GLOSSAR: INFEKTIONEN UND ANTIBIOTIKA ANTIBIOGRAMM Ein Antibiogramm ist ein Labortest zur Bestimmung der Empfindlichkeit bzw. Resistenz von bakteriellen Krankheitserregern gegenüber Antibiotika. Es sollte idealerweise jeder Antibiotikatherapie vorangehen. Die Tests ermitteln, ob Bakterien in Gegenwart eines Antibiotikums noch wachsen können und bestimmen zugleich die Konzentration, bei der die Vermehrung gerade noch verhindert wird. Sie dauern etwa 16–20 Stunden. Molekulargenetische Schnellverfahren zur Identifizierung von vorliegenden Resistenzen beruhen hingegen auf dem Nachweis von Gensequenzen, die Resistenzen vermitteln. Sie sind wesentlich schneller (ca. 5 Stunden), weisen jedoch nur die Anwesenheit nach und eignen sich nicht zur Bestimmung von Hemmkonzentrationen. ANTIBIOTIKA Antibiotika sind Medikamente zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten. Sie können die Bakterien abtöten (bakterizid) oder deren Wachstum hemmen (bakteriostatisch). Bei Infektionen durch Viren (z. B. Schnupfen oder Grippe) sind sie wirkungslos, können aber zur Behandlung von bakteriellen Begleitinfektionen verordnet werden. Gruppe Typisches Wirkspektrum Penicillin G ■ ■ Aminopenicilline ■ ■ ■ Aminopenicilline in Kombination mit Betalaktamase-Inhibitoren ■ ■ ■ ■ Acylaminopenicilline in Kombination mit Betalaktamase-Inhibitoren ■ ■ ■ Isoxazolylpenicilline ■ Ältere Makrolide ■ ■ ■ Antibiotika nutzen bakterientypische Eigenschaften aus. Sie richten sich z. B. gegen solche Strukturen oder Mechanismen der Bakterienzellen, die bei anderen Lebewesen nicht vorkommen und sind daher für Mensch und Tier mehr oder weniger gut verträglich. So haben Bakterien beispielsweise eine Zellwand aus Murein, einem Molekül, das nur bei ihnen vorkommt. Zudem nutzen sie zur Herstellung von Eiweiß und zur Vervielfachung ihres Erbguts andere Strukturen und Enzyme als Mensch und Tier. Daher richten sich einige Antibiotika gegen die Neubildung der bakteriellen Zellwand, während andere den Stoffwechsel oder die Vermehrung des Erbguts unterbrechen. Es gibt ca. 15 verschiedene Antibiotikagruppen, die sich in ihrer chemischen Struktur und Wirkungsweise und damit auch in ihrer Wirksamkeit gegen bestimmte Erreger unterscheiden. ANTIBIOTIKA-GRUPPEN (AUSWAHL) Antibiotika lassen sich nach verschiedenen Kriterien gruppieren: Nach ihrer Wirksamkeit, ihrer chemischen Struktur oder ihrem Wirkmechanismus. Ausgewählte Gruppen und Wirksamkeiten finden sich in der u. a. Tabelle: Streptokokken inkl. Pneumokokken Gonokokken, Meningokokken etc. Streptokokken inkl. Pneumokokken Enterokokken und einige wenige gramnegative Erreger ohne Betalaktamase-Produktion Nicht wirksam gegen Staphylokokken und Anaerobier mit Betalaktamase-Produktion Streptokokken inkl. Pneumokokken Grampositive Bakterien mit Betalaktamase-Produktion einschl. Methicillin-sensitive Staphylokokken Enterokokken Gramnegative Enterobakterien mit Betalaktamase-Produktion einschl. E. coli oder Klebsiella (jedoch nicht ESBL) grampositiven Bakterien inkl. Enterokokken einige gramnegative Erreger mit Betalaktamase-Produktion (nicht ESBL) Pseudomonaden grampositive Erreger mit Betalaktamase-Produktion (Staphylokokken-Penicilline) atypische Pneumonieerreger (Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen) Streptokokken inkl. Pneumokokken Keine ausreichende Aktivität gegen Haemophilus influenzae Gruppe Typisches Wirkspektrum Neuere Makrolide ■ ■ ■ ■ Trimethoprim ■ ■ ■ Aminoglykoside mit Gentamicin/ Tobramycin ■ ■ ■ Glykopeptide mit Vancomycin/ Teicoplanin Lincosamide mit Clindamycin ■ ■ ■ Quinolone mit Cipro/Levofloxacin ■ ■ ■ Fosfomycin ■ ■ Colistin ■ ■ Carbapeneme mit Ertapenem, Imipenem oder Meropenem ■ ■ Wirkspektrum wie ältere Makrolide mit verbesserter Aktivität gegen Haemophilus influenzae Telithromycin wirkt auch bei Erythromycin-resistenten Pneumokokken Wirksam gegen „atypische“ Pneumonieerreger (Chlamydien, Mykoplasmen, Legionellen) Zunehmende Resistenz bei Pneumokokken verschiedene grampositive und gramnegative Bakterien Pneumocystis jiroveci Bei Harnwegsinfektionen Resistenzen Grampositive Erreger einschl. Staphylokokken, teilweise Enterokokken gramnegative Enterobakterien und Pseudomonas aeruginosa strikt bakterizide, konzentrationsabhängige Wirkung grampositive Erreger: Staphylokokken, Streptokokken, Enterokokken (wenn nicht VRSA), C. difficile und Diphtherie-Bakterien, insbesondere multiresistente S. aureus-Stämme (MRSA) sowie resistente Enterokokken-Stämme im systemischen Einsatz vorwiegend bakteriostatische, zeitabhängige Wirkung auf Staphylokokken (cave: Resistenz von CoNS, MRSA) & Streptokokken gute Wirksamkeit gegen fakultative oder obligate Anaerobier wie Propioni acnes, Bacteroides, Corynebakterien i.d.R. gute Wirkung auf gramnegative Enterobakterien einschl. Pseudomonas Für Ciprofloxacin gilt: zusätzlich schwächere Wirkung gegen Staphylokokken und Enterokokken sowie gegen atypische Pneumonie-Erreger (Chlamydien, Legionellen und Mykoplasmen) Für Levofloxacin gilt: zusätzlich gute Wirkung gegen grampositive Erreger wie Staphylokokken, Streptokokken, Pneumokokken und Enterokokken sowie gegen atypische Pneumonie-Erreger (Legionellen, Chlamydien und Mykoplasmen) Breites Wirtsspektrum im grampositiven und gramnegativen Bereich einschl. Staphylokokken, Streptokokken, E. coli, Klebsiella, Enterobacter, Proteus und Pseudomonas. Bakterizide Wirkung Bakterizid wirksam gegen gramnegative Bakterien oft „last reserve“ Antibiotikum bei Carbapenem-resistenten gramnegativen Erregern oder resistentem Acinetobacter breites Wirksspektrum im grampositiven und gramnegativen Bereich Reserveantibiotikum im Fall von ESBL Tab.: Auswahl Antibiotikagruppen und ihre Wirksamkeiten ANTIBIOTIKAPROPHYLAXE Im Gegensatz zur Antibiotika-Therapie, bei der Antibiotika zur Bekämpfung bereits entstandener Infektionen eingesetzt werden, werden die Medikamente bei der Antibiotikaprophylaxe bereits vor, während oder unmittelbar nach einem medizinischen Eingriff eingesetzt, um die Entstehung einer Infektion zu vermeiden. Die Entscheidung für das geeignete Antibiotikum erfolgt hier empirisch auf der Grundlage von Erfahrungswerten, welche Erreger in Frage kommen, und unter Berücksichtigung der lokalen Resistenzepidemiologie. Dies betrifft vor allem (kiefer)orthopädische, traumatologische oder zahnheilkundliche Eingriffe und/ oder Risikopatienten mit geschwächtem Immunsystem. Die Antibiotikaprophylaxe kann über eine systemische oder lokale Gabe erfolgen; auch ist eine Kombination beider Applikationsformen möglich. Bei der lokalen Anwendung können im betroffenen Bereich sehr hohe Wirkspiegel erreicht werden während die systemische Belastung niedrig bleibt (Abb.1). Die Kombination von systemischer und lokaler Antibiotikagabe zur Infektionsprophylaxe hat sich besonders in der Orthopädie und Traumatologie bewährt. ANTIBIOTIKARESISTENZ Bakterien können gegen einzelne oder mehrere Antibiotika resistent werden, d. h. sie entwickeln eine Widerstandfähigkeit gegen die betreffenden