452 8. Freie Elektronen und Ionen Bei Sterntemperaturen sind alle Gase stark ionisiert (Aufgabe 8.1.11 und 8.1.12). Ein elektrisch geladenes Metallstück (eine Sonde), das mit einem Elektrometer verbunden ist, wird in einer Flamme entladen. Die Entladung ist davon unabhängig, ob die Sonde positiv oder negativ geladen ist; sie erfolgt durch Anlagerung von aus der Flamme stammenden, entgegengesetzt geladenen Ionen. Der Versuch zeigt, dass die Flamme sowohl positive als auch negative Flammenionen enthält. Die Ionendichte kann durch Einbringen von geeigneten, leicht flüchtigen Salzen, z. B. Alkalihalogeniden oder Na2 CO3 , in die Flamme um Größenordnungen gesteigert werden. 8.2 Bewegung freier Ladungsträger Geladene Teilchen werden von elektrischen und magnetischen Feldern unvergleichlich viel stärker beeinflusst als vom Gravitationsfeld, außer unter extremen Umständen wie in der Nähe schwarzer Löcher. Wir untersuchen diese Bewegung im Vakuum und teilweise auch im Festkörper. Die moderne Technik (Leistungs- wie Informationselektronik) lebt von diesen Vorgängen, und auch die Grundlagenforschung bringt immer neue Überraschungen auf diesem Gebiet. 8.2.1 Elektronen im homogenen elektrischen Feld Zwischen zwei planparallelen Platten mit dem Abstand d im Vakuum liege die Spannung U (Abb. 8.10). Wenn zwischen den Platten nur so wenige Ladungsträger schweben, dass sie das Feld nicht merklich verzerren, ist dieses homogen: E = U/d, übt auf die Ladung e die Kraft F = eE aus und beschleunigt sie mit eU . (8.5) m d Der Ladungsträger ,,fällt“ wie ein Stein im Erdschwerefeld gleichmäßig beschleunigt. Endgeschwindigkeit vd und Fallzeit td ergeben sich aus den Fallgesetzen. Falls der Träger an einer Elektrode mit v = 0 startete, erreicht er die andere mit bzw. nach 2eU 2m vd = , td = d. (8.6) m eU vd folgt allein aus dem Energiesatz, gilt also bei beliebiger Feldverteilung und beliebigem d, solange U gegeben ist und sich keine bremsende Materie im Feld befindet. In einem Ablenkkondensator, in den man ein Elektron zunächst mit v0 senkrecht zum E-Feld einschießt, beschreibt das Elektron eine Wurfparabel. Zum Durchgang durch die Kondensatorlänge l braucht es die Zeit t = l/v0 . Senkrecht dazu, in Feldrichtung, hat es in dieser Zeit die Geschwindigkeit a= K E A F d Abb. 8.10. Im homogenen elektrischen Feld E = U/d erfährt das Elektron die Kraft F = −eE. Im Vakuum erreicht es von √ K bis A die Geschwindigkeit v = 2eU/m, in Materie, selbst einem verdünnten Gas, fliegt es konstant mit v = μE v⊥ = at = e l E m v0 (8.7) 8.2 Bewegung freier Ladungsträger gesammelt. Daher hat sich die Flugrichtung gedreht um den Winkel α mit v⊥ e l tan α = = E 2. v m v0 (8.8) Auf einem Schirm im Abstand D hinter dem Kondensator trifft das Elektron nicht bei A (Abb. 8.11), sondern in einem Abstand e l (8.9) s = D tan α = E 2 D m v0 davon ein, oder, ausgedrückt durch die Ablenkspannung UK = Ed und die Spannung U0 = mv02 /(2e), mit der die Elektronen vor dem Eintritt in den Kondensator beschleunigt worden sind: s= 1 l UK . D 2 d U0 (8.10) Dies hängt nur von der Geometrie der Anordnung und dem Verhältnis der beiden Spannungen ab, nicht von den Eigenschaften des Teilchens. 8.2.2 Elektronen im homogenen Magnetfeld Wenn eine Ladung e mit der Geschwindigkeit v durch ein Magnetfeld B fliegt, erfährt sie eine Kraft F = ev × B , (8.11) die Lorentz-Kraft. Diese verschwindet nur dann, wenn v parallel zu B ist, steht sowohl auf der Feldrichtung (B) wie auf der Bewegungsrichtung (v) senkrecht und ist maximal, nämlich vom Betrag evB, wenn v senkrecht zu B ist. Wir beschränken uns zunächst auf diesen Fall v⊥B und untersuchen die Bewegung der Ladung, die dabei herauskommt. Eine Kraft, die immer senkrecht auf der Bewegung des Teilchens steht, kann nach Abschn. 1.5.1 keine Arbeit leisten, also die Energie und damit die Geschwindigkeit des Teilchens nicht steigern. Es handelt sich also um eine Bewegung mit konstantem Geschwindigkeitsbetrag und einer Beschleunigung, die immer senkrecht zur Bahn erfolgt. Dies sind die Kennzeichen einer gleichförmigen Kreisbewegung (Abschn. 1.4.2). Die Lorentz-Kraft wirkt als Zentripetalkraft, der im Bezugssystem des Teilchens eine Zentrifugalkraft die Waage hält: mv2 = evB . r Das Teilchen läuft mit einer Kreisfrequenz ω= v e = B r m (8.12) (8.13) um, der Larmor-Frequenz. Sie ist wichtig für die Deutung optischer und elektromagnetischer Effekte wie Faraday- und Zeeman-Effekt, paramagnetische Resonanz, Kern- und Zyklotronresonanz, de Haas-van Alphen-Effekt usw. (Abschn. 