine absteigende
Folge von nichtleeren Mengen mit diamIn ≥ n2 . Für jedes n ≥ 1 wählen wir en
xn ∈ In . Dann bildet (xn )n eine Cauchy-Folge; es sei l := limn→∞ xn . Es exis-
tiert ein U ∈ A mit l ∈ U . Da U offen ist, gibt es ein ε > 0 mit B(l, ε) ⊂ U und
n kann so gewählt werden, dass In ⊂ B(l, ε) ⊂ U .
24
2 KOMPAKTHEIT
2.4
Lokalkompakte Räume
Definition 2.27 (Lokale Kompaktheit). Ein topologischer Raum heißt lokalkompakt, falls jeder Punkt eine kompakte Umgebung besitzt.
Beispiel 2.28.
(i) (Rn , T eukl ).
(ii) (Rn , T f ).
(iii) Kompaktheit impliziert lokale Kompaktheit.
(iv) Q ⊂ R ist mit der Teilraumtopologie nicht lokalkompakt.
(v) Es sei (X, d) metrisch und lokalkompakt. Dann existiert für jedes x ∈ X
ein εx > 0, sodass der metrische Raum Bc (x, ε) vollständig ist.
(vi) (0, 1) ⊂ R ist lokalkompakt.
Satz 2.29. Es sei X Hausdorff und lokalkompakt. Dann gibt es einen topologischen Raum Y mit den folgenden Eigenschaften:
(i) X ist Teilraum von Y , d.h., die von Y auf X induzierte Topologie stimmt
mit der gegebenen überein.
(ii) |Y − X| = 1.
(iii) Y ist kompakt und Hausdorff
Ist Y ′ ein topologischer Raum mit den obigen Eigenschaften, so gibt es einen
Homöomorphismus Y ′ → Y , der auf X die Identität induziert.
Definition 2.30 (Ein-Punkt-Kompaktifizierung). Ein Raum Y wie im Satz 2.29
heißt Ein-Punkt-oder Alexandroff-Kompaktifizierung von X. Er wird zumeist
mit βX bezeichnet.
Beweis. (Satz 2.29). Es sei {∞} eine einelementige Menge und definiere Y =
X ∪ {∞}. Weiter sei T := {U ⊂ Y | U ∈ T X , U = Y − C, C ⊂ X kompakt}.
Dann definiert T eine Topologie auf Y . Es sei Uα , α ∈ A eine Familie von
Elementen von T . Dann ist
!c
\
[
[
[
c
Cα
(Y − Cα ) = U ∩
Uα ∪
Uα =
α∈A
α∈A1
α∈A2
α∈A2
S
für U := α∈A1 , A1 := {α ∈ A | Uα ∈ T X }, A2 = A − A1 . Ein ähnliches
Argument lässt sich im Fall des endlichen Durchschnitts anwenden.
25
2 KOMPAKTHEIT
Es sei noch α ∈ A2 . Dann ist Uα = Y − C für eine kompakte Menge C ⊂ X
und Uα ∩ X = X − C offen, da X Hausdorff ist.
Des Weiteren ist Y kompakt: Es sei A = {Uα | α ∈ A} eine offene Ueberde-
ckung von Y . Da ∞ ⊂ Y gibt es ein kompaktes C ⊂ X, sodass Y − C ∈ A und
A′ = {Uα ∩ X | α ∈ A} eine offene Ueberdeckung von X und somit von C, d.h.
Sn
es existieren α1 , . . . , αn mit i=1 Uαi ⊃ C. und {Y − C, Uα1 , . . . , Uαn } ist eine
endliche Teilüberdeckung von Y .
Schließlich ist Y Hausdorff: Es sei x ∈ X und ∞ ∈ Y . Weiter sei C eine
kompakte Umgebung von x. Definiere U = Y − C. Dann ist U offen, U ∋ ∞ ud
U ∩ C = ∅.
26
2 KOMPAKTHEIT
Donnerstag, 01.04.10
Beispiel 2.31. Wir betrachten S n := {x ∈ Rn+1 | ||x||2 = 1} ⊂ Rn+1 . Dann
ist β Rn ∼
= S n . Im Fall n = 2 ist die Aussage etwa aus der Funktionentheorie
bekannt.
Korollar 2.32. Es sei X Hausdorff. Folgende Aussagen sind sodann äquivalent:
(i) X is lokalkompakt.
(ii) ∀x ∈ X, ∀U ∈ U(x) : ∃V ∈ U(x), sodass V ⊂ U, V ist kompakt.
Beweis. Es sei U eine Umgebung von x und K eine komapkte Umgebung von
x. Dann ist U ∩ K eine Umgebung von x. Es sei nun x ∈ O ⊂ K ∩ U offen. Dann
ist insbesondere O kompakt. Definiere C = βX − O. Wegen x 6∈ C existieren
offene, disjunkte Umgebungen V , W von x bzw. C. Es folgt V ∩ W = ∅ und
somit V ⊂ O ⊂ U ∩ K.
Korollar 2.33. Es sei X Hausdorff und lokalkompakt. Ein Teilraum A ⊂ X
ist genau dann lokalkompakt, wenn A offen in A ist (d.h., ∃U offen derart, dass
A = U ∩ A).
