LAUDATIO für Herrn Ing. Herbert Schachner anlässlich der Verleihung des Verdienstkreuzes des Deutschen Ordens durch S. E. Hochmeister Abt Dr. Bruno Platter am 14. September 2010 in der Deutschordenskirche Wien I. _________________________________________________________________ Hochwürdigster Herr Hochmeister, hochwürdiger P. Prior, verehrte Festversammlung, hochgeschätzter, lieber Herr Ing. Schachner! Einleitend möchte ich Ihnen sagen, dass ich es gut verstehen kann, wenn Sie darüber verwundert sind, dass ich an dieser Stelle zu Ihnen sprechen darf - ich bin es auch. Aber es bedeutet mir eine außerordentliche Ehre und Freude, anlässlich der Verleihung einer so hohen Auszeichnung des Deutschen Ordens die kirchenmusikalischen Verdienste von Herrn Ing. Schachner zu beleuchten und in diesem Licht vielleicht auch allgemein Wissenswertes zur Kirchenmusik zur Sprache bringen zu können. Hochwürdigster Herr Hochmeister, herzlichen Dank für Ihre Einladung dazu. Verehrte Festgäste, Sie werden es nicht glauben: es gibt Kirchenmusiker, die jede ihrer Aufführungen und jeden von ihnen geleisteten Solodienst genau vermerken. Dem ständigen Aktualisieren derartiger künstlerischer Lebensläufe wird mitunter mehr Zeit zugemessen als den Tätigkeiten selbst. Demgegenüber ist es bei einem so bescheidenen und jederzeit hilfs- und dienstbereiten Menschen wie Herrn Ing. Schachner nicht so einfach, eine chronologisch bzw. numerisch exakte Tabelle zu erstellen, wie lang und wie oft dieses oder jenes getan wurde. Zu selbstverständlich ist vieles, das da über Jahrzehnte hundert-, ja vielleicht tausendfach geschehen ist. So bleibt ein Großteil dieser Verdienste unkommentiert und wartet in der je eigenen Parzelle des himmlischen Ackerbodens auf die Ernte des ewigen Lohns. Bei Ihnen, Herr Ing. Schachner, werden die himmlischen Erntehelfer wohl einmal einiges zu schuften haben. Wenn meine Informationen stimmen, hat Ing. Schachner im Oktober des Jahres 1942 mit seinem Orgeldienst begonnen. 1942, mitten im Krieg. Ing. Schachner war damals so schwer lungenkrank, dass er nicht zur Wehrmacht einrücken musste und vom Kriegsdienst verschont blieb. In dieser Zeit übernahm er in der sogenannten Luegerkirche am Wiener Zentralfriedhof den Orgeldienst. Das war vor nunmehr 68 Jahren. Ing. Schachner sitzt also schon länger auf der Orgelbank, als die meisten von uns alt sind. Später übernahm Ing. Schachner Organistendienste auch anderswo, etwa im Johanneum, der ehemaligen Niederlassung der Schulbrüder in Wien 3, sowie in der altehrwürdigen Mutterpfarre des dritten Stadtdekanates, Erdberg St. Peter und Paul, deren erste urkundliche Erwähnung aus dem Jahr 1249 übrigens hier im Deutschordens-Archiv in einer Schenkungsurkunde der Margarete von Österreich an den Deutschen Orden dokumentiert ist. Nach dem Krieg, ab 1947, war Ing. Schachner dann auch in der Pfarrkirche Neusimmering am Enkplatz tätig (diese Pfarre feiert heuer das 100 JahrJubiläum ihrer Kirchweihe). Ein wichtiges Datum im musikalischen Curriculum unseres Auszuzeichnenden war das Jahr 1952. Da begann er als Korrepetitor bei den Proben des SiemensChores, dem Betriebschor des gleichnamigen Großunternehmens. Dieser Chor war schon im Jahr 1891 gegründet worden, seitens des Betriebes war hierfür Geschäftsführer Dr. Fellinger maßgeblich, seitens der künstlerischen Begleitung kein Geringerer als Johannes Brahms. Auch zur Zeit von Ing. Schachner wurde der Siemens-Chor von einer wichtigen Persönlichkeit des Wiener Musiklebens geleitet, nämlich von Hofrat Prof. Dr. Hans Zwölfer, dem späteren Gründer und Pionier des Wiener Musikgymnsiums und gefragten Experten der Wiener Kirchenmusik. Dr. Zwölfer war auch Chordirektor der berühmten Waisenhauskirche „Mariä Geburt“ auf dem Rennweg. So kam Ing. Schachner im schon genannten Jahr 1952 an diese renommierte Stätte der Wiener Kirchenmusik. Wenn wir in diesen Tagen traurig zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Kirchenmusik der Waisenhauskirche nach jahrhundertelanger Tradition am kommenden 8. Dezember ihr letztes Hochamt aufführen wird, dann können wir wohl nicht anders, als Ing. Schachner tröstend den Arm auf die Schulter zu legen. Für die Verantwortlichen dieses kulturellen Niedergangs schenkt uns der Psalm 32 geeignete Worte: „Sie sind wie Ross und Maultier, die ohne Verstand sind. Mit Zaum und Zügel muss man sie bändigen, sonst folgen sie dir nicht.