Antibiotika. Solche Serum Urin Infektionsbereich systemisch lokal Abb. 1: Wirkstoffkonzentrationen von lokal und systemisch verabreichten Antibiotika Eigenschaften entstehen durch zufällige Mutationen, die dem betroffenen Bakterium bei entsprechendem Selektionsdruck einen Überlebensvorteil verschaffen können. Resistenzen breiten sich dann rasch aus. Wenn sich die entsprechenden Resistenzgene zudem auf Plasmiden (= ringförmige DNA-Strukturen) befinden, können sich Antibiotikaresistenzen durch Austausch dieser Plasmide auch zwischen verschiedenen Arten sehr schnell ausbreiten. Dies trifft besonders dann zu, wenn verschiedene Bakterienarten gemeinsam in einem Milieu wie z. B. dem Boden, dem Darm, Abwässern, Biofilmen usw. vorkommen. Es gibt verschiedene Arten von Antibiotikaresistenzen, z. B. Primärresistenz (Wirkungslücke eines Antibiotikums bei bestimmten Bakterien), Sekundärresistenz (Verlust der Wirksamkeit eines Antibiotikums bei einem primär nicht resistenten Bakterium durch Mutation oder Übertragung genetischer Informationen untereinander). Bei einer Multiresistenz handelt es sich um die Unempfindlichkeit eines Bakteriums gegenüber mehreren Antibiotika verschiedener Klassen. Antibiotikaresistenzen stellen ein ernstzunehmendes Problem dar. Daher ist es wichtig, den nicht adäquaten Gebrauch von Antibiotika zu verringern. ANTIINFEKTIVA Unter dem Oberbegriff Antiinfektiva versteht man Arzneimittel zur Behandlung von Infektionskrankheiten. Je nach Art des Erregers unterscheidet man Antibiotika (gegen Bakterien), Antimykotika (gegen Pilze), Antihelminthika (gegen Würmer), Antiprotozoika (gegen Protozoen wie die Erreger von Malaria, Ruhr usw.) und Virostatika (gegen Viren). BAKTERIEN Bakterien sind einzellige Kleinstlebewesen ohne Zellkern, die praktisch überall in der Natur vorkommen. Ihre Vermehrung geschieht durch rasche Zellteilung. Sie werden nach ihrer Form unterschieden (kugel-, stäbchen- oder spiralförmig), mittlerweile aber auch molekulargenetisch klassifiziert. Von den unzähligen Bakterienarten, die es gibt, ist bisher vermutlich nur ein Bruchteil bekannt und erforscht. Die überwiegende Mehrzahl aller Bakterienarten ist für den Menschen harmlos, mit manchen leben wir sogar in Symbiose: Darmbakterien benötigen wir für unsere Verdauung, auf unserer Haut und auf den Schleimhäuten leben ebenfalls zahlreiche harmlose Bakterien, die sogar gegen das Vordringen von Krankheitserregern schützen. Einige wenige Bakterienarten verursachen im menschlichen Körper Krankheiten, wenn sie dort eindringen und sich vermehren. Diese Chance erhalten sie vor allem bei immungeschwächten Menschen und bei größeren medizinischen Eingriffen. Entscheidend bei der Prävention einer bakteriellen Infektion ist zunächst die Verhinderung von Kontaminationen. Entsprechend haben strenge hygienische Maßnahmen auf der Station aber auch im OP unter Beachtung der Sterilisations- und Desinfektionsrichtlinien eine große Bedeutung. Bakterielle Infektionen werden hauptsächlich mit Antibiotika behandelt, manchmal muss der Entzündungsherd auch operativ entfernt werden. Manche Bakterien haben im Laufe der Zeit eine Immunität gegen bestimmte Antibiotika entwickelt (Resistenzen). Die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen geht auf eine Besonderheit von Bakterien zurück: Ihr Genmaterial liegt vorwiegend in Form eines großen Chromosoms vor; daneben enthalten sie jedoch auch kurze ringförmige Gen-Strukturen (Plasmide). Besonderes Charakteristikum ist, dass