27
3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM
Montag, 12.04.10
3
Räume stetiger Abbildungen, Ascoli’s Theorem
Wir studieren den Raum C(X, Y ) für topologische Räume X, Y . Auf ihm werden
wir die Topologie der punktweisen, gleichmäßigen und kompakten Konvergenz
studieren. Tatsächlich werden wir diese auf Y X betrachten.
3.1
Topologie der punktweisen Konvergenz
Es sei X eine Menge und Y ein topologischer Raum. Für x ∈ X und U ∈ T Y
definieren wir S(x, U ) := {f ∈ Y X | f (x) ∈ U }. Dann bildet S := {S(x, U ) |
x ∈ X, U ∈ T Y } die Subbasis einer Topologie auf Y X , nämlich der Produkttopologie. Diese Topologie hat folgende Eigenschaft: Eine Folge (fn )n∈N in Y X
konvergiert genau dann gegen f ∈ Y X , wenn für alle x ∈ X die Folge (fn (x))n
in Y gegen f (x) konvergiert. Man nennt diese Topologie daher die Topologie der
punktweisen Konvergenz.
Bemerkung Die Menge C([0, 1], R) ⊂ R[0,1] ist nicht abgeschlossen.
3.2
Topologie der gleichmäßigen Konvergenz
Es sei X eine Menge und (Y, d) ein metrischer Raum. Um auf Y X eine Topologie zu definieren, versuchen wir eine Distanz auf diesem Raum zu etablieren: Für f, g ∈ Y X betrachte man etwa sup{d(f (x), g(x)) | x ∈ X}. Da
dieser Ausdruck den Wert ∞ annehmen kann, betrachten wir die zu d äquivalente Metrik d = min{d, 1}: Für f, g ∈ Y X definieren wir damit die Distanz
du (f, g) = sup{d(f (x), g(x)) | x ∈ X}. Die dadurch auf Y X definierte Topologie
heißt Topologie der gleichmäßigen Konvergenz. Man beachte, dass damit eine
Topologie auf dem gesamten Raum Y X definiert ist.
Satz 3.1. Es sei X topologisch. Bzgl. der Topologie der gleichmäßigen Konvergenz ist C(X, Y ) ⊂ Y X abgeschlossen.
Beweis. Es sei f ∈ C(X, Y ). Da Y X metrisch ist, existiert eine Folge (fn )n∈N
in C(X, Y ) sodass limn→∞ du (f, fn ) = 0. Es sei weiter x ∈ X, 0 < ε ≤ 1 und
fN , sodass du (f, fN ) < ε/3, d.h. ∀p ∈ X : d(fN (p), f (p)) < ε/3. Weiterhin sei
−1
V eine Umgebung von x ∈ X mit V ⊂ fN
(B(fN (x), ε/3)); fN ist stetig. Für
alle z ∈ V ist dann d(fN (z), fN (x)) < ε/3 und für alle z ∈ V gilt
d(f (z), f (x)) ≤ d(f (z), fN (z)) + d(fN (z), fN (x)) + d(fN (x), f (x)) ≤ ε.
28
3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM
3.3
Topologie der kompakten Konvergenz
Es sei X ein topologischer Raum und (Y, d) metrisch. Weiterhin sei C ⊂ X
kompakt. Für f ∈ Y X und ε > 0 bezeichne BC (f, ε) die Menge aller g ∈ Y X ,
für welche sup{d(f (x), g(x)) | x ∈ C} < ε.
Lemma 3.2. Die Menge B := {BC (f, ε) | C ⊂ X kompakt, f ∈ Y X , ε > 0}
bildet eine Basis für eine Topologie auf Y X .
Definition 3.3. Die in Lemma 3.2 definierte Topologie heißt Topologie der
kompakten Konvergenz.
Bemerkung 3.4. Eine Folge (fn )n∈N in Y X konvergiert in der Topologie der
kompakten Konvergenz gegen f ∈ Y X , falls für jede kompakte Untermenge
C ⊂ X die Folge (fn |C )n gleichmäßig gegen f |C konvergiert.
Satz 3.5. Es sei X lokalkompakt. Dann ist C(X, Y ) in Y X bzgl. der Topologie
der kompakten Konvergenz abgeschlossen.
Beweis. Es liege f ∈ Y X im Abschluss von C(X, Y ). Für jedes x ∈ X existiert eine offene Umgebung Vx ∈ U(x) mit kompakten Abschluss Vx . Für jede kompakte Menge C ⊂ X und jede natürliche Zahl n ≥ 1 gibt es ein
fnC ∈ BC (f, n1 ) ∩ C(X, Y ). Dann ist (fnC ) |C n eine Folge stetiger Abbildungen,
die auf C gleichmäßig gegen f |C konvergiert. Nach Satz 3.1 ist also f |C : C → Y
stetig. Insbesondere ist f |Vx : Vx → Y stetig; daraus folgt, dass f stetig ist. (Man
nutzt, dass eine beliebige Vereinigung offener Mengen offen ist.).