10.3.4, 14.3.4). Die Kreisbahn hat den Radius 453 D A d l υ0 υ α s A Abb. 8.11. Ablenkung von Elektronen im homogenen elektrischen Querfeld 454 8. Freie Elektronen und Ionen r= mv . eB (8.14) Beispiel . . . Wie bewegt sich ein kosmisches 1 GeV-Proton im Magnetfeld der Erde (≈ 10−5 T) in einiger Entfernung? Es beschreibt Kreis oder Spirale von knapp 1 000 km Radius in knapp 10 ms, erreicht also i. Allg. den Erdboden nicht, außer in Polnähe. Nimmt das Feld nur ein kleines Bogenstück dieses Kreises ein, d. h. ist seine räumliche Ausdehnung l r, so erfolgt eine Ablenkung um den Winkel l leB α≈ = . (8.15) r mv Kennt man die kinetische Energie der Teilchen (sie ergibt sich aus 1 2 der √ benutzten Beschleunigungsspannung U als 2 mv = eU), so folgt v = 2eU/m, und aus (8.13) lässt sich e/m ausdrücken: v 1 2e 2U e e (8.16) = = U oder = 2 2 . m rB rB m m r B F B r Abb. 8.12. Kreisbahn von Elektronen im homogenen Magnetfeld x 2d Abb. 8.13. Es ist gar nicht so leicht, ein großräumiges homogenes Magnetfeld herzustellen. Eine Annäherung bringt das Helmholtz-Spulenpaar, vom Strom I in gleicher Richtung durchflossen. Wenn der Abstand d der Ringe gleich dem Ringradius R ist, wird das Magnetfeld ziemlich homogen. Jede Abweichung vom Verhältnis 1 : 1 verstärkt die Inhomogenität. Die blaue Kurve zeigt den Betrag der Feldstärke H = 12 IR2 (1/(R2 + (d − x)2 )3/2 + 1/(R2 + (d + x)2 )3/2 ) längs der Achse. In radialer Richtung ist es ähnlich Rechts stehen nur messbare Größen, wenn man z. B. folgende Anordnung wählt: In einem auf ca. 10−3 mbar evakuierten Glaskolben, in dem ein Paar von Helmholtz-Spulen ein weitgehend homogenes Magnetfeld erzeugt, sendet ein System aus Glühkathode und Anoden-Lochblende (besser Wehnelt-Zylinder) ein paralleles Bündel schneller Elektronen aus, die bei richtiger Wahl der Magnetfeldstärke eine saubere Kreisbahn ziehen (Abb. 8.12). Diese ist als Leuchtspur infolge des Stoßanregungs-Leuchtens des Restgases gut zu erkennen (Aufgaben 8.2.2 und 8.2.3). Für die Atomphysik wichtig ist auch der Fall, dass eine Ladung schon in einem anderen (z. B. elektrischen) Feld auf eine Kreisbahn gezwungen wird. Setzt man ein solches System einem zusätzlichen Magnetfeld aus, das z. B. senkrecht auf der Bahnebene stehe, so stellt die entsprechende Lorentz-Kraft je nach Umlaufsinn einen zusätzlichen Beitrag zur Zentripetal- oder Zentrifugalkraft dar. Die Bahn wird also weiter bzw. enger, die Umlaufsfrequenz verringert bzw. vergrößert sich, und dies genau um den Betrag eB/m: Die Kreisfrequenz im Magnetfeld ist ω B = ω0 ± eB/m, wenn sie ohne Magnetfeld ω0 war. Wenn das Magnetfeld nicht senkrecht auf der Umlaufsebene steht, kann man so argumentieren: Die umlaufende Ladung stellt einen Kreisstrom dar, der nach Abschn. 6.7.3 ein magnetisches Moment senkrecht zur Bahnebene, also schief zum Magnetfeld hat. Das Magnetfeld übt auf dieses magnetische Moment ein Drehmoment aus, unter dessen Einfluss die kreisende Ladung, wie jeder Kreisel, eine Präzessionsbewegung ausführt (Abschn. 2.4.2). Die Frequenz dieser Präzession ergibt sich wieder zu eB/m. Das Elektron kann also eigentlich machen was es will: Im Magnetfeld tritt immer eine kreisende Bewegung mit der Frequenz eB/m (der Larmor-Frequenz) auf. 8.2 Bewegung freier Ladungsträger Abb. 8.14. Ein geladenes Teilchen beschreibt eine Schraubenlinie um die Magnetfeldlinien. Die zum Feld senkrechte v-Komponente bestimmt den Radius r = v⊥ /ω des begrenzenden Zylinders, v bestimmt die Ganghöhe h = 2πv /ω. Die Larmor-Frequenz ω = eB/m hängt nicht von der v-Richtung ab KWA 455 C Cx S UA Ux Uy h Abb. 8.15. Elektronenstrahloszillograph, schematisch B U Ein freies Elektron, dessen Geschwindigkeit v nicht senkrecht zum Feld B steht, beschreibt eine Schraubenlinie um die Feldrichtung. Die zu B parallele Komponente v bleibt unbeeinflusst, die andere Komponente v⊥ tritt an die Stelle von v in den Formeln für Bahnradius und Larmor-Frequenz. Die Ganghöhe der Schraube ist also h = 2πmv /(eB). t U (a) 8.2.3 Oszilloskop und Fernsehröhre Ferdinand Braun benutzte um 1900 Elektronenstrahlen als ,,Zeiger“ für schnell veränderliche elektrische Spannungen, die diese Elektronen ablenkten. Die braunsche Röhre des Kathoden- oder Elektronenstrahloszilloskops ist zu einem der wichtigsten Messgeräte entwickelt worden. Aus der Glühkathode K (Abb. 8.15) treten Elektronen und werden durch die Anodenspannung UA (einige kV) zwischen K und der durchbohrten Anode A beschleunigt. Durch das Loch in A treten sie hindurch und werden bei passender Formgebung (Wehnelt-Zylinder W) sogar noch enger gebündelt (fokussiert). Sie treten dann durch den Ablenkkondensator C und treffen auf den Leuchtschirm S. Die zu analysierende Spannung U y wird an den Ablenkkondensator C gelegt. Ist diese Spannung eine periodische Wechselspannung, so wird der Leuchtfleck zu einem vertikalen Strich auseinander gezogen. Will man den zeitlichen Verlauf beobachten, dann legt man an den hinter C angebrachten, um 90◦ gedrehten Kondensator CK eine sägezahnförmige Kippspannung UK , deren zeitlicher Verlauf in Abb. 8.16 dargestellt wird. Sie allein bewirkt auf dem Schirm eine horizontale Ablenkung. Durch Überlagerung beider Ablenkungen entsteht dann das in Abb. 8.16 dargestellte Bild. Durch passende Wahl der Kippfrequenz erreicht man, dass die zu analysierende periodische Spannung immer die gleiche Phase besitzt, wenn die Kippspannung (zu den Zeiten t , t . . . ) zusammenbricht und der Strahl nach A ,,zurückspringt“. Dann überdecken sich alle Ablenkungsbilder auf dem Leuchtschirm, es ergibt sich ein stehendes Bild (Aufgabe 8.2.4). Das elektronenoptische System einer Fernsehröhre funktioniert ähnlich, aber mit magnetischer Ablenkung. Die Helligkeitssteuerung (Steuerung der Anzahl von Elektronen im Strahl), die beim Oszillographen t U t U (b) t Abb. 8.16. (a) Zwei verschiedene Signale an den x- und y-Platten (Einstellung EXT) ergeben eine Lissajous-Figur. (b) Eine Kippspannung passender Frequenz an x (oder richtige Triggerung) gibt den y-Spannungsverlauf wieder Abb. 8.17. An