Plasmide auch zwischen völlig verschiedenen Arten ausgetauscht werden können. Antibiotikaresistenzen liegen vorwiegend auf Plasmiden vor und können sich daher rasch ausbreiten. BEHANDLUNG VON INFEKTIONEN MIT RESISTENTENbERREGERN Schon für die Therapie einfacher bakterieller Infektionen muss entsprechend des vorliegenden Keims die Art der Behandlung, sprich die Auswahl des passenden Antibiotikums, sorgfältig gewählt werden. In jedem Fall bedarf es einer exakten Diagnose der zugrundeliegenden Bakterien. Bei der Behandlung von Infektionen mit resistenten Keimen ist ein Großteil der Antibiotika eingeschränkt oder gar nicht wirksam. In der Regel werden dann sogenannte Reserveantibiotika eingesetzt. Diese sollten nur bei besonders schweren Infektionen eingesetzt werden und/oder wenn die infektiösen Bakterien Resistenzen gegen andere Antibiotika entwickelt haben. Reserveantibiotika sind keineswegs besser wirksam als Standardantibiotika. Häufig haben sie erhebliche Nebenwirkungen. In Deutschland werden sie dennoch zu häufig und auf Verdacht verschrieben. http://www.versorgungsatlas.de/fileadmin/pdf/VA_50_2014_ Antibiotika_imZeitverlauf_2008bis2012_PM.pdf BIOFILME Biofilme entstehen, wenn Mikroorganismen sich an Oberflächen ansiedeln. Sie bilden dabei Lebensgemeinschaften, bei denen die Bakterien von einer mikrobiell induzierten Matrix umgeben sind, die aus Wasser und Bio-Polymeren (Polysaccharide, Proteine, Lipide und Nukleinsäuren) besteht. Dieser Prozess kann Wochen, aber auch Jahre dauern und erfolgt in mehreren Stadien. Biofilme bieten Schutz vor Austrocknung und Giftstoffen und ermöglichen es Mikroorganismen, auch Hungerperioden zu überstehen. In mehr als 60 % aller bakteriellen Infektionskrankheiten schützen sich die Erreger durch die Bildung von Biofilmen, denn die von den Bakterien gebildete schleimartige Matrix kann von Immunzellen und Wirkstoffen kaum durchdrungen werden. Hinzu kommt, dass Bakterien in Biofilmen ihren Stoffwechsel reduzieren und nur sehr langsam wachsen. Antibiotika sind jedoch nur gegen stoffwechselaktive, schnell wachsende Bakterien wirksam. Je nach Aktivitätslage können dabei immer wieder Zellen aus dem Biofilm freigesetzt werden. Dies kann beispielsweise zu chronischen und wiederkehrenden Infektionen führen. Eine wirksame Bekämpfung ist meist nur in einem frühen Stadium der Biofilmentwicklung möglich. Wegen der eingeschränkten Stoffwechselaktivität lassen sich Erreger, die im Biofilm vorliegen, durch konventionelle Verfahren der Mikroorganismenkultur auch nur schwer vermehren und daher nur sehr schlecht untersuchen. Besonders günstige Bedingungen zur Bildung von Biofilmen bieten die Metall- oder Kunststoff-Oberflächen von Implantaten und medizinischen Geräten, die längere Zeit im Körper belassen werden (Katheter, künstliche Herzklappen, Shunts usw.). Etwa die Hälfte aller nosokomialen Infektionen wird auf chirurgische Implantate zurückgeführt. Ablösung 5HLIHU%LRƂOP Proliferation Adhäsion Abb. 2: Entwicklungsstufen eines Biofilms DIAGNOSE Unter Diagnose versteht man die Zusammenfassung und Bewertung der Erkenntnisse der Diagnostik über die Symptome einer Krankheit und benennt und klassifiziert die Erkrankung. Die Diagnose bildet die Grundlage für die nachfolgende ärztliche Behandlung (Therapie). DIAGNOSTIK Diagnostik ist der Oberbegriff für alle Maßnahmen, die zur Erkennung (Diagnose) einer Krankheit führen. Sie umfasst körperliche und ggf. apparative Untersuchungen, Laboranalysen von Körpergeweben und