Donnerstag, 29. September 2011 | 19.30 Uhr Großes Festspielhaus MM 2 2. Konzert im Zyklus ‘Musik der Meister‘ JOHANNES BRAHMS (1833-1897) Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll, op. 102 ‚Doppelkonzert‘ Allegro Andante Vivace non troppo Spieldauer: ca. 33‘ - PAUSE - SERGEI RACHMANINOW (1873-1943) Symphonie Nr. 1 d-Moll, op. 13 Grave - Allegro non troppo Allegro animato Larghetto Allegro con fuoco Spieldauer: ca. 50‘ Stuttgarter Philharmoniker Alexander Janiczek Violine Miklós Perényi Violoncello Gabriel Feltz Dirigent 1 JOHANNES BRAHMS Konzert f. Violine, Violoncello u. Orch. a-Moll, op. 102 Johannes Brahms *1833, Hamburg †1897, Wien Entstehung des Werkes 1887, Hofstätten am Thuner See, Schweiz Uraufführung 1887, Kölner Gürzenich Geistervolle Klangspiele Das Doppelkonzert von Johannes Brahms ist 1887 in der Sommerfrische im schweizerischen Hofstätten am Thuner See entstanden. ‚Mache Dich auf einen kleinen Schreck gefasst‘, schrieb der Komponist am 24. Juli an den Geiger Joseph Joachim, ‚ich konnte nämlich derzeit den Einfällen zu einem Konzert für Violine und Violoncello nicht widerstehen, so sehr ich mir es auch immer wieder auszureden versuchte.‘ Joachim nahm diese freundschaftliche Botschaft des Jugendfreundes freudig an. Wegen der Scheidung Joachims von seiner Gattin, zu der Brahms gehalten hatte, war das Verhältnis der beiden Künstler jahrelang getrübt gewesen. Auch der Lebensfreundin Clara Schumann teilte Brahms brieflich den ‚lustigen Einfall‘ mit. Das Stück sollte sein letztes Orchesterwerk werden. Skizzen zu einer geplanten 5. Symphonie hat er darin verarbeitet, wie er seinem Biografen Max Kalbeck anvertraute. Die Uraufführung im Kölner Gürzenich mit dem dortigen Orchester unter der Leitung des Komponisten spielten Joachim und der ebenfalls prominente deutsche Cellist Robert Hausmann, welcher Brahms schon Jahre zuvor um ein Stück 2 für Cello und Orchester gebeten hatte. Die Aufnahme war gespalten. Clara Schumann urteilte differenziert: ‚Als Composition ist es höchst interessant, geistvoll… es ist aber nirgends ein so frischer warmer Zug als in Vielen andern seiner Sachen.‘ Während Joachim dem Doppelkonzert ‚fast den Vorrang vor dem Violinkonzert‘ zugestand, fand ein weiterer alter Freund, der Arzt Theodor Billroth, dem Kritiker Eduard Hanslick gegenüber außerordentlich harte Worte: ‚Trostlos, langweilig, die reine Greisenproduktion.‘ Tatsächlich mag das Werk ein wenig spröd anmuten, weil die Balance zwischen dem Orchester und den ‚einkomponierten‘ Solostimmen äußerst diffizil ist und die motivische Feinarbeit eher im Vordergrund steht als romantische Melodienseligkeit. Brahms bezog sich dabei auf die Traditionen des barocken Doppelkonzerts und der klassischen Sinfonia concertante. Bachs kontrapunktische Strenge und Mozarts spielerische Eleganz standen Pate. Zu Beginn präsentiert das gesamte Orchester das markante, den ganzen kraftvollen, entschlossenen Satz prägende Hauptthema, darauf stellen sich Cello und Geige ‚in der Art eines Rezitativs‘ mit auskomponierten Solokadenzen vor; zunächst einzeln, dann gemeinsam, ineinander verzahnt – Brahms sprach von einer ‚Riesengeige‘. Das von Bläsern und Cello angestimmte lyrische Seitenthema, die Aneignung eines Motivs aus dem von Brahms und Joachim geschätzten 22. Violinkonzert in a-Moll von Giovanni Battista Viotti – geschrieben ca. 1803 -, wird nuanciert und vielfältige Kontraste schaffend eingesetzt. Auch die Durchführung wird vom Orchester-Tutti begonnen, ehe eine in Bereiche der Parodie vorstoßende Triller-Studie beider Solisten zu nahezu