Topologie Zusammenfassung Stephan Tornier ETH Zürich — FS ’10 26. Februar 2011 Zusammenfassung In diesem Skript sind die Definitionen und Aussagen der TopologieVorlesung des FS ’10, gehalten von Herrn Prof. M. Burger, zusammengefasst. Inhaltsverzeichnis 1 Topologische Räume und stetige Abbildungen 1.1 Topologische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 3 1.2 1.3 1.4 Basis einer Topologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stetige Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Produkträume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 6 9 1.5 Metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2 Kompaktheit 17 2.1 Grundlegendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2 2.3 Der Satz von Tychonoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompaktheit und metrische Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 22 2.4 Lokalkompakte Räume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3 Räume stetiger Abbildungen, Ascoli’s Theorem 28 3.1 Topologie der punktweisen Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . 28 3.2 3.3 Topologie der gleichmäßigen Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . Topologie der kompakten Konvergenz . . . . . . . . . . . . . . . 28 29 3.4 Das Theorem von Ascoli . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 4 Zusammenhang 34 4.1 Allgemeine Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.2 4.3 Zusammenhängende Untermengen von R. Wege . . . . . . . . . . Zusammenhangskomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 35 5 Die Quotiententopologie 37 6 Die Fundamentalgruppe 40 6.1 6.2 Homotopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Fundamentalgruppoid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 42 6.3 Ueberlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 7 Die Galois-Korrespondenz für Ueberlagerungen 47 7.1 Aequivalenz von Ueberlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Montag, 22.02.10 1 Topologische Räume und stetige Abbildungen 1.1 Topologische Räume Definition 1.1. Topologie auf einer Menge X. Definition 1.2. Topologischer Raum. Definition 1.3. Offene Mengen, abgeschlossene Mengen. Beispiel 1.4. Eine Menge X kann stets mit den folgenden Topologien versehen werden: (i) Triviale Topologie: T triv = {∅, X}. (ii) Diskrete Topologie: T dis := P(X). (iii) Kofinite Topologie: T f := {A ⊂ X | |Ac | < ∞} ∪ {∅}. Beispiel 1.5. Auf X = R definiert man mithilfe der üblichen Ordungsrelation die euklidische Topologie T eukl := {U ⊂ X | ∀x ∈ U ∃ε > 0 : (x − ε, x + ε) ⊂ U }. Satz 1.6. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum. Dann gelten die folgenden Aussagen: (i) ∅, X sind abgeschlossen. (ii) Ein beliebiger Durchschnitt abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen. (iii) Eine endliche Vereinigung abgeschlossener Mengen ist abgeschlossen. Definition 1.7 (Feinheit). Es seien T 1 , T 2 Topologien auf einer Menge X. Dann heißt T 1 feiner als T 2 beziehungsweise T 2 gröber als T 1 , falls T 1 ⊃ T 2 . Beispiel 1.8. Auf R gilt: T triv ⊂ T f ⊂ T eukl ⊂ T dis . Definition 1.9 (Umgebung). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und x ∈ X. Eine Menge V ⊂ X heißt Umgebung von x, falls eine offene Menge U ⊂ V mit x ∈ U existiert. Beispiel 1.10. (i) Jede offene Menge ist Umgebung jeder ihrer Punkte. 3 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN (ii) Im Fall X = R und T = T eukl ist (0, 1] Umgebung der Punkte aus (0, 1), jedoch keine Umgebung von 1. Definition 1.11. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Wir definieren: (i) x heißt Berührpunkt von A, falls jede Umgebung V von x gilt: V ∩ A 6= ∅. (ii) x heißt innerer Punkte von A, falls x eine in A enthaltene Umgebung besitzt. T (iii) Die Menge A := {F ⊂ X | F ist abgeschlossenen und F ⊃ A} heißt abgeschlossene Hülle von A und ist die kleinste abgeschlossene Menge, die A enthält. S (iv) Die Menge Å := {U ⊂ X | U ist offen und U ⊂ A} heißt das Innere von A und ist die größte offene Menge, die in A enthalten ist. Beispiel 1.12. Betrachte den topologischen Raum (R, T eukl ): (i) Definiere A := (0, 1] ⊂ R. Es gilt A = [0, 1] und Å = (0, 1). (ii) Definiere A = Q. Dann gilt A = R und Å = ∅. Satz 1.13. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Dann gilt (i) A = {x ∈ X | x ist Berührpunkt von A}. (ii) Å = {x ∈ X | x ist innerer Punkt von A}. 4 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Donnerstag, 25.02.10 1.2 Basis einer Topologie Definition 1.14 (Basis). Ist (X, T ) ein topologischer Raum, so heißt B ⊂ T Basis von T , falls jede offene Menge Vereinigungsmenge von Elementen aus B ist. Beispiel 1.15. (i) Es sei X eine Menge. Dann ist B = {{x} | x ∈ X} eine Basis der disktreten Topologie auf X. (ii) Betrachte (Rn , T eukl ). Die folgenden Mengen sind Basen: (α) B := {B(p, r)) | p ∈ Rn , r > 0} (β) B′ := {B(p, r) | p ∈ Qn , r > 0, r ∈ Q} Satz 1.16. Es sei X eine Menge. Eine Menge B ⊂ P(X) ist genau dann eine Basis einer Topologie auf X, falls (i) X = S Y ∈B Y (ii) Falls B1 , B2 ∈ B und x ∈ B1 ∩ B2 , so existiert B ∈ B, sodass x ∈ B ⊂ B1 ∩ B2 . Bemerkung 1.17. Im vorherigen Satz ist T durch B eindeutig bestimmt. Definition 1.18 (Subbasis). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum: S ⊂ P(X) heißt Subbasis von T , wenn das aus allen endlichen Durschnitten von Elementen von S gebildete Mengensystem eine Basis von T bildet. Bemerkung 1.19. Es sei X eine Menge und S ⊂ P(X) nicht leer. Dann ist S eine Subbasis einer wohldefinierten Topologie auf X, die mit (S) bezeichnet wird. Beispiel 1.20 (Produkttopologie). Es seien (X1 , T 1 ), (X2 , T 2 ) topologische Räume und B := {U1 × U2 | U1 ∈ T 1 , U2 ∈ T 2 }. Dann ist B eine Basis einer Toplogie auf X1 × X2 , die Produkttopologie genannt wird. 5 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Montag, 01.03.10 Beispiel 1.20 (Fortsetzung). Es sei p eine Primzahl. Definiere für alle z ∈ Z und n ∈ N0 Un (z) = {z + kpn | k ∈ Z}. Dann bildet B := {Un (z) | z ∈ Z, n ∈ N} eine Basis einer Topologie auf Z, genannt p-adische Topologie. 1.3 Stetige Abbildungen Definition 1.21 (Stetige Abbildung). Es seien X, Y topologische Räume. Eine Abbildung f : X → Y heißt stetig, falls f −1 (U ) für jede offene Menge U ⊂ Y offen ist. Bemerkung 1.22. (i) Je nach Kontext werden wir „es sei X ein topologischer Raum“ sagen anstellen von „es sei (X, T ) ein topologischer Raum“. (ii) Es seien X, Y Mengen und f : X → Y eine Abbildung. Dann ist f −1 : P(Y ) → P(X) die zugehörige Abbildung zwischen den Potenzmengen. Sie erhält alle mengentheoretischen Operationen, insbesondere gilt: T T −1 (Uα ). (α) f −1 α∈A f α∈A Uα = S S −1 (Uα ). (β) f −1 α∈A f α∈A Uα = (iii) Falls X, Y topologische Räume sind und S eine Subbasis der Topologie auf Y , dann ist eine Abbildung f : X → Y genau dann stetig, falls f −1 (U ) für jedes U ∈ S offen ist. Beispiel 1.23. (i) Es sei X ein topologischer Raum. Dann ist die Abbildung idX : X → X stetig. (ii) Es seien X = Rn und Y = Rm mit euklidischen Topologien. Dann ist f : Rn → Rm genau dann stetig, wenn ∀p ∈ Rn ∀ε > 0 ∃δ > 0 : ||x−p|| < δ ⇒ ||f (x) − f (p)|| < ε. (iii) Es sei X eine Menge mit diskreter Topologie und Y ein topologischer Raum. Dann ist jede Abbildung X → Y stetig. (iv) Es seien X, Y topologische Räume und y0 ∈ Y . Die konstante Abbildung x 7→ y0 ist stetig. 6 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Satz 1.24 (Stetigkeit). Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine Abilldung. Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent: (i) f ist stetig. (ii) Für jede Untermenge A ⊂ X gilt f (A) ⊂ f (A). (iii) Für jede abgeschlossene Untermenge F ⊂ Y ist das Urbild f −1 (F ) abgeschlossen. (iv) Für jeden Punkt x ∈ X und jede Umgebung V von f (x) gibt es eine Umgebung U von x ∈ X, sodass f (U ) ⊂ V . Definition 1.25. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine Abilldung; f heißt im Punkt x ∈ X stetig, falls die Bedingung (iv) von Satz 1.24 erfüllt ist. Beweis. Zeige etwa (1) ⇒ (2) ⇒ (3) ⇒ (1) und (1) ⇔ (4). Satz 1.26. Es seien X, Y, Z topologische Räume und f : X → Y, g : Y → Z stetige Abbildungen. Dann ist auch g ◦ f : X → Z stetig. Definition 1.27 (Homöomorphismus). Eine stetige Abbildung f : X → Y heißt Homöomorphismus, falls f bijektiv und f −1 ebenfalls stetig ist. Bemerkung 1.28. Eine stetige Abbildung f : X → Y ist ein Homöomorphismus, falls es eine stetige Abbildung g : Y → X gibt, sodass g ◦ f = idX und f ◦ g = idY . Definition 1.29 (Teilraumtopologie). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und Y ⊂ X. Die Teilraumtopologie auf Y ist gegeben durch T Y := {U ∩ Y | U ∈ T } ⊂ P(Y ). Bemerkung 1.30. Die Teilraumtopologie im Kontext von Definition 1.29 ist die gröbste Topologie für welche die Inklusion Y ֒→ X stetig ist. Beispiel 1.31. (i) Betrachte (R, T eukl ) und Y = [0, 1]. Hier ist ( 12 , 1] offen in Y bzgl. der Teilraumtopologie jeoch nicht offen im R. (ii) Betrachte (R, T eukl ) und das Intervall (−1, 1) ⊂ R mit Teilraumtopologie. Die Abbildung (−1, 1) → R, x 7→ ist ein Homöomorphismus. 7 x 1 − x2 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN (iii) Betrachte die Mengen [0, 1) ⊂ R und S 1 := {z ∈ C | |z| = 1} ⊂ C mit Teilraumtopologien. Die Abbildung [0, 1) → S 1 , s 7→ e2πis ist stetig, bijektiv, jedoch kein Homöomorphismus, da die Umkehrabbildung im Punkt z = 1 nicht stetig ist. 8 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Donnerstag, 04.03.10 1.4 Produkträume Definition 1.32 (Produkttopologie). Es sei X eine Menge und A eine Indexmenge. Eine Abbildung x : A → X heißt A-Tupel von Elementen von X. Wir notieren die α-Koordinate von x durch xα := x(α). Weiterhin bezeichnet X A die Menge der A-Tupel über X. Es sei nun {Xα : α ∈ A} eine Familie von S Q Mengen. Definiere X = α∈A Xα . Das kartesische Produkt α∈A Xα ⊂ X A ist die Untermenge aller A-Tupel x : A → X, sodass x(α) ∈ Xα ∀α ∈ A. Für jedes β ∈ A bezeichnen wir außerdem mit πβ : Y α Xα → Xβ , (xα )α∈A 7→ xβ die Projektionsabbildung auf den Faktor Xβ . Axiom. Falls alle Xα nicht leer sind, so ist auch ihr kartesisches Produkt nicht leer. Es seien nun Xα , α ∈ A topologische Räume. Dann gibt es mindestens zwei Möglichkeiten das kartesische Produkt mit einer Topologie zu versehen: Q (i) Box-Topologie: Als Basis einer Topologie auf α∈A Xα wählen wir B= ( Y α∈A ) Uα | Uα ⊂ Xα offen, ∀α ∈ A . Diese Wahl bringt jedoch das folgende Problem mit sich: Für A = N und Xα = R ∀α ∈ A ist die Abbildung f : R → RN , t 7→ (t, t, . . .) nicht stetig: Es gilt etwa f −1 (U ) = {0} für U= (xn )n∈N | xn ∈ 1 1 − , n n Y 1 1 , n ≥ 1 = R× . − , n n n≥1 (ii) Produkt-Topologie: Diese werde durch die Subbasis S = {πβ−1 (Uβ ) | Uβ ⊂ Xβ offen, β ∈ A} erzeugt. Indem wir endliche Durchschnitte von Elementen aus S bilden, erhalten wir eine Basis ) ( Y B= Uα Uα = Xα für fast alle α ∈ A und Uα offen in Xα . α 9 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Satz 1.33. Es seien Xα , α ∈ A topologische Räume. Dann gilt: (i) Die Produkttopologie ist die gröbste Topologie für welche alle ProjektiQ onsabbildungen πβ : α Xα → Xβ stetig sind. (ii) Es sei Y ein topologischer Raum und fα : Y → Xα , α ∈ A eine Familie von Abbildungen. Die Abbildung f :Y → Y α Xα , y 7→ (fα (y))α∈A ist genau dann stetig, wenn für alle α ∈ A die Abbildung fα : Y → Xα stetig ist. Q Satz 1.34. Es sei Xα , α ∈ A eine Familie topologischer Räume, α Xα das mit Produkttopologie versehene kartesische Produkt sowie Aα ⊂ Xα ∀α ∈ A. Dann gilt Y Aα = α Y α 10 Aα 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Montag, 08.03.10 1.5 Metrische Räume Definition 1.35. Metrik, metrischer Raum, Bälle. Definition 1.36. Die von d auf X induzierte Topologie ist gegeben durch die Basis B = {B(x, ε) | x ∈ X, ε > 0}. (Verifiziere mit Satz 1.16, dass B tatsächlich eine Basis ist.). Beispiel 1.37. (i) Es sei X beliebig. Die diskrete Metrik auf X ist definiert durch 0 d(x, y) := 1 x=y x 6= y und induziert die diskrete Topologie. (ii) Es seien X = Rn , x = (x1 , . . . , xn ) sowie y = (y1 , . . . , yn ). Aus Analysis sind die p-Normen, die ∞-Norm sowie die davon induzierten Metriken bekannt. Es gilt d∞ ≤ d2 ≤ d1 ≤ nd∞ . (iii) Definiere l1 (N) = {(xn )n≥0 | xn ∈ R, P∞ n=0 |xn | 1 < ∞}. Es gilt etwa c00 (N) := {(xn )n∈N | xn = 0 für fast alle n} ⊂ l (N). Auf l1 definiert man die Metrik ∞ X |xn − yn |. d1 (x, y) = n=0 Definiere weiterhin l2 (N) = {(xn )n≥0 | Metrik d2 (x, y) := ∞ X n=0 P∞ n=0 |xn |2 < ∞} und darauf die |xn − yn |2 ! 21 (Dies ist ein Beispiel eines Hilbertraums.). Letztlich definieren wir noch l∞ (N) = {(xn )n≥0 | supn∈N |xn < ∞} mit Metrik d∞ (x, y) = sup |xn − yn | n∈N Hier gelten die Inklusionen l1 (N) ⊂ l2 (N) ⊂ l∞ (N) und auf l1 gilt d∞ ≤ d2 ≤ d1 . (iv) Es sei nun X eine Menge und d eine Distanz auf X. Dann ist auch d′ = min{d(x, y), 1} eine Distanz auf X definiert, welche dieselbe Topologie wie d induziert. 11 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN (v) (p-adische Distanz auf Q). Es sei p eine Primzahl. Jedes r ∈ Q kann eindeutig wie folgt dargestellt werden: a r = pn , a ∈ Z, b ∈ N −{0}, gcd(a, b) = 1, n ∈ Z, p ∤ ab b Damit definiert man die p-adische Norm ||r||p := p−n auf Q. Für a ∈ N −{0} gilt etwa: Falls p ∤ a, so ist ||a||p = 1. Außerdem gilt: ||pn ||p = p−n . Wir definieren nun die p-adische Distanz auf Q: d(x, y) := ||x − y||p . Definition 1.38 (Aequivalente Distanzen). Zwei Distanzen d1 , d2 auf X sind äquivalent, falls es Konstanten c > 0, k > 0 gibt, sodass cd1 (x, y) ≤ d2 (x, y) ≤ kd1 (x, y) ∀x, y ∈ X Bemerkung 1.39. (i) Aequivalente Distanzen induzieren dieselbe Topologie. (ii) Im Beispiel 1.37 (ii) sind d∞ , d1 , d2 äquivalente Distanzen. (iii) Auf c00 (N) sind die Distanzen d∞ , d1 , d2 paarweise nicht äquivalent. Definition 1.40 (Metrisierbarkeit). Ein topologischer Raum (X, T ) heißt metrisierbar, falls es eine Distanz gibt, die T induziert. (Problem: Kriterium (Urysohn, Nogata-Smirnov)) Beispiel 1.41. (i) Die cofinite Topologie auf unendlichem X ist nicht metrisierbar. (ii) (Serie 3, Aufgabe 6). RN mit Boxtopologie ist nicht metrisierbar. Definition 1.42 (Hausdorffsche Trennungseigenschaft). Ein topologischer Raum heißt Hausdorff (auch T2 (T wie „Trennung“)), falls je zwei verschiedene Punkte disjunkte Umgebungen besitzen. Bemerkung 1.43. Metrisierbarkeit impliziert Hausdorff. Damit lässt sich die Behauptung in Beispiel 1.41 (i) zeigen: Falls U und V nicht leere, offene Mengen sind, deren Schnitt die leere Menge ist, so folgt X = (U c ) ∪ (V c ) im Widerspruch zur Unendlichkeit von X. Definition 1.44 (Konvergenz). Es sei (X, T ) ein topologischer Raum. Eine Folge (xn )n∈N von Punkten in X konvergiert gegen einen Punkt x ∈ X, falls gilt: ∀U ∈ U(x) ∃N ≥ 0 : xn ∈ U, ∀n ≥ N . In diesm Fall notieren wir limn→∞ xn = x. 12 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Satz 1.45. Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und A ⊂ X. Falls x ∈ X und (an )n∈N eine Folge in A mit limn→∞ an = x ist, so gilt x ∈ A. Die Umkehrung gilt, falls (X, T ) metrisierbar ist. Beweis. Wir beweisen die zweite Aussage: Es sei d eine Distanz, die T induziert und x ∈ A. Für jedes n ≥ 1 sei an ∈ A ∩ B(x, n1 ). Dann ist (an )n∈N eine Folge in A, die gegen x konvergiert. Beispiel 1.41 (ii) lässt sich damit wie folgt angehen: Betrachte A := {(xn )n∈N | xn > 0} ⊂ RN und beweise die folgenden, für die Box-Topologie gültigen Bemerkungen: (i) 0 = (0) ∈ A. (ii) Es gibt keine Folge in A, die gegen 0 = (0) konvergiert. Satz 1.46. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine Abbildung. Falls f stetig und (xn )n≥0 eine gegen x ∈ X konvergente Folge ist, so konvergiert (f (xn ))n≥0 gegen f (x) ∈ Y . Die Umkehrung gilt im Falle der Metrisierbarkeit von X. Beweis. Wir beweisen die zweite Aussage: Es sei d eine Distanz, welche die Topologie auf X induziert, und A ⊂ X. Wir zeigen: f (A) ⊂ f (A) (s. Satz 1.24 (ii)). Es sei x ∈ A. Aus Satz 1.45 folgt die Existenz einer Folge (an )n≥0 in A mit limn→∞ an = x. Nach Voraussetzung gilt damit limn→∞ f (an ) = f (x) und somit wiederum nach Satz 1.45 f (x) ∈ f (A). Es seien X, Y topologische Räume. Dann bezeichnet C(X, Y ) die Menge der stetigen Abbildungen f : X → Y . Im Fall Y = C notieren wir C(X) := C(X, C). Satz 1.47. Es seien f, g ∈ C(X) und λ ∈ C. Dann sind auch f + g, f g und λf stetig. Falls g(x) 6= 0 ∀x ∈ X so ist auch der Quotient f /g stetig. Weiterhin gilt f ∈ C(X). Damit ist C(X) eine kommutative C-Algebra. 13 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Donnerstag, 11.03.10 Definition 1.48 (Cauchy-Folge). Es sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (xn )n≥0 heißt Cauchy-Folge, falls ∀ε > 0 ∃N ≥ 0 sodass d(xn , xm ) < ε ∀n, m ≥ N. Bemerkung 1.49. Eine konvergente Folge ist eine Cauchy-Folge. Definition 1.50 (Vollständigkeit). Ein metrischer Raum heißt vollständig, falls jede Cauchy-Folge konvergiert. Beispiel 1.51. (In Anlehung an Beispiel 1.37). (i) Jede Cauchy-Folge ist letztlich konstant, also konvergent. (ii) X = Rn ist für die Metriken d1 , d2 , d∞ vollständig. (iii) Die Räume (l1 , d1 ), (l2 , d2 ), (l∞ , d∞ ) sind vollständig. (Vgl. Maß-Theorie.). (iv) Es sei (X, d) ein metrischer Raum und d′ (x, y) := min{d(x, y), 1}. Es gilt: (X, d) ist genau dann vollständig, wenn (X, d′ ) vollständig ist. (v) Die rationalen Zahlen sind mit der p-adischen Distanz nicht vollständig. (S. Uebung). (vi) Vollständigkeit eines metrischen Raumes ist keine topologische Eigenschaft. Etwa ist R homöomorph zu (0, 1). Definition 1.52 (Dichte Teilmenge). Eine Untermenge A ⊂ X in einem topo- logischen Raum X heißt dicht in X, falls A = X. Beispiel 1.53. (i) Die rationalen Zahlen sind dicht in R. (ii) Die Menge c00 (N) = {(xn )n≥0 | xn = 0 für fast alle n} ist dicht in (l1 , d1 ) und (l2 , d2 ). Satz 1.54. Es sei (X, d) ein metrischer Raum. Dann existiert ein vollständiger metrischer Raum (CX, dC ) und eine distanzerhaltende Abbildung h : X → C(X) mit dichtem Bild. (Das Tripel (C, dC , h) charakterisiert die Vervollständigung.). Beweis. Es sei CF(X) := {(xn )n | xn Cauchy-Folge in X} die Menge der CauchyFolgen in X. Für zwei Cauchy-Folgen (xn )n , (yn )n ist (d(xn , yn ))n eine CauchyFolge in R. (Es gilt nämlich |d(xn , yn ) − d(xm , ym )| ≤ d(xn , xm ) + d(yn , ym ).). Es sei nun D(x, y) := limn→∞ d(xn , yn ) ∈ R≥0 . Die assoziierte Abbildung D : CF(X) × CF(X) → R≥0 hat folgende Eigenschaften: 14 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN (i) cod(D) = R≥0 (ii) Symmetrie: Es gilt D(x, y) = D(y, x) ∀x, y ∈ CF(X). (iii) Die Abbildung genügt der Dreiecksungleichung: D(x, y) ≤ D(x, z) + D(z, y) ∀x, y, z ∈ CF(X). Damit wird x ∼ y :⇔ D(x, y) = 0 zu einer Aequivalenzrelation. Es sei nun C X := CF(X)/ ∼ die Menge der Aequivalenzklassen und [x] die zu x gehö- rige Aequivalenzklasse. Für [x], [y] ∈ C X definieren wir dC ([x], [y]) := D(x, y) (wohldefiniert: [x′ ] = [x], [y ′ ] = [y] ⇒ D(x, y) ≤ D(x, x′ ) + D(x′ , y ′ ) + D(y ′ , y) und D(x′ , y ′ ) ≤ D(x, y) per Symmetrie). Damit wird dC zu einer Distanz auf C X und man definiert h : X → C X, p 7→ f (p) := [(pn )n ]. Diese Abbildung ist distanzerhaltend: D(f (p), f (q)) = lim d(p, q) = d(p, q). Es verbleibt zu zeigen, dass C X vollständig ist. Dazu zeigen wir zunächst: Es sei z ∈ C X, d.h. z = [(xn )n ]. Dann gilt limk→∞ h(xk ) = z. Insbesondere ist h(X) dicht in C X. Es sei ε > 0 und N ∈ N, sodass d(xk , xn ) < ε ∀k ≥ N, ∀n ≥ N . Für jedes k ≥ N gilt D(h(xk ), (xi )i≥0 ) = limn→∞ d(xk , xn ) ≤ ε. Also gilt dC (h(xk ), z) ≤ ε, was die Behauptung beweist. Wir zeigen noch die folgende Eigenschaft: Ist (Z, ρ) ein metrischer Raum und A ⊂ Z, für den gilt, dass (i) A = Z und, dass (ii) jede Cauchy-Folge in A in Z konvergiert, so folgt, dass Z vollständig ist: Es sei (zn )n eine Cauchy-Folge in Z. Für alle n ≥ 1 existiert ein an ∈ A mit d(an , zn ) < n1 . Dann ist auch (an )n eine Cauchy-Folge. Ist nun p ∈ Z der Limes von (an )n≥1 , d.h., limn→∞ d(an , p) < n1 , so folgt limn→∞ d(zn , p) = 0. Anwenden dieser Tatsache auf (Z, ρ) = (C X, dC ) zeigt die Behauptung des Satzes. 15 1 TOPOLOGISCHE RÄUME UND STETIGE ABBILDUNGEN Montag, 15.03.10 Definition 1.55 (Gleichmäßige Stetigkeit). Es seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische Räume. Eine Abbildung f : X → Y heißt gleichmäßig stetig, falls ∀ε ∃δ > 0, sodass dX (x, y) < δ ⇒ dY (f (x), f (y)) < ε. Lemma 1.56. Es seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische Räume, A ⊂ X und f : A → Y . Falls (i) f gleichmäßig stetig und (ii) Y vollständig ist, so gibt es eine stetige Fortsetzung F : A → Y von f . Beweis. Es seien x ∈ A und (an )n , (a′n )n Folgen in A mit limn an = x = limn a′n . Allgemein ist das Bild einer Cauchy-Folge unter einer gleichmäßig stetigen Abbildung wieder eine Cauchy-Folge. Insbesondere sind (f (an ))n und (f (a′n ))n Cauchy-Folgen in Y . Es sei also l = limn f (an ) und l′ = limn f (a′n ). Wegen d(an , a′n ) → 0 und der gleichmäßigen Stetigkeit von f folgt l = l′ . Damit ist die folgende Abbildung wohldefiniert: F : A → Y, x 7→ limn f (an ). Aus der gleichmäßigen Stetigkeit von f folgt die Stetigkeit von F . Aus Lemma 1.56 folgt: Korollar 1.57. Es seien (X, dX ), (Y, dY ) metrische Räume und f : X → Y eine Abbildung. Falls (i) f gleichmäßig stetig ist und (ii) Y vollständig ist. Dann gibt es eine stetige Abbildung F : C X → Y , sodass F ◦ h = f (kommutierendes Diagramm). 16 2 KOMPAKTHEIT 2 Kompaktheit 2.1 Grundlegendes Aus der Analysis ist bekannt, dass eine stetige Funktion f : [a, b] → R ihr Maximum und ihr Minimum annimmt und gleichmäßig stetig ist. Dies ist eine Aussage über das Intervall [a, b]. Definition 2.1 (Ueberdeckung). (i) Eine Familie A ⊂ P(X) von Untermengen von X heißt Ueberdeckung, falls S X = A∈A A (ii) Es sei X topologisch. Eine Ueberdeckung heißt offen, falls sie aus offenen Mengen besteht. (iii) Eine Teilüberdeckung von A ist eine Ueberdeckung B mit B ⊂ A. Definition 2.2 (Kompakter Raum). Ein topologischer Raum X heißt kompakt, falls jede offene Ueberdeckung eine endliche Teilüberdeckung enthält. Beispiel 2.3. (i) Betrachte (R, T eukl ) und A := {(n, n + 2) | n ∈ Z}. Es existiert keine endliche Teilüberdeckung. (ii) Betrachte R, T f , wobei T f = {A ⊂ R | |Ac | < ∞} ∪ {∅}. Diese Topologie ist die gröbste, die jedes Polynom stetig macht und R ist mit dieser Topologie kompakt. (iii) Es sei X := {0}∪{ n1 | n ∈ N∗ }. Mit der Teilraumtopologie ist dieser Raum kompakt. (iv) Das Intervall (0, 1] = {x ∈ R | 0 < x ≤ 1} ist mit der Teilraumtopologie nicht kompakt. Wähle etwa die offene Ueberdeckung n1 , 1 | n ≥ 1}. Bemerkung 2.4 (Kompakte Teilmenge). Es sei X topologisch. Eine Untermenge Y ⊂ X heißt kompakt, falls sie mit der Teilraumtopologie kompakt ist. Lemma 2.5. Ein Teilraum Y ⊂ X ist genau dann kompakt, wenn jede Ueberdeckung von Y durch offene Mengen aus X eine endliche Teilüberdeckung von Y besitzt. Satz 2.6. Es sei X topologisch und Y ⊂ X. (i) Falls X kompakt und Y abgeschlossen ist, ist auch Y kompakt. (ii) Falls X Hausdorff und Y kompakt ist, so ist Y abgeschlossen. 