Programmheft als

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Collegium Novum Zürich
Konzert 20. September 2016
Geschichten von Soldaten
Porträt
Seit seiner Gründung 1993 widmet sich das Collegium Novum Zürich der
Förderung und Aufführung von Musik der Gegenwart. Gleichzeitig wird
das aktuelle Musikschaffen in historische Kontexte gestellt und die
Geschichtlichkeit der Musik der Moderne erlebbar gemacht. Wichtiger
Bestandteil der künstlerischen Arbeit des CNZ ist der direkte Kontakt mit
den Komponistinnen und Komponisten sowie der Austausch mit Kooperationspartnern. Das 25 Mitglieder umfassende Solistenensemble vermag dank seiner mobilen Struktur flexibel auf Besetzungen vom Solo bis
zum grossen Ensemble zurückzugreifen. So kann sich die Programm
gestaltung ganz nach inhaltlichen Kriterien ausrichten. Die Mitglieder
treten mit dem Ensemble auch solistisch in Erscheinung und nehmen
neben ihrer Tätigkeit beim CNZ führende Rollen im Schweizer Kultur
leben ein.
Das Collegium Novum Zürich, das von der Stadt Zürich und vom
Kanton Zürich subventioniert wird, unterhält seit Jahren eine eigene
Konzertreihe in Zürich, bei der in Zusammenarbeit mit verschiedenen
Veranstaltern Ensemble-Projekte in der Tonhalle und an anderen Konzertorten in der Stadt realisiert werden. Viele der Veranstaltungen
suchen gezielt die spartenübergreifende Vernetzung der Künste sowie
sinnfällige Verbindungen von musikalischem Programm und Konzertort.
Im Laufe seiner nunmehr über 22 Jahre währenden Konzerttätigkeit brachte das CNZ zahlreiche Werke zur Uraufführung, darunter Kompositionen von Gary Berger, Ann Cleare, Xavier Dayer, Beat Furrer, Georg
Friedrich Haas, Edu Haubensak, Hans Werner Henze, Michael Jarrell,
Klaus Huber, Mischa Käser, Hermann Keller, Rudolf Kelterborn, Thomas
Kessler, Jorge E. López, Cécile Marti, Isabel Mundry, Emmanuel Nunes,
Helmut Oehring, Klaus Ospald, Michael Pelzel, Enno Poppe, Philippe
Racine, Andrea Lorenzo Scartazzini, Annette Schmucki, Nadir Vassena
und Stefan Wirth. Die Interpretationen des Ensembles sind auf mehr als
einem Duzend Tonträgern nachzuhören.
Am Pult des CNZ standen Dirigenten wie Pierre Boulez, Mark Foster,
Sylvain Cambreling, Friedrich Cerha, Peter Hirsch, David Philip Hefti,
Pablo Heras-Casado, Beat Furrer, Heinz Holliger, Mauricio Kagel, Roland
Kluttig, Johannes Kalitzke, Susanna Mälkki, Emilio Pomarìco, Michael
Wendeberg, Enno Poppe, Peter Rundel und Jürg Wyttenbach. Von 2013
bis 2016 war Jonathan Stockhammer dem Ensemble als Conductor in
Residence verbunden.
Das Collegium Novum Zürich tritt regelmässig im In- und Ausland auf
und gastiert bei renommierten Festivals und Veranstaltern wie Kölner
Philharmonie, Muziekgebouw Amsterdam, Philharmonie Luxembourg,
Konzerthaus Berlin, Ultraschall Berlin, Berliner Festspiele/MaerzMusik,
November Music ’s-Hertogenbosch, Bregenzer Festspiele, Klangspuren
Schwaz, Lucerne Festival, WDR Köln, Schwetzinger Festspiele, Thailand
International Composition Festival, Warschauer Herbst, Wittener Tage
für neue Kammermusik, Wiener Konzerthaus und Tage für Neue Musik
Zürich.
Collegium Novum Zürich
Dienstag, 20. September 2016
20 Uhr
Tonhalle Zürich, Grosser Saal
Igor Strawinsky ( 1882 – 1971) «L’histoire du soldat » für sieben Instrumente ( 1918, Suite)
1. Marche du soldat
2. Petit airs au bord du ruisseau
3. Pastorale
4. Marche royale
5. Petit concert
6. Trois Danses ( Tango – Valse – Ragtime)
7. Danse du diable
8. Grand Choral
9. Marche triomphale du diable
Dauer ca. 25'
Mithatcan Öcal (*1992 ) «Belt of Sympathies» (Mini-Opera Without Words)
für 15 Musiker (Uraufführung, Auftragswerk des CNZ, ermöglicht durch
die Landis & Gyr Stiftung )
1. Quasi rubato ma non tanto, lamento
2. Come un rituel – Tempo flessibile, molto espressivo –
3. Viertel MM 80 – 90
Dauer ca. 30'
Pause
George Aperghis (*1945 ) « Le soldat inconnu » ( 2014 ) für Bariton und
Ensemble nach einem Text von Franz Kafka
Dauer ca. 30'
Die Werke dieses Konzertes sind Teil des saisonübergreifenden Schwerpunkts Fokus Osten.
Mit freundlicher Unterstützung von:
Mäzene, Gönner und Freunde
des Collegium Novum Zürich
Programm
Besetzung
Emilio Pomàrico, Dirigent
Lionel Peintre, Bariton
Susanne Peters, Flöte
Matthias Arter, Oboe
Heinrich Mätzener, Klarinette
Xavière Fertin, Klarinette
Stefan Buri, Fagott
Jochen Weiss, Trompete
Kevin Fairbairn, Posaune
Gilles Grimaître, Klavier, Celesta, Cembalo
Stefan Wirth, Klavier
Julien Megroz, Schlagzeug
Jacqueline Ott, Schlagzeug
Urs Walker, Violine
Mateusz Szczepkowski, Violine
Patrick Jüdt, Viola
Imke Frank, Violoncello
Martina Schucan, Violoncello
Aleksander Gabrys, Kontrabass
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Jens Schubbe
Fokus Osten
In den Konzerten dieser Saison und auch darüber hinaus wird das Collegium Novum Zürich einzelne Werke, aber auch manchmal komplette
Programme einem als Fokus Osten gekennzeichneten programmatischen Schwerpunkt widmen. Wir möchten dabei verstärkt danach
fragen, wie zeitgenössische Musik auf gesellschaftliche Entwicklungen
reagiert. Gerade Süd- und Südosteuropa und die angrenzenden Regionen waren und sind immer wieder Schauplätze besonders einschneidender und dramatischer Umwälzungen. Wir rücken Komponisten ins
Zentrum, die aus diesen Regionen stammen und durch deren geschichtliche und gegenwärtige Bedingungen geprägt wurden oder aber sich
diesen Regionen als Aussenstehende zugewandt haben. An einige dieser Komponisten wurden Aufträge vergeben. Wir möchten dabei erkunden, wie gesellschaftlich bedeutsame Phänomene im Medium der Kunst
reflektiert werden. Ein solcher Ansatz schliesst nicht aus, dass wir auch
Musik in unsere Programme integrieren, die von keinerlei aussermusikalischen Vorstellungen und Intentionen beeinflusst ist, sondern die
allein dank ihrer ästhetischen Qualität zu wirken vermag.