3.4
Das Theorem von Ascoli
Es geht darum, kompakte Mengen in C(X, Y ) bzgl. der Topologie der kompakten Konvergenz zu charakterisieren. Der Begriff der gleichgradigen Stetigkeit
wird relevant sein:
Definition 3.6 (Gleichgradige Stetigkeit). Es sei X ein topologischer und (Y, d)
ein metrischer Raum. Eine Familie F ⊂ C(X, Y ) ist im Punkt x0 ∈ X gleichgradig stetig, falls für jedes ε > 0 eine Umgebung U ∈ U(x0 ) gibt, sodass
d(f (x), f (x0 )) < ε ∀x ∈ U, ∀f ∈ F .
29
3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM
Theorem 3.7 (Ascoli). Es sei X topologisch und (Y, d) metrisch. Wir versehen
C(X, Y ) mit der Topologie der kompakten Konvergenz. Weiter sei F ⊂ C(X, Y ).
Dann gilt:
(i) Falls F gleichgradig stetig ist und ∀a ∈ X : F a = {f (a) | f ∈ F} ⊂
Ca , Ca ⊂ Y kompakt, so gilt F ⊂ K für ein kompaktes K ⊂ C(X, Y ).
(ii) Falls X lokalkompakt und Hausdorff ist, so gilt die Umkehrung.
30
3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM
Donnerstag, 15.04.10
Beweis. Betrachte die Abbildung i : C(X, Y ) → Y X , f 7→ (f (x))x∈X , wobei
C(X, Y ) mit der Topologie der kompakten Konvergenz und Y X mit der Topologie der punktweisen Konvergenz, d.h., der Produkttopologie versehen ist.
Definiere G := i(F).
Schritt 1: G ist kompakt in Y X .
Für alle a ∈ X sei Ca ein kompakte Menge, die F a enthält. Nach Tychonoff
Q
ist dann α∈X Ca in Y X kompakt und somit abgeschlossen (da Y X Hausdorff
Q
Q
ist) als. Wegen i(F) ⊂ a∈X F a ⊂ a∈X Ca ist G = i(F ) als abgeschlossene
Teilmenge einer kompakten Menge kompakt.
Schritt 2: G ⊂ i(C(X, Y )) und G ′ := i−1 (G) ⊂ C(X, Y ) ist gleichgradig stetig.
Es sei x0 ∈ X, ε > 0 und U eine Umgebung von x0 , sodass
d(f (x), f (x0 )) < ε/3 ∀x ∈ U ∀f ∈ F .
Zu zeigen ist, dass ∀(gx )x∈X ∈ G und ∀y ∈ U : d(g(y), g(x0 )) < ε. Es seien
(g(x))x∈X ∈ G und y ∈ U fix. Definiere
Vy,x0 = (h(x))x∈X ∈ Y X | d(h(y), g(y)) < ε/3 und d(h(x0 ), g(x0 )) < ε/3 .
Dann ist Vy,x0 eine offene Menge in Y X , die (g(x))x∈X enthält. Demnach ist
Vy,x0 ∩ i(F ) 6= ∅. Somit gibt es ein f ∈ F mit i(f ) = (f (x))x∈X ∈ Vy,x0 .
Insgesamt folgt
d(g(y), g(x0 )) ≤ d(g(y), f (y)) + d(f (y), f (x0 )) + d(f (x0 ), g(x0 )) < ε.
Folglich ist g ∈ i(C(X, Y )) und G ′ = i−1 (y) ist gleichgradig stetig.
Schritt 3: Betrachte (g0 (x))x∈X ∈ G, g0 ∈ C(X, Y ). Es sei C ⊂ X kompakt
und ε > 0. Dann ist BC (g0 , ε) = {f ∈ C(X, Y ) | supx∈C d(g0 (x), f (x)) < ε}
ein Basiselement der Topologie der kompakten Konvergenz auf C(X, Y ). Wir
zeigen: Es existiert eine Umgebung Bg0 von (g0 (x))x∈X in Y X , sodass Bg0 ∩G ⊂
i(BC (g0 , ε)) ∩ G = i(BC (g0 , ε) ∩ G ′ ).
Wir benutzen, die gleichgradige Stetigkeit von G ′ : ∀x ∈ C sei Ux eine offene
Umgebung von x ∈ X, sodass
d(g(y), g(x)) <
Da C ⊂
T
x∈C
ε
∀y ∈ U, ∀g ∈ G ′ .
4
Ux und C kompakt ist, gibt es {x1 , . . . , xn } ⊂ C, sodass C ⊂
31
3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM
Tn
i=1
Uxi . Wir setzen dann
Bg0 := {(h(x))x∈X ∈ Y X | d(h(xi ), g0 (xi )) <
ε
, i ≤ i ≤ n},
4
eine offene Umgebung von (g0 (x))x∈X in Y X . Die ist Aussage ist damit wie folgt
einzusehen: Es sei (h(x))x∈X ∈ Bg0 ∩ G und x ∈ C. Dann gibt es ein 1 ≤ j ≤ n,
sodass x ∈ Uxj und es gilt:
d(h(x), h(xj )) <
ε
,
4
d(h(xj ), g0 (xj )) <
ε
,
4
d(g0 (x), g0 (xj )) <
ε
.