17 2 KOMPAKTHEIT Beweis. (i) Es sei A eine Ueberdeckung von Y mit offenen Mengen von X, dann ist A′ := A ∪{X − Y } eine offene Ueberdeckung von X, die eine endliche Teilüberdeckung enthält. (ii) Wir zeigen, dass X − Y offen ist: Es sei x 6∈ Y . Für jedes y ∈ Y sei Vy eine offene Umgebung von y und Wy eine offene Umgebung von x, S welche Vy nicht schneidet. Die Menge y∈Y Vy enhält dann eine endliche Tn Sn Teilüberdeckung i=1 Vyi ⊃ Y . Sodann ist W = i=1 Wyi disjunkt zu Y . Der folgende Satz ist trotz seiner Einfachheit eines der wichtigsten Resultate über Kompaktheit: Satz 2.7. Es seien X, Y topologische Räume und f : X → Y eine stetige Abbildung. Falls X kompakt ist, folgt, dass f (X) kompakt ist. 18 2 KOMPAKTHEIT Donnerstag, 18.03.10 Beweis. Mittels Definition durch Ueberdeckungen. Korollar 2.8. Es sei f : X → Y eine bijektive, stetige Abbildung. Falls X kompakt und Y Hausdorff ist, folgt, dass f ein Homöomorphismus ist. Beweis. Verwende Satz 1.24 (iii): Man zeige, dass (f −1 )−1 (F ) = f (F ) ⊂ Y für jede abgeschlossene Menge F ⊂ X abgeschlossen ist durch Benutzung vorangehender Sätze. Definition 2.9 (Endlicher-Durchschnitt Eigenschaft). Eine Familie A ⊂ P(X) besitzt die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft, falls für jede endliche Teilmenge T C ⊂ A der Durchschnitt C nicht leer ist. Etwa hat A := {[n, ∞] | n ∈ N} die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft. Satz 2.10. Es sei X ein topologischer Raum. Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent: (i) X ist kompakt. (ii) Für jede Familie C ⊂ P(X) bestehend aus abgeschlossenen Mengen, die T die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft hat, ist auch C nicht leer. Beweis. Zeige: Aussage (i) impliziert (ii) per Widerspruch in (ii). Die Implikation (ii) ⇒ (i) folgt durch Konstruktion einer endlichen Teilüberdeckung zu einer beliebigen offenen Ueberdeckung. 2.2 Der Satz von Tychonoff Theorem 2.11 (Tychonoff). Ein beliebiges Produkt kompakter topologischer Räume ist kompakt. Definition 2.12. Strikte Ordnung: Irreflexivität, Transitivität. Es sei A strikt geordnet, dann heißt A vollständig geordnet, falls ∀x 6= y ∈ A : entweder x < y oder y < x. Definition 2.13. Obere Schranke bzgl. einer Teilmenge einer strikt geordneten Menge. Maximales Element einer strikt geordneten Menge. Satz 2.14 (Zorn). Es sei A strikt geordnet. Falls jede vollständig geordnete Untermenge von A eine obere Schranke besitzt, so existiert ein maximales Element in A. 19 2 KOMPAKTHEIT Montag, 22.03.10 Bemerkung 2.15. Das Zornsche Lemma wird zum Beispiel benutzt, um zu zeigen, dass jeder Vektorraum eine Basis besitzt. Lemma 2.16. Es sei X eine Menge und A ⊂ P(X) eine Familie von Unter- mengen von X, die die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft besitzt. Dann gibt es ein D ⊂ P(X) mit den folgenden Eigenschaften: (i) D ⊃ A. (ii) D hat die endlicher-Durschnitt Eigenschaft. (iii) Falls E ⊂ P(X) mit E ) D, dann besitzt E nicht die endlicher-Durchschnitt Eigeschaft. Beweis. Betrachte P(P(X)) mit strikter Inklusion. Dann gilt A ∈ P(P(X)). Betrachte nun A := {E ∈ P(P(X)) | E ⊃ A, E hat endlicher-Durchschnitt Eigenschaft} = 6 ∅ Hier erfüllt A die Voraussetzungen des Zorn’schen Lemmas: Es sei B ⊂ A vollS ständig geordnet. Dann ist E∈B E eine obere Schranke für B. Gemäß dem Zornschen Lemma existiert also ein maximales Element D ∈ A. Korollar 2.17. Es sei X eine Menge und D ⊂ P(X) eine Familie von Mengen, welche die endlicher-Durschschnitt Eigenschaft besitzt und maximal bezüglich dieser. (Eigenschaften (ii), (iii) von Lemma 2.16). Dann gelten folgende Aussagen: (i) Aus {Y1 , . . . , Yn } ⊂ D folgt Tn i=1 Yi ∈ D. (ii) Ist A ⊂ X, sodass A ∩ D 6= ∅ ∀D ∈ D. Dann folgt A ∈ D. 20 2 KOMPAKTHEIT Wir beweisen nun den Satz von Tychonoff: Beweis. Es sei (Xα )α∈A eine Familie von kompakten Räumen und X := mit der Produkttopologie versehen. Letztere hat Q α∈A Xα S = {πβ−1 (Uβ ) | Uβ ⊂ Xβ offen, β ∈ A} als Subbasis. Wir zeigen: Falls A ⊂ P(X) die endlicher-Durchschnitt Eigenschaft T hat, so ist A∈A A 6= ∅. Es sei D ⊂ P(X) wie in Lemma 2.16, d.h. D ⊃ A, D hat die endlicher- Durchschnitt Eigenschaft und D ist maximal. Für Obiges genügt es nun, zu T zeigen, dass D∈D D nicht leer ist. Für jedes α ∈ A betrachten wir Dα := {πα (D) | D ∈ D}. Dann hat Dα die T endlicher-Durchschnitt Eigenschaft. Da Xα kompakt ist, gilt also D∈D πα (D) 6= T Q ∅. Es sei nun xα ∈ D∈D πα (D) und x = (xα )α∈A ∈ α∈A Xα . Wir zeigen, dass x ∈ D ∀D ∈ D: Es sei πβ−1 (Uβ ) ∈ S und x ∈ πβ−1 (Uβ ), d.h. xβ ∈ Uβ . Wegen xβ ∈ πβ (D) gilt Uβ ∩ πβ (D) 6= ∅ und somit D ∩ πβ−1 (Uβ ) 6= ∅. Also folgt πβ−1 (Uβ ) ∈ D wegen Korollar 2.17 (ii). Jedes Element der Subbasis, das x enthält liegt also in D. Nach Korollar 2.17 (i) ist dann auch jedes Basiselement, das x enthält in D enthalten. Also hat jede offene Menge U , die x enthält, nichtleeren Durchschnitt mit D ∀D ∈ T D : U ∩ D 6= ∅, woraus x ∈ D∈D D folgt. Beispiel 2.18. Es sei (K, d) ein nichtleerer, kompakter, metrischer Raum und T : K → K ein Homöomorphismus. Dann gibt es ein Wahrscheinlichkeitsmaß µ ∈ M 1 (K), welches T -invariant ist, d.h. µ ist ein normiertes, reguläres σ- additives Maß auf den Borel-Mengen von K, sodass µ(T −1 (B)) = µ(B) ∀B Borel. 21 2 KOMPAKTHEIT Donnerstag, 25.03.10 2.3 Kompaktheit und metrische Räume Es sei (X, d) ein metrischer Raum und B(x, R) := {y ∈ X | d(x, y) < R} der offene Ball mit Radius R und Zentrum X. Den abgeschlossenen Ball mit Radius R und Zentrum definieren wir durch Bc (x, R) := {y ∈ X | d(x, y) ≤ R}. Es gilt B(x, R) ⊂ Bc (x, R). Gleichheit gilt im Allgemeinen nicht. Im Fall (X, d) = (Qp , dp ) und R = pk ist etwa B(x, pk ) für alle x ∈ X offen und abgeschlossen. Für A ⊂ X, x ∈ X definieren wir d(x, A) = inf{d(x, y) | y ∈ A}. Dann gilt |d(x, A) − d(y, A)| ≤ d(x, y) ∀x, y ∈ X und die Funktion x 7→ d(x, A) ist stetig. Schließlich definieren wir noch den Durchmesser einer Menge A: diamA = sup{d(x, y) | x, y ∈ A} ∈ [0, ∞]. Eine Menge A heißt beschränkt, falls diamA < ∞. Lemma 2.19. Es sei (X, d) metrisch und A ⊂ X kompakt. Dann ist A abgeschlossen und beschränkt. Beweis. Abgeschlossenheit folgt daraus, dass X Hausdorff ist. Wir zeigen noch, S dass A beschränkt ist: Für jedes x0 ∈ X ist X = n∈N B(x0 , N). Diese Ueberdeckung von A durch offene Mengen enthält eine endliche Teilüberdeckung. Satz 2.20 (Heine-Borel). Eine Teilmenge A ⊂ Rn ist genau dann kompakt, wenn sie beschränkt und abgeschlossen ist. Bemerkung 2.21. Es sei X diskret und kompakt. Dann ist X endlich. Beispiel 2.22. Die Menge Bc (0, 1) = {(xn )n ∈ l2 (N) | P∞ n=0 |xk |2 ≤ 1} ist abgeschlossen und beschränkt in l2 (N). Sie ist jedoch nicht kompakt. Wir kommen nun zur Verallgemeinerung des Satzes, dass eine auf [0, 1] stetige Funktion gleichmäßig stetig ist. Lemma 2.23. Es sei A eine offene Ueberdeckung des metrischen Raumes (X, d). Falls X kompakt ist, so gibt es ein δ > 0, sodass jede Untermenge mit Durchmesser kleiner δ in einem Element von A enthalten ist. Beweis. Es sei {A1 , . . . , An } ⊂ A eine endliche Teilüberdeckung von X. Wir können