Biewer Vorlesung zu: Special-Needs – Kinder und Jugendliche mit besonderem Bedarf in der Schule 8. Modul WS 06/07 Thema der Vorlesung am 29.11. 2006 Sprachbeeinträchtigungen Literaturhinweise Brügge, W./ Mohs, K./ Richter, E.: So lernen Kinder sprechen. Die normale und die gestörte Sprachentwicklung. Ernst Reinhardt Verlag München Basel. 5. Auflage 2005 Franke, U.: Logopädisches Handlexikon. Ernst Reinhardt Verlag München Basel. 7. Auflage 2004 Hensle, U. / Vernooij, M. A.: Einführung in die Arbeit mit behinderten Menschen 1. Quelle und Meyer Verlag. 6. Auflage 2000 Szagun, G.: Sprachentwicklung beim Kind. Beltz Taschenbuch. Weinheim, Basel, Berlin 2000 Artikel Sprachstörung. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Online im WWW unter URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sprachst%C3%B6rung&oldid=23158214 [Abgerufen: 8. Dezember 2006] Grohnfeldt: Sprachbehinderung, Sprachbehinderte, Sprachbehindertenpädagogik Artikel Sprachbehinderung. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Online im WWW unter URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Sprachbehinderung&oldid=11073057 [Abgerufen: 8. Dezember 2006] Begriffliche Einteilungen Sprachheilpädagogik/Sprachbehindertenpädagogik: Als solche erst seit etwa 100 Jahren gebräuchliche Bezeichnung. (vgl. Hensle & Vernooij 2000, 208) Sprachbehinderung als übergeordneter Begriff oder Sammelbegriff für verschiedene Formen und Grade der Beeinträchtigung des Sprachverhaltens (verbal oder schriftlich). (ebd., 205) Die Sprachbehindertenpädagogik wird auch synonym für „Sprachheilpädagogik“ verwendet. (vgl. Grohnfeldt, 135) Die frühe Literatur reihte – so Hensle und Vernooij (2000, 206f.; vgl. Orthmann 1971, 35) – die Begriffe wie „Sprachbehinderung“, „Sprachstörung“, „Sprachschädigung“, „Sprachauffälligkeit“ oder auch „Sprachbeeinträchtigung“ ohne erkenntliche Abgrenzung aneinander. Orthmann kritisierte dies und forderte mehr Klarheit im Gebrauch der Begriffe. In Folge kam es zu verschiedenen – mehr oder weniger tauglichen – Abgrenzungsversuchen. (ebd.) Mehr dazu unter dem Punkt Allgemein ) Pädagogik bei Sprachstörungen oder auch Pädagogik der gestörten Kommunikationsfähigkeit (GKF) werden synonym verwendet. Vgl. angloamerikanischer Raum: Speech Pathology und als Synonym dafür: „Speech Correction“, „Communication Disorder“) (vgl. Grohnfeldt, 135) Die Disziplin der Sprachbehindertenpädagogik umfasst die Bereiche der Prävention und Diagnose, Beratung, Therapie und Rehabilitation. Zielgruppe sind Menschen mit Sprach-, Sprech-, Rede-, Stimm- und Schluckstörungen. (ebd.) Artikel Pragmatik (Linguistik). In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Online im WWW unter URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Pragmatik_%28Linguistik%29&oldid=24510357 [Abgerufen: 9. Dezember 2006] Sprachbehinderung: Definitionsversuche Sprachbehinderung: Oberbegriff für eine Vielzahl von Störungen in den Bereichen Sprachentwicklung, der Fähigkeit sprachliche Strukturen für die Kommunikation zu gebrauchen, der Stimme, des Sprechens, des Redeflusses,..