Die Azteken sind da Sensationelle Ausstellung im Berliner MartinGropius-Bau Das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz und die Berliner Festspiele GmbH zeigen bis zum 10. August 2003 im Martin-Gropius-Bau an der Niederkirchnerstraße in Berlin-Mitte eine sensationelle Ausstellung über das sagenumwobene kriegerische Volk der Azteken. Es war Träger eines mächtigen Reiches im mittleren Teil des heutigen Mexiko und wurde von spanischen Eroberern nach 1519/20 ausgelöscht. Eindringlich schildert die Dokumentation, die zuvor in der Royal Academy of Arts in London zu sehen war, den hohen Kulturstandard der Azteken, die sich selber Mexica nannten und sowohl Kalender, Schrift und Papier (aber kein Rad!) kannten als auch riesige Steinpyramiden auftürmten, auf deren Plattformen zahllose Gefangene den Göttern geopfert wurden. Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen die seit 1978 bei Ausgrabungen entdeckten Hinterlassenschaften im Templo Mayor, dem heiligen Bezirk der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlan, aus der sich die Hauptstadt Mexiko entwickelte. Der Templo Mayor war in vorspanischer Zeit das politische und religiöse Zentrum des aztekischen Imperiums. Sofort nach der Eroberung des Reiches haben die Konquistadoren ihn zerstört. Über seinen Fundamenten bauten die neuen Herren ihre Kirchen und Paläste. Wie sich bei den Ausgrabungen zeigte, war die Zerstörung nicht vollständig, und so entdeckten die Archäologen auf dem 500 mal 500 Meter großen Gelände mit ursprünglich 78 Bauwerken Gedenktafeln und Steinreliefs, Opfergefäße, Reste von Altären sowie zahlreiche Stand- und Sitzfiguren von Menschen. Dazu kommen komplett erhaltene Opferdepots mit Steinmessern, Graburnen, Schmuck aus Edelmetall und anderen Gegenständen. In den Fundamenten des Heiligtums entdeckte man auch aus gebranntem und bemaltem Ton bestehende Modelle von Tempeln. Sie vermitteln eine ungefähre Vorstellung von dem, was unter der Herrschaft der Spanier zerstört wurde. Unter den rund 500 aus mexikanischen, US-amerikanischen und europäischen Museen für die Berliner Ausstellung entliehenen Objekten befinden sich Monumentalplastiken von Menschen, Göttern und Tieren aus Stein und bemalter Keramik, ferner Schmuck aus Gold und Halbedelsteinen, aber auch Krüge und Töpfe sowie Bilderhandschriften mit Szenen aus dem Alltagsleben und von blutigen Kulthandlungen der Azteken. Deutlich wird, dass bei kriegerischen Auseinandersetzungen Menschen nur zu dem Zweck gefangen genommen wurden, um sie anschließend feierlich durch Herausreißen ihres Herzens zu töten. Dies geschah in der Hoffnung, die Götter durch Darbietung solcher Speisen günstig zu stimmen. Die Eroberer und die ihnen folgenden Priester waren über die blutigen Rituale entsetzt, und sie taten alles, die Erinnerung an die aztekische Periode auszulöschen. Daher wurden ganze Bibliotheken und einzelne Handschriften verbrannt und auch „heidnische“ Götterbilder zerstört. Da viele Skulpturen als Bauschutt oder zum Verfüllen von Gruben verwendet wurden oder die aztekische Bevölkerung das eine oder andere Bildwerk versteckt hat, gingen nicht alle Erinnerungsstücke verloren. Besonders kostbare Exemplare gelangten per Schiff von der Neuen Welt in das Alte Europa und erregten dort allgemeines Aufsehen. Bereits 1520 sah der deutsche Maler Albrecht Dürer solche Mitbringsel in Brüssel. Darunter befanden sich gravierte Scheiben aus Gold und Silber in der Größe von Wagenrädern, die der letzte Aztekenherrscher Motecuhzoma II. Xocoyotzin dem Anführer der Spanier, Hernán Cortés, als Geschenk überreichen ließ. Die „wunderlichen ding“ haben Dürer aufs Höchste erstaunt. „Und ich hab all mein lebtag nichts gesehen, das mein herz also erfreuet hat, als diese ding“. Die märchenhaften Goldund Silberschätze, welche die Eroberer den durch List und Verrat unterjochten Völkern raubten, vergingen bis auf wenige Stücke in den Schmelztiegeln der europäischen Münzanstalten oder wurden zu Schmuck verarbeitet. Daher stellen die in der Ausstellung präsentierten Edelmetallfiguren sowie der filigrane Brust-, Ohr-, Halsund Fingerschmuck ausgesprochene Raritäten dar. Viele dieser Kostbarkeiten werden zum ersten Mal außerhalb Mexikos gezeigt. Beteiligt an der eindrucksvollen Schau ist die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, die sie noch einmal vom November 2003 bis Januar 2004 in Bonn zeigen wird. Zur Ausstellung erschien bei DuMont Literatur und Kunst Verlag Köln ein reich illustrierter Katalog (550 S., 359 farbige Abb., 98 Euro, im MartinGropius-Bau als Paperback 29,90 Euro), der auch die Mühen um die Wiederentdeckung der Kunst und Kultur der Azteken seit dem 19. Jahrhundert schildert und auch den Anteil deutscher Gelehrter daran würdigt, ferner auf die Ausgrabungen im Templo Mayor eingeht und die Informationen auf den Bilderhandschriften aus der Zeit nach der spanischen Eroberung erläutert. Helmut Caspar Mit "Zurück" zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"