Genetik des Asthma bronchiale und allergischer Erkrankungen - ein spannender Überblick. Prof. Erika von Mutius Dr. von Haunersche Kinderklinik LMU, München Familiäre Belastung und allergische Erkrankungen 40 % 35 30 Asthma Heuschnupfen / atopische Dermatitis 25 20 15 10 5 0 keiner Nur Mutter Nur Vater Beide von Mutius et al, AJRCCM 1996 Kopplungsstudien: • Kopplungsstudien analysieren in Familienstammbäumen die Transmission der genetischen Information über die Generationen hinweg. • Sie identifizieren eine bestimmte chromosomale Region, die mit dem Auftreten von Erkrankung assoziiert ist. Kopplungssignale auf verschiedenen Chromosomen LOD Score und Positionelles Klonieren Nicolae et al, Am J Hum Genet 2005 Positionelles Klonieren Nicolae et al, Am J Hum Genet 2005 Über Kopplungsstudien neu identifizierte Asthma-Gene: Chromosom Name Wahrscheinliche Funktion Referenz 20p13 ADAM33 Metalloproteinase Van Eerdewegh et al, Nature 2002 13q14 PHF11 Immunregulation, v.a. B-Lymphozyten Zhang et al, Nat Genet 2003 2q14 DPP10 Zytokinverarbeitung v.a. in T-Lymphozyten Allen et al, Nat Genet 2003 7p15 GPRA Rezeptorsystem, u.a. in Laitinen et al, glatter Muskulatur Science 2004 6p21 HLA-G Mütterliche Toleranz des Feten Nicolae et al, Am J Hum Genet 2005 Und: PDE4D, CH13L1, OPN3, IRAK3, DENND1B Kandidaten-Gene: • Bekannte Gene, deren Genprodukte in der Pathogenese des Asthma bronchiale eine Rolle spielen. • Die Assoziation häufiger auftretender Mutationen derartiger Gene, sog. Polymorphismen (SNP‘s), mit Asthma wird untersucht. Single nucleotide polymorphisms (SNPs) Manolio, NEJM 2010 Vergleich von Fällen und Kontrollen Berechnung der Stärke der Assoziation zwischen SNPs und Erkrankung: Dominantes Modell (1 SNP reicht um den Effekt hervorzurufen) Rezessives Modell (2 SNPs sind notwendig) Additives Modell (2 SNPs haben mehr Effekt als 1 SNP) Replikation von Kandidatengenen Aber: viele Kandidatengene sind nicht reproduzierbar Vercelli, Nature Reviews Immunology 2008 Genomweite Assoziationsstudien Manolio, NEJM 2010 GABRIEL Studie: 1 GWAS Nature 2007 GABRIEL Studie: 1 GWAS ORMDL3/GSDMB Nature 2007 Chromosom 17q Locus ist mit Asthmabeginn im Kindesalter assoziiert. Bouzigon E et al. N Engl J Med 2008;359:1985-1994 GABRIEL Studie: 2. GWAS NEJM, 23. Oktober 2010 Genotypisierung • Für jeden Studienteilnehmer wurden 582.892 SNPs genotypisiert. • Etwa 15 Milliarden Genotypisierungen im Centre National de Génotypage, Paris • Komplexe statistische Auswertungen mit Korrektur für multiples Testen Erwachsene Kinder Chromosom 17 ORMDL3 / GSDMB Meta-Analyse im US Konsortium EVE Torgerson et al, Nature Genetics 2011 In GABRIEL gefundene SNPs als genetische Prädiktoren: 7 SNPs in 6 Genen (IL18R1, HLA-DQ, IL33, SMAD3, GSDMB, IL2RB) zusammengenommen als Prädiktor für Asthma im Kindesalter: – 35% Sensitivität – 75% Spezifität – 38% PARF (population attributable risk fraction) Andere Faktoren von Bedeutung: Umwelt, Epigenetik 25 25 20 20 Phenotype Phenotype Genetische Effekte: 15 10 15 10 5 5 0 0 A B Genotype A B Genotype Gen*Umwelt Interaktionen: 25 Umweltexposition: Phenotype 20 Güne Linie = exponiert; Rote Linie = nicht exponiert. 15 10 5 Die Umwelt hat einen Effekt 0 A B Genotype bei Individuen mit einem bestimmten Genotyp, nicht aber bei anderen Personen, ORMDL3 Interaktion mit Infektionen und Passivrauchen Smit et al, Eur Respir J 2010 Biologische Funktion von neu identifizierten Genen ? Viele neu identifizierte Gene sind an der Kommunikation zwischen Epithel und Immunsystem beteiligt, wenn eine Schädigung des Epithels eintritt. Sie weisen also auf eine primäre pathogenetische Rolle des Atemwegs- epithels. Weitere biologische Funktion ? • Sowohl ORMDL3 / GSDMB wie auch IL1RL1 / IL18R1, SLC22A5 und RORA sind als genetische Determinanten des Morbus Crohn gefunden worden. • Gemeinsame biologische Funktionen wie zB eine Modulation der Interaktion der Mukosa mit mikrobieller Besiedlung ? Disease overlap. Lees C W et al. Gut 2011;60:1739-1753 Copyright © BMJ Publishing Group Ltd & British Society of Gastroenterology. All rights reserved. Was ist Epigenetik ? Es betrifft alle regulatorischen Elemente, die das erfolgreiche Abschreiben der DNA betreffen. Um abgeschrieben zu werden, muss der DNA Strang offen sein. Dies erfolgt durch Hypomethylierung der CpG Regionen am Gerüst der Basenpaare und durch Veränderung der Histone. Irvine et al, NEJM 2011 Filaggrin Gen Irvine et al, NEJM 2011 Filaggrin Gen Zwei Mutationen mit Funktionsverlust bestimmen die Ichthyosis vulgaris. Seitdem 47 Mutation mit Funktionsverlust gefunden. Manche Mutationen kommen in Familien vor, andere in der Allgemeinbevölkerung. Allerdings große Unterschiede in verschiedenen ethnischen Gruppen. Filaggrin Varianten in Europa und Asien Irvine et al, NEJM 2011 Filaggrin und atopische Dermatitis in Singapur und Irland. Irvine et al, NEJM 2011 Genetik im 21. Jahrhundert. • Das Gen für Asthma gibt es nicht. Statt dessen sind es viele Gene mit schwachen Effekten. • Von vielen ist das Genprodukt und dessen biologische Funktion nicht bekannt. • Eine klinische Prädiktion ist derzeit auf Basis der Genetik nicht sinnvoll. Besser ist die anamnestische Frage nach familiärer Belastung. Genetik im 21. Jahrhundert. • Diese ‚missing heratibility‘ ist ungeklärt. Sie könnte durch mangelnde Berücksichtigung von Kofaktoren wie Umwelt und Genetik zustande kommen. • Viele Gene sind mit verschiedenen Erkrankungen assoziiert. Das deutet auf gemeinsame Pathomechanismen.