(vgl. Artikel „Sprachbehinderung“) " Sprachbehinderte sind Menschen, die beeinträchtigt sind, ihre Muttersprache in Laut und/oder Schrift impressiv und/oder expressiv altersgerecht zu gebrauchen und dadurch in ihrer Persönlichkeits- und Sozialentwicklung sowie der Ausformung und Ausnutzung ihrer Lern- und Leistungsfähigkeit behindert werden." (ebd.) 1 Bei Biewer Modul 9: Sprachbehinderung als eine „vorübergehende oder dauernde Unfähigkeit, die allgemeine Umgangssprache in Laut und Schrift altersüblich zu verstehen, zu verarbeiten und zu äußern“. Sprachstörung: Definitionsversuche - Eine Sprachstörung, bzw. ein Sprachfehler bezeichnen eine Störung der gedanklichen Erzeugung von Sprache. Im Unterschied dazu kennzeichnet eine Sprechstörung primär die motorische Erzeugung von Lauten. (vgl. Artikel „Sprachstörung“) Wenn von einem Sprachfehler oder einer Sprachstörung die Rede ist, dann ist der Blick immer auf den Gesamtablauf einer Sprache einer Person zu richten. Die Beeinträchtigung liegt dabei im Sprachaufbau und im Sprachvermögen. (ebd.) - Sprachstörung als eine „Störung des Sprachaufbaus od. –vermögens. -> Sprachentwicklungsstörung. u. – behinderung, Spracherwerbsstörung, -> Alalie, -> Dysphasie (-> Dys-Agrammatismus), -> Aphasie, psychiatrische Sprachstörung. Vgl. a. Sprechstörung, > Redeflussstörung, -> Kommunikationsstörung -, ‚periphere’: -> Sprechstörung-, ‚zentrale’: Störung durch Schädigung im Gehirn“. (n. Franke 2004, 208) Allgemein In Bezug auf die Begrifflichkeiten wurde ja bereits zu Beginn darauf hingewiesen, dass es verschiedene Versuche der Abgrenzung gab. Zu diesen Versuchen ist z.B. der von PUPPE (1976, 141) verwendete Begriff der „Sprachauffälligkeit“ zu nennen, welche im weiteren Sinne als ein „Symptom einer gestörten Sprachentwicklung“ zu verstehen war. Der von DOHSE (1977, 70) gebrauchte Begriff sprach von einer „Sprachstörung“ als eine „umschriebene Funktionsbeeinträchtigung“, während er im Begriff der „Sprachbehinderung“ „ein den ganzen Menschen betreffendes Behinderungsgefüge“ beschreibt. KNURA (1974, 105ff.) wiederum verwendet den Begriff der „Sprachbehinderung“ als Oberbegriff und trifft eine Abgrenzung in Bezug auf die häufig gebrauchten Synonyme. Vor allem bezüglich der Begriffe der „Sprachbehinderung“ und der „Sprachstörung“ gab es um 1980 – so Hensle und Vernooij (2000, 207; vgl. Knura 1980, 3) – eine Weiterentwicklung und Präzisierung. Grohnfeldt: „Einteilung der Sprachbehinderungen“ in a) Störungen der Sprachentwicklung (z.B. Aussprachestörungen, Störungen der Semantik, des grammatischen Regelsystems wie Syntax od. Morphologie) b) Störungen der Rede (Stottern, Poltern, Mutismus, Sprechangst) c) Zentrale Sprach- und Sprechstörungen (Aphasie, Dysarthrophonie, Apraxie) d) Dysphonien (= Störung des Stimmklangs sowie der stimml. Leistungsfähigkeit. Ursachen: organisch, funktionell oder psychogen) e) Rhinophonien (= ebenso Störung des Stimmklangs sowie der Nasalität -> „offenes Näseln“ – „geschlossenes Näseln“) f) Myofunktionelle Störungen (bezieht sich auf Veränderungen des Schluckvorgangs) (vgl. Grohnfeldt, 136) Die Bereiche des Spracherwerbs zusammengefasst n. Franke (2004) Bereich der Pragmatik: (ling.) (Smiley u. Goldstein) Teil der Semiotik. Reihe von soziolinguistischen Regeln, die sich auf den Gebrauch der Sprache in kommunikativen Kontexten beziehen, z.B. Turn taking. (vgl. Franke, 173) Diese ling. Disziplin erforscht sprachliches Handeln und die Verwendung von Sprache. (Artikel „Pragmatik“- Linguistik) Bereich der Semantik: Lehre von den Bedeutungen und den Inhalten von Wörtern und Zeichen. Bereich der Grammatik: Betrifft den Sprachbau, weiters ein System , das Regeln für Verbindungen von Wörtern und Sätzen angibt. Es