4
Insgesamt folgt
d(h(x), g0 (x)) <
3
ε
4
⇒
sup d(h(x), g0 (x)) ≤
x∈C
3
ε < ε.
4
und somit Bg0 ∩ G ⊂ i(BC (g0 , ε) ∩ G ′ ).
Schritt 4: Die Abbildung i|G′ : G ′ → G ist ein Homöomorphismus.
Klarerweise ist die Abbildung bijektiv. Da die Abbildung i : C(X, Y ) → Y X
stetig ist, ist es auch die Einschränkung auf G ′ . Es bleibt zu zeigen, dass i|G′
offen ist. Diese Aussage folgt jedoch aus Schritt 3.
Schritt 5: G kompakt ⇒ G ′ ist kompakt.
Die Aussage ist nach dem Vorangehenden klar. Da G ′ kompakt ist und F
enthält, folgt Aussage (i) des Satzes von Ascoli.
32
3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM
Montag, 19.04.10
Bemerkung Ende des Beweises von Teil (i) des Satzes von Ascoli.
Um nun Aussage (ii) zu beweisen, sei X topologisch und (Y, d) metrisch. Auf
Y haben wir die uniforme Distanz du :
X
du ((f (x))x∈X , (g(x))x∈X ) = sup d(f (x), g(x)),
d(a, b) := min{d(a, b), 1}.
x∈X
Lemma 3.8. Es sei F ⊂ C(X, Y ) eine Menge die bzgl. der uniformen Distanz
du total beschränkt ist. Dann ist F gleichgradig stetig.
Beweis. Es sei 0 ≤ ε < 1, x0 ∈ X und δ := ε/3. Wähle B(f1 , δ), . . . , B(fn , B),
Sn
sodass C ⊂ i=1 B(fi , δ). Es gibt eine offene Umgebung U von x0 ∈ X, sodass
d(fi (x), fi (x0 )) < δ für alle x ∈ U und für alle i ∈ {1, . . . , n}. Ist nun f ∈ F und
i ∈ æ1, . . . , n}, sodass f ∈ B(fi , δ). Insbesondere gilt d(f (x), fi (x)) < δ ∀x ∈ X.
Wegen δ < 1 gilt d(f (x), fi (x)) ∀x ∈ X. Für x ∈ U gilt dann
d(f (x), f (x0 )) ≤ d(f (x), fi (x)) + d(fi (x), fi (x0 )) + d(fi (x0 ), f (x0 )) < ε.
Wir beweisen nun Aussage (ii) des Satzes von Ascoli:
Beweis. Es sei X lokalkompakt Hausdorff und F ⊂ C(X, Y ) in einer kompakten
Menge K enthalten. Für a ∈ X ist ea : C(X, Y ) → Y, f 7→ f (a) stetig. Also ist
F a = ea (F) in einer kompakten Teilmenge von Y enthalten, nämlich ea (K).
Es sei nun A ⊂ X kompakt. Wir betrachten die Einschränkungsabbildung
RA : C(X, Y ) → C(A, Y ), f 7→ f |A , welche stetig ist. Folglich ist RA (F) in der
kompakten Menge RA (K) enthalten. Auf C(A, Y ) sitmmen nun die Topologie
der kompakten Konvergenz und jene der gleichmäßigen Konvergenz überein.
Aus Lemma 3.8 folgt nun, dass RA (F) ⊂ RA (K) gleichgradig stetig sind, da
eine kompakte Teilmenge einen metrischen Raumes total beschränkt ist. Wähle
nun x ∈ X und eine kompakte Umgebung A von x.
Beispiel 3.9. Unterräume von L2 (D, dλ), wobei λ das Lebesguemaß und D die
offene Einheitskreisscheibe bezeichnet.
33
4 ZUSAMMENHANG
Donnerstag, 22.04.10
4
Zusammenhang
4.1
Allgemeine Eigenschaften
Satz 4.1. Folgende Eigenschaften eines topologischen Raumes X sind äquivalent:
(i) Falls X = A ∪ B für offene, disjunkte A, B, so folgt A = ∅ oder B = ∅.
(ii) Aussage (i) für abgeschlossene Mengen.
(iii) ∅, X sind die einzigen gleichzeitig offenen und abgeschlossenen Mengen.
Definition 4.2 (Zusammenhang). Ein topologischer Raum X heißt zusammenhängend, falls er die äquivalenten Eigenschaften aus Satz 4.1 erfüllt.
Beispiel 4.3.
(i) (X, T triv ) ist zusammenhängend.
(ii) (X, T dis ), |X| ≥ 2 ist nicht zusammenhängend.
(iii) (R, T eukl ) ist zusammenhängend. (Satz 4.7).
) ist nicht zusammenhängend: Es gilt etwa Q = (−∞,
(iv) (Q, T ind
√ eukl
( 2, ∞) ∩ Q .
√
2) ∩ Q ∪
(v) Eine unendliche Menge mit der cofiniten Topologie ist zusammenhängend.
Satz 4.4. Es sei X topologisch. Dann gilt:
(i) Ist Cα , α ∈ I eine Familie von zusammenhängenden Unterräumen von X,
S
T
die α∈I Cα 6= ∅ erfüllt, so ist auch α∈I Cα zusammenhängend.