“ Während der nunmehr 58 Jahre seiner Tätigkeit an der Waisenhauskirche erweiterte Ing. Schachner mehrmals seinen Aktionsradius und übernahm Dienste auch anderswo, etwa in der Meidlinger Pfarre Gatterhölzl, in der Pfarre Altsimmering, in St. Leopold und St. Joseph im 2. Bezirk sowie in anderen Kirchen. Fallweise hat Ing. Schachner auch in der Domkirche St. Stephan die Orgel gespielt. Irgendwann - 1987 oder 1988, er weiß es selbst nicht mehr so genau - hat Ing. Schachner dann hier, in der erhabenen Kirche des Deutschen Ordens, Orgeldienste übernommen. Diesem Dienst, einem ehrenamtlichen Dienst, ist er bis zum heutigen Tag treu geblieben, bis zum heutigen Tag im 88. Lebensjahr. Sie haben richtig gehört: Ing. Schachner feiert in wenigen Tagen, am 5. Oktober, den 88. Geburtstag. Hochverehrte Festversammlung, wenn man in kirchlichen Kreisen von Ing. Schachner und von den Orten seiner Tätigkeit spricht, dann spricht man zugleich von der Kirchenmusik, näher von der klassischen Kirchenmusik, die, besonders in Wien, mit großen Namen verbunden ist. Hier, im Haus des Deutschen Ordens, nennen wir als ersten selbstverständlich Wolfgang Amadeus Mozart, der im Jahr 1781 für einige Monate in diesem Haus gelebt und in Haus und Kirche auch musiziert hat. Mozart tat dies als Mitglied der fürsterzbischöflichen Kapelle des Salzburger Erzbischofs Hieronymus Colloredo, der zu jener Zeit hier logierte und sich von seinem Hofstaat, also auch von seiner Hofmusik, bedienen ließ. (Ansonsten wurde die hiesige Kirchenmusik bis zur josephinischen Reform im Jahr 1783 von der Stephaner Dommusik mitbetreut). Colloredo und Mozart verband ein etwas weniger von Wertschätzung geprägtes Verhältnis wie dies etwa bei Hochmeister Dr. Platter und Ing. Schachner der Fall ist. Nach wiederholten Konflikten kam es am 9. Mai des Jahres 1781 zum bekannten Eklat zwischen dem irdischen Fürst und dem himmlischen Genie. Mozart verließ das Haus des Deutschen Ordens und den Dienst bei Colloredo. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Mozart damals an der Nordwestecke des Deutschordenshauses gewohnt hat, im unmittelbaren vis-à- vis zur Taufkapelle des Stephansdoms; in dieser Kapelle wurde Colloredo später (1812) bestattet. Der Deutsche Orden hat aber noch andere, etwas verzweigte, Verbindungen zu Mozart. Ich darf daran erinnern, dass Mozart an der Kollaudierung der 1790 neuerrichteten Chrismann-Orgel in der Schottenfeldkirche teilgenommen und dieses Instrument dabei als das beste in Wien erklärt hat. Die Kirche wird zwar erst seit 1946 vom Deutschen Orden seelsorglich betreut. Nachdem Mozart aber allgemein als unsterblich angesehen wird, ist er bis heute fortlebend, auch und besonders in Schottenfeld. Zudem dürfte er mit P. Johannes und Dr. Vogel weit besser zurechtkommen als seinerzeit mit Hieronymus Colloredo. Der Hochaltar der Schottenfelder Pfarrkirche (er wurde aus dem aufgelassenen Kloster der Laurenzerinnen vom Laurenzerberg am Fleischmarkt unweit von hier in die damals neugebaute Kirche auf dem Schottenfeld übertragen), dieser Hochaltar stammt von Johann Baptist Hagenauer, Bildhauer der berühmten Salzburger Hagenauer-Dynastie und direkt Verwandter des Benediktinerpaters Dominicus Hagenauer, der der klassischen Kirchenmusik gleich zweimal vor die Flinte gelaufen ist: für Hagenauers Primizhochamt komponierte Mozart die „Dominicus-Messe“, für seine Abtsbenediktion 17 Jahre später schuf Michael Haydn die „Messa delle Benedicenza“, die