annehmen, dass Ai 6= X, 1 ≤ i ≤ n. Definiere Fi := X − Ai und betrachte die Funktion n f : X → R, x 7→ 22 1X d(xi , Fi ) n i=1 2 KOMPAKTHEIT Hier ist f als Summe stetiger Funktionen stetig. und f (x) > 0 ∀x ∈ X. Nun ist f (x) ⊂ R kompakt und daher abgeschlossen. Da 0 6∈ f (X) gibt es ein δ > 0, sodass (−δ, δ) ∩ f (x) = ∅. Also ist f (x) > δ ∀x ∈ X. Insbesondere gibt es für jedes x ∈ X ein Ai , sodass d(x, Fi ) < δ. Im vorheringen Lemma heißt δ eine Lebesgue-Zahl für A. Satz 2.24. Es seien (X, dX ), (X, dY ) metrische Räume und f : X → Y stetig. Falls X kompakt ist, folgt, dass f gleichmäßig stetig ist. 23 2 KOMPAKTHEIT Montag, 29.03.10 Definition 2.25. (i) Ein topologischer Raum X heißt folgenkompakt, falls jede Folge (xn )n eine konvergente Unterfolge besitzt. (ii) Ein metrischer Raum (X, d) heißt total beschränkt, falls für jedes ε > 0 der Raum X mit endlich vielen ε-Bällen überdeckt werden kann. Satz 2.26. Es sei (X, d) ein metrischer Raum. Folgende Eigenschaften sind äquivalent: (i) X ist kompakt. (ii) X ist folgenkompakt. (iii) (X, d) ist vollständig und total beschränkt. (Es folgt unmittelbar der Satz von Heine-Borel). Beweis. Die Implikation (i) ⇒ (ii) ist eine Uebung. Wir zeigen: (ii) impliziert (iii): Es sei (xn )n eine Cauchy-Folge. Nach Voraussetzung gibt es natürliche Zahlen n1 < n2 < . . . , sodass (xnk )k konvergiert. Definiere l = limk→∞ xnk . Dann konvergiert auch (xn )n gegen l, d.h., (X, d) ist vollständig. Zu zeigen ist noch, dasss (X, d) total beschränkt ist: Es sei ε > 0 und S ⊂ X maximal, sodass {B(s, ε) | s ∈ S} aus paarweise disjunkten Bällen besteht (Zorn). Da X folgenkompakt ist, folgt |S| < ∞. Aus der Maximalität S von S folgt X = s∈S B(s, 2ε); die Gegenannahme lieferte einen Widerspruch zur Maximalität von S. Schließlich ist (i) eine Folgerung von (iii): Es sei A eine offene Ueberdeckung von X. Wir nehmen an, dass keine endliche Unterfamilie von A den Raum X überdeckt. Für jedes n ≥ 1 sei Sn ⊂ X eine endliche Menge, sodass B s, n1 = X. Konstruiere induktiv eine Folge sk ∈ Sk , k ≥ 1 mit folgenden Eigenschaften: Tn Falls In := k=1 B sk , k1 , so ist In 6= ∅ ∀n ≥ 1 und A enthält keine endliche S Teilüberdeckung von In : Es ist X = s∈S1 B(s, 1). Dann gibt es ein s1 ∈ S1 , sodass A keine endliche Teilüberdeckung von B(s1 , 1) enthält. Für den IndukS 1 tionsschritt In = s∈Sn+1 In ∩ B s, n+1 . Dann gibt es ein sn+1 ∈ Sn+1 , 1 übersodass keine endliche Unterfamilie von A die Menge In ∩ B sn+1 , n+1 1 deckt. Definiere In+1 durch In ∩ B sn+1 , n+1 . Dann ist (In )n eine absteigende Folge von nichtleeren Mengen mit diamIn ≥ n2 . Für jedes n ≥ 1 wählen wir en xn ∈ In . Dann bildet (xn )n eine Cauchy-Folge; es sei l := limn→∞ xn . Es exis- tiert ein U ∈ A mit l ∈ U . Da U offen ist, gibt es ein ε > 0 mit B(l, ε) ⊂ U und n kann so gewählt werden, dass In ⊂ B(l, ε) ⊂ U . 24 2 KOMPAKTHEIT 2.4 Lokalkompakte Räume Definition 2.27 (Lokale Kompaktheit). Ein topologischer Raum heißt lokalkompakt, falls jeder Punkt eine kompakte Umgebung besitzt. Beispiel 2.28. (i) (Rn , T eukl ). (ii) (Rn , T f ). (iii) Kompaktheit impliziert lokale Kompaktheit. (iv) Q ⊂ R ist mit der Teilraumtopologie nicht lokalkompakt. (v) Es sei (X, d) metrisch und lokalkompakt. Dann existiert für jedes x ∈ X ein εx > 0, sodass der metrische Raum Bc (x, ε) vollständig ist. (vi) (0, 1) ⊂ R ist lokalkompakt. Satz 2.29. Es sei X Hausdorff und lokalkompakt. Dann gibt es einen topologischen Raum Y mit den folgenden Eigenschaften: (i) X ist Teilraum von Y , d.h., die von Y auf X induzierte Topologie stimmt mit der gegebenen überein. (ii) |Y − X| = 1. (iii) Y ist kompakt und Hausdorff Ist Y ′ ein topologischer Raum mit den obigen Eigenschaften, so gibt es einen Homöomorphismus Y ′ → Y , der auf X die Identität induziert. Definition 2.30 (Ein-Punkt-Kompaktifizierung). Ein Raum Y wie im Satz 2.29 heißt Ein-Punkt-oder Alexandroff-Kompaktifizierung von X. Er wird zumeist mit βX bezeichnet. Beweis. (Satz 2.29). Es sei {∞} eine einelementige Menge und definiere Y = X ∪ {∞}. Weiter sei T := {U ⊂ Y | U ∈ T X , U = Y − C, C ⊂ X kompakt}. Dann definiert T eine Topologie auf Y . Es sei Uα , α ∈ A eine Familie von Elementen von T . Dann ist !c \ [ [ [ c Cα (Y − Cα ) = U ∩ Uα ∪ Uα = α∈A α∈A1 α∈A2 α∈A2 S für U := α∈A1 , A1 := {α ∈ A | Uα ∈ T X }, A2 = A − A1 . Ein ähnliches Argument lässt sich im Fall des endlichen Durchschnitts anwenden. 25 2 KOMPAKTHEIT Es sei noch α ∈ A2 . Dann ist Uα = Y − C für eine kompakte Menge C ⊂ X und Uα ∩ X = X − C offen, da X Hausdorff ist. Des Weiteren ist Y kompakt: Es sei A = {Uα | α ∈ A} eine offene Ueberde- ckung von Y . Da ∞ ⊂ Y gibt es ein kompaktes C ⊂ X, sodass Y − C ∈ A und A′ = {Uα ∩ X | α ∈ A} eine offene Ueberdeckung von X und somit von C, d.h. Sn es existieren α1 , . . . , αn mit i=1 Uαi ⊃ C. und {Y − C, Uα1 , . . . , Uαn } ist eine endliche Teilüberdeckung von Y . Schließlich ist Y Hausdorff: Es sei x ∈ X und ∞ ∈ Y . Weiter sei C eine kompakte Umgebung von x. Definiere U = Y − C. Dann ist U offen, U ∋ ∞ ud U ∩ C = ∅. 26 2 KOMPAKTHEIT Donnerstag, 01.04.10 Beispiel 2.31. Wir betrachten S n := {x ∈ Rn+1 | ||x||2 = 1} ⊂ Rn+1 . Dann ist β Rn ∼ = S n . Im Fall n = 2 ist die Aussage etwa aus der Funktionentheorie bekannt. Korollar 2.32. Es sei X Hausdorff. Folgende Aussagen sind sodann äquivalent: (i) X is lokalkompakt. (ii) ∀x ∈ X, ∀U ∈ U(x) : ∃V ∈ U(x), sodass V ⊂ U, V ist kompakt. Beweis. Es sei U eine Umgebung von x und K eine komapkte Umgebung von x. Dann ist U ∩ K eine Umgebung von x. Es sei nun x ∈ O ⊂ K ∩ U offen. Dann ist insbesondere O kompakt. Definiere C = βX − O. Wegen x 6∈ C existieren offene, disjunkte Umgebungen V , W von x bzw. C. Es folgt V ∩ W = ∅ und somit V ⊂ O ⊂ U ∩ K. Korollar 2.33. Es sei X Hausdorff und lokalkompakt. Ein Teilraum A ⊂ X ist genau dann lokalkompakt, wenn A offen in A ist (d.h., ∃U offen derart, dass A = U ∩ A). 27 3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM Montag, 12.04.10 3 Räume stetiger Abbildungen, Ascoli’s Theorem Wir studieren den Raum C(X, Y ) für topologische Räume X, Y . Auf ihm werden wir die Topologie der punktweisen, gleichmäßigen und kompakten Konvergenz studieren. Tatsächlich werden wir diese auf Y X betrachten. 3.1 Topologie der punktweisen Konvergenz Es sei X eine Menge und Y ein topologischer Raum. Für x ∈ X und U ∈ T Y definieren wir S(x, U ) := {f ∈ Y X | f (x) ∈ U }. Dann bildet S := {S(x, U ) | x ∈ X, U ∈ T Y } die Subbasis einer Topologie auf Y X , nämlich der Produkttopologie. Diese Topologie hat folgende Eigenschaft: Eine Folge (fn )n∈N in Y X konvergiert genau dann gegen f ∈ Y X , wenn für alle x ∈ X die Folge (fn (x))n in Y gegen f (x) konvergiert. Man nennt diese Topologie daher die Topologie der punktweisen Konvergenz. Bemerkung Die Menge C([0, 1], R) ⊂ R[0,1] ist nicht abgeschlossen. 