Ausscheidungen, bildgebende Verfahren u.v.a. mehr. EINZEITIG/ZWEIZEITIG (REVISION) Bei Protheseninfektionen werden heutzutage sogenannte einzeitige und zweizeitige Behandlungskonzepte angewendet. Beim einzeitigen Konzept wird in einer Operation die infizierte Prothese nach radikaler chirurgischer Entfernung des infizierten oder bereits abgestorbenen Gewebes durch eine Revisionsprothese ersetzt. Beim zweizeitigen Konzept werden zwei Operationen im Abstand von mehreren Wochen durchgeführt. Im ersten Eingriff wird zunächst die infizierte Prothese entnommen, das infizierte Gewebe entfernt und nach einem Überbrückungszeitraum von mehreren Wochen die neue Prothese implantiert. In der Überbrückungszeit erhalten die Patienten in der Regel einen sog. Spacer aus Knochenzement, der ca. vier Wochen lang ein Antibiotikum in hohen Konzentrationen direkt in die infizierte Gelenkhöhle abgibt. Als Platzhalter verhindert er eine Verkürzung der Muskeln und Bänder um das betroffene Gelenk und ermöglicht dem Patienten limitierte Bewegungen und Teilbelastungen. Er wird beim Einbau der neuen Prothese entfernt. ESBL-BILDENDE GRAM-NEGATIVE BAKTERIEN ESBL steht für „extended-spectrum beta-lactamase“, zu deutsch „Beta-Laktamase mit erweitertem Spektrum“. Beta-Laktamase bezeichnet ein Enzym, das Beta-LaktamRinge spaltet und damit eine wichtige Gruppe von Antibiotika, die so genannten Beta-Laktam-Antibiotika (z. B.die Cephalosporine), unwirksam macht. Diese Antibiotika stören den Aufbau der bakteriellen Zellwand. ESBL ist problematisch, wenn diese Eigenschaft auf gramnegative Stäbchenbakterien aus der Gruppe der Enterobakterien übertragen wird. Diese Bakterien (z. B. E. coli, Klebsiella sp. und Proteus sp.) leben im Darm von gesunden Menschen, werden auch aus der Umwelt aufgenommen und sind für die Funktionsfähigkeit der Darmflora wichtig. Erlangen sie aus der Umwelt die Fähigkeit, ESBL zu bilden, ist das an sich noch nicht gefährlich. Problematisch wird es, wenn die ESBL-Keime sich – etwa bei beatmeten oder immungeschwächten Patienten – in der Schleimhaut des Dickdarms, den Harn- und Atemwegen vermehren und dort zu krankhaften Symptomen führen. Dann kommt es zu schwer therapierbaren Infektionen der Harnwege, nur schlecht heilenden Lungenentzündungen und Wundheilungsstörungen, bei denen die Wunden eitern und einen starken Verwesungsgeruch verströmen. ESBL-bildende Bakterien sind gegen eine ganze Reihe von Antibiotika resistent, und als Behandlungsmöglichkeit bleiben häufig nur noch bestimmte Reserveantibiotika übrig, in erster Linie die Carbapeneme und oft als letztes Mittel das Antibiotikum Colistin. IMPLANTAT-ASSOZIIERTE INFEKTION / PERIPROTHETISCHE INFEKTION Nach Einsetzen einer Prothese kann es zu Infektionen kommen, die oft schwierig zu diagnostizieren sind. Man unterscheidet akute, kurz nach der Operation auftretende Frühinfektionen, verzögerte, i.d.R. chronisch verlaufende Infektionen sowie späte Infektionen, die meist wieder einen akuten Verlauf zeigen. Eine periprothetische Infektion (PPI, auch „Protheseninfektion“ genannt) äußert sich in der Regel in andauernden oder zunehmenden Gelenkschmerzen sowie einer frühen Prothesenlockerung. Frühinfektionen, die innerhalb von bis zu drei Monaten postoperativ auftreten, entstehen meist als Wundinfektionen mit akuten lokalen und systemischen Infektionszeichen. Verzögerte Infektionen, die bis zu 24 Monate nach der OP vorkommen können, sind ebenfalls meist intraoperativ entstanden und auf langsam wachsende Keime