(ii) Sind A, B ⊂ X, die A ⊂ B ⊂ A erfüllen, so impliziert Zusammenhang von
A Zuammenhang von B. Insbesondere ist A für jedes zusammenhängende
A zusammenhängend.
Satz 4.5. Das Bild einer zusammenhängenden Menge unter einer stetigen Abbildung ist wieder zusammenhängend.
Satz 4.6. Ein beliebiges Produkt zusammenhängender Räume ist in der Produkttopologie zusammenhängend.
34
4 ZUSAMMENHANG
Montag, 26.04.10
4.2
Zusammenhängende Untermengen von R. Wege
Eine konvexe Menge in R ist eine Untermenge K ⊂ R, sodass [a, b] ⊂ K, falls
a, b ⊂ K (a < b).
Satz 4.7. Jede konvexe Untermenge von R ist zusammenhängend. Es gilt auch
die Umkehrung.
Definition 4.8 (Wegzusammenhang). Es sei X topologisch. Ein Weg mit Endpunkten x, y in X ist eine stetige Abbildung f : [a, b] → X mit f (a) = x,
f (b) = y. Der Raum X heißt wegzusammenhängend, falls jedes Paar von Punkten in X Endpunkte eines Weges sind.
Bemerkung 4.9. Jeder wegzusammenhängende Raum ist zusammenhängend.
Beispiel 4.10. Betrachte die Funtion f : (0, 1/π) → [−1, 1], x 7→ sin(1/x). Der
Abschluss des Graphen G von f , d.h. die Menge {{0} × [−1, 1]} ∪ {(x, sin x) |
0 < x < 1/π}, ist zusammenhängend, jedoch nicht wegzusammenhängend.
4.3
Zusammenhangskomponenten
Es sei X topologisch. Wir führen die folgende Aequivalenzrelation ein: Für x, y ∈
X gelte x ∼ y :⇔ {x, y} ist in einem zusammenhängenden Teilraum von X
enthalten. (Transitivität: Satz 4.4).
Definition 4.11 (Zusammenhangskomponenten). Die Aequivalenzklassen der
oben definierten Relation werden Zusammenhangskomponenten genannt. Zusammenhangskomponenten sind zusammenhängend.
Korollar 4.12. Es sei C eine Zusammenhangskomponente und D ⊂ X ein
zusammenhängender Teilraum. Dann gilt:
(i) Falls D ∩ C 6= ∅, so folgt D ⊂ C.
(ii) C ist abgeschlossen.
Wir betrachten noch Wegzusammenhangskomponenten: Es gelte x ∼w y,
falls x, y die Endpunkte eines Weges sind. Nach Wahl des konstanten Weges, der
Umkehrung eines Weges und der Aneinanderhängung zweier Wege (Stetigkeit:
Serie 3, Aufgabe 2) mit geeignetem Parameter, handelt es sich wiederum um
eine Aequivalenzrelation. Die Aequivalenzklassen bzgl. dieser Relation heißen
Wegzusammenhangskomponenten, kurz Wegkomponenten. Diese Komponenten
haben i.A. keine spezielle topologische Eigenschaft.
35
4 ZUSAMMENHANG
Donnerstag, 29.04.10
Beispiel 4.13. Wegzusammenhangskomponenten.
Definition 4.14 (Lokaler (Weg-)Zusammenhang). Punktweise, ganzer Raum.
Beispiel 4.15. Lokaler (Weg-)Zusammenhang.
Satz 4.16. Es sei X topologisch. Dann gelten die folgenden Aussagen:
(i) X ist genau dann lokal zusammenhängend, wenn jede Zusammenhangskomponente jeder in X offenen Menge in X offen ist.
(ii) X ist genau dann lokal wegzusammenhängend, wenn jede Wegzusammenhangskomponente jeder in X offenen Menge in X offen ist.
Satz 4.17. Es sei X topologisch. Dann gilt:
(i) Jede Wegzusammenhangskomponente ist in einer Zusammenhangskomponente von X enthalten.
(ii) Ist X lokal wegzusammenhängend, so stimmen Wegzusammenhangskomponenten und Zusammenhangskomponenten überein.
36
5 DIE QUOTIENTENTOPOLOGIE
Montag, 03.05.10
5
Die Quotiententopologie
Definition 5.1 (Quotientenabbildung). Es seien X, Y topologische Räume und
p : X → Y eine surjektive Abbildung. Diese Abbildung ist eine Quotientenabbildung, falls folgende Eigenschaft erfüllt ist: Eine Untermenge U ⊂ Y ist genau
dann offen, falls das Urbild p−1 (U ) ⊂ X offen ist.
Bemerkung 5.2.
(i) Eine Quotientenabbildung ist stetig.
(ii) p ist Quotientenabbildung, falls F ⊂ Y genau dann abgeschlossen ist,
wenn p−1 (F ) ⊂ X abgeschlossen ist.
(iii) Es sei f : X → Y stetig und surjektiv. Falls f offen oder abgeschlossen
ist, so ist f Quotientenabbildung.
(iv) Es seien X, Y topologisch und X × Y versehen mit der Produkttopologie.