3.2 Topologie der gleichmäßigen Konvergenz Es sei X eine Menge und (Y, d) ein metrischer Raum. Um auf Y X eine Topologie zu definieren, versuchen wir eine Distanz auf diesem Raum zu etablieren: Für f, g ∈ Y X betrachte man etwa sup{d(f (x), g(x)) | x ∈ X}. Da dieser Ausdruck den Wert ∞ annehmen kann, betrachten wir die zu d äquivalente Metrik d = min{d, 1}: Für f, g ∈ Y X definieren wir damit die Distanz du (f, g) = sup{d(f (x), g(x)) | x ∈ X}. Die dadurch auf Y X definierte Topologie heißt Topologie der gleichmäßigen Konvergenz. Man beachte, dass damit eine Topologie auf dem gesamten Raum Y X definiert ist. Satz 3.1. Es sei X topologisch. Bzgl. der Topologie der gleichmäßigen Konvergenz ist C(X, Y ) ⊂ Y X abgeschlossen. Beweis. Es sei f ∈ C(X, Y ). Da Y X metrisch ist, existiert eine Folge (fn )n∈N in C(X, Y ) sodass limn→∞ du (f, fn ) = 0. Es sei weiter x ∈ X, 0 < ε ≤ 1 und fN , sodass du (f, fN ) < ε/3, d.h. ∀p ∈ X : d(fN (p), f (p)) < ε/3. Weiterhin sei −1 V eine Umgebung von x ∈ X mit V ⊂ fN (B(fN (x), ε/3)); fN ist stetig. Für alle z ∈ V ist dann d(fN (z), fN (x)) < ε/3 und für alle z ∈ V gilt d(f (z), f (x)) ≤ d(f (z), fN (z)) + d(fN (z), fN (x)) + d(fN (x), f (x)) ≤ ε. 28 3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM 3.3 Topologie der kompakten Konvergenz Es sei X ein topologischer Raum und (Y, d) metrisch. Weiterhin sei C ⊂ X kompakt. Für f ∈ Y X und ε > 0 bezeichne BC (f, ε) die Menge aller g ∈ Y X , für welche sup{d(f (x), g(x)) | x ∈ C} < ε. Lemma 3.2. Die Menge B := {BC (f, ε) | C ⊂ X kompakt, f ∈ Y X , ε > 0} bildet eine Basis für eine Topologie auf Y X . Definition 3.3. Die in Lemma 3.2 definierte Topologie heißt Topologie der kompakten Konvergenz. Bemerkung 3.4. Eine Folge (fn )n∈N in Y X konvergiert in der Topologie der kompakten Konvergenz gegen f ∈ Y X , falls für jede kompakte Untermenge C ⊂ X die Folge (fn |C )n gleichmäßig gegen f |C konvergiert. Satz 3.5. Es sei X lokalkompakt. Dann ist C(X, Y ) in Y X bzgl. der Topologie der kompakten Konvergenz abgeschlossen. Beweis. Es liege f ∈ Y X im Abschluss von C(X, Y ). Für jedes x ∈ X existiert eine offene Umgebung Vx ∈ U(x) mit kompakten Abschluss Vx . Für jede kompakte Menge C ⊂ X und jede natürliche Zahl n ≥ 1 gibt es ein fnC ∈ BC (f, n1 ) ∩ C(X, Y ). Dann ist (fnC ) |C n eine Folge stetiger Abbildungen, die auf C gleichmäßig gegen f |C konvergiert. Nach Satz 3.1 ist also f |C : C → Y stetig. Insbesondere ist f |Vx : Vx → Y stetig; daraus folgt, dass f stetig ist. (Man nutzt, dass eine beliebige Vereinigung offener Mengen offen ist.). 3.4 Das Theorem von Ascoli Es geht darum, kompakte Mengen in C(X, Y ) bzgl. der Topologie der kompakten Konvergenz zu charakterisieren. Der Begriff der gleichgradigen Stetigkeit wird relevant sein: Definition 3.6 (Gleichgradige Stetigkeit). Es sei X ein topologischer und (Y, d) ein metrischer Raum. Eine Familie F ⊂ C(X, Y ) ist im Punkt x0 ∈ X gleichgradig stetig, falls für jedes ε > 0 eine Umgebung U ∈ U(x0 ) gibt, sodass d(f (x), f (x0 )) < ε ∀x ∈ U, ∀f ∈ F . 29 3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM Theorem 3.7 (Ascoli). Es sei X topologisch und (Y, d) metrisch. Wir versehen C(X, Y ) mit der Topologie der kompakten Konvergenz. Weiter sei F ⊂ C(X, Y ). Dann gilt: (i) Falls F gleichgradig stetig ist und ∀a ∈ X : F a = {f (a) | f ∈ F} ⊂ Ca , Ca ⊂ Y kompakt, so gilt F ⊂ K für ein kompaktes K ⊂ C(X, Y ). (ii) Falls X lokalkompakt und Hausdorff ist, so gilt die Umkehrung. 30 3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM Donnerstag, 15.04.10 Beweis. Betrachte die Abbildung i : C(X, Y ) → Y X , f 7→ (f (x))x∈X , wobei C(X, Y ) mit der Topologie der kompakten Konvergenz und Y X mit der Topologie der punktweisen Konvergenz, d.h., der Produkttopologie versehen ist. Definiere G := i(F). Schritt 1: G ist kompakt in Y X . Für alle a ∈ X sei Ca ein kompakte Menge, die F a enthält. Nach Tychonoff Q ist dann α∈X Ca in Y X kompakt und somit abgeschlossen (da Y X Hausdorff Q Q ist) als. Wegen i(F) ⊂ a∈X F a ⊂ a∈X Ca ist G = i(F ) als abgeschlossene Teilmenge einer kompakten Menge kompakt. Schritt 2: G ⊂ i(C(X, Y )) und G ′ := i−1 (G) ⊂ C(X, Y ) ist gleichgradig stetig. Es sei x0 ∈ X, ε > 0 und U eine Umgebung von x0 , sodass d(f (x), f (x0 )) < ε/3 ∀x ∈ U ∀f ∈ F . Zu zeigen ist, dass ∀(gx )x∈X ∈ G und ∀y ∈ U : d(g(y), g(x0 )) < ε. Es seien (g(x))x∈X ∈ G und y ∈ U fix. Definiere Vy,x0 = (h(x))x∈X ∈ Y X | d(h(y), g(y)) < ε/3 und d(h(x0 ), g(x0 )) < ε/3 . Dann ist Vy,x0 eine offene Menge in Y X , die (g(x))x∈X enthält. Demnach ist Vy,x0 ∩ i(F ) 6= ∅. Somit gibt es ein f ∈ F mit i(f ) = (f (x))x∈X ∈ Vy,x0 . Insgesamt folgt d(g(y), g(x0 )) ≤ d(g(y), f (y)) + d(f (y), f (x0 )) + d(f (x0 ), g(x0 )) < ε. Folglich ist g ∈ i(C(X, Y )) und G ′ = i−1 (y) ist gleichgradig stetig. Schritt 3: Betrachte (g0 (x))x∈X ∈ G, g0 ∈ C(X, Y ). Es sei C ⊂ X kompakt und ε > 0. Dann ist BC (g0 , ε) = {f ∈ C(X, Y ) | supx∈C d(g0 (x), f (x)) < ε} ein Basiselement der Topologie der kompakten Konvergenz auf C(X, Y ). Wir zeigen: Es existiert eine Umgebung Bg0 von (g0 (x))x∈X in Y X , sodass Bg0 ∩G ⊂ i(BC (g0 , ε)) ∩ G = i(BC (g0 , ε) ∩ G ′ ). Wir benutzen, die gleichgradige Stetigkeit von G ′ : ∀x ∈ C sei Ux eine offene Umgebung von x ∈ X, sodass d(g(y), g(x)) < Da C ⊂ T x∈C ε ∀y ∈ U, ∀g ∈ G ′ . 4 Ux und C kompakt ist, gibt es {x1 , . . . , xn } ⊂ C, sodass C ⊂ 31 3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM Tn i=1 Uxi . Wir setzen dann Bg0 := {(h(x))x∈X ∈ Y X | d(h(xi ), g0 (xi )) < ε , i ≤ i ≤ n}, 4 eine offene Umgebung von (g0 (x))x∈X in Y X . Die ist Aussage ist damit wie folgt einzusehen: Es sei (h(x))x∈X ∈ Bg0 ∩ G und x ∈ C. Dann gibt es ein 1 ≤ j ≤ n, sodass x ∈ Uxj und es gilt: d(h(x), h(xj )) < ε , 4 d(h(xj ), g0 (xj )) < ε , 4 d(g0 (x), g0 (xj )) < ε . 4 Insgesamt folgt d(h(x), g0 (x)) < 3 ε 4 ⇒ sup d(h(x), g0 (x)) ≤ x∈C 3 ε < ε. 4 und somit Bg0 ∩ G ⊂ i(BC (g0 , ε) ∩ G ′ ). Schritt 4: Die Abbildung i|G′ : G ′ → G ist ein Homöomorphismus. Klarerweise ist die Abbildung bijektiv. Da die Abbildung i : C(X, Y ) → Y X stetig ist, ist es auch die Einschränkung auf G ′ . Es bleibt zu zeigen, dass i|G′ offen ist. Diese Aussage folgt jedoch aus Schritt 3. Schritt 5: G kompakt ⇒ G ′ ist kompakt. Die Aussage ist nach dem Vorangehenden klar. Da G ′ kompakt ist und F enthält, folgt Aussage (i) des Satzes von Ascoli. 32 3 RÄUME STETIGER ABBILDUNGEN, ASCOLI’S THEOREM Montag, 19.04.10 Bemerkung Ende des Beweises von Teil (i) des Satzes von Ascoli. Um nun Aussage (ii) zu beweisen, sei X topologisch und (Y, d) metrisch. Auf Y haben wir die uniforme Distanz du : X du ((f (x))x∈X , (g(x))x∈X ) = sup d(f (x), g(x)), d(a, b) := min{d(a, b), 1}. x∈X Lemma 3.8. Es sei F ⊂ C(X, Y ) eine Menge die bzgl. der uniformen Distanz du total beschränkt ist. Dann ist F gleichgradig stetig. Beweis. Es sei 0 ≤ ε < 1, x0 ∈ X und δ := ε/3. Wähle B(f1 , δ), . . . , B(fn , B), Sn sodass C ⊂ i=1 B(fi , δ). Es gibt eine offene Umgebung U von x0 ∈ X, sodass d(fi (x), fi (x0 )) < δ für alle x ∈ U und für alle i ∈ {1, . . . , n}. Ist nun f ∈ F und i ∈ æ1, . . . , n}, sodass f ∈ B(fi , δ). Insbesondere gilt d(f (x), fi (x)) < δ ∀x ∈ X. Wegen δ < 1 gilt d(f (x), fi (x)) ∀x ∈ X. Für x ∈ U gilt dann d(f (x), f (x0 )) ≤ d(f (x), fi (x)) + d(fi (x), fi (x0 )) + d(fi (x0 ), f (x0 )) < ε. Wir beweisen nun Aussage (ii) des Satzes von Ascoli: Beweis. Es sei X lokalkompakt Hausdorff und F ⊂ C(X, Y ) in einer kompakten Menge K enthalten. Für a ∈ X ist ea : C(X, Y ) → Y, f 7→ f (a) stetig. Also ist F a = ea (F) in einer kompakten Teilmenge von Y enthalten, nämlich ea (K). Es sei nun A ⊂ X kompakt. Wir betrachten die Einschränkungsabbildung RA : C(X, Y ) → C(A, Y ), f 7→ f |A , welche stetig ist. Folglich ist RA (F) in der kompakten Menge RA (K) enthalten. Auf C(A, Y ) sitmmen nun die Topologie der kompakten Konvergenz und jene der gleichmäßigen Konvergenz überein. Aus Lemma 3.8 folgt nun, dass RA (F) ⊂ RA (K) gleichgradig stetig sind, da eine kompakte Teilmenge einen metrischen Raumes total beschränkt ist. Wähle nun x ∈ X und eine kompakte Umgebung A von x. Beispiel 3.9. Unterräume von L2 (D, dλ), wobei λ das Lebesguemaß und D die offene Einheitskreisscheibe bezeichnet. 