den x- und y-Ablenkplatten des Oszillographen liegen Wechselspannungen gleicher Frequenz, aber verschiedener Phase 456 8. Freie Elektronen und Ionen Abb. 8.18. An den x- und y-Platten liegen Spannungen verschiedener Frequenz Abb. 8.19. Frequenzen und Phasen der Signale an den x- und y-Platten sind verschieden. Nämlich? Sind die Signale noch sinusförmig? Kann man auch eine exakte Parabel zeichnen? Abb. 8.20. Die y-Frequenz ist sehr viel höher als die x-Frequenz. Außerdem liegt an den y-Platten noch ein Signal der Grundfrequenz mit einer Phasenverschiebung gegen das x-Signal manuell geschieht, folgt bei der Fernsehröhre den Lichtwerten des wiederzugebenden Bildes. Das einfachste Mittel hierzu wäre die Heizspannung der Glühkathode, von der deren Temperatur und Elektronenemission sehr empfindlich abhängen (Abschn. 8.1.1). Leider ist die Kathode thermisch zu träge, um die schnellen Bildwertschwankungen (die in ungefähr 10−7 s erfolgen müssen) wiederzugeben. Man benutzt daher echt elektronenoptische Mittel (Wehnelt-Zylinder), um einen variablen Teil der emittierten Elektronen abzufangen (Aufgabe 8.2.5). Beim Oszillographen wie in der Fernsehröhre ist die Schirminnenseite mit einer lumineszierenden Substanz überzogen (Sulfide und Silikate von Zink und Cadmium, welche die Energie der aufschlagenden Elektronen in Licht geeigneter Farbe umsetzen; Abschn. 13.3.3). 8.2.4 Thomsons Parabelversuch; Massenspektroskopie Die Ablenkbarkeit eines Teilchens im Magnetfeld (ausgedrückt durch die Bahnkrümmung, d. h. den reziproken Bahnradius) ist eB 1 = (8.17) r mv (vgl. (8.14)). Im elektrischen Feld ist die Ablenkbarkeit (Tangens des Ablenkwinkels pro Wegeinheit, (8.8)) M P x y Abb. 8.21. Anordnung von J. J. Thomson zur Ionenmassenbestimmung nach der Parabelmethode. P Ablenkkondensator, M Magnetpole. (Nach W. Finkelnburg: Einführung in die Atomphysik, 11./12. Aufl. (Springer, Berlin Heidelberg 1976)) eE tan α . (8.18) = l mv2 Die ,,Steifheit“ des Strahls wächst also im Magnetfeld mit dem Impuls mv, im elektrischen Feld mit der kinetischen Energie 12 mv2 . Aus einer Quelle trete ein Strahl geladener Teilchen mit unbekannten Eigenschaften. Offenbar reicht die Ablenkung im elektrischen Feld allein oder im Magnetfeld allein nicht aus, um m und v einzeln zu messen – selbst wenn man die Ladung als eine Elementarladung ansetzt –, denn die Ablenkbarkeiten enthalten in beiden Fällen m und v kombiniert. Benutzung beider Felder zusammen erlaubt eine Trennung von m und v. Die eleganteste Realisierung dieses Gedankens stammt von J. J. Thomson und 8.2 Bewegung freier Ladungsträger 457 wurde später von Aston zum Massenspektrographen vervollkommnet (Abschn. 18.1.2). Ein eng ausgeblendeter Teilchenstrahl tritt durch einen Ablenkkondensator, der sich zwischen den Polschuhen eines Elektromagneten befindet, sodass elektrisches und Magnetfeld parallel, z. B. beide vertikal stehen. Ohne Felder würde der Strahl in 0 auftreffen. Dieser Punkt sei Ursprung der Koordinaten x (horizontal) und y (vertikal). Beide Felder lenken unabhängig voneinander ab: Das elektrische Feld vertikal um y= eElD , mv2 (8.19) das Magnetfeld, das so schwach sei, dass seine Abmessung l nur einen kleinen Bogen des Bahnkreises darstellt, lenkt horizontal ab um x= eBlD . mv (8.20) E, B, l, D sind Konstanten der Apparatur. Dagegen kann der Strahl Teilchen mit verschiedenen Ladungen, Massen und Geschwindigkeiten enthalten. Wir betrachten zunächst Teilchen gleicher Art (gleiches e und m), aber verschiedener Geschwindigkeit. Sie landen auf Punkten (x, y), die sich ergeben, wenn v alle erlaubten Werte annimmt. Aus (8.20) kann man v eliminieren und in (8.19) einsetzen: v= eBlD , mx also y= mE 2 x . eB 2lD 12 13 14 15 16 C CH CH2 CH3 CH4 Abb. 8.22. Trennung eines Gemisches organischer Ionen nach der Parabelmethode von J. J. Thomson. Man erkennt die verschiedenen homologen Paraffine: Unten Methan und seine Dehydrierungsprodukte, darüber das gleiche für Ethan usw. (Nach Conrad, aus W. Finkelnburg: Einführung in die Atomphysik, 11./12. Aufl. (Springer, Berlin Heidelberg 1976)) (8.21) Das ist die Gleichung einer zur Vertikalen symmetrischen Parabel. Die schnellen Teilchen treffen näher zum Scheitel dieser Parabel auf (vgl. (8.20)). Dieser Scheitel liegt in 0 und würde unendlicher Geschwindigkeit (unendlicher Strahlsteifheit) entsprechen (Aufgabe 8.2.6). Eine andere Teilchenart mit einer anderen spezifischen Ladung e/m zeichnet eine andere Parabel; sie ist umso enger, je kleiner e/m ist. So lassen sich sehr präzise Massenbestimmungen vornehmen (Nachweis und Trennung von Isotopen, Molekülen, chemischen, besonders organischen Radikalen). Die kombinierte Ablenkung im elektrischen und magnetischen Feld ist im Massenspektrographen zu noch größerer Präzision entwickelt worden. m/m0 10 6 4 3 2 1,5 1 64 keV 8.2.5 Die Geschwindigkeitsabhängigkeit der Elektronenmasse Sehr schnelle Elektronen (z. B. radioaktive β-Teilchen, allgemein Elektronen oberhalb von 100 keV) zeichnen im Thomson-Versuch keine exakten Parabeln mehr. Die Kurve weicht besonders in Scheitelnähe nach innen hin ab (Abb. 8.23). Scheitelnahe Punkte entsprechen hohen Energien, engere Parabeln größeren m/e-Werten. Der Punkt für eine Energie von 500 keV liegt schon auf der Parabel, die doppeltem m/e entspricht. Entweder nimmt also die Elektronenladung mit wachsender Energie ab (wofür sonst keinerlei Belege existieren), oder die Masse nimmt zu, und zwar so, dass sie bei 500 keV doppelt so groß ist. Allgemeiner entspricht die Abhängigkeit 128 256 511 1022 x Abb. 8.23. Bei hohen Elektronenenergien deformiert sich die Thomson-Parabel infolge der relativistischen Massenzunahme 8. Freie Elektronen und Ionen der Formel m0 m= , 1 − v2 /c2 wo m 0 die normale Elektronenmasse (für kleine Geschwindigkeiten) und c die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum sind. Alle diese Befunde entsprechen genau einem der wichtigsten Postulate der Relativitätstheorie (Abschn. 