Igor Strawinsky: «L’histoire du soldat »
1914, im Jahr des Kriegsausbruchs, hatte Igor Strawinsky seinen Wohnsitz in die Schweiz nach Morges in die Nähe von Lausanne verlegt, eine
Gegend, die ihm seit Kindheitstagen durch Urlaubsaufenthalte der
Familie vertraut war. Er war damals 32 Jahre alt und dank der spektakulären, von den Ballets Russes in Paris herausgebrachten Ballettmusiken
«L’oiseau de feu», «Pétrouchka» und «Le sacre du printemps » ein international bekannter Komponist, dem mit dem « Sacre» bereits eine der
bahnbrechenden Leistungen der anbrechenden Moderne gelungen war.
Die Kriegsjahre wurden für Strawinsky Jahre des Rückzugs und auch der
schöpferischen Neuorientierung. Es entstanden unter anderem die
«Priboutki» für Gesang und Instrumente, die «Katzenwiegenlieder » für
Sopran und drei Klarinetten und die Drei Stücke für Streichquartett, in
denen die opulente Klangwelt der Ballette verabschiedet ist. Knappe,
miniaturhafte Formen und kammermusikalisches Filigran begegnen in
diesen Werken, die zu den radikalsten Schöpfungen Strawinskys zählen.
Spiegelt sich in genannten Kompositionen aus den Jahren nach 1913
der Epochenwechsel, der auch in der Musik mit der Urkatastrophe des
20. Jahrhunderts einherging, in vermittelter Weise, so wird diese
Verquickung in « L’histoire du soldat » unmittelbar greifbar. Der mit
Strawinsky befreundete Dirigent Ernest Ansermet hatte Strawinsky
mit dem Dichter Charles Ferdinand Ramuz bekannt gemacht und der
erinnert sich: «Es war im Jahr 1918; niemand wusste, wann der Krieg zu
Ende gehen würde. Die Grenzen um uns herum wurden immer strenger
geschlossen, wobei es nicht ausblieb, dass Strawinsky in eine immer
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schwierigere Lage geriet. Das Russische Ballett trat einstweilen nicht
mehr auf; die Theater spielten nicht oder wenigstens so gut wie nicht.
[...] Und ich erinnere mich, dass wir, Strawinsky und ich, uns eines Tages
sinngemäss sagten: ‹ Warum es denn nicht einfach machen? Warum
nicht ein gemeinsames Stück schreiben, das keinen grossen Saal, kein
grosses Publikum braucht; ein Stück, dessen Musik beispielsweise nur
wenige Instrumente erfordern würde und das nur zwei oder drei Personen hätte? [...] Da es kein Theater gibt, würden wir unser eigenes Theater haben, das heisst also eigene Dekorationen, die man mühelos in
jedem beliebigen Raum und sogar im Freien aufstellen könnte; wir
würden die alte Tradition der Gauklerbühnen, der Wandertheater, der
Jahrmarktstheater wieder aufnehmen.›»
Den Stoff für ihr Bühnenstück entnahmen Ramuz und Strawinsky der
Sammlung russischer Volksmärchen von Alexander Afanasjew. Erzählt
wird die Geschichte eines Soldaten, dem auf dem Heimweg der Teufel
begegnet, der ihm ein Tauschgeschäft anbietet: Der Soldat möge ihm
seine Geige überlassen und ihm in drei Tagen das Geigenspiel beibringen. Im Gegenzug soll er ein Buch erhalten, das ihm Reichtum verschaffe. Der Soldat willigt ein. Als er zu Hause anlangt, erkennt er, dass
nicht drei Tage, sondern drei Jahre vergangen sind. Niemand erkennt
ihn, seine Braut ist verheiratet. Das Buch ermöglicht ihm, zum reichen
Geschäftsmann zu werden, aber er bleibt unglücklich. Als er hört, dass
die Prinzessin krank darnieder liegt, möchte er sie durch sein Geigenspiel heilen. Ihm gelingt es, den Teufel beim Kartenspiel betrunken zu
machen und die Geige zurückzuerhalten. Doch dafür darf er die Heimat
nicht mehr betreten. Er heilt die Prinzessin und beide werden zum Paar.
Freilich ist die Sehnsucht nach der Heimat zu gross. Als er deren Boden
zu betreten versucht, fährt er mit dem Teufel zur Hölle: «Man soll zu dem,
was man besitzt, begehren nicht, was früher war. Man kann zugleich
nicht der sein, der man ist und der man war. Man kann nicht alles haben.
Was war, kehrt nicht zurück.»
René Auberjonois. Die musikalische Leitung hatte Ernest Ansermet. Von
Anfang an hatte Strawinsky geplant, die Musik für den Konzertgebrauch
separat als Suite herauszugeben. In dieser Gestalt erklingt das Werk in
unserem Konzert.