33 4 ZUSAMMENHANG Donnerstag, 22.04.10 4 Zusammenhang 4.1 Allgemeine Eigenschaften Satz 4.1. Folgende Eigenschaften eines topologischen Raumes X sind äquivalent: (i) Falls X = A ∪ B für offene, disjunkte A, B, so folgt A = ∅ oder B = ∅. (ii) Aussage (i) für abgeschlossene Mengen. (iii) ∅, X sind die einzigen gleichzeitig offenen und abgeschlossenen Mengen. Definition 4.2 (Zusammenhang). Ein topologischer Raum X heißt zusammenhängend, falls er die äquivalenten Eigenschaften aus Satz 4.1 erfüllt. Beispiel 4.3. (i) (X, T triv ) ist zusammenhängend. (ii) (X, T dis ), |X| ≥ 2 ist nicht zusammenhängend. (iii) (R, T eukl ) ist zusammenhängend. (Satz 4.7). ) ist nicht zusammenhängend: Es gilt etwa Q = (−∞, (iv) (Q, T ind √ eukl ( 2, ∞) ∩ Q . √ 2) ∩ Q ∪ (v) Eine unendliche Menge mit der cofiniten Topologie ist zusammenhängend. Satz 4.4. Es sei X topologisch. Dann gilt: (i) Ist Cα , α ∈ I eine Familie von zusammenhängenden Unterräumen von X, S T die α∈I Cα 6= ∅ erfüllt, so ist auch α∈I Cα zusammenhängend. (ii) Sind A, B ⊂ X, die A ⊂ B ⊂ A erfüllen, so impliziert Zusammenhang von A Zuammenhang von B. Insbesondere ist A für jedes zusammenhängende A zusammenhängend. Satz 4.5. Das Bild einer zusammenhängenden Menge unter einer stetigen Abbildung ist wieder zusammenhängend. Satz 4.6. Ein beliebiges Produkt zusammenhängender Räume ist in der Produkttopologie zusammenhängend. 34 4 ZUSAMMENHANG Montag, 26.04.10 4.2 Zusammenhängende Untermengen von R. Wege Eine konvexe Menge in R ist eine Untermenge K ⊂ R, sodass [a, b] ⊂ K, falls a, b ⊂ K (a < b). Satz 4.7. Jede konvexe Untermenge von R ist zusammenhängend. Es gilt auch die Umkehrung. Definition 4.8 (Wegzusammenhang). Es sei X topologisch. Ein Weg mit Endpunkten x, y in X ist eine stetige Abbildung f : [a, b] → X mit f (a) = x, f (b) = y. Der Raum X heißt wegzusammenhängend, falls jedes Paar von Punkten in X Endpunkte eines Weges sind. Bemerkung 4.9. Jeder wegzusammenhängende Raum ist zusammenhängend. Beispiel 4.10. Betrachte die Funtion f : (0, 1/π) → [−1, 1], x 7→ sin(1/x). Der Abschluss des Graphen G von f , d.h. die Menge {{0} × [−1, 1]} ∪ {(x, sin x) | 0 < x < 1/π}, ist zusammenhängend, jedoch nicht wegzusammenhängend. 4.3 Zusammenhangskomponenten Es sei X topologisch. Wir führen die folgende Aequivalenzrelation ein: Für x, y ∈ X gelte x ∼ y :⇔ {x, y} ist in einem zusammenhängenden Teilraum von X enthalten. (Transitivität: Satz 4.4). Definition 4.11 (Zusammenhangskomponenten). Die Aequivalenzklassen der oben definierten Relation werden Zusammenhangskomponenten genannt. Zusammenhangskomponenten sind zusammenhängend. Korollar 4.12. Es sei C eine Zusammenhangskomponente und D ⊂ X ein zusammenhängender Teilraum. Dann gilt: (i) Falls D ∩ C 6= ∅, so folgt D ⊂ C. (ii) C ist abgeschlossen. Wir betrachten noch Wegzusammenhangskomponenten: Es gelte x ∼w y, falls x, y die Endpunkte eines Weges sind. Nach Wahl des konstanten Weges, der Umkehrung eines Weges und der Aneinanderhängung zweier Wege (Stetigkeit: Serie 3, Aufgabe 2) mit geeignetem Parameter, handelt es sich wiederum um eine Aequivalenzrelation. Die Aequivalenzklassen bzgl. dieser Relation heißen Wegzusammenhangskomponenten, kurz Wegkomponenten. Diese Komponenten haben i.A. keine spezielle topologische Eigenschaft. 35 4 ZUSAMMENHANG Donnerstag, 29.04.10 Beispiel 4.13. Wegzusammenhangskomponenten. Definition 4.14 (Lokaler (Weg-)Zusammenhang). Punktweise, ganzer Raum. Beispiel 4.15. Lokaler (Weg-)Zusammenhang. Satz 4.16. Es sei X topologisch. Dann gelten die folgenden Aussagen: (i) X ist genau dann lokal zusammenhängend, wenn jede Zusammenhangskomponente jeder in X offenen Menge in X offen ist. (ii) X ist genau dann lokal wegzusammenhängend, wenn jede Wegzusammenhangskomponente jeder in X offenen Menge in X offen ist. Satz 4.17. Es sei X topologisch. Dann gilt: (i) Jede Wegzusammenhangskomponente ist in einer Zusammenhangskomponente von X enthalten. (ii) Ist X lokal wegzusammenhängend, so stimmen Wegzusammenhangskomponenten und Zusammenhangskomponenten überein. 36 5 DIE QUOTIENTENTOPOLOGIE Montag, 03.05.10 5 Die Quotiententopologie Definition 5.1 (Quotientenabbildung). Es seien X, Y topologische Räume und p : X → Y eine surjektive Abbildung. Diese Abbildung ist eine Quotientenabbildung, falls folgende Eigenschaft erfüllt ist: Eine Untermenge U ⊂ Y ist genau dann offen, falls das Urbild p−1 (U ) ⊂ X offen ist. Bemerkung 5.2. (i) Eine Quotientenabbildung ist stetig. (ii) p ist Quotientenabbildung, falls F ⊂ Y genau dann abgeschlossen ist, wenn p−1 (F ) ⊂ X abgeschlossen ist. (iii) Es sei f : X → Y stetig und surjektiv. Falls f offen oder abgeschlossen ist, so ist f Quotientenabbildung. (iv) Es seien X, Y topologisch und X × Y versehen mit der Produkttopologie. Dann sind pX : X × Y → X, pY : X × Y → Y offen, stetig und surjektiv, also Quotientenabbildungen. Lemma 5.3. Es sei X topologisch und Y eine Menge sowie p : X → Y eine surjektive Abbildung. Dann gibt es auf Y genau eine Topologie bzgl. welcher p Quotientenabbildung ist. Definition 5.4 (Quotiententopologie). Die eindeutige Topologie auf Y in Lemma 5.3 heißt durch p induzierte Quotiententopologie. Beweis. (Von Lemma 5.3). Definiere T Y = {U ⊂ Y | p−1 (U ) offen}. Ein wichtiger Spezialfall ist folgende Situation: Ist X topologisch und ∼ eine Aequivalenzrelation auf X. Dann wird mittels p : X → X/∼ auf X/∼ eine Topologie induziert. Beispiel 5.5. (i) Es sei X = [0, 1] ⊂ (R, T eukl ) und ∼ induziert durch 0 ∼ 1. Dann gilt (X/∼ ) ∼ = S1. (ii) Betrachte auf X = R die Aequivalenzrelation ∼ definiert durch x ∼ y ⇔ x−y ∈ Q. Der Quotientenraum X/∼ hat die Eigenschaft, dass jeder Punkt dicht liegt. 37 5 DIE QUOTIENTENTOPOLOGIE (iii) Es sei X = R × R und p1 : X → R die Projekion auf den ersten Faktor. Dann ist p1 eine Quotientenabbildung. Betrachte weiter die Menge A := {(0, 0)}∪{(x, y) ∈ R2 | xy = 1} und q := p1 ◦iA : A → R. Dann ist q stetig und surjektiv jedoch keine Quotientenabbildung, denn q −1 (q({(0, 0)})) = {(0, 0)} ⊂ R2 ist nicht offen. Satz 5.6. Es sei p : X → Y eine Quotientenabbildung und A ⊂ X ein Teilraum mit p−1 (p(A)) = A sowie q := p ◦ iA : A → p(A). Dann gilt: (i) Falls A offen oder abgeschlossen ist, so ist q Quotientenabbildung. (ii) Falls p offen oder abgeschlossen ist, so ist q Quotientenabbildung. 38 5 DIE QUOTIENTENTOPOLOGIE Donnerstag, 06.05.10 Satz 5.7. Es seien X, Y, Z topologisch und p : X → Y eine Quotientenabbildung. Weiter sei g : X → Z eine Abbildung, die auf den Fasern von p konstant ist und f : Y → Z die eindeutige Abbildung, sodass g = f ◦ p. Dann gilt: (i) f ist genau dann stetig, wenn g stetig ist. (ii) f ist genau dann Quotientenabbildung, wenn g Quotientenabbildung ist. Korollar 5.8. In obiger Situation sei g : X → Z stetig und surjektiv, X/∼g der von g induzierte Quotientenraum, p : X → X/∼g die Quotientenabbildung und f : X/∼g die Abbildung, welche g = f ◦ p genügt. Dann gilt: (i) f ist stetig und bijektiv; weiterhin ist f genau dann ein Homöomorphismus, wenn g Quotientenabbildung ist. (ii) Z ist genau dann Hausdorff, wenn X/∼ Hausdorff ist. Beispiel 5.9 (Gruppenwirkung). Die Gruppe G wirke auf dem topologischen Raum X derart, dass die Abbildungen Tg : X → X, g ∈ G stetig sind. Dann sind die Abbildungen Tg bereits Homöomorphismen, X/G der Quotientenraum und p : X → X/G die Quotientenabbildung. 