zurückzuführen. Späte Infektionen können zu jedem Zeitpunkt, auch viele Jahre nach Prothesenimplantation auftreten. In diesen Fällen erfolgt die Infektion durch eine Streuung der Bakterien von einem entfernten Infektionsort, also i.d.R. über die Blutbahn (hämatogen). Als Faustregel gilt für chronische Infektionen: Je später sie auftritt, desto schwieriger ist oft eine Diagnose und Behandlung, da die klassischen Entzündungszeichen und deutlich erhöhte Laborwerte in der Regel fehlen. Zudem bilden die Bakterien meistens hartnäckige Biofilme. Zur Diagnostik ist eine Kombination verschiedener Methoden notwendig: Die Aspiration der Gelenkflüssigkeit (Punktion), die Biopsie von Gewebeproben an verschiedenen Stellen und zusätzlich die Sonikation (Ultraschallreinigung) der entnommenen Prothese zur Biofilmablösung. Die Therapie einer Protheseninfektion umfasst neben radikaler chirurgischer Entfernung des infizierten und abgestorbenen Gewebes die systemische und lokale Gabe von Antibiotika – idealerweise mit Kombinationspräparaten. Vor einer Therapie sollte ein Biofilm-spezifisches Antibiogramm angefertigt werden. Die Bestimmung von Erreger und Antibiotikaresistenz bzw. -empfindlichkeit stellt gerade bei langsam wachsenden Erregern hohe Anforderungen an die klinische Mikrobiologie. Gewebebiopsie Sonikat © BactoSonic Abb. 3: Vergleich der Kulturen von Gewebebiopsie und Sonikat MHK (MINIMALE HEMM-KONZENTRATION) Die minimale Hemm-Konzentration (MHK) ist definiert als die niedrigste Konzentration eines Antibiotikums, bei der die Vermehrung von Mikroorganismen mit bloßem Auge nicht mehr wahrgenommen werden kann (s. Antibiogramm). Sie wird in Mikrogramm pro Milliliter (μg/ml) angegeben und dient als Grundlage zur Festsetzung der Dosierung von Antibiotika. MRSA (METHICILLIN-RESISTENTER STAPHYLOCOCCUS AUREUS) MRSA-Bakterien sind Staphylokokken, die gegen das Antibiotikum Methicillin resistent sind. Staphylokokken kommen natürlicherweise vor allem auf der Haut und den Schleimhäuten vor. Sie spielen vor allem bei nosokomialen Infektionen eine wichtige Rolle. Viele der MRSA-Stämme sind nicht nur gegen Beta-Lactam-Antibiotika (z. B. Methicillin) resistent, sondern auch gegen andere Arten von Antibiotika, sie sind folglich multiresistent. Der Name leitet sich daher ab, dass man früher die Resistenztestung der Keime mit dem Leitantibiotikum Methicillin durchgeführt hat. Bis in die 1990er Jahre kamen MRSA-Stämme fast ausschließlich in Krankenhäusern vor und wurden in den letzten Jahren vor allem deswegen zum Problem, weil sie zunehmend auch gegen andere Antibiotika resistent werden ( multiresistente Keime). Zur Bekämpfung von MRSA-Stämmen werden sogenannte Glykopeptid-Antibiotika, wie beispielsweise Vancomycin, eingesetzt. Seit etwa 20 Jahren treten MRSA-Stämme auch außerhalb von Krankenhäusern auf, so dass zwischen Krankenhausassoziierten MRSA (hospital acquired, ha-MRSA) und ambulant-assoziierten MRSA (community acquired, ca-MRSA) unterschieden wird. Hinzu kommen Tiermastassoziierte MRSA (livestock associated, la-MRSA), die wegen der Verwendung von Antibiotika in der Tierzucht auftreten. MRSE (METHICILLIN-RESISTENTER STAPHYLOCOCCUS EPIDERMIS) Ähnlich wie bei MRSA treten auch beim Hautkeim Staphylococcus epidermis antibiotika-resistente Stämme auf. S. epidermis und andere Staphylokokken gehören zur völlig normalen Haut- und Schleimhautflora des Menschen und verursachen keine Krankheiten. Auch die antibiotikaresistenten S. epidermis-Stämme (MRSE) sind