«Ein Dichter hat immer zu viele Worte in seinem Sprachschatz, ein Maler
Das Werk ist zunächst Geschichte, wird also erzählt, vorgelesen. Einige
Episoden werden gleich lebenden Bildern oder kleinen Szenen auf der
Bühne dargestellt. Die Musik akzentuiert und kommentiert bestimmte
Situationen und Haltungen. Die drei Elemente – Lesung, Spiel, Musik –
sind deutlich getrennt, auch räumlich: Vor der eigent lichen Bühne sind
auf der einen Seite der Sprecher, auf der anderen Seite die Musiker
positioniert. Eine solche Art des Theaters, die nicht Einfühlung, sondern
eine distanziert beobachtende Haltung des Rezipienten provoziert,
nimmt das später Bertolt Brecht zugeschriebene Epische Theater
vorweg. Am 29. April 1918 fand die Uraufführung von « L’histoire du
soldat » in Lausanne statt. Die gemalten Dekorationen stammten von
zu viele Farben auf seiner Palette, ein Musiker zu viele Noten in seinem
Klavier.», schrieb Jean Cocteau und ganz im Sinne dieser Warnung folgt
Strawinsky in «L’histoire» einem Gebot der Reduktion. Das riesenhafte
Orchester der Jahrhundertwende, das Strawinsky noch in seinen früheren Ballettmusiken meisterhaft zu nutzen verstand, ist in «L’histoire
du soldat » gleichsam zu einem Orchesterskelett geschrumpft, bei dem
die Register nur noch durch je zwei Instrumente vertreten sind, die
bevorzugt die extremen Lagen ansteuern. Darunter findet sich als Gast
aus der Sphäre der Militärmusik das cornet à pistons. Hinzu kommt ein
Schlagzeuger. All das, was dem Klang Körperlichkeit und Fülle verschafft, ist ausgeblendet. Die instrumentalen Klänge verschmelzen
nicht mehr zu sublim gemischten Farben, sondern treten als karge
Linien in Erscheinung. «Nie hat Strawinsky mit härterer Radiernadel
gearbeitet als in der Geschichte vom Soldaten », meinte Jean-Charles
Heffelé treffend.
Strawinsky verfügt über die Elemente der Musik – Motive, Rhythmen,
Intervallstrukturen – wie über Teile eines variablen, kaleidoskopartigen
Mosaiks, die windschief zusammengesetzt werden. Exemplarisch für
dieses Verfahren ist schon die einleitende Marche du soldat. Die Requisiten des Marsches sind versammelt: stampfender Rhythmus, zackige
Motive der Blechbläser, stramm sekundierende Figuren der Holzbläser.
Freilich geraten sie in ein rhythmisches Wechselbad, stolpern und taumeln sie. Was so entsteht, ist das Zerrbild eines Marsches.
Strawinskys Musik überredet nicht, mit den Akteuren zu fühlen, sondern sie führt deren Haltungen, Situationen, Gefühle vor, beispielsweise in der Musik der zweiten Szene, identisch mit dem dritten Satz der
Suite. Die Situation: Der Soldat muss erkennen, dass er nicht drei Tage,
sondern drei Jahre beim Teufel verlor. Er ist ratlos und verzweifelt: « Was
soll ich nun tun?» Die Handlung stoppt, stattdessen folgt Musik: Wenige,
durch bestimmte Intervalle geprägte Floskeln in Klarinette, Fagott und
Cornet werden sparsam begleitet von fahlen Akkorden der Violine und
des Kontrabasses. Eine Musik, die in solcher Zurücknahme diskret und
beklemmend in einem ist.
Als grelle Parodie hingegen ist die Marche royale angelegt: Absichtsvoll missrät die Anstrengung der Instrumentalisten, den im Titel avisierten Wohlklang höfischer Musik zu imaginieren. Unausgewogen und
forciert erscheint das Klangbild, fortwährende Taktwechsel deformie-
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ren den Marsch erneut. Ein drastisches Missverhältnis klafft zwischen
der virtuosen Attitüde mancher Passage und der «Plattitüde» der unablässig wiederholten melodischen Floskeln.
Das Petit concert erklingt an der Peripetie der Handlung, wenn es dem
Soldaten gelang, dem Teufel die Geige zu entwenden und sich alles zum
Guten zu wenden scheint: eine höchst virtuose Montage, die fast ausschliesslich aus Bausteinen der Musik der anderen Szenen gefertigt
ist – sowohl derjenigen, die schon gespielt wurden, als auch der, die
noch folgen werden.
Wenn gerade die genreartigen Elemente der Musik, die Märsche und
Tänze, durchweg verfremdet sind, parodistisch oder grotesk verzerrt
erscheinen, erweckt das den Eindruck, als stände die Musik unter einem
Bann, als dürfe sie nicht zu sich selbst kommen, mit unverstellter
Stimme sprechen. Nur einmal wird dieser Bann gelöst, überschreitet die
Musik – wie der Soldat – die gesetzte Grenze: Der Grand Choral beginnt
als Choral-Parodie. Violine und Kontrabass ahmen – allerdings völlig
disproportioniert – die «auratischen» Streichertremoli romantischer
Musik nach. Der Choralsatz wirkt zunächst verzerrt, Dissonanzen sind
mit geradezu « boshafter Ausdrücklichkeit » ( Andreas Traub ) in die
Harmoniefolgen versenkt. Doch von Strophe zu Strophe wird das Parodistische zurückgenommen, etabliert sich ein durchaus ernster, feierlicher Bläserklang. Wie dem Soldaten wird auch für die Musik diese
Grenzüberschreitung tödlich: Die abschliessende Marche triomphale du
diable ist eine gleichsam «destruktive» Musik, die mit einer geschlossenen Struktur beginnt und sie bis zum Ende so weit auflöst, dass allein
die erbarmungslosen Rhythmen des Schlagzeugs übrig bleiben.
Der erste Satz hebt an wie das Traumbild von etwas Verlorenem. Wie
der Nachhall einer uralten Melodie wirkt das einleitende Violinsolo.
Die Klänge scheinen entkörperlicht. Gleich einer Fata Morgana in der
Wüstenluft flirren sie – fast durchweg verfremdet durch Flageoletts,
Triller und feine Nuancierungen der Farbwerte im mikrotonal erweiterten Tonraum. Leise und leiseste Verlautbarungen dominieren auch
dann, wenn die Instrumente des Ensembles hinzutreten, doch ist das
Netz der Stimmen durchaus dicht gewoben. Die dreiklangsgeprägte
Melodik des Violin-Solos scheint auch in die Harmonik des Satzes hineinzuwirken. Sie basiert – grob gesagt – auf den Obertonspektren von
Zentraltönen, die zueinander im aus der traditionellen zentraleuropäischen Musik geläufigen Verhältnis von Tonika und Dominante stehen.