modernen Klang-Expansionen führt. Die Hörner und die Holzbläser sind im gesanglichen Mittelsatz wesentliche Partner der Soloinstrumente, welche oft gemeinsam den sonoren Gesang der Streicher anführen. Auch im Finale folgt Brahms formal der Tradition – folgerichtig ist es in schönster klassischer Rondoform komponiert. So sehr die Rhythmik des Hauptthemas sich einprägt, so verschlungen und verinnerlicht sind die vielen, hier betont spielerischen Seitenwege der Soloinstrumente. Tänzerische Episoden, humorvolle Leichtigkeit und etwas grimmiger Witz wechseln einander ab. Am Ende stehen ein machtvoller Paukenwirbel und drei effektvolle Tuttischläge des Orchesters. 3 SERGEI RACHMANINOW Symphonie Nr. 1 d-Moll, op. 13 Sergei Rachmaninow *1873, Staraja Russa †1943, Beverly Hills Entstehung des Werkes 1895, Ivanovka Uraufführung 1897, St. Petersburg 4 Emotionales Panorama Ganz und gar nicht ambivalent, sondern einhellig negativ aufgenommen wurde die Uraufführung der 1. Symphonie von Sergej Rachmaninow 1897 in St. Petersburg. Der junge Komponist wurde von Publikum und Presse regelrecht vernichtet. ‚Wenn es in der Hölle einen Konzertsaal gäbe und man beauftragte einen Komponisten, eine Symphonie über die Plagen Ägyptens zu schreiben, dann würde dieses Werk dem Auftrag in idealer Weise entsprechen.‘ So urteilte César Cui, der eine spitze Feder führende Kollege vom nationalrussisch orientierten ‚Mächtigen Häuflein‘ – verständnislos, vielleicht neiderfüllt. Ein anderer berühmter Kollege, Alexander Glazunow, war als offenbar überforderter, angeblich nicht nüchterner Dirigent für das Desaster mitverantwortlich. Rachmaninow, der sich viel stärker an Tschaikowsky orientierte als an der nationalen Schule, hatte es gewagt, russische mit so genannten ‚westlichen‘ und neuen Elementen phantasievoll zu verbinden. Das Stück wurde zu Lebzeiten seines Schöpfers nie mehr gespielt. Die handschriftliche Partitur ging verloren und wurde später nach den glücklicherweise erhalten gebliebenen Orchesterstimmen rekonstruiert. Der leidenschaftliche Musiker fiel nach dem Uraufführungsskandal in die erste jener schweren Depressionen, die ihn sein ganzes Leben lang verfolgen sollten. Drei Jahre dauerte es, bis er ein neues Stück schrieb, zwölf Jahre, bis er sich wieder an ein symphonisches Werk wagte. ‚Mein ist die Rache, ich werde vergelten, spricht der Herr‘ – dieses Bibelzitat steht als mysteriöses Motto über der Partitur der Symphonie in d-Moll. Eine Anspielung auf Leo Tolstoi, der eben diesen Satz seinem Roman ‚Anna Karenina‘ vorangestellt hatte? Ein intimes Geheimnis? Immerhin ist das Stück einer gewissen ‚A.L.‘ gewidmet, worunter sich vermutlich die inbrünstig umworbene Frau eines Freundes verbirgt, die ‚schöne Zigeunerin‘ Anna Lodizhenskaja. Tolstois Ehebruch-Thematik liegt nahe. Wie auch immer, Komponieren bedeutete für Rachmaninow immer einen Akt der Selbsttherapie, der Verarbeitung schwieriger Lebenssituationen. Diese privaten Hintergründe sollten nicht den Blick auf die harmonische Meisterschaft des Komponisten verstellen, auf die imposant gebändigte Form der großen romantischen Symphonie, auf die vielen handwerklichen Finessen der Textur und der Instrumentierung. Rachmaninows Gefühlsüberschwang ist zudem nie kalkuliert, sondern kommt stets aus tiefster Empfindung. 