12.2.6). Beispiel . . . Jemand tippt auf dem Taschenrechner: .9 INV SIN COS 1/x. Was soll das? Er berechnet, um wie viel schwerer ein Teilchen mit v = 0,9c ist als in Ruhe: cos β = 1 − sin2 β. 8.2.6 Die Elektronenröhre Der Stromtransport im Vakuum (Elektronenröhre) und der im Festkörper (Draht, Halbleiter) unterscheiden sich wie der freie Fall und die Bewegung durch ein zähes Medium. Im Vakuum ergibt sich die Geschwindigkeit der Ladungsträger nach dem Energiesatz aus der durchfallenen Spannung U 2 1 2 mv = eU , v= also 2e U , m (8.22) im Festkörper ist die Geschwindigkeit proportional zur treibenden Kraft, also zur Feldstärke v = μE A 458 (8.23) (μ ist die Beweglichkeit, Abschn. 6.4.2). In beiden Fällen ist die Stromdichte j (d. h. die durch 1 m2 in der Sekunde transportierte Ladung) gegeben durch die Teilchenzahldichte n der Ladungsträger, ihre Ladung e und ihre Geschwindigkeit v: j = env . In einem homogenen Feld fließt also im Vakuum die Stromdichte K j = en Abb. 8.24. In der Vakuumdiode fließt der Strom nur in der angegebenen Polung, denn nur die geheizte Elektrode lässt Elektronen austreten. Sie werden zur Anode abgesaugt, wobei ihre Anzahldichte längs der Beschleunigungsstrecke nach der Kontinuitätsgleichung abnimmt (8.24) 2e U , m (8.25) im Festkörper ergibt sich j = enμE = enμ U d (ohmsches Gesetz) . (8.26) Der Gesamtstrom I folgt aus j durch Multiplikation mit dem Querschnitt des felderfüllten Raumes. 8.2 Bewegung freier Ladungsträger Die Abhängigkeit des Stromes I, der durch ein System fließt, von der angelegten Spannung heißt Strom-Spannungs-Kennlinie des Systems. Gleichung (8.26) stellt eine proportionale oder ohmsche Kennlinie dar. Das homogen felderfüllte Vakuum hat eine U 1/2 -Kennlinie, wenn es nur sehr wenige Ladungen enthält. Das entspricht nun allerdings selten der Realität: Entweder ist Materie, mindestens ein Gas, vorhanden, und dann erfolgt die Ladungsbewegung nicht ungebremst, oder man hat ein hinreichendes Vakuum und muss dann die Ladungsträger von außen zuführen, meist von der Kathode aus (Glühkathode, Photokathode). Dann ist es aber i. Allg. mit der Homogenität des Feldes vorbei: Die Ladungsträger verzerren durch ihre Raumladung das Feld erheblich; das kann so weit gehen, dass am Erzeugungsort, der Kathode, gar kein Feld mehr ankommt, sondern dass es schon vorher durch Raumladungen abgefangen wird (Abb. 8.25). Man spricht dann von einem raumladungsbegrenzten Strom. In der Vakuumröhre ist der Strom praktisch immer, im Festkörper manchmal (besonders in Halbleitern) raumladungsbegrenzt. Die Ladungsträgerkonzentration n ist unter diesen Umständen ortsabhängig. Sie regelt sich von selbst auf die Bedingung ein, dass die Stromdichte überall gleich ist. Wäre das nicht der Fall, so würde sich dort, wo z. B. ein großes j in ein kleines übergeht, Ladung anhäufen; diese zusätzliche Raumladung würde das Feld im dahinterliegenden Raum so weit abschirmen, dass j dort absinkt, bis es sich dem allgemeinen Niveau angepasst hat. Dieser Ausgleichsvorgang hört erst auf, wenn ein durch j = const gekennzeichnetes Quasigleichgewicht herrscht. j = env = const bedeutet aber n ∼ 1/v: Wo wenige Träger sind, fliegen sie entsprechend schneller. Andererseits werden in Gebieten hoher Trägerkonzentration viele Feldlinien verschluckt: Das Feld ändert sich dort stark (Abb. 8.25). Diesen Zusammenhang beschreibt 1 1 d2 U dE =− ne (Poisson-Gleichung) . =− 2 = dx εε0 εε0 dx (8.27) Wir untersuchen den raumladungsbegrenzten Fall, wo an der Kathode kein Feld ankommt: E kath = 0. An der Anode herrscht das volle Feld E an ≈ U/d, oder sogar etwas mehr. Wenn dieses Feld auf der Länge d abgebaut wird, ist seine räumliche Änderung annähernd E an /d ≈ U/d 2 . Die Poisson-Gleichung lautet dann angenähert ne U ≈ , (8.28) εε0 d2 oder mit (8.24) j U ≈ . (8.29) 2 vεε0 d Für die Vakuumröhre folgt mit (8.22) und ε = 1 U 1 m 2e U 3/2 −1/2 ≈ oder j ≈ ε . (8.30) jU 0 ε0 2e m d2 d2 ) ) 2 n j ε0 4m 9e 1 3 459 2 x 3 ) ) 1 3 ) 1 3 j2 m U 81 2 32 ε 0 e ) E 3 j2 m ε 20 e 4 x3 1 x3 (a) n 1 e εε0 j x 12 2μ U 2 3 E 3 2j x2 εε 0 μ 1 2j x2 εε 0 μ (b) Abb. 8.25a,b. Negative Raumladung verschluckt Feldlinien, verringert also das von der Anode ausgehende Feld und krümmt das Potential. (a) für eine Vakuumröhre, (b) für einen Halbleiter 460 8. Freie Elektronen und Ionen I T3 T2 T3 T2 T1 Anlaufstrom Die exakte Rechnung liefert die Schottky-Langmuir-Raumladungsformel, die sich von unserem Näherungsausdruck nur um den Faktor 49 unterscheidet. Sie beschreibt den aufwärts gekrümmten Teil der Kennlinie einer Elektronenröhre für mittlere Spannungen (Abb. 8.26). Im Festkörper