Dann sind pX : X × Y → X, pY : X × Y → Y offen, stetig und surjektiv,
also Quotientenabbildungen.
Lemma 5.3. Es sei X topologisch und Y eine Menge sowie p : X → Y eine
surjektive Abbildung. Dann gibt es auf Y genau eine Topologie bzgl. welcher p
Quotientenabbildung ist.
Definition 5.4 (Quotiententopologie). Die eindeutige Topologie auf Y in Lemma 5.3 heißt durch p induzierte Quotiententopologie.
Beweis. (Von Lemma 5.3). Definiere T Y = {U ⊂ Y | p−1 (U ) offen}.
Ein wichtiger Spezialfall ist folgende Situation: Ist X topologisch und ∼ eine
Aequivalenzrelation auf X. Dann wird mittels p : X → X/∼ auf X/∼ eine
Topologie induziert.
Beispiel 5.5.
(i) Es sei X = [0, 1] ⊂ (R, T eukl ) und ∼ induziert durch 0 ∼ 1. Dann gilt
(X/∼ ) ∼
= S1.
(ii) Betrachte auf X = R die Aequivalenzrelation ∼ definiert durch x ∼ y ⇔
x−y ∈ Q. Der Quotientenraum X/∼ hat die Eigenschaft, dass jeder Punkt
dicht liegt.
37
5 DIE QUOTIENTENTOPOLOGIE
(iii) Es sei X = R × R und p1 : X → R die Projekion auf den ersten Faktor.
Dann ist p1 eine Quotientenabbildung. Betrachte weiter die Menge A :=
{(0, 0)}∪{(x, y) ∈ R2 | xy = 1} und q := p1 ◦iA : A → R. Dann ist q stetig
und surjektiv jedoch keine Quotientenabbildung, denn q −1 (q({(0, 0)})) =
{(0, 0)} ⊂ R2 ist nicht offen.
Satz 5.6. Es sei p : X → Y eine Quotientenabbildung und A ⊂ X ein Teilraum
mit p−1 (p(A)) = A sowie q := p ◦ iA : A → p(A). Dann gilt:
(i) Falls A offen oder abgeschlossen ist, so ist q Quotientenabbildung.
(ii) Falls p offen oder abgeschlossen ist, so ist q Quotientenabbildung.
38
5 DIE QUOTIENTENTOPOLOGIE
Donnerstag, 06.05.10
Satz 5.7. Es seien X, Y, Z topologisch und p : X → Y eine Quotientenabbildung. Weiter sei g : X → Z eine Abbildung, die auf den Fasern von p konstant
ist und f : Y → Z die eindeutige Abbildung, sodass g = f ◦ p. Dann gilt:
(i) f ist genau dann stetig, wenn g stetig ist.
(ii) f ist genau dann Quotientenabbildung, wenn g Quotientenabbildung ist.
Korollar 5.8. In obiger Situation sei g : X → Z stetig und surjektiv, X/∼g
der von g induzierte Quotientenraum, p : X → X/∼g die Quotientenabbildung
und f : X/∼g die Abbildung, welche g = f ◦ p genügt. Dann gilt:
(i) f ist stetig und bijektiv; weiterhin ist f genau dann ein Homöomorphismus, wenn g Quotientenabbildung ist.
(ii) Z ist genau dann Hausdorff, wenn X/∼ Hausdorff ist.
Beispiel 5.9 (Gruppenwirkung). Die Gruppe G wirke auf dem topologischen
Raum X derart, dass die Abbildungen Tg : X → X, g ∈ G stetig sind. Dann
sind die Abbildungen Tg bereits Homöomorphismen, X/G der Quotientenraum
und p : X → X/G die Quotientenabbildung.
39
6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE
Montag, 10.05.10
6
Die Fundamentalgruppe
6.1
Homotopie
Es seien X, Y topologische Räume und f, f ′ : X → Y stetige Abbildungen.
Definition 6.1 (Homotopie). Die Abbildung f heißt zu f ′ homotop, falls es
eine stetige Abbildung F : X × [0, 1] → Y gibt, sodass F (x, 0) = f (x) und
F (x, 1) = f ′ (x) für alle x ∈ X. In diesem Fall heißt F eine Homotopie von f zu
f ′ . Falls f ′ konstant ist, so heißt f nullhomotop.
Eine Homotopie von f zu f ′ kann man auch als einen Weg von f zu f ′ im
Raum C(X, Y ) auffassen.
Definition 6.2 (Weghomotopie). Zwei Wege f, f ′ : [0, 1] → X von x ∈ X nach
y heißen weghomotop, falls es eine Homotopie F : [0, 1] × [0, 1] → X von f zu f ′
gibt, sodass für alle t ∈ [0, 1] gilt:
[0, 1] → X, s 7→ F (s, t)
ist ein Weg von x nach y.
Satz 6.3. Es seien X, Y topologische Räume.
(i) Homotopie ist eine Aequivalenzrelation auf C(X, Y ).
(ii) Weghomotopie ist eine Aequivalenzrelation auf C([0, 1], X).