für gesunde Menschen keine Gefahr. Infizieren sie jedoch Menschen mit geschwächtem Immunsystem – etwa über implantierte Fremdkörper wie Katheter, Prothesen, künstliche Gelenke, Schrittmacher, Herzklappen, usw. – wird die Behandlung schwierig, da Antibiotika kaum oder gar nicht ansprechen. MULTIRESISTENTE ERREGER Multiresistente Erreger sind Bakterien, die gegen mehrere oder sogar alle verfügbaren Antibiotika resistent sind. Infektionen mit diesen Erregern können daher nur sehr schwer oder gar nicht behandelt werden. Eine wachsende Anzahl der nosokomialen Infektionen wird durch resistente oder multiresistente Erreger verursacht. Durch den vermehrten und unkontrollierten sowie fehlerhaften Einsatz von Antibiotika bei Menschen und Tieren steigt die Zahl der multiresistenten Bakterien. Multiresistente Erreger verursachen in aller Regel weder häufiger Infektionen Abb. 4: Staphylococcus aureus im Biofilm auf Katheteroberfläche noch sind sie aggressiver. Die Gefahr besteht darin, dass sie im Falle einer Infektion nur schwer zu behandeln sind, da die meisten Medikamente wirkungslos sind. Zu den multiresistenten Erregern zählen neben MRSA unter anderem auch bestimmte Klebsiellen, Enterokokken oder Pseudomonaden. NOSOKOMIALE INFEKTION Eine nosokomiale Infektion (umgangssprachlich: „Krankenhausinfektion“) ist eine Infektion, die während oder kurz nach einem Krankenhausaufenthalt oder nach einer ambulanten Behandlung auftritt. Zu den wichtigsten nosokomialen Erregern gehören Bakterien, Viren und Pilze. Krankenhäuser und Arztpraxen, die mit vielen infizierten Patienten umgehen, sind trotz größter Anstrengungen nicht 100%ig keimfrei zu halten, zumal viele Bakterien sehr widerstandsfähig sind und auch Alltagsgegenstände und medizinische Geräte besiedeln. Dementsprechend sind häufige Infektionsquellen neben anderen Patienten und Klinikpersonal auch Gegenstände wie Türklinken oder Waschbecken ebenso wie Schläuche, Katheter, Beatmungsgeräte usw. Eine Kontaktinfektion ist ebenso möglich wie die Übertragung durch die Luft. Entscheidend in der Reduzierung nosokomialer Infektionen ist eine gute Hygiene, sprich eine sorgfältige Desinfektion oder Sterilisation. Für gesunde Personen mit intakter Immunabwehr (Pflegepersonal, Ärzte, Besucher) stellen diese Krankenhauskeime gewöhnlich kein Risiko dar. Ein höheres Risiko besteht für Patienten, wenn Geräte oder Implantate in den Körper eingebracht werden. Besonders gefährdet sind immungeschwächte Patienten. Postoperative Wundinfektionen gehören zu den am häufigsten vorkommenden nosokomialen Infektionen. RESERVEANTIBIOTIKA Reserveantibiotika sind Antibiotika, die nur dann eingesetzt werden sollen, wenn es sich um besonders schwere Infektionen handelt und/oder die infektiösen Bakterien Resistenzen gegen andere Antibiotika entwickelt haben. Sie sollten bei einfach verlaufenden Infektionen nicht eingesetzt werden, um eine Resistenzentwicklung möglichst zu vermeiden. Reserveantibiotika sind nicht wirksamer als andere Antibiotika, es gibt jedoch aufgrund ihres relativ seltenen und kontrollierteren Einsatzes kaum Resistenzen. Häufig rufen sie deutlich mehr Nebenwirkungen als herkömmliche Antibiotika hervor. Vancomycin dient beispielsweise als Reserveantibiotikum gegen Staphylococcus aureus.Screening STANDARD-ANTIBIOTIKA Bei den so genannten Standard-Antibiotika handelt es sich um ca. ein Dutzend Präparate, die seit Jahren oder Jahrzehnten zur Bekämpfung mikrobieller Infektionen eingesetzt werden. Entsprechende Listen