erhält man analog aus (8.29) und (8.23) T1 Sättigungsstrom j jd U ≈ ≈ 2 εε0 μE εε0 μU d Schottky-Langmuir-Strom U Abb. 8.26. Abhängigkeit des Emissionsstromes von der Anodenspannung in einer Elektronenröhre bei verschiedenen Kathodentemperaturen oder j ≈ εε0 μ U2 . d3 (8.31) Dies ist das Child-Gesetz für raumladungsbegrenzte Halbleiterströme. Es gilt besonders für Halbleiter, die nur wenige eigene Träger haben, sondern diese aus einer injizierenden Elektrode geliefert erhalten. Für die Elektronenröhre beschreibt (8.30) noch nicht die ganze Kennlinie. Bei U = 0 sollte nach (8.30) der Strom verschwinden. Er tut es aber nicht ganz, und sogar bei schwachen Gegenfeldern (bis zu annähernd 1 V) kommt noch etwas Strom an, und zwar umso mehr, je heißer die Glühkathode ist (auf den Schottky-Langmuirschen Teil hat die Kathodentemperatur dagegen keinen Einfluss). Bei diesem so genannten Anlaufstrom handelt es sich um Elektronen, die nach dem Austritt aus der Kathode genügend thermische Energie haben, um auch gegen ein schwaches Gegenfeld anzulaufen. Die Anlaufstromkennlinie ist ein Abbild des hochenergetischen ,,Schwanzes“ der Maxwell-Verteilung. Sie wird beherrscht durch den Faktor e−e|U|/(kT) : I(U) = I(0)e−e|U|/(kT) . (8.32) Mit Hilfe dieser Beziehung kann man die Kathodentemperatur messen. Die von 0 verschiedene Austrittsgeschwindigkeit der Elektronen hat übrigens zur Folge, dass der Ort E = 0, also das Minimum der Potentialkurve, sich nicht genau an der Kathodenoberfläche, sondern etwas vor ihr befindet. Beispiel . . . Bei 0,2 V Gegenspannung sei der Anodenstrom einer Röhre 0,3 μA, bei 0,1 V sei er 1,1 μA. Wie heiß ist die Kathode? T = eU/(k ln(I1 /I2 )) = 900 K. Für große Anodenspannungen geht die U 3/2 -Kennlinie in einen horizontalen Teil über, der wieder umso höher liegt, je heißer die Kathode ist. Dieser von der Spannung unabhängige Sättigungsstrom kommt so zustande, dass das hohe Feld alle Ladungsträger absaugt, die die Kathode liefern kann, ohne dass sich der raumladungsbildende Stau vor der Kathode ausbildet. Die Temperaturabhängigkeit des Sättigungsstromes entspricht dem Richardson-Gesetz (Abschn. 8.1.1); die Kurve liegt umso höher, ist aber auch umso flacher, je kleiner die Austrittsarbeit aus der Kathode ist. Der Übergang zwischen dem Schottky-Langmuir- und dem Sättigungsbereich erfolgt so, dass die Feldlinien immer tiefer in den Raum vor der Kathode eingreifen und den Strom anwachsen lassen, bis die Raumladung vor der Kathode abgebaut ist und alle austretenden Elektronen unmittelbar erfasst und zur Anode geführt werden. 8.2 Bewegung freier Ladungsträger 8.2.7 Elektronenröhren als Verstärker Im raumladungsbegrenzten Bereich (Schottky-Langmuir-Bereich) einer Vakuumdiode treten aus der geheizten Kathode so viele Elektronen aus, dass ihre Raumladung das Feld dort ganz aufzehrt. Diese Wolke ist als negative Kondensatorplatte aufzufassen. Ihre Gesamtladung ergibt sich aus der Anodenspannung UA und der Kapazität CAK des Anode-Kathode-Systems zu Q = CAK UA . Jetzt bauen wir ein Gitter zwischen Anode und Kathode und legen es auf ein positives Potential UG (die Kathode sei immer geerdet: UK = 0). Dann muss die Elektronenwolke vor der Kathode noch mehr Feldlinien abfangen: Q = CAK UA + CGK UG . Das Kapazitätsverhältnis D = CAK /CGK ist nur von der Geometrie der Röhre abhängig und meist viel kleiner als 1; wir nennen es den Durchgriff der Röhre. Die Ladung der Wolke ist also Q = CGK (UG + DUA ). Mit Q hängt auch die Stromdichte j = v und damit der Kathodenstrom von UG und UA , kombiniert zur Steuerspannung UG + DUA , ab: Anstelle des UA der Diode tritt bei der Triode UG + DUA , also heißt die Schottky-Langmuir-Formel jetzt IK = IA + IG ∼ (UG + DUA )3/2 . SDRi = 1 (8.34) als mathematische Identität. Durch Änderung von UG lässt sich also der Anodenstrom bei konstantem UA steuern. Darauf beruht die Anwendung der Triode als Verstärker (Abb. 8.27 und 8.28). Man stellt die Gitterspannung aus der Batterie UG0 so ein, dass der Arbeitspunkt A der Röhre in einen möglichst geraden Kennlinienteil fällt. Um diesen Punkt A pendelt das Gitterpotential im Rhythmus des zu verstärkenden Wechselsignals δUG . Eine solche Änderung δUG = A A ruft eine Änderung δIA = BB des Anodenstroms hervor. Damit vergrößert sich auch der Spannungsabfall am Arbeitswiderstand RA um RA δIA . Da diese Spannungsänderung der Anodenspannung entgegengerichtet ist, bedeutet sie eine Verkleinerung der Ausgangsspannung zwischen den Buchsen 3 und 4: δUA = −RA δIA . (8.35) Diese Änderung der Anodenspannung muss in der Steuerspannung und ihrem Einfluss auf IA mitberücksichtigt werden: δIA = S(δUG + D δUA ) . (8.36) Aus (8.35) und (8.36) zusammen erhalten wir die Spannungsverstärkung δUA SRA 1 RA =− =− δUG 1 + DSRA D Ri + RA RG 1 UG0 UA 2 3 4 Abb. 8.27. Vakuum-Triode in Verstärkerschaltung. Die bei 1 2 eingegebene Spannung kann bei 3 4 verstärkt abgegriffen werden. Die Röhre wird heute fast überall durch einen Transistor ersetzt, außer für hohe Leistung (Röhrensender) (8.33) Die Kennlinien IK (UG ) bei konstantem UA haben die bekannte S-Form (Abb. 3/2 8.28): Schottky-Langmuir-Bereich mit UG , dann Sättigungsbereich. Je größer UA wird, desto mehr verschieben sie sich nach links, ohne aber ihre Form zu ändern. Uns interessiert besonders