39 6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE Montag, 10.05.10 6 Die Fundamentalgruppe 6.1 Homotopie Es seien X, Y topologische Räume und f, f ′ : X → Y stetige Abbildungen. Definition 6.1 (Homotopie). Die Abbildung f heißt zu f ′ homotop, falls es eine stetige Abbildung F : X × [0, 1] → Y gibt, sodass F (x, 0) = f (x) und F (x, 1) = f ′ (x) für alle x ∈ X. In diesem Fall heißt F eine Homotopie von f zu f ′ . Falls f ′ konstant ist, so heißt f nullhomotop. Eine Homotopie von f zu f ′ kann man auch als einen Weg von f zu f ′ im Raum C(X, Y ) auffassen. Definition 6.2 (Weghomotopie). Zwei Wege f, f ′ : [0, 1] → X von x ∈ X nach y heißen weghomotop, falls es eine Homotopie F : [0, 1] × [0, 1] → X von f zu f ′ gibt, sodass für alle t ∈ [0, 1] gilt: [0, 1] → X, s 7→ F (s, t) ist ein Weg von x nach y. Satz 6.3. Es seien X, Y topologische Räume. (i) Homotopie ist eine Aequivalenzrelation auf C(X, Y ). (ii) Weghomotopie ist eine Aequivalenzrelation auf C([0, 1], X). Beweis. Transitivität: Stetigkeit: [0, 1]2 = ([0, 1] × [ 12 , 0]) ∪ ([0, 1] × [0, 21 ]) und die Einschränkungen sind stetig. Beispiel 6.4. (i) Je zwei Wege f, f ′ : [0, 1] → R2 sind weghomotop. (Konvexkombination). (ii) Zwei Wege f, f ′ : [0, 1] → R2 −{0} sind. i.A. nicht weghomotop. Es seien nun f, g : [0, 1] → X Wege in X mit f (1) = g(0). Definition 6.5 (Produkt von Wegen). Das Produkt f ∗ g von f und g ist definiert durch f (2s) s ∈ [0, 21 ] f ∗ g : [0, 1] → X, s 7→ g(2s − 1) s ∈ [ 1 , 1] 2 40 6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE Lemma 6.6. Es seien f ∼w f ′ und g ∼w g ′ , sodass f (1) = g(0). Dann ist f ′ (1) = g(0) und f ∗ g ∼w f ′ ∗ g ′ . Für einen Weg f : [0, 1] → X bezeichnen wir mit f : [0, 1] → X den durch s 7→ f (1 − s) definierten Weg, d.h., f wird in umgekehrter Richtung umlaufen. Mit ex wird der konstante Weg ex : s 7→ x bezeichnet. Lemma 6.7. Es seien f, g, h Wege in X mit f (1) = g(0) und g(1) = h(0). Dann gilt: (i) (f ∗ g) ∗ h ∼w f ∗ (g ∗ h). (ii) f ∗ ef (1) ∼w f, ef (0) ∗ f ∼w f . (iii) f ∗ f ∼w ef (0) , f ∗ f ∼w ef (1) . Beweis. Um (iii) einzusehen, definiere f (2s) s ∈ [0, 1−t 2 ] 1+t . H(s, t) := f (1 − t) = f (t) s ∈ [ 1−t 2 , 2 ] f (2s − 1) s ∈ [ 1+t 2 , 1] 41 6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE Montag, 17.05.10 6.2 Das Fundamentalgruppoid Es sei X ein topologischer Raum. Dann ist nach Satz 6.3 die Weghomotopie eine Aequivalenzrelation auf C([0, 1], X). Wir bezeichnen mit π1 (X) := C([0, 1], X)/∼w die Menge der Aequivalenzklassen. Dann sind die Abbildungen s : π1 (X) → X, [f ] 7→ f (0) ; t : π1 (X) → X, [f ] 7→ f (1) wohldefiniert. Wir definieren noch [f ]−1 := [f ] und für alle x ∈ X : ex := [ex ]. Satz 6.8. Verknüpfungen und Assoziativität in π1 (X). Definition 6.9 (Fundamentalgruppoid). (s,t) (i) Die Menge π1 (X) versehen mit den Abbildungen π1 (X) −−−→ X × X, der Verknüpfung und Inversion sowie den Elementen ex ∀x ∈ X heißt Fundamentalgruppoid von X. (ii) Für x ∈ X ist π1 (X, x) := {a ∈ π1 (X) | s(a) = t(a) = x} die Fundamentalgruppe von X bzgl. x ∈ X. Bemerkung 6.10. Es seien x0 , x1 in derselben Wegzusammenhangskomponente enthalten. (i) Es sei α ∈ π1 (X) mit s(α) = x0 , t(α) = x1 . Die Abbildung ϕα : π1 (X, x0 ) → π1 (X, x1 ) : b 7→ αbα−1 ein wohldefinierter Gruppenisomorphismus. (ii) Unter geeigneten Voraussetzungen gilt ϕβ ◦ ϕα = ϕα∗β . Korollar 6.11. Ist X wegzusammenhängend und x, y ∈ X, so sind π1 (X, x) und π1 (X, y) isomorph. Bis auf einen Automorphismus ist dieser Isomorphismus eindeutig. Bemerkung 6.12. Es sei F : X → X stetig. Weiter seien f, g ∈ C([0, 1], X). (i) Falls f (0) = g(0), f (1) = g(1) und f ∼w g, so gilt auch F ◦ f ∼w F ◦ g. (ii) Falls f (1) = g(0), so folgt F ◦f (1) = F ◦g(0) und F ◦(f ∗g) = F ◦f ∗(F ◦g). (iii) Die Abbildung F∗ : π1 (X) → π1 (X), [f ] 7→ [F ◦ f ] ist ein Gruppoidhomomorphismus. 42 6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE 6.3 Ueberlagerungen Definition 6.13 (Uerberlagerung). Es seien E, B topologische Räume und p : E → B surjektiv. Dann heißt p eine Ueberlagerung, falls es für jeden Punkt F b ∈ B eine offene Umgebung von b gibt, sodass p−1 (U ) = α∈A Vα eine disjunkte Vereinigung von offenen Mengen und p|Vα : Vα → U für alle α ∈ A ein Homöomorphismus ist. Beispiel 6.14. Die Abbildung R → S 1 , x 7→ e2πix ist eine Ueberlagerung. Satz 6.15. (i) Es sei p : E → B eine Ueberlagerung, B0 ⊂ B, E0 := p−1 (B0 ). Dann ist p|E0 : E0 → B0 eine Ueberlagerung. (ii) Es seien pi : Ei → Bi , i ∈ {1, 2} Ueberlagerungen. Dann ist p1 × p2 : E1 × E2 → B1 × B2 eine Ueberlagerung. Definition 6.16 (Lift). Es seien f : X → B und p : E → B stetige Abbildungen. Jede stetige Abbildung f˜ : X → E mit f = p ◦ f˜ heißt Lift zu f . E f˜ X f p B Lemma 6.17. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung mit e0 ∈ p−1 (b0 ) und f : [0, 1] → B eine stetige Abbildung mit f (0) = b0 . Dann gibt es genau einen Lift f˜ : [0, 1] → E von f mit f˜(0) = e0 . 43 6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE 20.05.10 Beispiel. Zeichnung (Ueberlagerung): Fläche zweiten / dritten Geschlechts. Lemma 6.18. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung; b0 ∈ B, e0 ∈ E, sodass p(e0 ) = b0 . Ist F : [0, 1] × [0, 1] → B mit F (0, 0) = b0 , so gibt es einen Lift F̃ : [0, 1] × [0, 1] → E, sodass F̃ (0, 0) = e0 . Falls F eine Weghomotopie ist, so gilt dasselbe für F̃ . 44 6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE Donnerstag, 27.05.10 Korollar 6.19. Es seien f, g : [0, 1] → B Wege von b0 nach b1 in B. Weiter seien e0 ∈ E sodass p(e0 ) = b0 und f˜, g̃ Liftungen von f bzw. g. mit f˜(0) = e0 = g̃(0). Falls f und g weghomotop sind, so sind f˜ und g̃ weghomotop, insbesondere gilt f˜(1) = g̃(1). Mit den vorangehenden Aussagen können wir die Fundamentalgruppe eines Raumes nun besser durch ihre Wirkung auf E verstehen: Für γ ∈ π1 (B, b0 ) und e ∈ p−1 (b0 ) sei γ̄e ∈ π1 (E) die durch s(γe ) = e eindeutig definierte Weghomoto- pieklasse in E, die γ liftet (Lemma 6.18). Definiere nun γ (e) := (γ̄)∗ (e) bzw. γ∗ (e) := (γ)∗ (e). Beispiel 6.20. Zeichnung: p : R → S 1 , x 7→ exp(2πix). Es gilt p−1 (1) = Z und γ∗ (n) = n + 1. Tatsächlich folgt hier bereits π1 (S1 , 1) ∼ = Z: Lemma 6.21. Die Abbildung π1 (B, b0 ) × p−1 (b0 ) → p−1 (b0 ), (γ, e) 7→ γ = (γ̄)∗ (e) ist eine Wirkung. Sie ist genau dann transitiv, wenn E wegzusammenhängend ist. 45 6 DIE FUNDAMENTALGRUPPE Montag, 31.05.10 Satz 6.22. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung. Weiter sei e0 ∈ E und b0 := p(e0 ). (i) Der Gruppenhomomorphismus p∗ : π1 (E, e0 ) → π1 (B, b0 ) ist injektiv. (ii) Es sei He0 := p∗ (π1 (E, e0 )). Dann ist Stabπ1 (B,b0 ) (e0 ) gleich H(e0 ). (iii) Es sei γ ∈ π1 (B, b0 ). Dann liftet γ zu einem Element von π1 (E, e0 ) genau dann, wenn γ ∈ H(e0 ). Satz 6.23. Es gilt π1 (S1 , 1) ∼ = Z. 46 7 DIE GALOIS-KORRESPONDENZ FÜR UEBERLAGERUNGEN 7 Die Galois-Korrespondenz für Ueberlagerungen In diesem Kapitel wollen wir die Liftungsfrage für allgemeine Abbildungen f : Y → B betrachten. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung mit p(e0 ) = b0 . Zu dieser Ueberlagerung betrachten wir p∗ (π1 (E, e0 )) < π1 (B, b0 ). 7.1 Aequivalenz von Ueberlagerungen Satz 7.1. Es sei p : E → B eine Ueberlagerung, f : Y → B stetig und y0 ∈ Y, b0 ∈ B, e0 ∈ E mit f (y0 ) = b0 = p(e0 ). Wir nehmen, dass Y zusam- menhängend und lokal wegzusammenhänged (also insbesondere wegzusammenhängend). Dann sind folgende Aussagen äquivalent: (i) Es gibt ein f˜ : Y → E mit ỹ(y0 ) = e0 . (ii) f∗ (π1 (Y, y0 )) ⊂ p∗ (π1 (E, e0 )). Im Zusammenhang mit Riemannschen Flächen könnte z.B. die folgende Situation betrachtet werden: E ? U zn i 47 C∗ 7 DIE GALOIS-KORRESPONDENZ FÜR UEBERLAGERUNGEN Donnerstag, 03.06.10 Bemerkung (Inhalt). Ueberlagerungstheorie. 48