wird beispielsweise zwischen einer deskriptiven oder beschreibenden Grammatik (sprachlichen Einheiten eines Satzes werden auf den versch. Ebenen, auf denen sie vorkommen – Morpheme, Wortgruppen – identifiziert 2 und bezeichnet) und einer generativen oder erzeugenden Grammatik (nach Chomsky: Regelsystem, das auf explizite u. wohldefinierte Weise Sätzen Strukturbeschreibungen zuordnet, so dass die Satzstruktur, phonet. Gestalt u. semant. Deutung bestimmt werden kann.) unterschieden. (vgl. Franke, 92) Bereich der Phonologie/Aussprache: (n. Ulrich) die Lehre vom Phonem, seiner Verbindungsmöglichkeit, seinem Vorkommen, seiner Funktion im Sprachsystem, z.B. Lautdauer usw. (vgl. Franke, 167) vgl. Franke (2004) Bereiche der Störungen des Spracherwerbs Die folgend genannten Störung – den Spracherwerb betreffend – beziehen sich auf die bereits oben angeführten 4 Bereiche. Störungen im Bereich der Pragmatik: können demnach ein fehlendes oder unangemessenes sprachliches Handeln sein. Störungen im Bereich der Semantik: n. Wernicke z.B. eine Aphasie oder auch eine Sprachentwicklungsstörung u. psychiatr. Erkrankung oder auch eine Wortschatzstörung (vgl. Franke, 195), weiters eine fehlende Oberbegriffsbildung, Wortfindungsstörung. (Biewer Modul 9) Eine Aphasie kann erworben sein und durch hornorganische Schädigung entstehen. Es können dabei alle Komponenten des Sprachsystems – Lautstruktur, Wortschatz, Satzbau, Bdeutungsinhalte) – betroffen sein. (vgl. Franke, 21) Störungen im Bereich der Grammatik: z.B. Dysgrammatismus, Agrammatismus, Dysphasie. (vgl. Franke, 92) Beim Dysgrammatismus wird bei Brügge (et. al., 53) 3 Schweregrade unterschieden, wobei der so genannte Agrammatismus die schwerste Stufe bezeichnet. Unter Dysgrammatismus wird das „Unvermögen des Kindes verstanden, seine Gedanken, Wünsche und allgemeine Mitteilungen in der gebräuchlichen grammatikalischen Satzform auszudrücken“. Oft trete der Dysgrammatismus als Teilsymptom einer Sprachentwicklungsverzögerung auf. (ebd.) Es kommt zum Auslassen obligatorischer Satzstrukturelemente. Störungen im Bereich der Phonologie/Aussprache: z.B. eine Störung in der Lautbildung (od. Artikulation) und der Lautgliederung, wie das Stammeln (Dyslalie). Stammeln bezeichnet die Unfähigkeit des Kindes, bestimmte Laute oder Lautverbindungen korrekt bilden zu können oder diese an der entsprechenden Stelle im Wort bzw. dem Satz einzusetzen. (vgl. Brügge et. al., 50f.) Es ist in diesem Bereich weiters zwischen phonologischen (Lautgliederung) und phonetischen (die Lautbildung betreffend) zu unterscheiden. Sprachbeeinträchtigung und Umwelt (n. Biewer Modul 9) - - - Sprachentwicklungsgestörte Kinder kommen häufiger aus anregungsarmen sozio-kulturellem Milieu. Die Unkenntnis über Verschiedenheit und Komplexität von Sprachstörungen und über ihre möglichen Auswirkungen auf das Lern- und Leistungsverhalten würden leicht zu einer Unterschätzung der Sprachbehinderung und einer Überforderung und Benachteiligung betroffener Kinder führen. „Von vorrangiger Bedeutung ist das Ausmaß an negativen Zuschreibungsprozessen durch die Umwelt. Sprachstörungen können dadurch eine hohe Lebensbedeutsamkeit und psychosoziale Relevanz erhalten.“ (zit. n. Grohnefeldt, 136) Als psychosoziale Ursachen können folgende genannt werden: z.B. mangelhafte oder übermäßige Stimulationen, unzureichende Sprachmodelle, erzieherische Fehlhaltungen (Kritik, Missbilligung, Verwöhnung), sozio-kulturelle Deprivation,..