Wie eine ferne Erinnerung ist diese alte Tonalität präsent, ohne doch in
einem nostalgischen Sinne rekonstruiert zu werden. Auf die einleitende
Melodie wird im Verlauf des Satzes nur einmal rekurriert: Einzelne ihrer
Wendungen scheinen zerschlissen und dissoziiert im Bläserchor auf.
Greifbare Gestalten werden ansonsten vor allem von der Klarinette
intoniert, aber anders als die in sich geschlossene Melodie des Beginns
gleichen sie schweifenden, arabeskenhaften Figurationen. Am Ende
zerstören brutal hineinfahrende Akkorde die zarte Trauermusik.
«Come un Rituel» lautet die Vortragsbezeichnung des zweiten Satzes.
Ein Ritual sei eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, meist formelle und oft feierlich festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt,
informiert ein populäres Lexikon. Ritualhaft wirken in der Tat einige
Eigenarten dieser Musik. In seiner harmonisch-melodischen Anlage
bezieht sich der Satz über weite Strecken auf eine Tonleiter, die durch
den regelmässigen Wechsel von Ganz- und Halbtonschritten gekennzeichnet ist. Bei Olivier Messiaen ist diese Skala als der zweite der sieben
Modi mit begrenzten Transpositionsmöglichkeiten beschrieben. Im
wesentlichen entfaltet sich dieser Satz im Wechsel von aus repetierten
Strukturen geformten Klangflächen und Passagen, in denen diese
Flächen von mehr oder weniger ausgedehnten, orientalisierenden
Melismen überlagert werden. Sie werden vor allem vom Englischhorn
intoniert, manchmal sekundiert von Cello bzw. Kontrabass. Gegen Ende
mündet diese rituelle Bewegung in eine irreal anmutende Partie, in
welcher der Musik gleichsam eine barockisierende Maske aufgesetzt
wird.
Der unmittelbar anschliessende dritte Satz hat den Charakter eines
veritablen Finales. Sind die beiden vorangehenden Sätze insgesamt
eher statisch gehalten und gleichen Klangbildern, so ist das Finale
sinfonisch gearbeitet. Jener Eigenart der beiden anderen Sätze, gleichsam Zeitfenster zu öffnen, in denen Idiome vergangener Musik an die
Oberfläche dringen, bleibt auch dieser Satz treu, wenn sich ein in energischer Bewegung anhebender Abschnitt auf einem tonalen harmonischen Feld festrennt. Insgesamt wird der Verlauf des Satzes von einem
Wechsel der Texturen bestimmt, die jeweils einzelne Abschnitte dominieren. Wenn in reprisenartigen Momenten schon Bekanntes – etwa das
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Mithatcan Öcal: « Belt of Sympathies »
Mithatcan Öcals Klangsprache ist musica impura, «unreine Musik» im
besten Sinne. Ihre Klänge sind durchtränkt von Geschichte, von Spuren
menschlichen Lebens, sie provoziert Assoziationen, Bilder, Emotionen.
So wächst der Musik trotz der Komplexität ihrer Textur eine Unmit telbarkeit und affektive Geladenheit zu, wie sie oftmals der Oper oft
zueigen ist. Auf dieser Ebene sind die Bezüge zur musikdramatischen
Gattung zu suchen, auf die das Werk im Untertitel anspielt. « Belt of
Sympathies » hat der Komponist sein Werk benannt, und sympathies ist
hier im Sinne von Mitgefühl, Mitleiden zu übersetzen. Diese Musik ist zu
verstehen als in Klang gebannte Reflektion eines Menschen angesichts
einer hoffnungslos gewaltverfallenen Welt, formuliert ohne Rücksicht
auf ästhetische Fragen und eben deshalb voller Brüche.
Melisma des 2. Satzes – aufscheint, betont das den sinfonischen Gestus.
Einzelne Instrumente haben manchmal den Charakter von «Dramatis
personae» und bestimmen ( wie etwa die Bassklarinette ) streckenweise
als Soloinstrumente das Geschehen oder versammeln sich zu Duetten,
Trios oder aber zu einem Quartett der tiefen Holzbläser. Die dramatische
Bewegung des Satzes treibt auf mehrere Kulminationen zu, die formale
Wendepunkte markieren und deren letzter die Musik am Ende gleichsam detonieren lässt.
Georges Aperghis: «Le soldat inconnu»
Georges Aperghis’ « Le soldat inconnu » datiert aus dem Jahr 2014,
jenem Jahr, in dem sich der Ausbruch des ersten Weltkriegs zum einhundertsten Mal jährte. Dieser historische Hintergrund spielt in das
Werk ebenso hinein wie der bewusst gesuchte Bezug zu Strawinskys
«L’histoire du soldat ». Die Ensemblebesetzung ist an die von Strawinskys
Werk angelehnt, erweitert sie aber um eine zusätzliche Klarinette,
Tasteninstrumente und zwei Celli. Auch in Aperghis’ Komposition ist ein
Soldat der Protagonist und auch hier wird eine Geschichte – vielleicht
nicht erzählt, aber wenigstens angedeutet. Ähnlich wie bei Strawinsky
hat das Werk eine theatrale Komponente, aber es ist kein Bühnenstück,
sondern das Theatrale erwächst aus der Musik selbst.
Der Soldat, dem wir in Aperghis’ Werk begegnen, ist keine konkret
greifbare Figur, und die Schrecken, von denen er kündet, sind nicht auf
ein bestimmtes historisches Ereignis bezogen. Vielmehr verkörpert er
den Archetypus des vergessenen Soldaten im endlosen Kreislauf von
Gewalt und Gegengewalt. Das Werk hat etwas Alptraumhaftes, seine
Szenerie ist eine Landschaft zwischen Leben und Tod. Am Beginn hören
wir exaltierte Rufe des Protagonisten. Worte werden in den Raum gejagt wie Salven von Schüssen, ein babylonisches Sprachgewirr herrscht.