5 Das Dies irae-Motiv zieht sich durch das gesamte Stück, es bestimmt bereits das düstere Leitthema des Grave-Beginns. Der erste Satz stürzt sofort in ein Wechselbad der Gefühle, welches an den Zeitgenossen Gustav Mahler denken lässt. Kunstvoll fugierte Episoden treffen auf jähe hymnische Aufschwünge, karikierende Rhythmen auf lyrisches Verweilen. Das folgende Scherzo – Allegro animato – verblüfft mit ungewöhnlichen Modulationen und verbleibt immer in einer gleichsam schwebenden und dabei unruhigen Atmosphäre. Die Themen haben oft ihren Ursprung in der Musik der Sinti und Roma, sind aber höchst originell verarbeitet. Am Anfang des Larghettos taucht die Eingangsphrase des Scherzos schattenhaft wieder auf, ein Beispiel für die motivische Verklammerung des gesamten Werks. Bewundernswert ist, wie Rachmaninow einerseits seine Neigung zu sich verströmender Lyrik auslebt, andererseits aber Musik von vollendeter Kontrapunktik und transparenter Polyphonie schafft. Die schattenhaft auftauchende, verstörende Gewalt der apokalyptischen Visionen aus der Einleitung der Symphonie bedroht zwischendurch den poetischen Grundcharakter des Satzes, der am Ende in dunkel schimmernden Abgründen versinkt. Wahrlich ‚con fuoco‘, mit Feuer, wird das abschließende Allegro eröffnet, welches sich zu einem gewaltsamen Marsch aufbäumt, wiederum unterbrochen durch nachdenkliche Einschübe der Holzbläser und schmerzerfüllte Kantilenen der Streicher. Gegen Ende wird das Motiv des Dies irae in einer Art und Weise zum ebenso energievollen wie parodistischen Tanz verwandelt, dass Schostakowitsch bereits sehr nahe zu sein scheint. Auf einen letzten, visionär das Leben beschwörenden Hymnus folgt ein von den Pauken bestimmtes, lapidar tragisches Finale. Gottfried Franz Kasparek „Mit ihrer klangschönen und spritzig-charmanten Wiedergabe des Mendelssohn Violinkonzerts hat Elena Tanski das Publikum im Sturm erobert. …. .“ Heidemarie Klabacher über die Interpretation des Mendelssohn Violinkonzerts von Elena Tanski im letzten Konzert der Salzburger Kulturvereinigung. Salzburgs Kulturgeschehen auf den Punkt gebracht. Täglich aktuell ab 14 Uhr im Netz. www.drehpunktkultur.at 6 orchesterbiografie STUTTGARTER PHILHARMONIKER Die Stuttgarter Philharmoniker wurden im September 1924 gegründet. Hermann Hildebrandt, Willem van Hoogstraten, Hans Hörner, Antonio de Almeida und Alexander Paulmüller waren die Chefdirigenten von 1949 bis 1972. Unter Hans Zanotelli, künstlerischer Leiter von 1972 bis 1985, entwickelten sich die Philharmoniker zu einem leistungsfähigen und renommierten Klangkörper. Mit Wolf-Dieter Hauschild, Chefdirigent von 1985 bis 1991, gewannen die Philharmoniker im In- und Ausland hohe Anerkennung. Carlos Kalmar (1991 bis 1995) und Jörg-Peter Weigle (1995 bis 2002) setzten die Tradition ihrer Vorgänger fort. Walter Weller, der dem Orchester seit Jahren eng verbunden ist, wurde im Oktober 2003 zum Ehrendirigenten ernannt. Seit September 2004 ist Gabriel Feltz Chefdirigent der Stuttgarter Philharmoniker und Generalmusikdirektor der Landeshauptstadt Stuttgart. Neben den vielfältigen Aufgaben in mehreren Konzertreihen in seiner Heimatstadt spielt das Orchester regelmäßig in vielen Städten des südwestdeutschen Raumes und gibt jedes Jahr Gastspiele im In- und Ausland. In den letzten Jahren unternahmen die Stuttgarter Philharmoniker Tourneen in die USA, nach Japan, Südamerika, in die Volksrepublik China und nach Mexiko. Im Februar 2007 erhielten Gabriel Feltz und sein Orchester den erstmals vergebenen ‚Prix Rachmaninoff 2006‘. In der Spielzeit 2005/2006 hatten sie als erstes deutsches Orchester einen Zyklus mit allen Sinfonien, den Klavierkonzerten und weiteren Orchesterwerken Rachmaninoffs aufgeführt. 