der Bereich schwach negativer Gitterspannung UG . Bei genügend großem UA fließt dann immer noch ein beträchtlicher Kathodenstrom, aber die Elektronen können auf dem negativen Gitter nicht landen, der Gitterstrom ist praktisch 0, und statt IK kann man auch den Anodenstrom IA setzen. Die Steilheit dieser Kennlinien S = ∂IA /∂UA ist variabel, hängt aber nach (8.33) mit ∂IA /∂UA immer zusammen wie S = D−1 ∂IA /∂UA . Die Größe ∂UA /∂IA definiert man sinngemäß als Innenwiderstand Ri der Röhre (Aufgabe 8.2.7). So ergibt sich die Barkhausen-Röhrenformel V= RA . (8.37) IK UA 120 V B 20 10 A A IK 90 V B 0 60 V IG 10 UG 20 Abb. 8.28. Kennlinien der Triode. Abhängigkeit des Kathodenstroms von Gitter- und Anodenspannung. Für positive Gitterspannungen tritt auch ein Gitterstrom IG auf 461 462 8. Freie Elektronen und Ionen V ist negativ, weil Eingangs- und Ausgangssignal entgegengesetzte Phasen haben. Wenn das Gitter negativ wird, lässt es ja weniger Elektronen durch, und vom positiven UA fällt ein geringer Anteil IA RA am Arbeitswiderstand ab. Der Betrag der Verstärkung kann höchstens 1/D sein (falls RA Ri ). Röhren mit hoher Verstärkung haben einen sehr kleinen Durchgriff. Diesen kann man mittels weiterer Gitter noch verringern (Tetrode, Pentode usw.). Der Innenwiderstand von Röhren liegt in der Größenordnung einiger kΩ. Die Verstärkung lässt sich steigern, indem man mehrere Verstärkerstufen in Reihe schaltet, wobei immer die Anode einer Stufe am Gitter der nächsten liegt und sich die Verstärkungen im Idealfall multiplizieren. RA R CA L2 L1 C Abb. 8.29. Verstärkerschaltungen mit Rückkopplungsglied (MeißnerDreipunktschaltung) CA C2 8.2.8 Schwingungserzeugung durch Rückkopplung Mit einer Triode oder einem anderen Verstärkerelement, z. B. einem Transistor, kann man ungedämpfte elektrische Schwingungen erzeugen, die z. B. in einer Sendeanlage als Trägerwelle dienen. Der Verstärker wandele seine sinusförmige Eingangsspannung UE in die Ausgangsspannung UA um. Da UA und UE selten phasengleich sind, ist der Verstärkungsfaktor V = UA /UE i. Allg. eine komplexe Größe. Nun wird UA in ein Rückkopplungsglied eingespeist, das an seinem Ausgang die Spannung UR liefert. K = UR /UA , der Rückkopplungsfaktor, ist i. Allg. ebenfalls komplex. Wenn nun VK = 1, d. h. wenn V und K entgegengesetzte Phasenverschiebungen enthalten und dem Betrag nach zueinander reziprok sind, ist UR = UE , und man kann den Ausgang des Rückkopplungsgliedes mit dem Verstärkereingang verbinden. Diese Selbsterregungsgleichung R2 R1 C1 Abb. 8.30. Phasenschieber-Rückkopplungsglied, an die Verstärkerschaltung von Abb. 8.27 anzuschließen VK = 1 sichert, dass jede zufällig entstandene Schwingung immer erhalten bleibt. Sie beschreibt einen labilen Betriebszustand, denn V ist nie ganz konstant. Bei VK < 1 erlischt die Schwingung, bei VK > 1 facht sie sich selbst an, in der Praxis allerdings meist nur bis zu einer bestimmten gewünschten Amplitude, bei der wieder VK = 1 wird, und zwar jetzt stabil. Diese Begrenzung erfordert mindestens ein nichtlineares Element, z. B. eine nichtlineare Verstärkerkennlinie. Bei der Triode sind UE und UA gegenphasig (vgl. (8.37)). Auch das Rückkopplungsglied muss dann die Phase umkehren. Abbildungen 8.29, 8.30 und 8.54 zeigen drei hierzu geeignete Schaltungen. Sie erfüllen die Selbsterregungsbedingung nur für eine bestimmte Frequenz und erzeugen daher Sinusschwingungen eben dieser Frequenz (Aufgaben 8.2.11–8.2.14). Auch der Fall einer Verringerung der Eingangsleistung (Gegenkopplung) wird technisch mehr und mehr ausgenutzt. Man nimmt hierbei den Verstärkungsverlust in Kauf, • • Abb. 8.31. Schwingquarz-Stabilisierung des Rückkopplungsgliedes einer Verstärkerschaltung, an Abb. 8.27 anzuschließen (8.38) • um die Übertragungseigenschaften zu verbessern (den Frequenzzugang zu linearisieren, Klirrfaktor und Störspannungen zu reduzieren), um Stabilität der Schaltung zu sichern, wo Selbsterregung unerwünscht ist oder zeitliche Änderung der aktiven Schaltelemente Änderungen von K und V herbeiführen könnte, oder um eine bestimmte Abhängigkeit der Verstärkung von der Größe der Eingangsspannung zu erzielen (Operationsverstärker als Grundbausteine von Analogrechnern, logarithmische Verstärker). Diese Schaltungen werden heute überwiegend auf Halbleiterbasis realisiert und kommen als integrierte Miniatur-Schaltmoduln in den Handel, die trotz mehrtausendfacher Volumenverkleinerung im Wesentlichen dieselben oder viel weit reichendere Zwecke erfüllen als die riesigen alten Röhrenschaltungen. 