(vgl. Hensle & Vernooij 2000, 216) Grundlagen der Pädagogik Lern- und Förderangebote im Bereich der Motorik: Mit Fokus auf die Feinmotorik -> Dafür wird beispielsweise mit Materialen wie mit Bausteinen, Puzzle, Schere, Stifte (in versch. Stärke), Fingerfarbe, Papier/Pappe zum Reißen oder Falten, Klebstift für Bastelarbeiten, Knete, Knöpfe, Perlen oder auch Schnüre mit verdicktem Ende und Steckbretter verwendet. Ziel sei es, dass die Kinder Sinneserfahrungen sammeln und eigene Fähigkeiten kennenzulernen und diese zu erweitern. (vgl. Brügge et. al., 83) 3 Lern- und Förderangebote im Bereich der Motorik: Mit Fokus auf die mundmotorische Geschicklichkeit -> hier wären mögliche Spielideen, wie z.B. Seifenblasen, Kerzen ausblasen, Kinderblasinstrumente wie Mundharmonika, Pfeifen oder ähnliches, mit der Zunge schnalzen, mit dem Strohhalm trinken, leichte Gegenstände mit dem Strohhalm ansaugen und transportieren, Schokostreusel mit der Zungenspitze von einem Teller aufnehmen,.. zu empfehlen. (vgl. Brügge et. al., 85) Lern- und Förderangebote im Bereich der Wahrnehmung: Mit Fokus auf der auditiven Wahrnehmung -> konkret die auditive Merkfähigkeit (kleine Aufträge und erzählte oder vorgelesene Geschichten) und die auditive Differenzierung (verschiedene Geräusche, Klänge und in weiterer Folge auch Sprachlaute voneinander unterscheiden lernen, z.B. mit verbundenen Augen Geräusche erraten) (vgl. Brügge et. al., 86f.) Lern- und Förderangebote im Bereich der Wahrnehmung: Mit Fokus auf der visuellen Wahrnehmung -> z.B. Farben, Formen und ähnliche Gegenstände im Alltag suchen, finden und benennen: z.B. durch Memory, Domino, Puzzle, Kim-Spiele,…(ebd., 89) Gezielte Angebote zur Förderung der sprachl. Entwicklung - - Sprachvorbilder -> Eltern sollten eigene Sprechweise – in Anwesenheit des Kindes – beobachten und auch gegebenenfalls verändern. (vgl. Brügge et. al., 69) Sprachliche Begleitung alltäglicher Handlungen Zuhören Kontakt zu Gleichaltrigen -> ist wichtig, um den Kindern in Kontakt mit anderen gleichaltrigen Kindern im Spiel über Sprache zu fördern. (ebd., 73) Korrigierende Rückmeldungen -> „Durch die Art der Äußerung im Gespräch können die Eltern dem Kind eine ‚korrigierende Rückmeldung’ für die Bereiche Artikulation, Satzbau und Wortschatz geben.“ (zit. n. Brügge et. al., 75) Es geht hierbei vor allem darum, die Äußerung des Kindes im Gespräch aufzugreifen, um dem Kind anzuzeigen, dass man es richtig verstanden hat. Zudem erhält das Kind dadurch eine Rückmeldung im Sinne eines „korrekten sprachlichen Vorbildes“. (ebd.) Sprachförderung durch Lieder, Fingerspiele und Reime psychische Spannungen und Blockaden abbauen Soziale Integration (s. Kontakt zu Gleichaltrigen) Symptomkorrekturen (vgl. Grohnfeldt, 137) Allgemeine Aktivierung von Selbstlernaktivitäten Verbesserung der Lebenstüchtigkeit und Lebensqualität des Betroffenen unter Rücksichtnahme der psychosozialen Faktoren. (ebd.) Didaktische Hinweise Nach Knura/Neumann (1980, 165) können folgender Grundsatz und Standortbestimmung auch heute noch geltend gemacht werden: ‚Die pädagogische Sichtweise erfordert es, Sprachstörungen nie isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit ihrer Bedeutung für den betroffenen Menschen und seine sozialen Bezüge zu sehen.’ (vgl. Hensle & Vernooij 2000, 225f.) Was soviel heißt wie, dass der Pädagoge die Sprachstörung auf jeden Fall in den Gesamtkontext der Psychosozialen Situation des Schülers zu stellen hat, denn „Überschneidungsbereiche sprachbezogener, kognitiver und psychosozialer Auffälligkeiten werden vermehrt beobachtet“, so Grohnfeldt (137). Grohnfeldt sehe weiters in der Kooperation von Lehrern der Sonderschule mit jenen der Allgemeinen Schule in additiven und integrativen Formen des Zwei-Lehrersystems eine „Individualisierung der Maßnahmen“. (ebd., 138) Das Vorschulter und das Grundschulalter würden sich aus pädagogischer Sicht am ehesten dafür eignen, Sprachstörungen anzugehen. Sprechflüssigkeitsstörungen am Beispiel des Stotterns a) Definition: Beim Stottern handelt es sich um eine so genannte „Redeflussstörung“. Es kommt hierbei zu Hemmungen und Unterbrechungen der interpersonellen Kommunikation. (vgl. Franke, 217) Unter einer „Physiologischen Sprechunflüssigkeit“ sind Wiederholungen/Unterbrechungen im Redefluss zu verstehen, die bei Kindern im Alter zwischen 2 ½ bis 5 Jahren auftreten können. Es handelt sich hierbei aber um keine Sprachstörung, auch wenn Ähnlichkeiten zum Stottern erkennbar seien. (vgl. Brügge et. al., 56f.) „Das Kind kann in der Regel alle Laute und Wörter richtig aussprechen und auch den 4 Satz richtig bilden, ist aber nicht immer in der Lage, flüssig zu sprechen“. (zit. n. Brügge et. al., 59) In Einzelfällen seien Mitbewegungen der Arme und Beine oder auch Anspannungen und Mitbewegungen im Bereich des Gesichts zu beobachten. (ebd.) b) Ursachen: Bezüglich der Ursachen des Stotterns werde schon länger geforscht, bis heute gibt es aber keine eindeutigen Theorien. Als mögliche Ursachen werden bei Brügge (61) ein „Ursachenbündel“ genannt – ähnlich wie bei der Sprachentwicklungsverzögerung – welches verschiedene Faktoren einschließt, welche das Stottern bedingen würden und entstehen ließen. Mögliche Ursachen können z.B. eine Sprachentwicklungsverzögerung, eine sprachliche Gestaltungsschwäche, eine familiäre Sprachanlageschwäche oder auch ein schlechtes Rhythmusempfinden sein. (vgl. Brügge et. al., 61f.) c) Therapie: Was den therapeutischen Bereich betrifft, so könne man hier beispielsweise „Ansätze im Bereich der Entspannung“ oder im Bereich der Sprechhilfen, der Stärkung der Persönlichkeit sowie der sozialen Beziehungen nennen. Bei Kindern im Vorschulbereich – wie auch im Kapitel oben besprochen – würde sich eine Elternberatung- und Hilfe empfehlen. Weitere Möglichkeiten im Bereich der Therapie wären z.B. eine Kinderspieltherapie. (vgl. Franke, 217) Der Beginn des Stotterns Anzeichen: vermehrt sei zu beobachten, dass die Kinder nur Lautwiederholungen an der Stelle von Silben-, Wort und Satzteilwiederholungen geben. Auch ein oftmaliges, häufigeres Auftreten von Wiederholungen in einem Wort, körperliche Anspannung bei den Wiederholungen, verlängertes Dehnen einzelner Laute, körperliche Anstrengung in den Pausen, Anspannungen im Mundbereich, Unflüssigkeiten in einer Dauer von mehr als 6 Monaten, sprachlicher Rückzug seitens des Kindes (das Kind verliert zunehmend Freude am Erzählen, bricht das Erzählen ab), aber auch ein allgemeiner Rückzug (das Kind weicht Sprechsituationen gezielt aus). Diese genannten Anzeichen müssen nicht gleichzeitig in Erscheinung treten und können auch in ihrer Ausprägung und Deutlichkeit schwanken. Sie sind weiters abhängig vom Tagesablauf, der Situation, Gesprächspartnern,..abhängig. (vgl. Brügge, 