7 solist ALEXANDER JANICZEK Der Salzburger Alexander Janiczek studierte an der Universität Mozarteum bei Helmuth Zehetmair und besuchte Meisterkurse bei Nathan Milstein und Max Rostal. Dank seines Mentors Sándor Végh kam es bald zu solistischen Auftritten im Rahmen der Salzburger Festspiele sowie in namhaften Konzerthäusern in Ungarn, Deutschland, der Schweiz, Spanien, Italien und Österreich. In der Funktion des Konzertmeisters der Camerata Salzburg bestritt er Tourneen zu den bedeutendsten Festivals Europas, den USA und Südamerikas. Von 1999 bis 2002 war Janiczek auch Konzertmeister des Scottish Chamber Orchestras und trat dort, neben zahlreichen Konzerten als leitender Solist unter Ton Koopman und Andrew Litton auf. Kammermusikalisch arbeitete er mit Künstlern wie Steven Isserlis, Gerard Caussé, Joshua Bell, Till Fellner, Alexander Lonquich und Thomas Adés. Janiczek war Gastkonzertmeister des London Philharmonic Orchestras, des London Symphony Orchestras, des Chamber Orchestra of Europe sowie des Budapest Festival Orchestras. Alexander Janiczek spielt die ‚Baron Oppenheim‘ Stradivari von 1716 - eine Leihgabe der Österreichischen Nationalbank. 8 solist MIKLÓS PERÉNYI Der ungarische Cellist Miklós Perényi ist einer der großen Cellisten seiner Generation. Die Besonderheit seines Spiels wird von seinem unnachahmlichen feinen und nuancierten Klang gepaart mit herausragender Musikalität, die stets im Mittelpunkt seines Spiel steht, geprägt. Mit fünf Jahren erhielt er seinen ersten Cello-Unterricht und mit neun Jahren gab er sein erstes Konzert in Budapest. Seine weitere Entwicklung verdankt er Enrico Mainardi in Rom und Ede Banda in Budapest. 1963 war Miklós Perényi Preisträger beim Internationalen Casals-Wettbewerb in Budapest. Seit 1974 unterrichtet Miklós Perényi an der Budapester Franz-Liszt-Akademie, wo er seit 1980 eine Professur inne hat. Seine solistische Karriere führte ihn in alle großen Konzerthäuser sowie zu allen bedeutenden Festivals der Welt. Perényi ist auf zahlreichen Einspielungen zu hören, u.a. bei Hungaroton, bei EMI-Quint, Sony Classics, Decca, col legno, Teldec und Erato. Bei dem Label ECM hat Miklós Perényi zusammen mit András Schiff das gesamte Werk von Beethoven für Cello und Klavier aufgenommen. Für sein musikalisches Wirken wurde er 1980 mit dem Kossuth-Preis und 1987 mit dem BartókPásztory-Preis ausgezeichnet. 9 dirigent GABRIEL FELTZ Gabriel Feltz wurde in Berlin geboren und ist seit der Saison 2004/2005 Chefdirigent der Stuttgarter Philharmoniker sowie GMD der Landeshauptstadt Stuttgart. Seit September 2008 bekleidet Feltz außerdem das Amt des ersten Gastdirigenten des Theaters Basel. Gabriel Feltz studierte an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin Dirigieren und Klavier. Erste Engagements führten ihn an die Städtischen Bühnen Lübeck, an das Bremer Theater sowie als GMD an das Theater Altenburg-Gera. Feltz dirigierte außerdem einige der bedeutenden Orchester im In-und Ausland. Zahlreiche Rundfunkaufnahmen der Opern- und Konzertliteratur sowie eine umfangreiche Diskographie mit Werken von Mozart, Suk, Ciurlionis, Mahler, Respighi, Strauss, Rachmaninoff, Skrjabin, Ligeti und Jost widerspiegeln die künstlerische Vielseitigkeit von Gabriel Feltz. 2007 wurden die Stuttgarter Philharmoniker unter der Leitung von Gabriel Feltz mit dem Prix Rachmaninoff der Fondation Serge Rachmaninoff ausgezeichnet - in Würdigung des bis heute umfangreichsten Aufführungszyklus der Werke Rachmaninows im deutschsprachigen Raum. Die im Oktober 2010 von Gabriel Feltz dirigierte ‚Aida am Rhein‘ aus Basel, europaweit im Fernsehen und Rundfunk übertragen und auch als DVD erhältlich, erregte großes Aufsehen. 10