Die Worte gleichen Blitzen, die eine Kriegslandschaft durchzucken:
No – man – war – single – no – man – feu ... Mit dem Einsatz des Ensembles wird eine klangliche Apokalypse entfesselt. Die Rufe verdichten
sich zu Wortgruppen. Die wahnhaften Deklamationen evozieren Bilder,
die um Verwundung, Blut, Sterben, Überleben kreisen, aber auch von
Blumen ist die Rede. Die instrumentalen Texturen wechseln in harten
Schnitten. Mal verdichten sich die Stimmen zu klanglichem Dickicht voll
schreiender Dissonanzen, dann wieder versammeln sich die Instrumente in klar geschiedenen Registern. Heftig attackierende Passagen
wechseln mit gespenstischem Gewisper. Wenn für Momente die Posaune
dazwischenfährt und der Deklamation des Baritons sekundiert, stellen
sich sogleich biblische Assoziationen ein oder assoziiert man Bernd
Alois Zimmermanns «Ekklesiastische Aktion », an die das Werk in den
melodramatischen Passagen von fern erinnert. Wenn sich das Geschehen abrupt beruhigt und nur vom Cello intonierte Seufzer laut werden,
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markiert das den Übergang zum zweiten Teil des Werkes, in dem Partien
von Kafkas Erzählung «Das Stadtwappen» vorgetragen werden, aus der
schon zuvor einzelne Bruchstücke unmerklich in das Textgewirr eigemischt waren.
Kafkas Geschichte erfasst in gleichnishafter Form, wie der Versuch
der Naturbeherrschung durch den Menschen ( symbolisiert im Bild vom
Bau des Babylonischen Turms ) umschlägt in die Beherrschung des Menschen durch den Menschen, wie Fortschritt und Erkenntnisgewinn nicht
etwa zu einem befreiten und versöhnten Leben verhelfen, sondern sie
die Menschen nur immer tiefer in den Kreislauf der Selbstvernichtung
verstricken.
Wie eine Erinnerung an Urältestes sich verdichtet, wird diese Geschichte, aus der Aperghis nur einige Passagen einbezieht, in der Rede
des Soldaten laut. Man meint, er rede im Traum. Die Klanglandschaft ist
nun eine andere: zart, luzide und doch amorph. Der weitere Gang des
Werkes wird durch ein Changieren zwischen den Idiomen des Beginns –
nennen wir sie Klänge der Apokalypse – und denen der Traumerzählung
bestimmt. Insgesamt dominieren nun grossräumigere formale Strukturen. Es gibt längere rein instrumentale Partien, wobei die Stimmen der
Instrumente wie Repräsentanten der Verstummten, der Vergessenen
wirken, denen es versagt ist, noch zu reden. Für Momente wird – und das
ist eine der berührendsten Passagen des Stückes – eine Art «Weheklage»
laut im Wechselgesang zwischen Trompete und Bariton.
In einem Interview hat Georges Aperghis folgende Beobachtung formuliert, die ihn während der Arbeit an «Le soldat inconnu» beschäftigte:
« Wie viele Menschen [...] zogen mit einem Lied auf den Lippen in den
Krieg, nur um in die Vergessenheit gejagt zu werden. Jedes Mal gibt es
andere Ursachen und Anlässe, aber das Resultat ist unweigerlich dasselbe. Da sind ganze Generationen von jungen Menschen singend in den
Krieg gezogen und heute füllen sie die Friedhöfe der Welt.» Auch diese
Beobachtung bestätigt eine Aussage Franz Kafkas, die dieser gegenüber
seinem Freund Max Brod getätigt haben soll, als der ihn fragte: «Gibt es
denn gar keine Hoffnung ?» « Aber ja! Es gibt unendlich viel Hoffnung.
Nur nicht für uns.»
Franz Kafka
Das Stadtwappen
Anfangs war beim babylonischen Turmbau alles in leidlicher Ordnung;
ja, die Ordnung war vielleicht zu gross, man dachte zu sehr an Wegweiser, Dolmetscher, Arbeiterunterkünfte und Verbindungswege, so als
habe man Jahrhunderte freier Arbeitsmöglichkeit vor sich. Die damals
herrschende Meinung ging sogar dahin, man könne gar nicht langsam
genug bauen; man musste diese Meinung gar nicht sehr übertreiben
und konnte überhaupt davor zurückschrecken, die Fundamente zu legen.
Man argumentierte nämlich so: Das Wesentliche des ganzen Unter-
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Biografie
nehmens ist der Gedanke, einen bis in den Himmel reichenden Turm zu
bauen. Neben diesem Gedanken ist alles andere nebensächlich. Der
Gedanke, einmal in seiner Grösse gefasst, kann nicht mehr verschwinden; solange es Menschen gibt, wird auch der starke Wunsch da sein,
den Turm zu Ende zu bauen. In dieser Hinsicht aber muss man wegen der
Zukunft keine Sorgen haben, im Gegenteil, das Wissen der Menschheit
steigert sich, die Baukunst hat Fortschritte gemacht und wird weitere
Fortschritte machen, eine Arbeit, zu der wir ein Jahr brauchen, wird in
hundert Jahren vielleicht in einem halben Jahr geleistet werden und
überdies besser, haltbarer. Warum also schon heute sich an die Grenze
der Kräfte abmühen? Das hätte nur dann Sinn, wenn man hoffen könnte,
den Turm in der Zeit einer Generation aufzubauen. Das aber war auf
keine Weise zu erwarten. Eher liess sich denken, dass die nächste Generation mit ihrem vervollkommneten Wissen die Arbeit der vorigen
Generation schlecht finden und das Gebaute niederreissen werde, um
von neuem anzufangen. Solche Gedanken lähmten die Kräfte, und mehr
als um den Turmbau kümmerte man sich um den Bau der Arbeiterstadt.
Jede Landsmannschaft wollte das schönste Quartier haben, dadurch
ergaben sich Streitigkeiten, die sich bis zu blutigen Kämpfen steigerten.