Beweis. Transitivität: Stetigkeit: [0, 1]2 = ([0, 1] × [ 12 , 0]) ∪ ([0, 1] × [0, 21 ]) und
die Einschränkungen sind stetig.
Beispiel 6.4.
(i) Je zwei Wege f, f ′ : [0, 1] → R2 sind weghomotop. (Konvexkombination).
(ii) Zwei Wege f, f ′ : [0, 1] → R2 −{0} sind. i.A. nicht weghomotop.
Es seien nun f, g : [0, 1] → X Wege in X mit f (1) = g(0).
Definition 6.5 (Produkt von Wegen). Das Produkt f ∗ g von f und g ist
definiert durch

f (2s)
s ∈ [0, 21 ]
f ∗ g : [0, 1] → X, s 7→
g(2s − 1) s ∈ [ 1 , 1]
2
40
6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE
Lemma 6.6. Es seien f ∼w f ′ und g ∼w g ′ , sodass f (1) = g(0). Dann ist
f ′ (1) = g(0) und f ∗ g ∼w f ′ ∗ g ′ .
Für einen Weg f : [0, 1] → X bezeichnen wir mit f : [0, 1] → X den durch
s 7→ f (1 − s) definierten Weg, d.h., f wird in umgekehrter Richtung umlaufen.
Mit ex wird der konstante Weg ex : s 7→ x bezeichnet.
Lemma 6.7. Es seien f, g, h Wege in X mit f (1) = g(0) und g(1) = h(0). Dann
gilt:
(i) (f ∗ g) ∗ h ∼w f ∗ (g ∗ h).
(ii) f ∗ ef (1) ∼w f, ef (0) ∗ f ∼w f .
(iii) f ∗ f ∼w ef (0) , f ∗ f ∼w ef (1) .
Beweis. Um (iii) einzusehen, definiere



f (2s)
s ∈ [0, 1−t

2 ]

1+t .
H(s, t) := f (1 − t) = f (t) s ∈ [ 1−t
2 , 2 ]



f (2s − 1)
s ∈ [ 1+t
2 , 1]
41
6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE
Montag, 17.05.10
6.2
Das Fundamentalgruppoid
Es sei X ein topologischer Raum. Dann ist nach Satz 6.3 die Weghomotopie eine Aequivalenzrelation auf C([0, 1], X). Wir bezeichnen mit π1 (X) :=
C([0, 1], X)/∼w die Menge der Aequivalenzklassen. Dann sind die Abbildungen
s : π1 (X) → X, [f ] 7→ f (0)
;
t : π1 (X) → X, [f ] 7→ f (1)
wohldefiniert. Wir definieren noch [f ]−1 := [f ] und für alle x ∈ X : ex := [ex ].
Satz 6.8. Verknüpfungen und Assoziativität in π1 (X).
Definition 6.9 (Fundamentalgruppoid).
(s,t)
(i) Die Menge π1 (X) versehen mit den Abbildungen π1 (X) −−−→ X × X,
der Verknüpfung und Inversion sowie den Elementen ex ∀x ∈ X heißt
Fundamentalgruppoid von X.
(ii) Für x ∈ X ist π1 (X, x) := {a ∈ π1 (X) | s(a) = t(a) = x} die Fundamentalgruppe von X bzgl. x ∈ X.
Bemerkung 6.10. Es seien x0 , x1 in derselben Wegzusammenhangskomponente enthalten.
(i) Es sei α ∈ π1 (X) mit s(α) = x0 , t(α) = x1 . Die Abbildung ϕα :
π1 (X, x0 ) → π1 (X, x1 ) : b 7→ αbα−1 ein wohldefinierter Gruppenisomorphismus.
(ii) Unter geeigneten Voraussetzungen gilt ϕβ ◦ ϕα = ϕα∗β .
Korollar 6.11. Ist X wegzusammenhängend und x, y ∈ X, so sind π1 (X, x)
und π1 (X, y) isomorph. Bis auf einen Automorphismus ist dieser Isomorphismus
eindeutig.
Bemerkung 6.12. Es sei F : X → X stetig. Weiter seien f, g ∈ C([0, 1], X).
(i) Falls f (0) = g(0), f (1) = g(1) und f ∼w g, so gilt auch F ◦ f ∼w F ◦ g.
(ii) Falls f (1) = g(0), so folgt F ◦f (1) = F ◦g(0) und F ◦(f ∗g) = F ◦f ∗(F ◦g).
(iii) Die Abbildung F∗ : π1 (X) → π1 (X), [f ] 7→ [F ◦ f ] ist ein Gruppoidhomomorphismus.
42
6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE
6.3
Ueberlagerungen
Definition 6.13 (Uerberlagerung). Es seien E, B topologische Räume und p :
E → B surjektiv. Dann heißt p eine Ueberlagerung, falls es für jeden Punkt
F
b ∈ B eine offene Umgebung von b gibt, sodass p−1 (U ) = α∈A Vα eine disjunkte
Vereinigung von offenen Mengen und
p|Vα : Vα → U
für alle α ∈ A ein Homöomorphismus ist.
Beispiel 6.14. Die Abbildung R → S 1 , x 7→ e2πix ist eine Ueberlagerung.
Satz 6.15.