8.2 Bewegung freier Ladungsträger 8.2.9 Erzeugung und Verstärkung höchstfrequenter Schwingungen Die Selbsterregung, Aufrechterhaltung oder Verstärkung von Schwingungen geht im Prinzip immer ähnlich vor sich wie bei der alten Pendeluhr. Man braucht eine Energiequelle (das sinkende Gewicht), ein schwingungsfähiges Gebilde (das Pendel) und einen Rückkopplungsmechanismus (Anker und Steigrad), der Energie in den richtigen Augenblicken aus der Quelle in den Schwinger einspeist, indem er im mechanischen Fall Kraft F und Pendelgeschwindigkeit v, im elektrischen Fall Strom I und Spannung U in Phase bringt. Leistung ist ja Fv bzw. UI. Wenn nur einer der Partner, z. B. U oder I, eine Gleichstromkomponente enthält, hebt sich ihr Leistungsanteil im Zeitmittel weg. Wir brauchen also nur Wechselgrößen zu betrachten. In einer üblichen Vakuumtriode, als Senderöhre benutzt, dient der Elektronenstrahl, letzten Endes also die Anodenspannungsquelle als Energiequelle. Das Gitter erzeugt einen wechselnden Elektronenstrom nach dem Prinzip der Verkehrsampel, die den Fahrzeugstrom periodisch sperrt bzw. durchlässt. Koppelt man eine mit diesem Strom wechselnde Spannung zurück ans Gitter, dann schwingt das Feld, das die Elektronen durchlaufen, in Phase oder Gegenphase mit dem Strom. Bei Gleichphasigkeit werden die Elektronen immer beschleunigt, bei Gegenphasigkeit immer gebremst und geben Energie ans Feld ab. Eine zufällig entstandene kleine Schwingung facht sich selbst an. Die Dichtemodulation im Fahrzeugstrom, die eine Verkehrsampel hinter und vor sich erzeugt, reicht zwar weit, verliert sich schließlich aber doch, einfach weil Autos verschieden schnell fahren. Nach einer Fahrzeit, die nicht viel größer ist als die Ampelperiode (genauer: Nach etwa v/Δv Perioden, wo Δv die Geschwindigkeitsspanne der Fahrzeuge ist), merkt man von der Dichtemodulation nichts mehr. Bei U = 1 kV fliegen Elektronen mit 7 · 106 m/s, brauchen also für einige mm Laufstrecke zwischen Gitter und Anode knapp 1 ns. Sie verstärken oder generieren also nur bis etwa 1 GHz. Dazu kommt, dass bei so hohen Frequenzen die Kapazitäten und Induktivitäten normaler Zuleitungsdrähte störende Schwingkreise bilden. Statt sich von den Laufzeiteffekten stören zu lassen, nutzt man sie im dm-, cm- und mm-Bereich gerade aus, um die erwünschte Modulation des Elektronenstroms zu erzeugen. Die wichtigsten Möglichkeiten dazu sind die Klystrons und die Lauffeldröhren. Daneben benutzt man heute mehr und mehr Halbleiterelemente wie Tunnel-, Lawinen- und Gunn-Dioden, in denen Ähnliches passiert. Im Zweikammer-Klystron (Abb. 8.33) schießt man einen Elektronenstrahl durch einen Hohlraumresonator. Das in ihm schwingende elektrische Feld beschleunigt und verlangsamt abwechselnd die durchtretenden Elektronen. Genau wie solche v-Unterschiede aus einem mit konstanter Dichte dahinfließenden Autostrom schließlich getrennte Pakete oder gar ,,Staus“ machen, verwandelt sich die v-Modulation nach einer gewissen Laufstrecke in eine Dichtemodulation (vgl. den graphischen Fahrplan der Elektronenbewegung, Abb. 8.32). In einem zweiten Resonator, der meist an der Stelle maximaler Grundschwingungsamplitude steht, facht dieser modulierte Strom ein Feld passender Frequenz an, indem er ihm immer wieder Bremsenergie der Elektronen zuführt. Nach Abb. 8.32 ist der Strom annähernd rechteckförmig, also reich an Oberwellen. Man kann den zweiten Resonator also auch auf ein Vielfaches der Frequenz des ersten abstimmen. Das Reflexklystron legt die beiden Resonatoren mittels eines hohen Minuspotentials, das die Elektronen reflektiert, zu einem einzigen zusammen (Abb. 8.34). Zur Selbsterregung der entsprechenden Schwingung braucht man dann keine äußere Rückkopplung. Hier muss man noch beachten, dass schnelle Elektronen weiter gegen die reflektierende Elektrode vordringen als langsame. In den Lauffeldröhren lässt man ein elektrisches Wellenfeld einem Elektronenstrahl etwas langsamer als dieser nachlaufen. Indem es die Elektronen bremst, eignet 463 x t Abb. 8.32. Graphischer Fahrplan für Teilchen, die geschwindigkeitsmoduliert aus einer Quelle austreten. Ihre Geschwindigkeit ändert sich zeitlich gemäß v = v0 + v1 sin(ωt). Nach einer Laufstrecke von etwa v02 /(ωv1 ) hat sich die Geschwindigkeitsmodulation in eine Dichtemodulation verwandelt l H1 H2 A K U0 Abb. 8.33. Klystron R K H Abb. 8.34. Reflexklystron 464 8. Freie Elektronen und Ionen Elektronenstrahl ElektronenE quelle Kollektor A Abb. 8.35. Wanderfeld-Verstärker Abb. 8.36. Im axialen Magnetfeld und überwiegend radialen E-Feld des Magnetrons beschreiben die Elektronen eine epizykloidenähnliche (karoförmige) Bahn. Ihr Strom, hier zu jedem zweiten ,,Pol“ der Anode, führt dieser ,,Verzögerungsleitung“ Energie zu, die Aufladung erzeugt einen azimutalen E-Feldanteil E a . Die Karobahn rotiert mit einigen GHz; ebenso schnell läuft die E a -Welle um und wird durch ein Loch ausgekoppelt sich das Feld einen Teil von deren Energie an. In der Wanderfeldröhre (travelling wave tube, Abb. 8.35) läuft dieser Strahl geradlinig, im Magnetron, wie es im Mikrowellenherd und in der Radaranlage steckt, wird er durch die Lorentz-Kraft in einem axialen Magnetfeld zum Kreis gekrümmt, auf dem infolge eines radialen E-Feldes ein kleiner Kreis abrollt (Epizykloide, vgl. Abb. 6.106). Da Elektronen bei gebräuchlichen Beschleunigungsspannungen nur mit etwa c/10 laufen, muss die Welle in beiden Fällen durch eine Verzögerungsleitung verlangsamt werden. Bei der Wanderfeldröhre kann man diese als gewendelten Lecher-Draht ausbilden oder als eine Kette von Hohlraumresonatoren mit Kopplung durch ein zentrales Loch, im Magnetron ebenfalls als Kette von Resonatorschlitzen, die radial vom Elektronen-Laufraum abzweigen. Die Umsetzung von Elektronen- in Feldenergie hat allerdings einen geringen Wirkungsgrad (η ≈ 2 Δv/v ≈ 0,3), denn der Geschwindigkeitsunterschied Δv zwischen Welle und Strahl muss klein bleiben, weil beide sonst außer Phase fallen. Im Magnetron erreicht man η = 0,8. Wanderfeldröhre und Magnetron lassen sich auch mit dem linearen bzw. dem rotierenden Asynchronmotor oder besser -generator vergleichen (Abschn. 