Diese Kämpfe hörten nicht mehr auf; den Führern waren sie ein neues
Argument dafür, dass der Turm auch mangels der nötigen Konzentration
sehr langsam oder lieber erst nach allgemeinem Friedensschluss gebaut
werden sollte. Doch verbrachte man die Zeit nicht nur mit Kämpfen, in
den Pausen verschönerte man die Stadt, wodurch man allerdings neuen
Neid und neue Kämpfe hervorrief. So verging die Zeit der ersten Generation, aber keine der folgenden war anders, nur die Kunstfertigkeit
steigerte sich immerfort und damit die Kampfsucht. Dazu kam, dass
schon die zweite oder dritte Generation die Sinnlosigkeit des Himmelsturmbaus erkannte, doch war man schon viel zu sehr miteinander
verbunden, um die Stadt zu verlassen.
Alles was in dieser Stadt an Sagen und Liedern entstanden ist, ist
erfüllt von der Sehnsucht nach einem prophezeiten Tag, an welchem die
Stadt von einer Riesenfaust in fünf kurz aufeinanderfolgenden Schlägen
zerschmettert werden wird. Deshalb hat auch die Stadt die Faust im
Wappen.
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Georges Aperghis
Georges Aperghis wurde 1945 in Athen geboren, als Kind eines Bildhauers und einer Malerin. Seine Jugend in Griechenland und der künstlerisch reiche familiäre Hintergrund haben Aperghis in vielfacher Hinsicht geprägt: «Ich wohnte in einer Strasse ohne Autos, wir lebten einer
auf dem anderen. Die Strasse war eine Szene; kein Tag verging ohne
Geschichten.»
Aperghis war grösstenteils Autodidakt und teilte seine Interessen
zwischen Malerei und Musik, die er durch das Radio und die gelegentlichen Klavierstunden eines Familienfreundes entdeckte. In Athen hatte
er noch wenig Kontakt zur europäischen Avantgarde, aber er hatte
Zugang zu einigen Partituren und hörte vor allem Schönberg, Bartók
und Strawinsky. 1963 entschied er sich, nach Paris zu gehen, wo er seither lebt und arbeitet. Es entstanden mehr als 100 Werke für die unterschiedlichsten Besetzungen, wobei sein Hang zur Theatralik und Provokation immer spürbar ist. 1976 gründete er das « Atelier Théâtre Et
Musique » ( ATEM ), ein multimediales Musiktheater. Innerhalb dieser
Struktur erneuerte er seine Praxis als Komponist; die intensive Zusammenarbeit mit Musikern und Schauspieler-Sängern prägte seinen Stil.
Für ATEM entstanden mehr als 20 Stücke, darunter « Jojo » ( 1990),
Sextuor ( 1993 ) und «Commentaires » ( 1996 ), inspiriert vom alltäglichen
Leben. Soziale Zustände sind in eine poetische Welt übersetzt, die oft
absurde und satirische Züge annimmt.
Diese Werke sind aber auch komponierte Faszination der Verbindung
von Musik, Wort und Bühne, aus der Aperghis bis heute schöpft. Bei ihm
sind Stimme, Instrument, Bewegung und Szene unbedingt gleichberechtigte Elemente.
Mithatcan Öcal
Geboren wurde Mithatcan Öcal 1992 in Iskenderun, einer knapp 250’000
Einwohner zählenden Hafenstadt, im Süden der Türkei gelegen, am
Nordostzipfel des Mittelmeeres, unweit der syrischen Grenze. Charakteristisch für Iskenderun sei das friedliche Zusammenleben verschiedener Volksgruppen, heisst es: Türken, Kurden, Griechen, Armenier, Araber
sind hier zu Hause. Die lokale traditionelle Musik, die Mithatcan Öcal
hier zu hören bekam – musiziert auf den Strassen oder zu Hause –, hat
Spuren in seiner Musik bis heute hinterlassen. Mit der abendländischen
Kunstmusik kam er als Kind zunächst vermittels einer Unmenge von CDs
in Berührung. Achtjährig begann er, Violine zu spielen. 2009 wurde er
Teilzeitstudent am Kocaeli University State Conservatory in der Nähe von
Istanbul – nunmehr mit dem Schwerpunkt Komposition. Sein Lehrer
wurde Mehmet Ali Uzunselvi, der ihn mit der internationalen zeitgenössischen Musik bekannt machte. Er war für den jungen Komponisten die
prägende, entscheidende Figur. 2010 wechselte er ans Mimar Sinan Fine
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Arts University State Conservatory zu Ahmet Altinel. Kurse belegte er
ausserdem bei Oscar Bianchi, Chaya Czernovin, Turgut Ercetin, Brian
Ferneyhough, Francesco Filidei, Fred Lerdahl, Mehmet Nemutlu, Ozkan
Manav, Ming Tsao, Rebecca Saunders, Philippe Leroux, Fabien Levy und
Tolga Yayalar. Seit 2012 begann man, in Europa auf ihn aufmerksam zu
werden: Wichtig wurden die Aufführungen seines Ensemblestücks
« Üngüjin » während der Gaudeamus Muziekweek in Utrecht und bei
Turkey Tomorrow in Amsterdam. Aufführungen weiterer Werke in
London ( 2013, 1. Preis des Komponistenwettbewerbs des London Ear
Festival ), sodann in Wroclaw, Berlin ( beide 2014 ), Toronto ( 2015 ) und die
Uraufführung des Ensemblewerks « Pera Berbange / Arpeggio Ante
Lucem» beim Festival Archipel in Genf 2015 schlossen sich an. Ensembleund Kammermusik bildet bislang den Schwerpunkt seines Schaffens.
Seine musikalische Sprache verbindet Vielschichtigkeit und Komplexität mit Klangsinnlichkeit, Unmittelbarkeit des Ausdrucks und einem
Gespür für schlüssige Dramaturgie.
Sebastian Rivas « Aliados » zu sehen, eine Produktion, die auch beim
Festival Agora in Strassburg und beim Festival Roma Europa aufgeführt wurde. In der Saison 2014 / 2015 war Lionel Peintre ausserdem in
Poulencs «Bal Masqué» zu hören, als Pickering in «My Fair Lady » an der
Opéra Grand Avignon und in einer Inszenierung von Sébastien Gaxies
« Céleste ma planète » mit dem Orchestre national d’Ile de France. Mit
Georges Aperghis «Le soldat inconnu» war er in der Kölner Philharmonie,
in der Casa da musica Porto, bei der Fondation Calouste-Gulbenkian
und der Cité de la Musique in Paris sowie in Amsterdam, Luxemburg und
Hamburg zu Gast.