(i) Es sei p : E → B eine Ueberlagerung, B0 ⊂ B, E0 := p−1 (B0 ). Dann ist
p|E0 : E0 → B0 eine Ueberlagerung.
(ii) Es seien pi : Ei → Bi , i ∈ {1, 2} Ueberlagerungen. Dann ist
p1 × p2 : E1 × E2 → B1 × B2
eine Ueberlagerung.
Definition 6.16 (Lift). Es seien f : X → B und p : E → B stetige Abbildungen. Jede stetige Abbildung f˜ : X → E mit f = p ◦ f˜ heißt Lift zu f .
E
f˜
X
f
p
B
Lemma 6.17. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung mit e0 ∈ p−1 (b0 ) und
f : [0, 1] → B eine stetige Abbildung mit f (0) = b0 . Dann gibt es genau einen
Lift f˜ : [0, 1] → E von f mit f˜(0) = e0 .
43
6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE
20.05.10
Beispiel. Zeichnung (Ueberlagerung): Fläche zweiten / dritten Geschlechts.
Lemma 6.18. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung; b0 ∈ B, e0 ∈ E, sodass
p(e0 ) = b0 . Ist F : [0, 1] × [0, 1] → B mit F (0, 0) = b0 , so gibt es einen Lift
F̃ : [0, 1] × [0, 1] → E, sodass F̃ (0, 0) = e0 . Falls F eine Weghomotopie ist, so
gilt dasselbe für F̃ .
44
6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE
Donnerstag, 27.05.10
Korollar 6.19. Es seien f, g : [0, 1] → B Wege von b0 nach b1 in B. Weiter seien
e0 ∈ E sodass p(e0 ) = b0 und f˜, g̃ Liftungen von f bzw. g. mit f˜(0) = e0 = g̃(0).
Falls f und g weghomotop sind, so sind f˜ und g̃ weghomotop, insbesondere gilt
f˜(1) = g̃(1).
Mit den vorangehenden Aussagen können wir die Fundamentalgruppe eines
Raumes nun besser durch ihre Wirkung auf E verstehen: Für γ ∈ π1 (B, b0 ) und
e ∈ p−1 (b0 ) sei γ̄e ∈ π1 (E) die durch s(γe ) = e eindeutig definierte Weghomoto-
pieklasse in E, die γ liftet (Lemma 6.18). Definiere nun γ (e) := (γ̄)∗ (e) bzw.
γ∗ (e) := (γ)∗ (e).
Beispiel 6.20. Zeichnung: p : R → S 1 , x 7→ exp(2πix). Es gilt p−1 (1) = Z und
γ∗ (n) = n + 1. Tatsächlich folgt hier bereits π1 (S1 , 1) ∼
= Z:
Lemma 6.21. Die Abbildung π1 (B, b0 ) × p−1 (b0 ) → p−1 (b0 ), (γ, e) 7→ γ =
(γ̄)∗ (e) ist eine Wirkung. Sie ist genau dann transitiv, wenn E wegzusammenhängend ist.
45
6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE
Montag, 31.05.10
Satz 6.22. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung. Weiter sei e0 ∈ E und
b0 := p(e0 ).
(i) Der Gruppenhomomorphismus p∗ : π1 (E, e0 ) → π1 (B, b0 ) ist injektiv.
(ii) Es sei He0 := p∗ (π1 (E, e0 )). Dann ist Stabπ1 (B,b0 ) (e0 ) gleich H(e0 ).
(iii) Es sei γ ∈ π1 (B, b0 ). Dann liftet γ zu einem Element von π1 (E, e0 ) genau
dann, wenn γ ∈ H(e0 ).
Satz 6.23. Es gilt π1 (S1 , 1) ∼
= Z.
46
7 DIE GALOIS-KORRESPONDENZ FÜR UEBERLAGERUNGEN
7
Die Galois-Korrespondenz für Ueberlagerungen
In diesem Kapitel wollen wir die Liftungsfrage für allgemeine Abbildungen f :
Y → B betrachten. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung mit p(e0 ) = b0 . Zu
dieser Ueberlagerung betrachten wir p∗ (π1 (E, e0 )) < π1 (B, b0 ).
7.1
Aequivalenz von Ueberlagerungen
Satz 7.1. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung, f : Y → B stetig und
y0 ∈ Y, b0 ∈ B, e0 ∈ E mit f (y0 ) = b0 = p(e0 ). Wir nehmen, dass Y zusam-
menhängend und lokal wegzusammenhänged (also insbesondere wegzusammenhängend). Dann sind folgende Aussagen äquivalent:
(i) Es gibt ein f˜ : Y → E mit ỹ(y0 ) = e0 .
(ii) f∗ (π1 (Y, y0 )) ⊂ p∗ (π1 (E, e0 )).
Im Zusammenhang mit Riemannschen Flächen könnte z.B. die folgende Situation betrachtet werden:
E
?
U
zn
i
47
C∗
7 DIE GALOIS-KORRESPONDENZ FÜR UEBERLAGERUNGEN
Donnerstag, 03.06.10
Bemerkung (Inhalt). Ueberlagerungstheorie.
48
Herunterladen