nach ihrem Widmungsträger ebenfalls „Dominicus-Messe“ genannt wird. Schließlich führt uns unser kurzer Rundgang „Mozart in Wien und der Deutsche Orden“ an jene Orte, für die Mozart seine allerersten Messen komponiert hat, nämlich an die schon genannte Waisenhauskirche „Mariä Geburt“ auf dem Rennweg und, damit verbunden, in die Kirche St. Ursula in der Johannesgasse, wenige Schritte von hier entfernt. Diese Sakralräume stehen nicht unmittelbar in Beziehung mit dem Deutschen Orden. Aber - und hier rückt unser Auszuzeichnender wieder in den Mittelpunkt - mit Ing. Schachner. Er, der als Hauptorganist der Deutschordenskirche und nun auch als Träger einer der höchsten Auszeichnungen des Deutschen Ordens in besonderer Verbundenheit mit diesem Orden steht, er ist ja zugleich Organist an der Waisenhauskirche. Mit 58 Dienstjahren dürfte Ing. Schachner wohl auch einer der am längsten dienenden Musiker sein, die je in der traditionsreichen Kirchenmusik des ehemaligen Waisenhauses gewirkt haben. Zur Einweihung dieser Kirche im Jahr 1768 hatte Mozart seine Missa solemnis in c-moll komponiert, die sogenannte Waisenhaus-Messe. In Anwesenheit des Kaiserlichen Hofes dirigierte der damals zwölfjährige Mozart sein Erstlingswerk und trat damit erstmals „offiziell“ an die Wiener Öffentlichkeit. Eine nicht unwesentliche Rolle bei diesem Ereignis spielte der Leiter des Waisenhauses, der Jesuitenpater Ignaz Parhammer, eine wichtige Persönlichkeit der Wiener Kirchen- und Kirchenmusikszene. Die Familie Mozart war mit ihm gut befreundet, so wurden die Komposition und die Uraufführung der „WaisenhausMesse“ des Salzburger Wunderkindes von ihm tatkräftig angebahnt und vermittelt. Neben seiner Tätigkeit im Waisenhaus war P. Parhammer auch Spiritual bei den Ursulinen in der Johannesgasse, die zu jener Zeit das Triduum zur Seligsprechung ihrer Gründerin Angela Mérici vorbereiteten. Für diesen Anlass entstand, unmittelbar nach Komposition der Waisenhaus-Messe, Mozarts Missa brevis G-Dur, die Ursulinen-Messe. Ein Merkmal dieser Komposition ist übrigens ein ausgedehntes Basssolo im Credo, das bei der Uraufführung kurioserweise von einer Klosterschwester gesungen wurde. Im Blick auf den bedauerlichen Rückgang bei den Frauenorden tun sich hier neue Perspektiven auf. Hochverehrte Festversammlung! Wenn Ing. Schachner nun in wenigen Augenblicken das Verdienstkreuz des Deutschen Ordens verliehen erhält, dann ist es ein Fest für die ganze Familie. Zunächst ist da sicher seine eigene Familie gemeint, seine Verwandten, die Freunde und Bekannten aus dem Familienkreis, und allen voran natürlich seine liebenswürdige Frau, Maria, die im Herzen jetzt wahrscheinlich stolz zu ihrem Herbert aufschaut. Ihnen, verehrte, liebe, gnädige Frau, ein besonderes Vergelt’s Gott für alle Unterstützung des Gatten. In zweiter Linie ist es ein Fest für die Familie des Auszeichnung stiftenden Deutschen Ordens mit dem Herrn Hochmeister an der Spitze, für die Ordensmitglieder im engeren Sinn, für die Familiaren, aber auch für all jene, die dem Haus als Freunde und als Gottesdienstbesucher nahestehen. Und schließlich darf ich die Verleihung auch als Fest für die zugegebenermaßen etwas schwierige Familie der Wiener Kirchenmusiker einschätzen, die in Ihnen, verehrter Herr Ing. Schachner, ein leuchtendes Vorbild erkennen darf und soll. Die Betonung des Begriffes Familie erscheint mir gerade bei Ihnen so zutreffend, weil Sie Ihre Tätigkeit in einer Weise wahrnehmen, wie sie jenen eigen ist, die als Liebende unter uns leben. Ihr Wesen und Wirken ist nicht wie der Auftritt eines Stargastes, einmalig, polternd, grell, und doch rasch wieder verblassend, es ist nicht wie der Auftritt vieler Möchtegerns, die im kirchlichen Forum ein Plateau für subjektive Selbstverwirklichung suchen. Ihr Wesen ist vielmehr wie das eines altgedienten Familienmitglieds: verlässlich, dauerhaft, unverzichtbar. Ad multos annos! Thomas Dolezal