Lionel Peintre
Der Bariton Lionel Peintre besuchte am Conservatoire national supérieur de musique in Paris die Klassen von Régine Crespin und JeanChristophe Benoit mit Auszeichnung und ist heute gleichermassen in
Oper und Operette wie mit zeitgenössischen Werken und Recitals zu
hören. Er sang an zahlreichen französischen und europäischen Häusern,
darunter das Capitole de Toulouse, die Opéra National du Rhin in Strassburg, die Opernhäuser in Avignon und Montpellier, das Grand Théâtre
de Genève, die Opéra Royal de Wallonie, das Theater an der Wien, die
Opera Vlaandern in Antwerpen, das Théâtre des Champs Elysées und die
Opéra National de Lyon. 2004 war er an der Produktion von Georges
Aperghis’ « Avis de Tempête » an der Opéra de Lille beteiligt sowie an
James Dillons «Philomela» in Porto, 2006 an «L’Autre Côté» von Bruno
Mantovani an der Opéra National du Rhin und 2008 für T & M ( Théâtre
et Musique ) an Wolfgang Mitterers «Massacre ». Es folgten 2010 « Les
Boulingrin» von Aperghis an der Opéra Comique und 2012 am Theater an
der Wien. 2009 sang Lionel Peintre die Partie des Bartolo in «Il barbiere
di Seviglia» in Bern und dann an der Israelischen Nationaloper in Tel Aviv.
An der Opéra de Bastille in Paris war er 201 1 in Mantovanis « Akhmatova»
zu sehen und im gleichen Jahr trat er in Porto, Strassburg, Luxemburg
und an der Cité de la Musique auf. In jüngerer Zeit interpretierte er auf
einer Frankreich-Tournee den Zuniga in «Si Carmen m’était contée» von
Eve Ruggieri, den Dancaïre in « Carmen » an der Opéra de Rouen, den
Benoît in « La Bohème » beim Festival d’Orange, den Baron Popoff in
Lehárs «Die lustige Witwe» an der Opéra Grand Avignon und den Cabriolo
in Offenbachs « La Princesse de Trébizonde » an der Opéra Théâtre de
Saint-Etienne. Ferner war er am Théâtre de Genevilliers als Pinochet in
Emilio Pomàrico
Der Dirigent und Komponist Emilio Pomàrico wurde als Sohn italienischer Eltern in Buenos Aires geboren. Er studierte in Mailand und
bildete sich bei Franco Ferrara ( Siena 1979 – 1980 ) und Sergiu Celibidache
( München 1981 ) weiter. 1982 debütierte er als Dirigent mit einer erfolgreichen Konzertserie in Italien und Südamerika. Er arbeitete mit den
wichtigsten italienischen Orchestern in Turin, Rom, Mailand, Padua,
Veneto, Bozen, Palermo, Parma, Florenz und mit Theaterorchestern wie
dem Orchester der Mailänder Scala. Auch in vielen weiteren europäischen Städten dirigierte Pomàrico: Paris, Genf, Lissabon, Berlin, Basel,
Frankfurt, Zürich, Glasgow, Edinburgh u. a. Emilio Pomàrico wurde bisher von zahlreichen internationalen Festivals eingeladen, darunter:
Festival d’Automne à Paris, La Biennale Musica di Venezia, Settembre
Musica in Turin, Edinburgh International Festival, Salzburger Festspiele,
Wien Modern, Donaueschinger Musiktage u. a. Ein Schwerpunkt seiner
Arbeit ist die zeitgenössische Musik. Zusammen mit dem Ensemble
Modern in Frankfurt, dem Freiburger ensemble recherche, dem Nieuw
Ensemble Amsterdam und dem Ensemble Contrechamps Genf erarbeitete er Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. Eine regelmässige Zusammenarbeit verbindet ihn auch mit dem Klangforum Wien. Zu seinen
grössten Erfolgen zählen die Aufführung von Nonos « Prometeo » in
Lissabon ( 1995 ), die Schweizer Erstaufführung der Ersten Sinfonie von
Alfred Schnittke ( Januar 1996 ) mit der basel sinfonietta und Luciano
Berios « Coro » in der Genfer Victoria Hall. Im August 1997 dirigierte
Pomàrico das BBC Scottish Symphony Orchestra beim Edinburgh International Festival. Aufnahmen mit Emilio Pomàrico erschienen bei Dischi
Ricordi, Audivis, Montaigne und Etcetera. Pomàrico ist Professor für
Dirigieren an der Civica Scuola di Musica in Mailand. Als Operndirigent
stellte sich Emilio Pomàrico bei der Münchener Biennale, der Pariser
Oper, dem Teatro La Fenice in Venedig und dem Teatro Nacional de São
Carlos in Lissabon vor. Als Komponist hat er mit Ensembles wie dem
Klangforum Wien, dem Asko / Schönberg Ensemble, dem Ensemble
Musikfabrik, dem Remix Ensemble, dem Ensemble intercontemporain,
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dem Ensemble Modern und dem ensemble recherche zusammengearbeitet. Dem Ensemble Resonanz in Hamburg ist er als artist in residence
verbunden. Emilio Pomàrico war 2015 erstmals beim Collegium Novum
Zürich zu Gast und wird in dieser Saison drei weitere Konzerte mit dem
CNZ in Zürich, Genf und Ankara dirigieren.
Und nach dem Konzert: atonhall er Käse, Foyer
Wir wollen, dass Sie sich vor, während und nach unseren Konzerten
willkommen fühlen und wir möchten Räume für einen lebendigen Diskurs über das Gehörte schaffen.
Daher laden wir Sie auch nach diesem Konzert ein, noch im Foyer zu
verweilen und atonh al l en Käse zu kosten.
Wir freuen uns auf Ihre Gesellschaft!