7.3.10). Anstelle des Läufers hat man hier ein Elektronenpaket oder mehrere. Bevor die Röhre ,,eingeschwungen“ ist (der Motor auf seiner Nenndrehfrequenz läuft), gibt es immer auch Feldanteile, die in ,,falscher“ Phase schwingen, d. h. so, dass sie die Elektronen (den Läufer) beschleunigen. Der entsprechende Energieverlust dämpft aber diese Anteile bald weg, die phasenrichtigen wachsen an. Die Teilchenbeschleuniger sind umgekehrt mit den Motoren gleichzusetzen (Abschn. 18.3.3). Wie fast überall lassen sich auch in der Höchstfrequenztechnik die Vakuumröhren durch handlichere, billigere und betriebssichere Halbleiterelemente ersetzen, falls nicht zu viel Leistung umgesetzt werden muss. Auch hier nutzt man oft Laufzeiteffekte aus (Lawinen-Laufzeitdiode). Eine andere, hier meist einfachere Beschreibung der Arbeitsweise solcher Bauteile geht von der Entdämpfung eines Schwingkreises mittels einer fallenden I(U)-Kennlinie, also eines negativen differentiellen Widerstandes dU/d I aus. Wir wissen ja, dass ein Schwingkreis unbegrenzt weiterschwingen könnte, wenn der dämpfende Widerstand R nicht da wäre. R lässt sich durch ein Element mit fallender Kennlinie kompensieren oder überkompensieren, sodass Schwingungen ungedämpft bleiben oder sich selbst anfachen. Eine solche fallende Kennlinie entsteht auf verschiedene Art. Wir kennen sie von der Gasentladung (Abschn. 8.3.3), wo sie durch Vorschaltung von R oder L überkompensiert werden muss, damit die Entladung nicht ,,durchgeht“. Ganz ähnlich entsteht die fallende Kennlinie in der Lawinendiode, wo im sehr hohen E-Feld ebenfalls Ladungsträgermultiplikation durch Stoßionisation stattfindet. Die Kennlinie der Gunn-Diode fällt, weil ein starkes E-Feld die Ladungsträger in Bandbereiche mit geringerer Beweglichkeit hebt (Abschn. 17.3.6), in der Tunnel-Diode (Esaki-Diode) beruht sie auf quantenmechanischem Tunneln (Abschn. 13.7.2) durch die sehr dünne Übergangsschicht zwischen n- und p-leitendem Gebiet des Kristalls. 8.2.10 Teilchenfallen Elektromagnetische Felder können geladene Teilchen nicht nur führen und beschleunigen, sondern auch bremsen und auf engem Raum einfangen. Ein statisches elektrisches Feld kann zwar im Vakuum kein Energieminimum haben, in dem man ein Teilchen fangen könnte; in einen solchen Potentialtopf für ein positives Teilchen z. B. müssten ja von allen Seiten Feldlinien hineinführen, was nach Gauß nur möglich wäre, wenn dort ein negatives Teilchen säße. Mit kombinierten E- und B-Hochfrequenzfeldern gelingt das aber. Dehmelt und Paul konnten in solchen Fallen wenige, sogar einzelne Elektronen und Ionen über Monate halten und ihre 8.3 Gasentladungen Eigenschaften, z. B. ihre magnetischen Momente mit relativen Genauigkeiten bis fast 10−12 messen. Neutrale Atome und Neutronen kann man bei ihrem magnetischen Moment packen; die Potentialtöpfe, die man ihnen bietet, sind aber so flach (kaum 0,1 meV), sodass man sie auf weniger als 1 K ,,kühlen“ muss, z. B. indem man ihnen Licht entgegenschickt, das sie absorbieren. Diese Forschung steht an der Nahtstelle vieler Gebiete, der Physik der Laser (Kap. 15), der Beschleuniger (Abschn. 18.3.3), der Teilchenmikroskope (Abschn. 9.5.4), der Resonanzmethoden (Abschn. 14.9.3); dies zeigt schon die Verleihung des Nobelpreises 1989 an Dehmelt und Paul gemeinsam mit Ramsey, der die Cs-Uhr durch Resonanz zweier Felder auf Ganggenauigkeiten von 10−13 brachte und den H-Maser zur bisher stabilsten elektromagnetischen Strahlungsquelle machte. 8.3 Gasentladungen Blitze, Funken, Lichtbögen gehören zu den spektakulärsten Naturerscheinungen. Gezähmt geben sie uns Licht aus energiesparenden Lampen, warnen uns vor schnellen Teilchen in Geiger-Zähler und Ionisationskammer oder registrieren sie in der Drahtkammer. Gasentladungen, beherrschbar gegen Ende des 19. Jh. durch Fortschritte in Vakuum- und Hochspannungstechnik, waren auch der Schlüssel zur Erforschung des Atoms. 8.3.1 Leitfähigkeit von Gasen Gase leiten nur, wenn sie Ladungsträger, also Ionen oder Elektronen enthalten. Diese können durch Erhitzung oder energiereiche Strahlung (Röntgenoder radioaktive Strahlung) erzeugt werden. Anders als im Elektrolyten, wo sie durch Solvathüllen energetisch stabilisiert werden, sind Ionen in Gasen nicht beständig, sie rekombinieren mit Teilchen entgegengesetzten Vorzeichens. a) Ionenkinetik. Wir erzeugen Ionenpaare mit der Rate α Ionenpaare s−1 m−3 . Ohne Rekombination würden die Anzahldichten positiver und negativer Teilchen mit der Zeit anwachsen wie n + = n − = n = αt. Je mehr Ionen umherwimmeln, desto wahrscheinlicher werden aber Begegnungen, die zur Rekombination führen. Wir betrachten ein bestimmtes positives Ion. Es legt die mittlere freie Weglänge l = 1/(An − ) in der Zeit tl = l/v zurück, bevor es von einem der n − negativen Träger mit dem Rekombinationsquerschnitt A eingefangen wird. Im m3 sind n + solche positiven Ionen, also ist die Rekombinationsrate (Einfangakte s−1 m−3 ), Avn − n + = βn − n + . Erzeugung und Rekombination zusammen ergeben als zeitliche Änderung von n + = n − = n: ṅ = α − βn 2 . (8.39) Setzt die Erzeugung plötzlich aus, klingt n gemäß ṅ = −βn 2 oder integriert n0 n= 1 + t/τ 465