der WHO bzw. einzelner Länder und Regionen sind dabei nicht deckungsgleich. Zu den Standard-Antibiotika zählen z. B. Aminoglykosid-Antibiotika, Cephalosporine, Gyrasehemmer, Makrolid-Antibiotika, Penicilline, Sulfonamide, Tetrazykline, Trimethoprim und Tuberkulostatika. Sie werden zur Bekämpfung praktisch aller bakteriellen Infektionen eingesetzt und sind daher in allen medizinischen Disziplinen von Bedeutung. VANCOMYCIN-RESISTENTE ENTEROKOKKEN (VRE) Enterokokken – in der Regel handelt es sich um das Darmbakterium Enterococcus faecium – sind häufige Erreger von nosokomialen Infektionen, vor allem bei intensivmedizinisch betreuten Patienten. Risikopatienten sind meist schwer kranke, ältere Patienten mit einem geschwächten Immunsystem. Enterokokken sind häufig multiresistent. Besonders problematisch sind Vancomycin-resistente Enterokokken, die so genannten VRE-Bakterien. Da sie eine Resistenz gegen Vancomycin, ein so genanntes www.heraeus-medical.com Heraeus Medical GmbH Philipp-Reis-Str. 8/13 61273 Wehrheim Germany Reserveantibiotikum tragen, sind sie ein gefürchteter nosokomialer Problemkeim. Zudem weisen sie meistens eine Vielzahl weiterer Antibiotikaresistenzen auf, so dass nur sehr wenige Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen. VERMEIDUNG VON RESISTENZEN Der unnötige oder falsche Einsatz von Antibiotika beschleunigt die Entstehung und Verbreitung von resistenten Bakterien. Jede Einnahme von Antibiotika setzt Krankheitserreger und Darmflora unter Selektionsdruck, d. h. begünstigt die Entstehung und Ausbreitung von Resistenzen. Daher sollten Antibiotika nicht auf Verdacht eingesetzt werden. Bakterielle Infektionen sollten mit einer ausreichend hohen Antibiotika-Dosis über möglichst kurze Zeit behandelt werden. Dabei muss die Antibiotika-Therapie gegen den tatsächlich vorliegenden Erreger gerichtet sein (Antibiogramm). Des Weiteren muss grundsätzlich abgeklärt werden, ob überhaupt eine bakterielle Infektion vorliegt, bevor man eine Antibiotika-Therapie wählt. Wird eine Antibiotikabehandlung vorzeitig abgebrochen, begünstigt das das Überleben schwach resistenter Keime und deren weitere Anpassung an das Antibiotikum. Wichtig sind daher eine exakte Diagnose, eine Verschreibungspflicht (die es in zahlreichen Ländern nicht gibt) und die exakte Einnahme nach Anweisung des Arztes. Allerdings ist in der Humanmedizin noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Nach Angaben der Krankenkasse DAK, die jährlich ihre Arzneimitteldaten auswertet, waren 2013 fast 30 % der Antibiotika-Verordnungen mit Blick auf die Diagnose fragwürdig. 40 % der Versicherten erhielten Antibiotika meistens bei Infektionen der oberen Atemwege, Bronchitis oder Husten verschrieben – Erkrankungen, die häufig von Viren verursacht werden. https://www.dak.de/dak/bundesthemen/Antibiotika-Report-1487632.html 07244 Im weitesten Sinn sind Screenings systematische Testverfahren, um in einer großen Zahl von Elementen (z. B. Patienten, Krankheitserreger usw.) einzelne Elemente mit bestimmten Eigenschaften zu identifizieren. Im Fall von Krankheitserregern / Antibiotikaresistenzen werden z. B. in einem Krankenhaus systematisch alle neu aufgenommenen Patienten auf das Vorhandensein bestimmter resistenter Keime getestet („Eingangsscreening“). Es kann zur Eindämmung der Ausbreitung bestimmter Keime beitragen, ist jedoch kein Allheilmittel, da es aufwändig und teuer ist, nur einen bestimmten Keim betrifft und das Auftreten neuer Stämme nicht erfassen kann.