Fokus_78

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IfW-Fokus 78
26. Juli 2010
Verbote von Finanzmarktprodukten sind ineffizient*
Von Rolf J. Langhammer
Im Angelsächsischen gibt es die Redewendung „barking up the wrong tree“, die für die
derzeitige Politik sehr passend ist. Die Politik sucht nach den Verantwortlichen der
Finanzmarktkrise und ist in gut gemeinter Absicht dabei, mit einem neuen Verbot den
„falschen Baum anzubellen“. Der „falsche Baum“ ist hierbei das Verbot von Leerverkäufen
und Kreditausfallversicherungen (CDS). Eine derartige Maßnahme ist ineffizient und leicht zu
umgehen, wenn nur ein Land sie einführt. Dafür muss man die Geschäfte nur in einen anderen
Staat verlagern.
Hinzu kommt, dass die Politik letztlich die trügerische Hoffnung weckt, dass sie mit dem
Drehen an kleinen Schrauben große Wirkungen in der Arbeitsweise der globalen
Finanzmarktmaschinerie erzielen könne. Sie kuriert dabei nur an den Symptomen und
unterschätzt Nebenwirkungen und Ausweichreaktionen. Außerdem machen solche Verbote
unproduktive Dienste wie aufwendige und letztlich unwirksame Kontrollen nötig.
Jede Finanzinvestition ist zunächst spekulativ
Das Schlimmste an solchen Verboten ist allerdings, dass die Politik im Kern jegliche
zukunftsgerichtete Finanzmarktinvestition erst einmal pauschal als bösartige Spekulation
brandmarkt. Erst dann versucht sie, mithilfe untauglicher Kriterien (zum Beispiel kurzfristige
vs. langfristige Anlagen) zwischen erlaubter Investition und verwerflicher Spekulation zu
unter;scheiden. Dabei ist jede Finanzinvestition am Anfang naturgemäß unsicher, also stets
mehr oder weniger spekulativ.
Spekulanten sind keine bösen Menschen. Sie erfüllen eine wichtige Aufgabe auf den Märkten.
Würden alle Marktteilnehmer immer nur auf steigende Kurse setzen wollen, würde der
Handel nicht funktionieren. Es muss jemanden geben, der die Gegenwette hält und
Übertreibungen korrigiert, also für das Angebot beziehungsweise die Nachfrage sorgt. Für
jedes Geschäft braucht man einen Partner. Und daher gibt es im Moment an den
Finanzmärkten genauso Akteure, die auf ein Comeback Griechenlands spekulieren und bei
Erfolg Gewinne aus früheren Wetten auf die Insolvenz Griechenlands beschneiden oder sogar
in Verluste umkehren.
Drei Gründe, die gegen die Verbote sprechen
Es mag für die Politik bitter sein, aber dennoch sei es hier noch einmal gesagt:
Nachträgliche Verbote zeigen nichts anderes, als dass der Regulator den Märkten immer einen
Schritt hinterherhinkt. Verboten wird das, was bekannt ist. Gerade die Voraussicht auf
künftige Finanzmarktprodukte ist jedoch das, was der Politik naturgemäß fehlt. Die
Innovationskraft der Märkte ist hoch. Verbotene Produkte können schnell durch neue ersetzt
werden. Dem Einfallsreichtum der Finanzmärkte haben nach der Asienkrise 1997 weder der
Internationale Währungsfonds (IWF) noch das Finanzstabilitätsforum (FSF) folgen können.
Wie unwahrscheinlich muss es erst sein, dass dies jetzt der Politik durch ein Verbot einzelner
Arten von Transaktionen gelingt. Sicherer werden die Märkte so nicht.
Verbote haben einen Preis. Verteuern Verbote das Geschäft, werden Banken diesen Preis an
ihre Kunden weitergeben. Gerade in einer Zeit, in der viele Firmen über eine Kreditklemme
klagen, verteuert der Staat mit dieser Maßnahme das Kapitalangebot.
Vielen Banken geht es noch immer alles andere als gut. Ihnen bestimmte, aus der Sicht der
Politik verwerfliche Geschäfte zu untersagen, ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, sie in eine
babylonische Abhängigkeit von Staatshilfe zu treiben. Verwehrt man ihnen bestimmte
Geschäfte, werden sie andere versuchen. Wie sollen sie sich anders aus dieser Abhängigkeit
des Staates befreien als über Geschäfte, die ihnen überdurchschnittlichen Gewinn versprechen
– und die damit auch überdurchschnittlich riskant sind?
Auflagen statt Verbote
Aber die Politik ist nicht völlig machtlos. Sie muss versuchen, durch intelligente Auflagen
statt kruder Verbote Anbieter und Nachfrager von Finanzprodukten bereits im Vorhinein zu
vorsichtigeren Verhaltensweisen anzuleiten. Geschäfte und Beurteilungskriterien von
Ratingagenturen müssen transparenter werden. Wer Produkte verkauft, muss eine RestEigenbeteiligung an ihren Risiken halten. Gläubiger sollten im Notfall zum Eigentümer einer
Bank „befördert“ werden (sogenannte Debt-Equity-Swaps). Keiner möchte das. Eine solche
Auflage würde die Unvorsichtigkeit bremsen. Schließlich muss sich die Politik eindeutig und
glaubwürdig weigern, den Steuerzahler für missglückte Investitionen von
Finanzmarktakteuren einspringen zu lassen.
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