Impressum
Herausgeber: Collegium Novum Zürich
Programmverantwortung: Jens Schubbe
Redaktion: Jens Schubbe
Visuelles Konzept, Gestaltung: Klauser Design GmbH, Zürich
Änderungen vorbehalten
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Fremd
Tage für Neue Musik Zürich
Konzertvorschau
Beat Furrer (*1954 ) «Xenos» für Ensemble ( 2008 )
Konzertvorschau
Mittwoch, 2. November 2016
20 Uhr, Einführung 19 Uhr
Tonhalle, Grosser Saal
Claridenstrasse 7
8002 Zürich
Sascha Janko Dragicevi
´ c´ (*1969 ) « Ausschlag » für 17 Instrumente und
Live-Elektronik ( Uraufführung, Auftragswerk des CNZ, ermöglicht durch
die Ernst von Siemens Musikstiftung )
Samstag, 19. November 2016
20 Uhr
Toni-Areal, Konzertsaal 3
Pfingstweidstrasse 96
8031 Zürich
Collegium Novum Zürich
Eva Nievergelt Sopran
Jonathan Stockhammer Dirigent
Veranstalter
Collegium Novum Zürich in
Zusammenarbeit mit der
Tonhalle-Gesellschaft Zürich
Tickets
CHF 38 / 15 ( ermässigt )
Tonhalle Zürich
T +41 44 206 34 34
tonhalle-orchester.ch
Vinko Globokar (*1934 ) «Exil II» für Sopran oder Tenor und 13 Instrumentalisten ( 2013 )
Marko Nikodijevic (*1980 ) «K-HOLE / SCHWARZER HORIZONT. Drone ( with
song )» für Ensemble und Live-Elektronik ( 2014 )
Das Fremde kann viele Facetten haben. Einige beleuchten wir mit den
hier zusammengerückten Werken: Beat Furrers «Xenos» reflektiert einen
Istanbul-Aufenthalt des Komponisten und entstand im Zusammenhang des u. a. vom Ensemble Modern initiierten Projektes «in to …», in
welchem Komponisten die Aufgabe gestellt war, sich mit bestimmten
Megacities auseinanderzusetzen.
Vinko Globokar, in Slowenien aufgewachsen und in Frankreich
lebend, trug das Ineinander mehrfacher kultureller Prägungen sein
Leben lang aus. Von seiner Sensibilität gegenüber dem Thema Fremde
zeugen u. a. seine drei Kompositionen mit dem Titel «Exil », die in den
letzten Jahren entstanden. Wir präsentieren das zweite Werk der Serie,
das sicher den experimentellsten Ansatz innerhalb der Werkgruppe
erprobt. Marko Nikodijevic stammt aus Serbien, machte als Halbwüchsiger die Erfahrung des Bürgerkriegs und lebt nunmehr in Deutschland.
Seine Musik befasst sich in «K-HOLE » u. a. mit einem melodischen Fundstück aus der Fremde.
Sascha Janko Dragićević äusserte zu seinem neuen Werk: «Thema
meines geplanten Stücks für 17 Instrumente und Live-Elektronik für
das Collegium Novum Zürich ist die Analyse und kompositorische Darstellung von Entwicklungsprozessen der Fremdheit. Deren Entstehung
und Auflösung sowie Möglichkeiten direkter Konfrontation mit Fremdkörpern, die scheinbar zersetzend von ausserhalb auf die Bildung formaler Kontexte einwirken, möchte ich in diesem Werk untersuchen. Mir
schwebt eine Musik vor, die drastisch und plastisch die Konfrontation
mit Extrembereichen der Wahrnehmung sucht. Diese Musik erfindet
sich in jedem Moment neu, wächst aus sich selber heraus ins Unbekannte, verliert und findet sich im Fremden.»
Collegium Novum Zürich
Jacqueline Ott Marimbaphon
Boglárka Pecze Bassetthorn
Mats Scheidegger E-Gitarre
Jonathan Stockhammer Dirigent
Veranstalter
Stadt Zürich Kultur
Tickets
CHF 40 / 20 (ermässigt )
Stadt Zürich Kultur
T +41 44 412 34 23
Walter Feldmann (*1965 ) Esquisse : « le froid » für Marimbaphon solo und
14 Instrumente nach dem gleichnamigen Text von Anne-Marie Albiach
( Uraufführung )
Nadir Vassena ( *1970 ) « vox vocis » – ein stimmenkatalog, vol. 1 für
E-Gitarre und Ensemble ( Uraufführung )
Sebastian Gottschick (*1959 ) Notturni für Bassetthorn und Kammerorchester ( Uraufführung )
Liza Lim ( *1966 ) «Street of crocodiles» für Ensemble ( 1995 )
Die Tage für Neue Musik feiern 2016 ihr dreissigjähriges Bestehen. Ein
Wunsch der Veranstalter ist es, deshalb all diejenigen, die bislang als
Künstlerische Leiter des Festivals agierten, in das Festivalprogramm zu
integrieren: Walter Feldman und Nadir Vassena sind deshalb als Komponisten mit neuen Werken präsent, Mats Scheidegger wird als Solist zu
erleben sein. Hans-Peter Frehner war ein Mitbegründer des Festivals
und zeichnet für das diesjährige Programm verantwortlich. Auf seine
Anregung hin wird Sebastian Gottschick ein Konzert für Bassetthorn
und Ensemble komponieren und wird Liza Lim als Composer in Residence in allen Veranstaltungen des Festivals präsent sein. Sie unterlegt ihrer « Street of Crocodiles » ein Szenario aus einem Werk der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts und führt uns mit ihrer Musik und der
Erzählung des sprachgewaltigen Bruno Schulz ( aus seinem Band «Die
Zimtläden » ) in die fantastische Welt einer Strasse seiner kleinen polnischen Heimatstadt. In der «Krokodilstrasse» gibt es Dinge, die glaubt
man nicht: Droschken ohne Fahrer, Eisenbahnen ohne Schienen und
ohne Fahrplan oder -strecke, Teile von Menschen, die darin irgendwie
agieren ... alles ist verrückt. Ebenso die Besetzung in Lims Werk – neben
dem erwartbaren Instrumentarium zeitgenössischer Kompositionen
sucht ein Barock-Cello den Anschluss an die klangliche Welt des Ensembles. Über das Werk von Liza Lim ist dieses Konzert mit dem Fokus Osten
des CNZ verbunden.
Collegium Novum Zürich
Nordstrasse 378
8037 Zürich
T +41 44 251 60 44
F +41 44 291 60 44
[email protected]
cnz.ch
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