61) Klonische oder dem klonischen Stottern ähnliche Sprechauffälligkeiten: Klonisch heißt in Bezug auf das Stottern, dass es hierbei im Gesichtsbereich zum Auftreten von Muskelkontraktionen kommen kann. Dies kann aber in Bezug für das Hängenbleiben und Wiederholen von Lauten, Silben oder auch Wörtern sein. (vgl. Franke, 120) Ad „Physiologische Unflüssigkeiten“: Es kann sich ein beginnendes Stottern daraus entwickeln. Oft ist es für Erzieher/innen schwer ein mögliches beginnendes Stottern von entwicklungsbedingten „physiolog. Unflüssigkeiten“ zu unterscheiden. (vgl. Brügge, 59) Zeitpunkt der Auffälligkeiten: etwa zwischen 2,5 und 5 Jahren. Selten im Erwachsenenalter. Multifaktorielle Sichtweisen des Stotterns - - Knura (1974, 119) nennt 4 Theorien aus der Literatur zum Stottern: a) Entwicklungstheorien (> Stottern durch Einfluss besonderer Umweltsituationen), b) Dysphemietheorien (-> Stottern als Teilsymptom einer erblich bedingten organ. Störung), c) Neurosetheorien (-> Stottern als Ausdruck eines psychoneurot. Zustandes – gegeben durch psych. Konflikte.) oder d) Lerntheorien (-> Stottern als gelerntes Verhalten, welches andauernd verstärkt werde und/oder durch dementsprechende verhaltensmodifikator. Techniken auch wieder verlernt werden könne). (vgl. Hensle & Vernooij, 217) Ursprung und Genese seien an interpersonelle und soziale Rahmenbedingungen geknüpft, wie bereits angesprochen. Es gibt auch neurowissenschaftliche Sichtweisen bezüglich Therapieren des Stotterns. 5 Anhang Unterschiede im individuellen Spracherwerb: Quelle: Szagun (2000, 245; nach Bates et. al., 1988) Strang 1 Strang 2 Semantik Hoher Anteil von Nomen in den ersten 50 Wörtern Einzelne Wörter Imitiert Objektnamen Variabiltität in lexikalischen Kategorien Nur bedeutungsvolle Elemente Viele Adjektive Flexibler Gebrauch von Objektnamen Schnelles Vokabelwachstum Geringer Anteil von Nomen in den ersten 50 Wörtern formelhafte Ausdrücke Imitiert unselektiv Geringe Variabilität in lexikalischen Kategorien Gebrauch von Füllwörtern („dummy words“) Wenige Adjektive Kontextgebundener Gebrauch von Objektnamen Langsameres Vokabelwachstum Grammatik Kombinationen von Inhaltswörtern bei MLU von ca. 1.75 Bezug auf selbst und andere mit Namen bei MLU von ca. 1.75 Expansion der Nominalphrase Morphologische Übergeneralisierung Konsistente Anwendung von Regeln Neue Kombinationen Imitation hinter spontaner Produktion Schnelle Lerner Flexionen und Funktionswörter bei MLU von ca. 1.75 Bezug auf selbst und andere mit Pronomen bei MLU von ca. 1.75 Expansion der Verbalphrase Morphologische Untergeneralisierung Inkonsistente Anwendung von Regeln Starre Formen Imitation spontaner Produktion voraus Langsame Lerner Pragmatik Objektorientiert Deklarativ Geringe Variation von Sprechakten Personenorientiert Imperativ Hohe Variation von Sprechakten Phonologie (betrifft den Bereich der Aussprache) Wortorientiert Hoher Grad an Verständlichkeit Klare Segmentation Konsistente Aussprache von Wörtern Intonationsorientiert Geringer Grad an Verständlichkeit Suprasegmentell Variable Aussprache von Wörtern Quelle: Szagun Anmerkung zu obiger Tabelle Die beiden dargestellten Stränge beziehen sich in zum Einen (Strang 1) auf „Referentielle Kinder“ und zum Andern (Strang 2) auf eher „Expressive Kinder“, bei denen vor allem eine größere Vielfalt an Sprechakten erkennbar ist – um ein Beispiel zu erwähnen. (ebd., 245) 6